1. Lektion - lectio prima (unus, una, unum 1)


Inhalt:


Einleitung

 

Latin can be Fun ist der Titel der englischen Übersetzung -seit 1996 erschienen bei Barnes Noble- eines bekannten deutschen Handbuchs für Konversation in lateinischer Sprache: Sprechen Sie Lateinisch, von Georg Capellanus, -eines schon vor vielen Jahren verstorbenen "Schulmanns". Die deutsche Ausgabe erschien in Dümmlers Verlag, Bonn.

Der englische Titel behauptet allerdings nicht, daß Latein tatsächlich funny ist. Die meisten Schüler, die diese Sprache gewählt haben, werden das auch nicht behaupten, denn sie haben erfahren, daß Lateinlernen harte Arbeit ist, nicht unähnlich der Anstrengung, die der Mathe-Lerner aufwenden muß, wenn er hin und wieder ein Fun-Erlebnis erfahren will.

Aber kommen wir doch nochmals auf Sprechen Sie Lateinisch zurück. Gleich zu Beginn lernen Sie, wie Sie bei Ihrem nächsten Romaufenthalt mit einer hübschen jungen Dame flott ins Gespräch kommen können: loquerisne lingua latina? Sprechen Sie Lateinisch?
Natürlich antwortet sie: haud multum scio. Ich spreche es ein wenig.
Nun läuft alles wie am Schnürchen. Sie laden die Dame zu einem Glas Wein ein: licetne apponere vinum? Darf ich ihnen ein Glas Wein anbieten?
Aber sie lehnt höflich ab, invita nego -Ich bedaure, ich muß ablehnen. (So gebildet drücken sich die Damen in Rom aus!) Aber sie schlägt vor, das Forum zu besuchen, weil man dort so schön römische Inschriften lesen kann. Sie sagen nicht nein, sie gehen mit ihr zum Forum (natürlich massenhaft Touristen dort!).

Sie bleibt vor einem Grab stehen und zeigt auf eine Inschrift:

EGO SUM L. LUTATIUS PACCIUS THURARIUS DE FAMILIA REGE MITREDATIS

"Wie interessant! Mein Vater ist ebenfalls Kaufmann, er macht in Holz, er ist ein materiarius,"
ruft sie ganz erfreut aus.
Aber jetzt wird es für Sie unangenehm, denn was ist ein thurarius, und was ist ein materarius?

Sie werden einsehen, daß ein Buch wie Sprechen Sie Lateinisch? nicht zum Einstieg für lateinische Nullwisser gedacht ist, denn es setzt voraus, daß Sie sich bereits leichten Schritts in den Gefilden des Lateinischen bewegen können. Genau hier möchte ich Ihnen behutsam helfen gehenzulernen. Ich werde mich bemühen, lieber etwas zuviel als zu wenig zu erklären.
Als Lerner stelle ich mir einen erwachsenen Menschen vor, dem ich nicht mehr auseinandersetzen muß, wieso Lateinlernen auch heute noch Sinn macht, den ich also nicht erst motivieren muß. Ich möchte vor allem auch denjenigen helfen, die immer schon die Absicht hatten, sich mit klassischen Sprachen zu beschäftigen, die aber nie so recht Gelegenheit dazu hatten. Sollte der eine oder andere Schüler finden, daß der Kurs für ihn auch schulisch von Nutzen sein kann, so ist das natürlich ein akzeptabler Nebeneffekt.
Ich werde ähnlich vorgehen wie beim Griechisch-Kurs, der jetzt schon recht weit gediehen ist. Blättern Sie ein wenig im Griechischen herum, um zu sehen, was Sie im Lateinischen erwartet.
Ich setze eigentlich keine besonderen Sprachkenntnisse voraus, wenngleich eine gewisse Kenntnis der grammatischen Begriffe nicht schaden kann. Ich werde mich bemühen, auch die einfacheren Dinge sorgfältig zu erklären.

Der griechische Grundkurs wird mit etwa 50 Lektionen abgeschlossen sein, einen ähnlichen Umfang stelle ich mir auch für den Grundkurs Latein vor. Nach etwa sieben einleitenden Lektionen, werden wir uns der Lektüre der Schrift Commentarii de bello Gallico von Cäsar zuwenden. Mit Cäsar werden wir die Gallier und die lateinische Grammatik kennen lernen.
In den Anhängen werden wir ferner zahlreiche Ausschnitte anderer lateinischer Autoren lesen. (Wieder können Sie im Griechisch-Kurs nachsehen, wie das funktionieren wird.)

Im Übrigen sind Sie als Internetler, was Latein angeht, in einer besonders günstigen Lage, denn
Sie finden praktisch zu allen Fragen eine Anwort. Nicht nur finden Sie von fast jedem lateinischen Autor die Schriften in seiner Muttersprache, meist Latein, und in Übersetzungen, meist Englisch. Sie finden Wörterbücher, Lexika, Kommentare -was Sie wollen.
In http://www.logos.it/verbi/images/latino.html gibt es zu praktisch jedem lateinischen Verb Tafeln mit der kompletten Konjugation. Ein Muß für jeden an klassischen Sprachen Interessierten ist das Perseus-Projekt, das Sie unter http://www.perseus.tufts.edu/ aufsuchen können. Dort gibt es lateinische und griechische Autoren in großer Zahl. Das Besondere dabei ist, das jedes Wort klickbar ist! Im Griechischen benutzen wir diese Quelle besonders häufig.
Lassen Sie mich noch erwähnen, daß Sie unter http://www.yle.fi/fbc/latini/recitatio.html Nachrichten auf Lateinisch lesen und hören können. Sie können sogar Geschriebenes und Gesprochenes abspeichern und später beliebig oft lesen, bzw. abhören. Das ist vor allem am Anfang nützlich, wenn Sie sich noch in der Aussprache lateinischer Wörter üben müssen. Natürlich ist das Verstehen am Anfang nicht ganz einfach. Die Autoren bemühen sich allerdings, die lateinischen Sätze nicht zu stark zu verschachteln - wohl damit die Nachrichten nicht im Grammatikgestrüpp untergehen. Insgesamt erinnern die gesprochenen Nachrichten an den Sound des Italienischen.

Damit will ich auch gleich zum ersten Abschnitt übergehen, der sich mit der momentan in Deutschland üblichen Aussprache des Lateinischen beschäftigt. Von (Bundes) Land zu (Bundes) Land handhabt man die Aussprache des Lateinischen leicht verschieden. Zum Glück kümmert der lateinische Text selbst sich nicht sehr um diesen Streit -und die Wahrscheinlichkeit, einem älteren Römer zu begegenen, ist auch nicht sehr groß. Im Notfall sprechen Sie deutlich und langsam, dann wird er Sie schon verstehen.

Im Gegensatz zu manch anderer Sprache werden Sie mit dem Lateinischen keine großen Ausspracheprobleme haben, da man in Deutschland i.a. Latein so liest als wäre es Deutsch.
Wenn Sie z.B. das Vater-Unser auf Latein hersagen können, bleibt fast nichts mehr zu tun.
Aber sprechen Sie ein c immer wie k aus: Cicero wie kikero, Caesar wie käßar (das s immer wie ß aussprechen, ein r immer rollen wie im Spanischen).
Pater noster qui es in caelîs, sânctificêtur nômen tuum sprechen Sie dann so aus: Pa-ter noß-ter kwî äs in kälîs -das Dach auf dem i soll Sie anhalten, das i lang auszusprechen! Fett geschriebene Vokale werden betont-, ßânk-ti-fi-kê-tur nô-men tu-um.
Eigentlich dürfte man das ae nicht wie ä aussprechen, sondern wie ein Diphtong. Also Caesar wie ka-e-ßar aussprechen, wobei a-e gebunden zu sprechen ist (etwa wie ai in Kaiser; wußten Sie, daß Kaiser von Caesar kommt?).
Engländer, Amerikaner und Franzosen sprechen i.a. ae richtig diphtongisch aus, wir Deutschen tun so etwas meist nicht. Daß wir auch oe wie den Umlaut ö aussprechen, ist wohl klar: proelium wird bei uns wie prölium gelesen. Unsere Nachbarn lesen oe i.a. richtig als Diphthong. Das klingt dann ungefähr wie preulium (eu wie in heute). Ein geschriebenes eu sollten Sie aber wirklich zweisilbig aussprechen: neutrum ist ne-u-trum zu sprechen (z.B. wie im Portugiesischen oder Spanischen).

Das ist eigentlich schon alles, was Sie bei der Aussprache beachten sollten. Merken Sie sich noch, daß Sie ch, ph, th wie k, p, t aussprechen können, z.B. das th in theatrum wie in Theater ausprechen -nicht wie in Thatcher. Das lateinische Wort für schön ist pulcher. Wir lesen es als pulker. Auch das Wort für Schule schola enthält ein ch, das wie k gelesen werden muß: s-kola. (Das sch darf nie wie unser sch ausgesprochen werden, immer schön getrennt s-k sprechen!).
Leider jedoch stoßen Sie sehr an, wenn Sie in philosophia das ph wie p aussprechen, hier lautet ph wie ein f . Was machen Sie mit dem gn in Wörtern wie magnus groß? Sprechen Sie es wie unser ng in eng, Engel usw. aus. Also nicht mag-nus, sondern mang-nus. In römischer Spätzeit konnte man auch manjus hören.
Das Wort für fünf lautet quinque und sollte kwing-kwe gelesen werden.
Vorsicht! Sprechen Sie ti nie wie unser z aus, immer getrennt sprechen: ratio wie ra-t-i-o (und nicht wie razio) aussprechen. Horatius ist nicht horazius zu sprechen, sondern wie horat-i-us. In der katholischen Kirche macht man das allerdings anders, da ist und bleibt ein vitium ein vizium, -eben ein (moralischer) Fehler.

Das v sprechen wir wie unser w aus (ebenso u nach ng, q, s)
vînum Wein wînum; lingua Sprache lingwa; equus Pferd ekwus; suâdeô ich rate an ßwadeo;
vîvô ich lebe wî

Ein letzter Punkt: die Betonung. Wie betont man ein lateinisches Wort? Ganz einfach: niemals auf der letzten Silbe, immer auf der vorletzten (aber nur, wenn sie lang ist). Ist die vorletzte Silbe kurz (und gibt es genügend Silben), so wird die drittletzte Silbe betont.

Beispiele: cônsul der Konsul wird auf dem langen o der vorletzten Silbe con betont. Ich habe dies durch fette Schrift gekennzeichnet.
côn-su-li-bus
den Konsuln muß auf der drittletzten Silbe betont werden, da die vorletzte kurz ist.
Woher weiß man, ob eine Silbe lang oder kurz ist? Eine Silbe ist lang, wenn sie einen langen Vokal oder einen Diphthong enthält. (Ein Diphthong ist immer lang.)

Jetzt müßte man nur noch wissen, wann ein Vokal lang ist. Im Deutschen ist das einfach: Die Biene fliegt durch das Gitter . Das e hinter dem i sagt uns, daß das i lang ist. Das doppelte t hinter dem i sagt uns, daß das i kurz ist.
Im Lateinischen hilft uns das Wörterbuch weiter, das einen langen Vokal durch einen Querstrich kennzeichnet. Sie haben schon bemerkt, daß ich stattdessen ein ^ schreibe.
Diese Querstriche -meist auch die Akzente- werden i.a. nur in einführenden Schultexten gesetzt. Die Römer kannten diese Zeichen aber nicht!
Außerdem gibt es für einige Fälle einige einfache Regeln. Z.B. ist ein i vor ns immer lang -und muß auch lang gesprochen werden. Z.B. însânia Wahnsinn. (Gleichzeitig sehen Sie, daß das i am Schluß in ia kurz ist. Das ist deshalb so, weil es eine andere Regel gibt, die sagt Vokal vor Vokal ist kurz. So ist auch das e in habe-ô ich habe ein kurzer Vokal.)

Merke: Vor nf, ns, nct, gn ist ein Vokal immer lang (înfâns, sânctus, sîgnum, gîgnere)

Ich kennzeichne einen langen Vokal am Anfang des Kurses meist mit dem Zeichen ^.

Positionslänge

Schließlich müssen Sie sich merken, daß eine Silbe auch dann lang sein kann, wenn sie einen kurzen Vokal enthält. Das ist dann der Fall, wenn der Vokal vor zwei oder mehr Konsonanten steht, von denen der zweite nicht l oder r ist. (Die Silbe ist dann positionslang oder positione lang; positiô Stellung.) Der kurze Vokal in einer positionslangen Silbe wird aber kurz ausgesprochen! Vokallänge und Silbenlänge sind eben verschiedene Dinge.

Beispiele: In Augustus wird die Silbe gus betont, weil sie die vorletzte Silbe und positionslang ist. Das u in locuplês reich steht zwar vor zwei Konsonanten, die zugehörige Silbe ist dennoch kurz, weil auf das p ein l folgt.
In înstrûmentum ist die vorletzte Silbe lang, weil das kurze e vor nt steht. Das anlautende i ist lang, weil es vor ns steht. In mêns der Verstand, der Geist ist das e vor ns lang. In mentis des Verstandes ist das e ein kurzer Vokal, die Silbe men ist aber lang, weil auf das e zwei Konsonanten folgen.

Wir müssen noch zur Kenntnis nehmen, daß beim Lesen von Versen eine andere Akzentuierung benutzt wird (die Versbetonung). Ich werde später genauer auf diesen Punkt eingehen, aber Sie sollten sich schon jetzt darin üben, die Verse so zu lesen, wie die Römer sie vermutlich gelesen haben. Ich werde die Versbetonung durch rote Schrift kennzeichnen. Sehr häufig treffen wir auf den Hexameter (Sechsmaß). Das ist eine Reihe von sechs Metren (Versfüßen), von denen jedes die Form eines sogenannten Daktylus hat, d.h. auf eine Länge folgen zwei Kürzen. Hier haben Sie ein Beispiel (die roten Vokale tragen den Ton!):

sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant Kinder sind Kinder, Kinder Kindereien treiben

In pu-er das Kind sprechen Sie bitte u und e getrennt aus. Im Vers wird das i betont, im Wort aber das u. puerilia sind Kindereien und tractare bedeutet betreiben, behandeln.

Silben werden nach Sprechsilben getrennt, auch st wird getrennt.

im-pe-râ-re befehlen, herrschen; ip-se selbst; aes-tâs der Sommer

pa-tris des Vaters, pul-chra hübsch usw. (Die Konsonantverbindungen tr, pl, chr, gr, br usw. gehören zur Gruppe der Muta mit Liquida-Verbindungen, das sind Kombinationen aus einem Verschlußlaut mit r oder l. Eine derartige Verbindung wird nicht getrennt.)

ap-portâre herbeiholen (zusammengesetzte Wörter werden nach ihren Bestandteilen getrennt).

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Grammatik

Wörter und Sätze gehorchen in jeder Sprache gewissen Strukturgesetzen. Die Zusammenstellung dieser Gesetze finden wir in der Grammatik der Sprache.

Im Deutschen pflegen wir die Menge der existierenden Wörter in 10 Wortarten einzuteilen.
Genauso macht man es im Lateinischen. Allerdings haben wir hier eine Art weniger, da es im Lateinischen kein Geschlechtswort (Artikel) gibt. Wir werden die neun Arten in drei Hauptgruppen zusammenfassen: Nomina, Partikeln und Verba. (Statt Verba sagt man meist Verben, die Tätigkeitswörter.)
Die beiden ersten Gruppen enthalten je vier Arten:

Nomina (Einzahl das Nomen)

Substantiva (Einz.: das Substantiv (um); Hauptwort: die Stadt)
Adjektiva (das Adjektiv (um); Eigenschaftswort: groß, schön)
Pronomina (das Pronomen; Fürwort: wir)
Numeralia (das Numerale; Zahlwort: der dritte)

Partikeln

Adverbia (Einz.: das Adverb(ium); Umstandswort: selten)
Präpositionen (die Präposition; Verhältniswort: hinter)
Konjunktionen (die Konjunktion; Bindewort: und, aber)
Interjektionen (die Interjektion; Ausrufewort: ach! oh!)

Nomina und Verba sind veränderlich (flektierbar), Partikeln sind unveränderlich
(unflektierbar).
Die Flexion (Beugung) der Nomina wird Deklination genannt. Die Flexion der Verben
heißt Konjugation.

Man kennt 5 Arten der Deklination und 4 der Konjugation.

Ich wiederhole nochmals: Das Lateinische kennt keinen Artikel (Geschlechtswort), weder bestimmten (der, die, das) noch unbestimmten (ein, eine, ein). Ein Wort wie flamma kann heißen die Flamme, eine Flamme oder einfach Flamme.
Um ein Nomen zu kennzeichnen, ist es nötig, sein Geschlecht, Genus, (männlich, weiblich, sächlich, masculinum, femininum, neutrum), seine Zahl, Numerus, (Einzahl, Mehrzahl, singularis, pluralis) sowie seinen Fall, Kâsus, anzugeben.

Der Kâsus eines Nomens sagt uns, welche Funktion ein Nomen im Satz hat. Ist ein Substantiv z.B. Subjekt eines Satzes, so muß sein Kasus der Nominativ (1.Fall) sein. In anderen Funktionen muß ein Nomen im Genitiv (2. Fall) stehen usw. Im Lateinischen hat jedes Nomen 6 Kâsûs, also zwei mehr als im Deutschen. (Beachten Sie, daß das Wort Kasus in der Mehrzahl, im Plural, zwei lange Vokale besitzt. In der Einzahl, im Singular, ist nur a lang. Ich werde das künftig aber nicht jedesmal kennzeichnen.)
Die Zusammenstellung aller Kasus nennt man das Deklinationsmodell des Nomens. Zunächst werde ich Ihnen das Modell (Paradîgma) derjenigen Wörter angeben, die auf a ausgehen. Sie sind i.a. weiblich: flamma die Flamme, amica die Freundin, ûva die Traube; rôsa die Rose usw.

 

Die erste oder â -Deklination (amîca, -ae f die Freundin)

Kasus

Frage

Singular

Plural

Nominativ

wer od. was?

amîc-a

die Freundin
eine Freundin

amîc-ae

die Freundinnen

Genitiv

wessen?

amîc-ae

der Freundin

amîc-ârum

der Freundinnen

Dativ

wem?

amîc-ae

der Freundin

amîc-îs

den Freundinnen

Akkusativ

wen od. was?

amîc-am

die Freundin

amîc-âs

die Freundinnen

Ablativ

womit? wovon?

amîc-â

mit der Freundin

amîc-îs

mit den Freundinnen

Vokativ

 

amîc-a

(o) Freundin

amîc-ae

(o) Freundinnen


Überall wird das erste î betont, außer in amîc-arum, wo das a betont wird.
Daß die Ausgänge einiger Kasus gleich sind, führt in der Praxis selten zu Schwierigkeiten, der Kontext (Sinnzusammenhang) sagt i.a. worum es sich handelt. Statt Nominativus, Genitivus usw. sagt man meist nur Nominativ, Genitiv usw. Statt Nominativus Singularis (Pluralis) sagt man nur Nominativ Singular (Plural).

Anmerkungen:

  1. Der Vokativ ist im Singular (fast) immer gleich dem Nominativ. Im Plural sind Nom. und Vok. immer gleichlautend. Nur der Vokativ Sing. der Wörter auf -us (2. Deklination oder o-Deklination) geht nicht auf -us, sondern auf -e, z.B. Române o Römer!)
  2. Die Ausgänge -am, -ârum, -âs kommen nur einmal vor. Der Ausgang -îs kommt zweimal vor, nämlich im Dat. und Abl. Plural. Merke: Bei allen lateinischen Wörtern ist Dat. Pl. gleich dem Abl. Plural.
  3. Der Ablativ hat bei Personen die Präposition â bei sich (vor h und Vokalen ab).
    Z.B ab amîcâ von der Freundin.
    Im Ablativ Sing. enden alle vokalischen Deklinationen auf den Stammauslaut, vgl. den folgenden Abschnitt.

 


Ein Substantiv wie puell-a das Mädchen besteht aus Wortstock puell- und Ausgang -a.
Sie finden Wortstock und Ausgang, indem Sie vom zweiten Fall Einzahl (Genitiv Singular) das ae abstreifen: puell-ae des Mädchens.
Den Stamm eines Nomens finden Sie, wenn Sie vom zweiten Fall Mehrzahl (Genitiv Plural) das Schluß -rum (bzw. -um) wegnehmen. Von puella lautet der Genitiv Plural puellâ-rum.
Was bleibt, wenn sie rum wegnehmen? Der Stamm puell-â- bleibt.
Das entfallene -rum heißt Endung. Der Endvokal a des Stammes wird Kennvokal oder Bindevokal genannt. (Bei Wörtern, die im Genitiv Plural nicht auf -rum sondern nur auf -um ausgehen, kann man natürlich nur ein -um wegnehmen: turri-um, rêg-um usw.)

Man kann ein Nomen entweder in Wortstock und Ausgang oder in Stamm und
Endung zerlegen. Ausgang = Kennvokal + Endung.

Beispiele: flamma, -ae, -ârum die Flamme (die Ausgänge von Gen. Sg. und Gen. Pl. sind hier vermerkt). Wortstock: flamm-; Stamm: flammâ-
stêlla, -ae, -ârum
der Stern; Wortstock: stêll-; Stamm: stêllâ-

Wenn wir flamma deklinieren wollen, so haben wir im Singular nur die Ausgänge
-a, -ae, -ae, -am, -â an den Wortstock zu hängen.
Den Vokativ führen wir nicht mehr an, da er ja mit dem Nominativ übereinstimmt. (Nur bei der o-Deklination auf -us hat er im Singular eine eigene Endung, nämlich -e.)
Im Plural lauten die Ausgänge -ae, -ârum, -îs, -âs, -îs. Weiter unten werden wir dazu Beispiele bringen.

Nun ist es für uns bestimmt keine große Anstrengung, wenn wir auch gleich die Deklination der Wörter auf -us und -um lernen, z.B. amîcus der Freund, dônum das Geschenk.
Ihre Deklination heißt 2. Deklination oder o-Deklination.
Die Wörter der o-Deklination auf -us sind männlich, die auf -um sächlich. Wieder haben wir uns nur die Ausgänge zu merken:

Singular: -us (-um), -î, -ô, -um, -ô (Die eingeklammerten Ausgänge gelten für Neutra)

Plural: -î (-a), -ôrum, -îs, -ôs (-a), -îs

 

Wie im Deutschen stimmen bei den Neutra Nominativ und Akkusativ stets überein.
Diese Deklination wird deshalb o-Deklination genannt, weil das u früher einmal ein o war. Es hieß damals nicht amicu-s, sondern amico-s. Im Gen. Sg. stand amico-i, nicht amici. Der Akk.Sg. lautete auf -om aus, nicht auf -um.

(In der a-Deklination hieß der Gen.Sg. früher amica-i und nicht amicae. Es gab sogar einen weiteren Genitiv auf -âs, den wir noch in der Verbindung pater famliâs Hausvater antreffen.)

Es gibt auch Wörter auf -us, die nicht zur o-Deklination, sondern zur u-Deklination gehören,
die wir erst in der 4. Lektion besprechen werden.
Sie können sie aber von denen der o-Deklination unterscheiden, wenn Sie sich nicht nur den Nominativ merken, sondern auch den Genitiv (und am besten auch gleich das Genus):

hortus, hortî m der Garten (o-Dekl.), aber exercitus, exercitûs m das Heer (u-Dekl.)

hortus der Garten ist ein Gemeinschaftswort indoeuropäischer -wenn Sie wollen auch: indogermanischer- Sprachen. Im Deutschen haben wir z.B. in Garten ebenfalls die Kombination rt. Im Hethitischen lautet Garten gurtas.

In Wörterbüchern wird vom Genitiv nur der Ausgang angegeben: hortus, î m Garten;
exercitus, ûs m Heer. (Sie finden auch exercitus 3 hartgeprüft, geplagt. Es handelt sich hier um ein Adjektiv mit den Endungen -us,-a,-um. Ein geplagter Freund ist ein amîcus exercitus, eine geplagte Freundin ist dagegen eine amîca exercita. Ein hartgeprüfter Tempel -gab es bestimmt schon!- ist ein templum exercitum, sprich: templum exerkitum.

Merken: Das Adjektiv muß sich in Genus, Numerus und Kasus nach seinem Beziehungswort richten.

Meistens steht das Adjektiv hinter seinem Substantiv. Ist es aber betont, das ist bei bonus,-a,-um gut praktisch immer der Fall, so steht es auch vor dem Substantiv.

Jetzt schauen Sie sich bitte noch genau die Tabelle an:

 

hortus, î m der Garten

templum, î n der Tempel

Nominativ

hort-us

hort-î

templ-um

templ-a

Genitiv

hort-î

hort-ôrum

templ-î

templ-ôrum

Dativ

hort-ô

hort-îs

templ-ô

templ-îs

Akkusativ

hort-um

hort-ôs

templ-um

templ-a

Ablativ

hort-ô

hort-îs

templ-ô

templ-îs

Vokativ

hort-e

hort-î

templ-um

templ-a


Fällt Ihnen auf, daß bei den Neutra drei Kasus übereinstimmen: Nom., Akk. und Vokativ?
Im Plural haben diese alle den Ausgang a. Dies gilt für alle Deklinationen!

(Allerdings gibt es in der a-und in der e-Deklination keine Neutra.)

Beachten Sie, daß der Vokativ Sing. von hortus nicht gleich ist dem Nom Sing.! Es gibt aber ein Wort der o-Dekl., bei dem Nom. = Vok. gilt: deus, deî Gott (getrennt sprechen: de-us, de-i). Demnach heißt o Gott deus, und nicht etwa dee, (o Herr heißt aber domine! von dominus, î der Herr). Im Plural ziehen die Lateiner das -eî- manchmal zu -î- zusammen, sodaß der Nom. und Vok. Pl. nicht nur deheißt, sondern auch einfach die Götter, o Götter! Dat. und Abl. Plur. heißen nicht nur de-îs, sondern auch dîs.
Der Vokativ von meus mein lautet mî. Demnach heißt o, mein Gott mî deus! Merken Sie sich vielleicht auch noch, daß der Vokativ Sg. von fîli-us, fîli-î ( getrennt sprechen!) der Sohn fîheißt.
Also o, mein Sohn mî fîlî !

Wir wollen uns noch merken, daß einige Wörter der o-Deklination das ursprüngliche Nominativ-us aufgegeben haben, in den übrigen Kasus trat aber keine Änderung auf. Ihr Stamm geht auf -r aus.

ager, agr-î, agr-ô, agr-um, agr-ô, ager das Weideland, der Acker, das Feld
vir, vir-î, vir-ô, vir-um usw. der Mann
puer, puer-î, puer-ô, puer-um usw. der Junge

Ferner: vesper Abend, Abendstern, gener Schwiegersohn, socer Schwiegervater
lîberî die Kinder (kommt nur im Plural vor, im Singular wird puer oder puella benutzt.
Puella ist entstanden aus puer-la. Das r glich sich im Laufe der Zeit dem l an. Man nennt
diesen Vorgang Assimilation. Das Adjektiv lîber bedeutet frei. Die lîberî sind demnach die freien Kinder. Ein Wort, das nur im Plural vorkommt, heißt plurale tantum (tantum = Adverb nur. Der Plural lautet pluralia tantum.).
Verwechseln Sie die lieben lîberî nicht mit librî -kurzes i und kein e! Das sind nämlich die Bücher. liber, librî das Buch: librî malî virôrum clarôrum sind die schlechten Bücher der berühmten Männer, dagegen sind lîberî bonî virôrum clarôrum die guten Kinder der berühmten Männer. bonus 3 gut, malus 3 schlecht, (mâlum, î n der Apfel! mâlus, î f
der Apfelbaum; Bäume sind immer weiblich! -denn darin wohnen die Nymphen. Bei dreiendigen Adjektiven wie bonus,a,um schreibt man kurz bonus 3. Wir werden auch zweiendige -sogar einendige- Adjektive kennenlernen.)

Bei vir selbst gibt es kein Deklinationsproblem. Aber bei Zusammensetzungen wie
decemvir, decemviri oder triumvir, triumviri usw. muß man beachten, daß das i der Paenultima (vorletzte Silbe) kurz ist und daher nicht betont werden kann. Der Akzent fällt auf die Antepaenultima (drittletzte Silbe): decemviri, triumviri usw.
Nur wenige Wörter mit Stamm auf r haben den Ausgang -us behalten: mûrus, î die Mauer,
taurus, î der Stier.

Damit wir schöne Beispiele bilden können, ist es nötig, heute noch (aber dann ist Schluß!) die folgenden kleinen Tabellen zur a- und e- Konjugation festzuhalten (es ist jeweils der Indikativ Präsens Aktiv, -später erkläre ich Ihnen diese Begriffe):

a-Konjugation

1. Person

laud-ô

ich lobe

laudâ-mus

wir loben

Infinitiv:

laudâ-re loben

2. Person

laudâ-s

du lobst

laudâ-tis

ihr lobt

Imperativ:

lau ! lobe!

3. Person

lauda-t

er lobt

lauda-nt

sie loben

 

laudâ-te! lobet!

 

e-Konjugation

1. Person

vide-ô

ich sehe

vidê-mus

wir sehen

Infinitiv:

vidê-re sehen

2. Person

vidê-s

du siehst

vidê-tis

ihr seht

Imperativ:

vidê ! sieh!

3. Person

vide-t

er sieht

vide-nt

sie sehen

 

vidê-te! seht!

1. Person

habe-ô

ich habe

habê-mus

wir haben

Infinitiv:

habê-re haben

2. Person

habê-s

du hast

habê-tis

ihr habt

Imperativ:

habê ! habe!

3. Person

habe-t

er hat

habe-nt

sie haben

 

habê-te! habet!

 

Der Infinitiv (Nennform, der "Unbestimmte") ist an der Endung -re zu erkennen.
Der (Präsens)-Stamm ist laudâ- , bzw. vidê- . Der Stammauslaut gibt der zugehörigen Konjugation den Namen.
Andere Verben wie z.B. vocâ-re rufen, mônstrâ-re zeigen, nârrâ-re erzählen usw. bzw. tenê-re halten, gaudê-re froh sein usw. werden genauso konjugiert wie laudâ-re bzw. vidê-re.

Die 1. Person laudô fällt etwas aus dem Rahmen, weil ihr Stamm nicht auf â ausgeht. Aber das ô ist durch Zusammenziehung aus -â-ô entstanden. Ursprünglich hieß ich lobe nämlich laudâ-ô, hatte also ebenfalls einen Stamm, der auf â ausging. Vide-ô wurde zwar nicht kontrahiert, aber aus dem ursprünglichen -ê-ô wurde -e-ô , d.h. das ursprünglich lange ê wurde verkürzt. Erinnern Sie sich der Regel Vokal vor Vokal wird kurz ? Noch eine Kleinigkeit: In lauda-t er, sie, es lobt und vide-t er, sie, es sieht ist der Vokal im Stammauslaut kurz weil eine weitere Regel besagt, daß der Vokal in einer Endsilbe, die auf einen Konsonanten endet, kurz ist, wenn der Konsonant nicht gleich s ist.

Wenn Sie die Konjugation von vidê-re mit der von habê-re vergleichen, werden Sie feststellen, daß sie sich nur im sogenannten Wortstamm unterscheiden: bei vidê-re lautet er vidê-, bei habê-re habê-. Der Stamm-Endvokal lautet in beiden Fällen e, der Kennvokal der e-Konjugation. Die Endungen sind immer dieselben. Wenn wir vom Wortstamm den Kennvokal abstreifen, erhalten wir den Wortstock: vid- bzw. hab-. Endung und Kennvokal bilden zusammen den Ausgang.

Beachten Sie auch, daß der Singular des Imperativs gleich ist dem bloßen Stamm (eigentlich Präsensstamm, dazu später Genaueres). Der Plural des Imperativs hängt die Endung -te an den Präsensstamm. Die Ausgänge des Imperativs sind -â, -âte und -ê, -ête.

Das Hilfszeitwort sein lautet lateinisch es-se, geht also nicht auf re aus. Es handelt sich bei -se aber um die alte Endung, die sich erst später in -re verwandelt hat.

Beispiele:


In transitiven Sätzen (wen -Sätzen) lautet die Wortfolge i.a. Subjekt, Objekt, Verb (S-O-V). Z.B. columba (=Subjekt) filiam (= direktes Objekt) delectat (Verb) die Taube erfreut (wen oder was) die Tochter. (columba,ae f die Taube; fîlia,ae f die Tochter; delectâre erfreuen).

E
in indirektes Objekt antwortet auf die Frage wem ?, z.B. in gallînae agricolae placent ist agricolae ein indirektes Objekt, denn es antwortet auf die Frage "wem gefallen die Hühner?"
Auf die Frage wem? folgt ein Dativ. (placet es gefällt; placent sie gefallen; agricola,ae m der Bauer, gallîna,ae f das Huhn) Die Hühner gefallen dem Bauer.

delectâre erfreuen ist ein transitives Verb, placêre gefallen ist ein intransitives Verb.

Will man die Betonung im transitiven Satz verlegen, so kann man die Wortfolge ändern. Z.B.
filiam columba delectat (O-S-V) die Taube erfreut die Tochter (und nicht jemand anderen).
delectat columba filiam (V-S-O) die Taube erfreut die Tochter (und stimmt sie nicht etwa traurig).

Auch bei einem Prädikats-Substantiv können wir i.a. nicht mehr verlangen, daß es mit dem Subjekt in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmt. Nehmen Sie das folgende Beispiel

Agricolae sunt praesidium patriae. Die Bauern sind der Schutz des Vaterlandes.

agricolae Nom.Pl.Mask. die Bauern
sunt sie sind
praesidium, praesidi-î (getrennt sprechen) n Nom. Sing. ein Schutz.
Substantive auf -ium haben im Genitiv neben -iî auch einfach -î, also Gen.: praesid-î
patri-ae Gen. Sing. von patri-a das Vaterland

Das Prädikatsnomen (1.Fall Singular, Neutr.) stimmt mit dem Subjekt agricolae (1.Fall Plural, Mask.) nur im Fall (Kasus) überein.

Man kann sich natürlich Beispiele ausdenken, in denen vollständige Übereinstimmung vorliegt:

Incolae însulae agricolae sunt. Die Einwohner der Insel sind Bauern.

incola, ae m der Einwohner (hier 1.Fall Pl.)
însula, ae f die Insel (hier 2.Fall Sing., Prädikatsgenitiv von incolae)
Hier haben incolae und agricolae gleiches Geschlecht (Genus), gleichen Numerus (beide Plural) und gleichen Kasus (beide im 1.Fall Pl.)

Ich werde die Grammatik, die hier zur Anwendung kam, in der kommenden Lektion nochmals darstellen, teils ausführlicher als hier. Daher: Wenn Sie vorhin auch nicht alles verstanden haben, in der nächsten Lektion klärt sich alles auf. Um Ihr Selbstvertrauen etwas zu stärken, sollten Sie folgende Stellen aus dem NT (Neues Testament) beherzigen:

Mat 5:13,14
Vôs estis sal terrae Ihr seid das Salz der Erde.

und

Vôs estis lûx mundi Ihr seid das Licht der Welt.

Bei solchen Sätzen hat man doch keinerlei Grammatikprobleme!

 

 

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Übungen zur Grammatik


Bitte übersetzen:

Lauter Sätzchen aus alten Schulbüchern, in denen es von Jungfrauen, Matrosen (Seeleute), Königinnen und Bauern nur so wimmelte. Spätestens bei der Cäsar-Lektüre kommen wir dann zur Sache. Natürlich waren die Töchter römischer Bauern alle hübsch, fromm und wohlerzogen.

Lösungen:

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Lektüre

An dieser Stelle wird künftig der jeweilige Haupttext stehen. Das wird bald Cäsars Gallischer Krieg sein. Vorher aber, ab der 3. Lektion, werden wir uns anhand kurzer Textstücke mit den Anfängen der römischen Geschichte beschäftigen.

In den ersten beiden Lektionen machen wir ganz einfache Dinge. Wir lesen kurze Sätzchen und machen die ersten Schritte im Übersetzen in beiden Richtungen. Es wird nicht erwartet, daß Ihnen alles fehlerfrei gelingt. Wenn Sie steckenbleiben, schauen Sie einfach die beigefügte Lösung an. Mit der Zeit werden Sie bestimmt mehr Sicherheit gewinnen.


Relativ einfach zu übersetzen ist die lateinische Übersetzung der Bibel, die sogenannte Vulgata
vulgâtus, a, um allgemein bekannt, allg. verbreitet.

Sie können im Internet einige Stellen finden, die den gesamten Vulgata-Text anbieten, oder auch nur in Auszügen (z.B. einzelne Evangelien). Hier sind zwei Adressen:

http://www.gmu.edu/departments/fld/CLASSICS/bib.john.html http://diderot.uchicago.edu/cgi-bin/htmlpage?47.0./isk/mark/databases/VULGATE-IM

Der Kirchenvater Hieronymus (ca. 347-420) begann seine Bibelübersetzung im Jahr 382.
386 siedelte er nach Bethlehem über und begann mit der Übertragung des Alten Testaments. Als Textgrundlage benutzte er zunächst den griechischen Septuaginta-Text, vgl. Griechischkurs. Bald jedoch entschied er sich, den hebräischen Urtext zu benutzen. Neun Jahre später, 405 n.Chr., legte er die Übersetzung des Alten- wie des Neuen Testamentes vor.


Weil der Unterschied zwischen unserem (Hilfs)-Verb haben und dem lateinischen habere so gering ist, wollen wir heute einige Sätze betrachten, in denen vornehmlich Formen von habere vorkommen.
Weiter unten finden Sie eine wörtliche und eine freie Übersetzung sowie Worterklärungen.
In den Worterklärungen werden Sie öfter auch Zusatzinformationen erhalten. Bitte nicht überlesen!

1.

Sunt, qui seipsôs in pâce tenent, et cum aliîs etiam pâcem habent.

2.

Habê bonam cônscientiam, et habêbis semper laetitiam.

3.

Tu habê Deum prae oculîs!

4.

Nôn habêmus hîc manentem civitâtem.

5.

Nôn omnês habent multôs amîcôs.

6.

Beâtus ille homô, qui sêdet in suâ domô, et sêdet post fornâcem et habet bonam pâcem.

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Übersetzung

wörtliche Übersetzung

1.

Es gibt (Menschen), die sich selbst im Frieden sie halten, und mit anderen auch den Frieden sie haben.

2.

Habe ein gutes Gewissen, und du wirst haben immer Freude.

3.

Du habe Gott vor Augen!

4.

Nicht wir haben hier eine bleibende Stätte.

5.

Nicht alle haben viele Freunde.

6.

Glückselig jener Mensch, der sitzt in seinem Haus, und hinter dem Ofen sitzt und er hat guten Frieden.

freie Übersetzung

1.

Es gibt Menschen, die sich selbst im Frieden halten, und auch mit anderen Frieden haben.

2.

Habe ein gutes Gewissen, und du wirst immer Freude haben.

3.

Habe Gott vor Augen!

4.

Hier haben wir keine Bleibe.

5.

Nicht alle haben viele Freunde.

6.

Glückselig jener Mensch, der in seinem Haus hinter dem Ofen sitzt und guten Frieden hat.

 

 

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Worterklärungen

Verben

sunt sie sind oder an dieser Stelle: es gibt (Menschen)

teneô ich habe, tenuî ich habe gehabt, tenêre halten (Künftig merken wir uns die Verbformen in dieser Reihenfolge: teneô, tenui, tentum, tenêre; die 3. Form tentum erkläre ich später. tenêre ist der Infinitiv.)

habêbis du wirst haben. Diese Futur-Form kennen wir noch nicht. Kann man sich aber leicht merken: habêbo ich werde haben; habêbit er wird haben; habêbimus wir werden haben

sêdet er sitzt von sedeô, sêdî, sessum, sedêre sitzen

Sonstige Wörter und Erklärungen

sê-ipsôs Akk. Plur. Mask. von sê-ipse sich selbst; ipse, ipsa, ipsum selbst

cum mit regiert den Ablativ, daher ali-îs von ali-us ein anderer; ali-î andere (die Vokale getrennt aussprechen). Sie kennen viellleicht den Satz: Kriege mögen andere führen, du glückliches Österreich, heirate! bella gerant aliî, tû fêlîx Austria nûbe! Natürlich wieder ein Hexameter! Er stammt vom ungarischen König Matthias Corvinus, 1458-1490 (nach Ovid).
bellum gerere Krieg führen; nûbere heiraten.

cônscientiam Akk. Sing. von cônscientia, ae f Gewissen (sprich: kôn-ski-enti-a). (Habe wen oder was? -also Akkusativ!)
semper
Adverb immer; laetitia, ae f Freude (sprich: läti-ti-a)

Deus, Deî m Gott; crêdo in ûnum Deum ich glaube an einen Gott (in mit Akkusativ)

prae + Abl. vor (Prä-position); oculus, î m Auge; in oculîs esse sehr beliebt sein; ad oculôs vor Augen (führen)

hîc Adverb hier, an dieser Stelle (beachten Sie den Unterschied: hic dieser)

manêns, manentis (Akk. manentem) ist das Partizip Präsens von manêre bleiben. Man hängt an den Präsensstamm mane- einfach ns an: manê-ns bleibend, einer, der bleibt.
Eine bleibende Stätte ist eine cîvitâs manêns. Der Genitiv lautet (3. Dekl.) civitatis manentis
der bleibenden Stätte. (Der Gen. anni currentis bedeutet des laufenden Jahres.)
Oben im Satz liegt der Akkusativ vor: civitatem manentem. In der 3. Lektion werden Sie alles Nötige über die 3. Deklination erfahren. Merken Sie sich nur, daß das Part. Präs. wie ein Adjektiv mit nur einer Endung nach der 3. Dekl. dekliniert wird.
(Viele Adjektive, z.B. innocêns unschuldig, sapiêns weise, usw. waren ursprünglich Partizipien. Als richtige Adjektive haben sie aber im Abl. Sing. die Endung î, wohingegen das Partizip Präs. im Abl. Sing. auf e ausgeht, 7. Lektion.)

omnis (m/f), omne (n) jeder (omnis amicus, omnis amica jeder Freund, omne pulpitum jede Bühne) ist ein Adjektiv der dritten Deklination, das für Mask. und Fem. die Endung is, für das Neutrum die Endung e hat. Der Nom. Plur. lautet omnês (m/f), omni-a (n) alle.

fornâx, fornâcis f der Ofen; post fornâcem hinter dem Ofen (post + Akk. hinter)

domus, domûs f (!) das Haus; pâx, pâcis f der Friede

 

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Übungen zum Text

Lösungen:

 

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Anhang

An dieser Stelle werden ich berühmte Aussprüche (Sentenzen), interessante Texte, Fragen, Dialoge usw. bringen. Sie sollten auch diese Anhänge aufmerksam lesen, denn oft werde ich an späterer Stelle auf Informationen zurückkommen, die in einem früheren Anhang gegeben wurden. Heute wird der Anhang kurz ausfallen, denn ich werde Ihnen nur einige -grammatisch- einfache Aussprüche zusammenstellen, die noch keine besonderen Kenntnisse verlangen. Nur wenn es nötig ist, werde ich Länge und Betonung kennzeichnen.

Fortuna caeca est Fortuna ist blind (caecus, a, um blind)

Si caecus caecum ducit, ambo in foveam cadunt Wenn ein Blinder einen Blinden führt, fallen beide in die Grube. dûcere führen (dûco, dûcis, dûcit ich führe, du führst, er führt; der Duce war der Führer der Italiener. Das Verb dûcere geht regelmäßig nach der sogenannten konsonantischen Konjugation, kommt in der 3.Lektion)
ambô, ambae, ambô beide, fovea, ae f Grube, cadô ich falle

Errare humanum est Irren ist menschlich (Der Infinitiv errare ist hier Subjekt. Das Prädikatsnomen humanus, a, um steht daher im Neutrum, denn der Infinitiv ist seiner Natur nach weder männlich noch weiblich.)

Laborare est orare Arbeiten ist beten (es gilt aber auch Laborare humanum est )

lapsus (memoriae, linguae, calami) Ein Fehler (des Gedächtnisses, der Zunge, des Schreibrohres) lâpsus,ûs m (4. Dekl. oder u-Dekl.) Sturz, Verstoß, Fehler.
Ein lapsus linguae (gespr. lingwä) ist ein Versprecher, ein lapsus calami ein Schreibfehler.

Wenn Sie Ihren Freund Paul (Paulus) um einen Kugelschreiber bitten wollen, so sagen Sie doch einfach: Paule, habêsne calamum? Ego calamum nôn habeo. Paul, hast Du einen Kuli? Ich habe keinen Kuli. habeo ich habe, habes du hast. Das ne hinter habes markiert, wie vorhin schon gesagt, eine Frage (ähnlich wie das ka im Japanischen, -wissen Sie doch?). Der Akzent des vorhergehenden Wortes rutscht auf die letzte Silbe dieses Wortes.
Paulus hilft Ihnen natürlich, denn er hat zwei: ego duôs calamôs habeo.
Sie sagen ihm, daß Sie noch heute (hodi-ê) einen kaufen (emere) wollen:
Ego hodie calamum emere vo. voich will. (volô, vîs, vult ich will, du willst, er will;
vîsne? willst du? Quid vîs? was willst du?).
In einer späteren Lektion werde ich mehr zu den Zahlen (duo) sagen.

 

Sie sehen, lingua latîna difficilis nôn est (sprich: lingwa latina dif-fikilis nôn est),
die lateinische Sprache ist nicht schwierig.

Zum Schluß will ich Ihnen in einem uralten Merkvers diejenigen Wörter zusammenstellen, die weiblich (feminîni generis; genus, generis n Geschlecht; Pl. genera) sind:


Die Weiber, Bäume, Städte, Land
Und Inseln
weiblich sind benannt.

Es gibt Wörter -wie victôria der Sieg-, die vom Sprüchlein nicht erfaßt werden. Hier müssen wir uns das Wortende anschauen. Lautet es a, dann ist das Wort feminin, weil die Wörter der 1. Deklination ja weiblich sind (außer denen, die -wie agricola- eine männliche Person bezeichnen.)

Endet das Wort auf us, so ist es i.a. maskulin -masculinum generis-, weil die Wörter der zweiten Deklination auf us Maskulina sind (die auf um sind Neutra). Wenn aber ein derartiges us-Wort eine Stadt ist, z.B. Corinthus, dann sagt die allgemeine Genusregel, daß es sich trotz des us um ein Femininum handelt.

Nützlich wie fast alles, was sich reimt, ist auch dieser Spruch:

Die Männer, Völker, Flüsse, Wind'
Und Monat
Maskulina sind.

Nun aber sollten Sie für heute Schluß machen. Morgen kommt ja die Lectio secunda.

(Übrigens ist lectiô, ônis das Vorlesen, die Lektüre, die Lektion weiblich! Es gehört der konsonantischen Deklination an. In der dritten Lektion erfahren Sie mehr darüber. Aber hier sage ich Ihnen schon, daß viele Substantive auf -s oder -o Feminina sind, wie z.B. auch die Legion legiô, -ônis)

 

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