13.
Lektion - lectio tertia decima (tredecim13)Der Dichter Catull, von dem wir in der letzten Lektion ein carmen Gedicht, Lied kennen lernten, gehörte in den Jahren der Pflege moralischer Sauberkeit keineswegs zur lateinischen Schullektüre. Aber der jüngere Plinius, Plinius Minor, der in der letzten Lektion ebenfalls zitiert wurde, mochte Catulls Epigramme über alles, obgleich mehr als hundert Jahre zwischen ihm und dem Dichter lagen. In einem seiner über 250 Briefe, epistula 4,14, zitiert er sogar ein Catull-Gedicht, carmen 16, allerdings nur im Auszug, der volle Text des Liedes war wohl auch für ihn nicht vorführbar. Die von Plinius zitierten vier Verse, carm. 16,5-8, lauten
Nam castum esse decet pium poêtam |
deceô, uî,-, decêre sich ziementunc dênique überhaupt erst dann sâl,salis m,n Salz, Witz lepôs, ôris m Feinheit, Anmut, Witz molliculus 3 weichlich, zärtlich, schlüpfrig parum Adv. weniger |
Freilich sollte der göttliche Dichter selbst keuch sein,
die Verse brauchen es nicht zu sein,
die überhaupt erst dann Witz und Anmut haben,
wenn sie schlüpfrig und weniger keuch sind.
Sicherlich ist wahr, daß Catull die nicht immer feine Volkssprache in die römische Liebes-Literatur eingeführt hat, aber er tat es als großer Dichter, dem sich selbst der Spanier Martial (40-102 n.Chr.) beim Vergleich unterordnete.
Catull ist für uns Internet-Lateiner ein früher Wilder (richtig im Fachjargon ist er ein Neoteriker, ein Moderner, nach einem Wort Ciceros), den man nach allen Seiten des Net erforschen kann. Gehen Sie z.B. nach Canada:
http://www.usask.ca/antharch/cnea/CourseNotes/CatullusNotes.html#neoteric
Sie finden dort neben vielen interessanten Dingen auch einige moderne Carmen-Übersetzungen.
Aber auch den folgenden Hinweis:
A WORD OF WARNING:
some of Catullus' poems are "earthy" in the extreme. If you are easily offended by obscene or politically incorrect poetry, you might want to avoid the poems discussed in the sections on Catullus' Life and on Catullus as Eques.Ich möchte mit Ihnen aber nicht diese explosiven, "politisch unkorrekten"! carmina lesen, das machen Sie schon alleine, sondern einige kleinere, eher harmlose Gedichte, an denen Sie aber bereits das poetische Genie des C.Valerius Catullus ablesen können.
Beginnen wir bei einem der kürzeren Gedichte, beim carmen 85:
Ôdî et amô. Quârê id faciam fortasse requîris.
Nesciô, sed fierî sentiô et excrucior.
Dieses berühmte Epigramm ist ein alleinstehender Zweizeiler (Doppelvers), ein Distichon, das aus einem Hexameter und einem Pentameter besteht.
Der Hexameter beginnt mit odi et amo ich hasse und liebe, und der Pentameter schließt in ebendiesem Rhythmus mit excrucior ich quäle mich. Das Verspaar enthält kein Substantiv. Die Verben geben dem Gedicht seine Dynamik. Auf das Schaffen nachfolgender Dichter, z.B. Ovid (43 v.Chr.-17 oder 18 n.Chr.), hatte dieses Distichon keinen geringen Einfluß.
ôdî
ich hasse, vgl. 2.Lektion unter WorterklärungenCatull war kein Freund Caesars, er mochte ihn nicht und haßte vor allem seine habgierigen Anhänger, z.B. den Offizier Mamurra. Das folgende Distichon-Epigramm, carm. 93, bezeugt diese Gefühle unverhohlen.
Nil nimium (studeô), Caesar, tibi velle placêre,
nec scîre utrum sîs albus an âter homô.
nîl = nihil
nichts, keineswegsWir wissen nicht, welches der Anlaß für dieses feindsinnige Gedicht gewesen ist. Vielleicht hatte Caesar Anstalten gemacht, sich mit Catull versöhnen zu wollen. Catull stammte immerhin aus einer wohlhabenden Veroneser Familie, in der auch Caesar verkehrte.
Betrachten wir jetzt die Widmung für Cornelius Nepos, den wir schon im Anhang der 2.Lektion kennen lernten, mit der Catull sein Gedicht-Büchlein (libellus) einleitet. Es ist lepidus zierlich, witzig und novus neu, avantgardistisch. Die Widmung ist kein Manifest der Neoteriker, aber der Ton läßt Neues erahnen. Statt homerischen Helden wird man moderne Menschen finden, von Göttern sollte keine Rede mehr sein -aber nein, Iuppiter und die Patrôna virgô (Muse) werden auch hier angerufen, aber wohl mehr aus Gewohnheit.
|
dônâre schenken, weihen, widmenâridus 3 trocken modo Adv. nur, eben, sogleich pûmex, icis m Bimsstein (zum Glätten) ex-poliô 4 glätten, polieren namque Konj. freilich, wahrlich nûgae, ârum f dummes Zeug, Kleinigkeiten Îtalî Italer (langes i zu Beginn wegen Metrum) audeô, ausus sum, audêre wagen aevum, î n Zeit, Ewigkeit charta, ae f Blatt Papyrus, hier Band tribus chartîs in drei Bänden habê Imperativ (habe! behalte!) habê tibi bitte akzeptiere! |
Die unregelmässigen Ränder frisch gerollter Buchrollen wurden mit einem Bimsstein geglättet. ûnus Îtalôrum allein unter den Italern. Anscheinend hatte Cornelius Nepos als erster Lateiner eine Weltgeschichte geschrieben.
quidquid hoc (est) libellî (Gen.) quâlecumque wörtlich: was immer das (ist) eines Büchleins von welcher Art auch immer, also freier: was immer für ein Büchlein es ist, und was auch drinstehen mag. Diese unbestimmte Ausdrucksweise gehörte zur Umgangssprache.
saec(u)lum,î ist eine Generation, 30 Jahre, oder auch ein Jahrhundert;
per-ennis, e das ganze Jahr hindurch dauernd, andauernd
Sagen wir noch ein paar Worte zum Versmaß.
Es handelt sich jedesmal um 11 Silben pro Vers, daher die Bezeichnung Hendekasyllabus (dem Griechischen entnommen: Elfsilbler). Die langen Silben sind mit ¾
und die kurzen mit È
gekennzeichnet. Beachten Sie die Positionslängen bei dum, vum, bel und ex.
Die letzte Silbe kann bei jedem antiken Vers lang oder kurz sein.
Die zweite Silbe konnte lang oder kurz sein, meist jedoch war sie lang. Die 4. und 5. Silbe haben kurz zu sein.
Wenn Sie sich das Schema leichter singend merken können, so trällern Sie einfach:
lang, lang, lang, kurz, kurz, lang || kurz, lang, kurz, lang, lang-kurz
Die lange Silbe wurde vermutlich in einer höheren Tonlage ausgesprochen (gesungen), aber wohl nicht lauter.
In modernen europäischen Sprachen ersetzen wir lang durch betont und sprechen dann lange Silben mit Tonverstärkung aus. Versuche, die lateinische Hoch-Tief-Deklamation nachzuahmen, klingen zumindest seltsam. Versuchen Sie es einmal selbst! Man hat aber zu beachten, daß nicht jede lange Silbe lauter ausgesprochen werden darf als eine kurze. Das Versschema legt die richtige Betonung fest.
Das gesprochene Latein hatte übrigens schon in der späten Kaiserzeit unseren Intensitäts- oder, wie man vornehmer sagt, exspiratorischen Akzent. Aus dieser Zeit, 3. oder 4. Jhd., stammen auch Bemerkungen römischer Grammatiker über den Unterschied zwischen der Prosabetonung eines Wortes und seiner Versbetonung.
Noch was Wichtiges: Sehen Sie, daß in pumice expolitum zwei Vokale aufeinanderprallen?
Das mochten die Römer garnicht, das "antike Ohr" empfand eine häßliche Kluft, einen Hiat (von hiâre klaffen).
Lösung: Der erste Vokal wurde nicht gelesen, er wurde elidiert, d.h. ausgestoßen, -aber nur für das Ohr und für das Versmaß, geschrieben wurde der Vokal. (Gehört der zweite Vokal zu est oder es, so wird nicht der erste Vokal elidiert, sondern das e in es bzw. est. Das restliche s bzw. st wird einfach an das vorhergehende Wort angehängt.)
Elision tritt auch dann ein, wenn ein Wort auf Vokal ausgeht und das nächste mit h beginnt.
Im Deutschen haben wir ebenfalls Elisionen: sage einmal, Else schreiben wir sag´ einmal, Else. Aber wir sind radikaler als die Römer: Bei uns bedeutet Elision einen vollständigen Vokalverlust! Der Ausfall wird aber wenigstens durch einen Apostroph markiert.
Kleiner Zusatz: Auch wenn ein Wort auf Vokal + m ausgeht und das nächste Wort mit Vokal beginnt, entsteht ein Hiat. Er wird dadurch vermieden, daß der erste Vokal samt m nicht gelesen wird -wohl aber geschrieben! Wir hatten in der 10.Lektion die Phaedrusfabel 1,2, in der es hieß
latro incitatus, iurgii causam intulit.
Nominativus cum Infinitivo
Wie muß man sich anstellen, um einen aktiven Satz ins Passiv zu wenden?
Und was geschah mit dem aktivischen Subjekt? Es wurde zu einer adverbialen Bestimmung, zu einer Umstandsbestimmung, die die Urache angibt, die zur Rettung des Vaterlandes führte: â Cicerône (â + Ablativ). Wäre nicht eine Person Ursache des passiven Prädikatsvorgangs, so würde der Ablativ ohne â stehen. Z.B.: fîdûciâ patria servâta est. Das Vaterland wurde durch Vertrauen gerettet.
Was hat man zu tun, wenn das Objekt des aktiven Satzes ein a.c.i. ist?
Multi Romani Ciceronem amicum plebis esse putâbant
. Viele Römer glaubten (wen oder was?), daß Cicero ein Freund des Volkes sei oder: Viele Römer hielten Cicero für einen Freund des Volkes.Wenn wir diesen Sachverhalt passivisch ausdrücken wollen, so haben wir offensichtlich aus dem Accûsâtîvus cum înfînîtîvô (a.c.i.) einen Nôminâtîvus cum înfînîtîvô (n.c.i.) zu machen:
Cicero amicus plebis esse putâbâtur. Cicero wurde für einen Freund des Volkes gehalten.
Der Akkusativ Ciceronem wird zum Nominativ Cicero, und das Hauptverb putabant (3.Pl.Ind.Impf.Aktiv) sie glaubten wird einfach ins Passiv gesetzt und auf das neue Subjekt bezogen: putâbâtur er wurde geglaubt (3.Sg.Ind.Impf.Pass.)- das nennt man eine persönliche Konstruktion.
Das Prädikatsnomen muß selbstverständlich ebenfalls in den Nominativ gesetzt werden.
Natürlich können wir im Deutschen nicht sagen Cicero wurde ein Freund des Volkes geglaubt, wir müssen das Passiv zu putâre meinen, glauben umschreiben, so wie wir es ja auch taten: Cicero wurde ... gehalten.
Im Lateinischen wird demnach aus der aktiven unpersönlichen Konstruktion des a.c.i. im Passiv die persönliche Konstruktion des n.c.i. Im Deutschen gibt es allerdings in den meisten Fällen keine persönliche Konstruktion.
Das wollen wir uns an weiteren Beispielen anschauen.
Das Deponens videor kann aber auch mit ich scheine übersetzt werden. Es wird dann genauso wie im Deutschen konstruiert. Z.B.:
Der n.c.i. steht also häufig nach dicitur, videtur, aber auch nach folgenden Verben:
fertur, feruntur man erzählt, daß er, sie
trâditur, trâduntur man berichtet, überliefert, daß er, sie (nach trâditum est es ist überliefert worden steht jedoch immer der a.c.i.)
Zu erwähnen ist noch, daß bei Verben, die einen doppelten Akkusativ regieren, beim Übergang zum Passiv auch beide Akkusative in Nominative zu verwandeln sind. Oft haben diese Verben, z.B. docêre lehren, auch im Deutschen einen doppelten Akkusativ: ich lehre ihn -wen oder was ? Das sahen wir bereits in der 5.Lektion: Cato ipse fîlium litterâs docuit.
Das Verb creâre schaffen, wählen regiert ebenfalls den doppelten Akkusativ.
Auch hierfür wird Cicero uns wieder ein schönes Beispiel liefern.
Rômânî creavêrunt Cicerônem cônsulem. Die Römer haben Cicero zum Konsul gewählt.
Beim Übergang ins Passiv wird das Objekt zum Subjekt, d.h. aus Ciceronem wird Cicero und aus dem Prädikativum (Akkusativ) consulem wird das Prädikatsnomen (Nominativ) consul, also
Cicerô â Rômânîs cônsul creâtus est. Cicero ist von den Römern zum Konsul gewählt worden.
Versuchen Sie zu übersetzen
Lösungen:
Die Helvetier sind weiterhin entschlossen, ihre Heimat zu verlassen. Sie verbrennen ihre Städte und Häuser und schauen sich nach Gefährten für die Auswanderung um. Welchen Weg sollen sie einschlagen? Es gibt nur zwei, und beide sind nicht ohne Schwierigkeiten.
BG I, 5-6,2
1. |
Post eius mortem nihilô minus Helvetii id, quod cônstituerant, facere cônantur, ut ê fînibus suîs exeant. |
2. |
Ubi iam sê ad eam rem parâtôs esse arbitrâtî sunt, oppida sua omnia, numerô ad duodecim, vîcôs ad quadringentôs, reliqua prîvâta aedificia incendunt, frûmentum omne, praeterquam quod sêcum portatûrî erant, combûrunt ut domum reditiônis spê sublâta parâtiôrês ad omnia perîcula subeunda essent; |
3. |
trium mênsum molita cibâria sîbi quemque domô efferre iubent. |
4. |
Persuâdent Rauracîs et Tulingîs et Latobîcîs fînitimîs, uti eôdem ûsî cônsiliô oppidîs suîs vîcîsque exustîs ûnâ cum iîs proficîscantur, |
5. |
Boiôsque, quî trâns Rhênum incoluerant, et in agrum Nôricum trânsierant Norêiamque oppugnârant, receptôs ad sê sociôs sibi adscîscunt. |
6. |
Erant omnînô itinera duo, quibus itineribus domô exîre possent: |
7. |
ûnum per Sêquanôs, angustum et difficile, inter montem Iûram et flûmen Rhodanum, vix quâ singulî carrî dûcerentur; |
8. |
môns autem altissimus impendêbat, ut facile perpaucî prohibêre possent; |
9. |
a lterum per prôvinciam nostram, multô facilius atque expedîtius, propterea quod inter fînês Helvêtiôrum et Allobrogum, quî nûper pacâtî erant, Rhodanus fluit isque nonnullîslocîs vadô trânsîtur. |
wörtliche Übersetzung
1. |
Nach desselben Tod nichtsdestoweniger die Helvetier das, was sie beschlossen hatten, zu tun sie unternehmen, daß aus Grenzen ihren herausgehen (ex-e-ant). |
2. |
Sobald schon sie zu dieser Sache bereit sein sie glaubten, Städte ihre alle, an Zahl gegen zwölf, Dörfer gegen vierhundert, die restlichen einzelnen Gehöfte sie zünden an, Getreide alles, außer das mit sich tragen sie waren (wollten), sie verbrennen, damit nach Hause der Rückkehr Hoffnung aufgehoben bereiter zu allen Gefahren zu bestehenden seien; |
3. |
dreier Monate gemahlene Lebensmittel für sich einen jeden von Hause fortzutragen sie befehlen. |
4. |
Sie überreden die Rauraker und Tulinger und Latobiker Grenznachbarn, daß ebendenselbengebrauchend Plan Städte ihre und Dörfer eingeäschert zusammen mit ihnen aufbrechen, |
5. |
und die Bojer, die jenseits des Rheins gewohnt hatten, und in den Acker norischen hinübergegangen waren und Noreja belagert hatten, aufgenommen bei sich Bundesgenossen sich sie nehmen an. |
6. |
Es waren überhaupt Wege zwei, auf welchen Wegen von Hause ausziehen sie könnten: |
7. |
einer durch die Sequaner, eng und schwierig, zwischen dem Berg Jura und dem Fluß Rhône, kaum wo je ein Qagen geführt werden könnte; |
8. |
Berg aber sehr hoch hing über, so daß leicht sehr wenige hindern könnten; |
9. |
der andere durch Provinz unsere, viel leichter und bequemer, deswegen weil zwischen dem Gebiet der Helvetier und Allobroger, die kürzlich beruhigt worden waren, die Rhône fließt und diese an einigen Stellen durch eine Furt sie wird überschritten. |
freie Übersetzung
Nach seinem Tod versuchen die Helvetier nichtsdestoweniger das, was sie beschlossen hatten, zu tun, nämlich aus ihrem Gebiet auszuwandern. |
Verben
cônor, cônâtus sum, cônârî
versuchen, Deponens der 1.Konj.Sonstige Wörter und Erklärungen
nihilô minus
nichtsdestowenigerZeile 1
Die Priode besteht aus dem HS Helvetii conantur, einem zwischengeschalteten Relativsatz: quod constituerant und einem Finalsatz: ut ...exeant (spr. ex-e-ant; 3.Pl.Konj.Präs.Akt.). Das Subjekt der beiden Nebensätze ist ebenfalls Helvetii. quod ( Akk.Sg.Neutr.) ist Objekt zu constituerant.
Von conantur hängt der Infinitiv facere ab. Zu facere gehört id als Objekt, und zu id das gehört der Relativsatz.
Nach seinem Tod versuchen die Helvetier nichtsdestoweniger das, was sie beschlossen hatten, zu tun, nämlich aus ihrem Gebiet auszuwandern.
Zeile 2
Wenn wir alle Sätze ausschließen, die von Konjunktionen und rel. Pronomen eingeleitet werden, so bleiben zwei -beigordnete- HS mit den Prädikaten incendunt und comburunt.
Zu incendunt gehören drei Objekte: oppida, vicos, aedificia; zu comburunt gehört das Objekt frumentum omne. portaturus sum ich bin im Begriff zu tragen (conjugatio periphrastica).
spê sublâtâ nachdem die Hoffnung aufgehoben war ist Ablativus absolutus.
spê reditiônis die Hoffnung auf Rückkehr.
Sobald sie nun glaubten, daß sie für diese Sache (Unternehmen) bereit seien, zünden sie alle ihre Städte, an die zwölf, ungefähr vierhundert Dörfer und die übrigen einzeln stehenden Gehöfte an, verbrennen alles Getreide mit Ausnahme dessen, das sie mit sich nehmen wollten, damit sie, nachdem die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat genommen war, desto entschlossener wären, alle Gefahren auf sich zu nehmen;
Zeile 3
Der Akkusativ quemque ist Subjekt eines von iubent abhängigen a.c.i.. Das Prädikat ist eferre.
Sie befehlen, daß jeder mitnehme. Dazu gehört das Objekt molita cibaria Mehl mit seiner näheren Bestimmung für drei Monate. Der Gen. von três mênsês lautet eigentlich trium mênsium, denn mênsis, is m ist ein gleichsilbiges (männliches!) Wort. In unserem Text steht aber der Gen.Pl. auf um.
sie befehlen, daß ein jeder Mehl für drei Monate für sich von Hause mitnehme.
Zeile 4
Wir brauchen uns nur an drei Dinge zu erinnern:
1. persuadere regiert den Dativ (denken Sie an jemandem einreden), daher Rauracis, Tulingis, Latobicis. persuâdêre ist ein intransitives Verb.
(Erinnern Sie sich: Die transitiven Verben haben ein Akkusativobjekt bei sich, man fragt wen? oder was? Die verba intransitiva haben entweder kein Objekt bei sich, z.B. venio ich komme, oder sie haben das Objekt im Genitiv oder Dativ bei sich -das sogenannte entferntere Objekt.)
2. uti = ut + Konj. nach persuadere leitet einen Finalsatz ein (10.Lektion), daher: uti ... proficîscantur daß sie aufbrächen. (Verwechseln Sie bitte nicht uti mit ûtî!)
3. ûtî gebrauchen regiert den Ablativ (Gebrauch machen von): ûsî eôdem cônsiliô gebrauchend denselben Plan; ûsî ist Nom.Pl.Mask. des Part.Perf. ûsus, a, um unter (gleichzeitiger) Benutzung
Der Ablativus absolutus oppidîs suîs vîcîsque exustîs nachdem ihre Städte und Dörfer eingeäschert worden waren beschreibt eine Voraussetzung für das Unternehmen.
Wir übersetzen folgendermaßen:
Sie überredeten ihre Nachbarn, die Rauraker, Tulinger und Latobiker, zu demselben Vorhaben, nämlich nach Einäscherung ihrer Städte und Dörfer mit ihnen zusammen auszuwandern,
Zeile 5
Der zweite Teil der in Zeile 4 begonnen Periode hat den HS (Helvetii) ... sibi adscîscunt die Helvetier nehmen sich an. Wen? die Bojer, als was? als Bundesgenossen.
Also: die H. nehmen die Bojer sich als B. an. Besser sagen wir sie vereinigen sich mit den Bojern oder sie nehmen die Bojer als Bundesgenossen an.
und nehmen die Bojer, die jenseits des Rheins gewohnt hatten, dann ins norische Gebiet hinübergegangen waren und Noreja belagert hatten, bei sich auf und nehmen sie als Bundesgenossen an.
Zeile 6
erant
bedeutet hier es gab. Der sich anschließende Relativsatz ist ein konsekutiver Relativsatz, der uns sagt, was sich aus dem Vorhergehenden ergibt, welche Konsequenz die Aussage des Vorsatzes hat. Solche Relativsätze stehen z.B. nach Verben, die ein Vorhandensein ausdrücken -sunt, qui- , aber ein unbestimmtes Subjekt haben. Das Prädikat des konsekutiven Relativsatzes steht im Konjunktiv: possent 3.Pl.Konj.Impf.Akt. sie könnten, -das könnten wir im Deutschen beibehalten, wenngleich der Indikativ konnten vorzuziehen ist. Werden Sie sich nochmals anschauen, was wir in der 4.Lektion allgemein zum Konjunktiv sagten?Es gab überhaupt nur zwei Wege, auf denen sie ihre Heimat verlassen konnten:
Zeilen 7/8
Das Relativum im Abl. quâ (viâ) leitet einen Nebensatz mit Prädikat im Konjunktiv (Impf.Pass.) ein: dûcerentur; vgl. vorige Zeile.
Daß der Weg von wenigen gesperrt werden könnte, ist die Konsequenz davon, daß der hohe Berg drohend überhängt; folglich ist der von ut eingeleitete Nebensatz ein Konsekutivsatz (ut consecutivum).
einen durch das Gebiet der Sequaner, eng und schwierig, zwischen dem Jura und der Rhône, wo kaum ein einzelner Wagen fahren konnte; ein sehr hoher Berg aber ragte drohend darüber, so daß ganz wenige ihn mit Leichtigkeit sperren konnten;
Zeile 9
Der von propterea quod eingeleitete Kausalsatz zeigt den Grund auf, weshalb der andere Weg leichter und bequemer war. nonnullîs locîs ist ein Ortsablativ (ablativus locativus) auf die Frage wo? an einigen Stellen.
der andere, durch unsere Provinz, war viel leichter und bequemer, (und zwar) deswegen, weil zwischen dem Gebiet der Helvetier und Allobroger, die kürzlich unterworfen worden waren, die Rhône fließt und diese an einigen Stellen durch eine Furt überschritten werden kann.
Lösungen:
Jahr v.Chr. |
Caesar |
Cicero (Schriften) |
47/46 |
Caesar Diktator für zehn Jahre |
Begnadigung durch Caesar |
45 |
Diktator auf Lebenszeit |
Tod der Tochter Tullia. |
44 |
Ermordung Caesars (15. März) |
Cato maior (De senectute), Laelius (De amicitia), De officiis, 14 Philippische Reden gegen Antonius (44/43) |
|
Zweites Triumvirat (11. Nov.) |
Ermordung Ciceros (7. Dezember) |
Ciceros Briefe wurden von seinem Privatsekretär und Biographen M. Tullius Tiro (ônis), ehemaliger Sklave Ciceros und Erfinder der Kurzschrift -notae Tironianae-, gesammelt und wohl auch herausgegeben. Wir werden gewiß noch einmal auf den interessanten Briefwechsel zwischen Cicero und Tiro zurückkommen.
Daß Ciceros Briefe schon sehr früh gelesen wurden, bezeugt z.B. Seneca in seiner Schrift De brevitate vitae Von der Kürze des Lebens. Im 5. Abschnitt heißt es: "Welch weinerliche Worte spricht er -Cicero- in einem Brief an Atticus aus, als der...". Der erwähnte Atticus-Brief ist uns aber leider nicht erhalten -ein Zeichen dafür, daß wir nicht mehr alle Briefe besitzen.
Über Ciceros letzte Tage haben wir einen Bericht des Livius (59 v.Chr.- 17n.Chr.) im 120. Buch seiner Römischen Geschichte Ab urbe condita, Fragment 50.
M. Cicerô pro certe habens, id quod erat, non Antonio eripi se posse, prîmô in Tusculânum fûgit; inde in Formiânum, ut ab Caiêtâ nâvem cônscênsûrus, proficîscitur.
Cicero schreibt 66 v.Chr. an Atticus (Att. I,9,3): Die neulich gesandten Standbilder habe ich noch nicht gesehen; sie sind auf dem Formianum (ca. 120 km südl. Roms nahe der Küste), wohin ich mich jetzt auf den Weg zu machen gedenke. Ich lasse sie alle nach dem Tusculanum schaffen; Gaeta statte ich aus, wenn ich einmal anfange, ein reicher Mann zu werden. Am Ende dieses Anhangs finden Sie den lateinischen Text.
côn-scendô, scendî, scênsum, scendere
besteigen (navem); ut + Part.Futur wird hier benutzt, um eine Absicht auszudrücken. Cicero hatte vor, nach Griechenland zu segeln, um sich Brutus und Cassius anzuschließen, die 42 v.Chr. bei Philippi von Octavian und Antonius besiegt werden.M. Cicero sich sicher seiend, was stimmte, daß er Antonius nicht entkommen könnte, floh zuerst zum (Landgut) Tusculanum
, dann brach er zum Formianum auf in der Absicht, in Gaeta ein Schiff zu besteigen.Unde aliquotiêns in altum prôvectum, cum modo ventî adversî rettulissent, modo ipse iactâtiônem nâvis patî nôn posset, taedium tandem eum et fugae et vîtae cêpit, regessusque ad superiôrem vîllam, "moriar", inquit, "in patriâ saepe servâtâ."
aliquotiêns
mehrere Male,Der vorliegende Satz ist sehr kunstvoll komponiert. Eine wörtliche Übersetzung ist nur in beschränktem Maße möglich, etwa so:
Nachdem er von dort mehrere Male auf hohe See hinausgesegelt war, ihn aber bald widrige Winde zurückgetragen hatten, bald er selbst das Schwanken des Schiffes nicht ertragen konnte, erfaßte ihn schließlich Überdruß an Flucht und Leben, und zur oberen Villa (d.h. Formianum) zurückgekehrt sagte er: "Ich werde im Vaterland sterben, das ich oft gerettet (behütet) habe."
Im Deutschen beginnen wir jedoch besser mit einem Hauptsatz:
Von dort aus segelte er mehrere Male auf die See hinaus
. Nachdem ihn aber bald widrige Winde zurückgetragen hatten, bald er selbst das Schwanken des Schiffes nicht ertragen konnte, erfaßte ihn schließlich Überdruß an Flucht und Leben.Satis cônstat servôs fortiter fidêliterque parâtôs fuisse ad dîmicandum, ipsum dêpônî lectîcam et quiêtôs patî quod sors inîqua côgeret iussisse.
Es ist hinreichend bekannt, daß die Sklaven bereit waren tapfer und treu zu kämpfen, daß er selbst (aber) befahl, die Sänfte abzusetzen und (verlangte) daß sie ruhig ertragen sollten, was das ungerechte Schicksal aufzwingen würde.
prô-mineô, uî, êre
hervorstrecken, hervorragen;Während er den Nacken aus der Sänfte streckte und bewegungslos hielt, ist ihm der Kopf abgeschnitten worden.
Nec satis stolidae crûdêlitâtî mîlitum fuit; manûs quoque, scrîpsisse in Antônium aliquid exprobrantês, praecîdêrunt.
Ita relâtum caput ad Antônium, iussûque eius inter duâs manûs in Rôstrîs positum (est), ubi ille cônsul, ubi saepe cônsulâris, ubi eô ipsô annô adversus Antônium cum admîrâtiône êloquentiae audîtus fuerat.
(mîlitês), exprobrantês (manûs) scrîpsisse aliquid in A., manûs praecîdêrunt
Das war der tölpelhaften Grausamkeit der Soldaten noch nicht genug
; auch die Hände, denen sie vorwarfen, etwas gegen Antonius geschrieben zu haben, haben sie abgeschnitten.Vix atollentês prae lacrimîs oculôs, hominês intuêrî trucîdâta membra eius poterant.
Vîxit três et sexâgintâ annôs.
in-tueor, -tuitus sum, -êrî
anblicken
Auszug aus Ciceros Brief an Atticus 9,1,3:
quae mihi anteâ sîgna mîsistî, ea nôndum vîdî; in Formiânô sunt, quo ego nunc proficîscî cogitâbam. Illa omnia in Tusculânum deportâbô. Caiêtam, si quando abundâre coepero, ornâbô. |