14.
Lektion - lectio quarta decima (quattuordecim 14)Mit einigen weiteren Gedichten werden wir heute Catull verabschieden.
Das erste Gedicht, Carmen 13, ist an Fabullus gerichtet, der mit Veranius in Spanien gedient hatte. Obgleich der junge Catull aus einer vermögenden Familie stammte, war er in Rom wohl nicht immer voll mit Geld ausgestattet. Das Einzige, was er zur Dinnerparty beisteuern konnte, waren wohlriechende Salben, mit denen die Römer sich reichlich einzureiben pflegten; es gab ja noch keine Sprays.
Cênâbis bene, mî Fabulle, apud mê
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Du wirst gut speisen, mein Fabullus, bei mir in wenigen Tagen, wenn die Götter dir wohlwollen, wenn du die riechst, wirst du die Götter anflehen, Fabullus, daß sie dich ganz zur Nase machen. |
Vokabeln
cênô 1
speisenCarmen 5
Vîvâmus, mea Lesbia, atque amêmus, omnês ûnius aestimêmus assis! Sôlês occidere et redîre possunt; nôbîs cum semel occidit brevis lûx, nox est perpetua ûna dormienda. Dâ mî bâsia mîlle, deinde centum; dein mîlle altera, dein secunda centum; deinde ûsque altera mîlle, deinde centum.
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Wir wollen leben, Lesbia, und lieben, Sonnen können unter- und aufgehen; wenn unser kleines Licht einmal untergeht, müssen wir eine endlose Nacht schlafen. Gib mir tausend Küsse, dann hundert; dann wieder tausend, dann die zweiten hundert; dann bis zu den nächsten tausend, dann hundert. Darauf, wenn wir viele Tausende gemacht haben, werden wir sie (derart) durcheinander bringen, daß wir (ihre genaue Zahl) nicht kennen, damit kein böser Mensch sein Auge auf uns werfen kann, da er die Gesamtzahl (3300) der Küsse kennt. |
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Das allein wiegt so viele Mühen auf. Sei gegrüßt, du schönes Sirmio, und erfreue dich an deines Herren Freude, auch ihr, ihr lydischen Wellen des Sees Lachen sollen alle Gelächter, die sich zu Hause befinden. |
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Ein weiterer Grund, um an der Bithynien-Expedition teilzunehemen, war wohl auch der Wunsch, seinem in der Troas (Gebiet des alten Troja) verstorbenen Bruder letzte Ehren zu erweisen. Sein Carmen 101 ist seinem geliebten Bruder gewidmet.
Carmen 101
Multâs per gentês et multa per aequora vectus
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Durch viele Völker und viele Meere gereist, |
Vokabeln
aequor, oris n
ebene Fläche, die See
Steigerung (Komparation
) der AdjektiveWir beginnen dieses Kapitel mit Auszügen aus einigen Cicero-Briefen:
Wir sehen, wie sehr der Lateiner es liebte, gesteigerte Adjektive (und Adverbien) zu benutzen.
Nun haben wir uns bereits in der 5.Lektion mit der Steigerung (Komparation) von Adjektiven beschäftigt und die Formen von Komparativen und Superlativen immer wieder benutzt. Aber was hindert uns, die Angelegenheit nochmals aufzurollen, vielleicht gibt es doch noch einiges hinzuzufügen. Rollen wir also auf!
In der 5.Lektion stand u.a. folgende Frage:
Können Sie vermuten, wie man die Steigerung eines Adjektivs durchführt? Einfach!
1. Nimm den Genitiv des Adjektivs: sapient-is |
An dieser Wahrheit hat sich bisher nichts geändert: Der Komparativ wird gebildet, indem man -ior (m/f) bzw. -ius (n) an den Wortstock des Adjektivs hängt.
(Den Wortstock des Adjektivs erhalten wir dadurch, daß wir im Singular den Genitivausgang -i bzw. -is abstreifen.
Beispiele:
longus lang hat den Genitiv long-î; also lautet der Wortstock: long- . Bei pulcher schön lautet der Genitiv pulchr-î, also ist der Wortstock: pulchr-.
Die Komparative heißen long-ior,-ius länger und pulchr-ior, -ius schöner. Beachten wir auch, daß das Bildungselement des deutschen Komparativs -er ist.)
Der Komparativ wird nach der konsonantischen Deklination dekliniert, oder genauer: die Komparative sind Adjektive zweier Endungen nach der dritten Deklination.
Für das Adjektiv longus, a, um lang schauen wir uns einmal die komplette
Deklination des Komparativs an:
Singular |
Plural |
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m |
f |
n |
m |
f |
n |
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Nom. |
longior |
longior |
longius |
longiôrês |
longiôrês |
longiôra |
Gen. |
longiôris |
longiôrum |
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Dat. |
longiôrî |
longiôribus |
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Akk. |
longiôrem |
longiôrem |
longius |
longiôrês |
longiôrês |
longiôra |
Abl. |
longiôre |
longiôribus |
Wie bei den Substantiven der kons. Deklination haben wir im Abl.Sing. den Ausgang -e und im Gen.Plur. -um. Wir sahen in der 7.Lektion, daß die Adjektive der kons. Deklination an diesen Stellen -e und -ium haben, also wieder einmal gut aufpassen!
Eine Ausnahme bildet übrigens plûrês mehr (der Zahl nach), das im Gen. Pl. auf -ium ausgeht: plûrium. Der Positiv, also die Grundform des Adjektivs, heißt multî viele. Eshandelt sich hier um eine Steigerung mit Stammwechsel. Hierhin gehören einige häufig benutzte Adjektive wie bonus, malus usw. Weiter unten stelle ich sie für Sie zusammen.
Normalerweise machen wir mit dem Komparativ genau das, was der Name sagt: comparare vergleichen:
Lesbia pulchrior est quam Sempronia.
Lesbia ist schöner als Sempronia.Oft aber wird garnichts verglichen: Rhenus longior est. Hier wollen wir einfach nur sagen der Rhein ist ziemlich lang, -oder wenn wir unbedingt wollen: Der Rhein ist ein -verglichen mit anderen Flüssen- längerer Fluß.
Aber jedenfalls ist richtig, daß Danuvius longior est quam Rhenus. Die Donau ist länger als der Rhein.
Zu erwähnen ist noch folgende Erscheinung: Oft wird quam als weggelassen und stattdessen das Vergleichsglied in den Ablativ gesetzt. Also statt turris altior est quam mûrus sagt man turris altior est murô. D.h. eigentlich sagt man das nicht, man setzt beim feineren Sprechen gern den Ablativ vor den Komparativ: turris mûrô altior est. Der Ablativ ist die Basis, von der aus man den Nominativ betrachtet. Von der Mauer aus betrachtet ist der Turm höher.
Natürlich hat dieser Ablativ auch eien Namen: Ablativus comparationis. (Im Griechischen ist es der Genitivus comparationis.)
Beispiele:
Lesbia mihi carior est quam vita mea
. Lesbia ist mir teurer als mein Leben (würde Catull gesagt haben). Hier sind die beiden Umwandlungsschritte:Nihil amâbilius est quam virtûs
(ûtis f). amâbilis, e liebenswürdig, liebevollBeim Relativpronomen benutzt man überhaupt nur den Ablativ und nicht quam.
Beispiel: ratiô, quâ nihil est in nôbis dîvînius. Die Vernunft, im Vergleich zu der nichts Göttlicheres in uns ist. (Oder besser: Die Vernunft, das Göttlichste, was wir besitzen.)
Wenn wir aber einfach fragen: Was ist in uns göttlicher als die Vernunft?, so können wir mit quam oder auch mit Ablativ übersetzen:
1. Quid est in nôbis dîvînius quam ratiô? oder
2. Quid est in nôbis ratiône dîvînius? (Abl. comp.)
Hier haben Sie noch die Zusammenstellung der Adjektive, deren Steigerung mit Stammwechsel stattfindet:
Positiv |
Komparativ |
Superlativ |
bonus gut |
melior, melius besser |
optimus der beste, sehr gut |
malus schlecht |
peior, peius schlechter |
pessimus der schlechteste, sehr schlecht |
mâgnus groß |
mâior, mâius größer (älter) |
mâximus der größte, sehr groß (der älteste) |
parvus klein |
minor, minus kleiner |
minimus der kleinste, sehr klein |
multum viel |
plûs mehr (Menge, Grad) |
plûrimum das meiste, sehr viel |
multî viele |
plûrês, plûra; Gen. plurium mehr (Zahl) |
plûrimî die meisten, sehr viele |
Mit
plûrês mehr (bei zählbaren Dingen) sind verwandt der Komparativ complûrês mehrere und der Superlativ plêrîque die meisten. Im direkten Vergleich steht immer nur plûrês, nie complûrês, welches ein unbestimmtes Zalwort ist.(Man darf natürlich nicht plûrês mit magis verwechseln. Beide werden im Deutschen durch mehr übersetzt, aber man darf nicht übersehen, daß plûrês der Komparativ des Adjektivs multî und magis ein Adverb ist. Beispiel: ego tê magis amô quam tû mê ich leibe dich mehr als du mich.)
Im Spanischen werden Sie größer i.a. mit más grande mehr groß übersetzt finden, im Portugiesischen aber unbedingt mit maior, also nach Art der Lateiner. Wenngleich auch der Spanier den Komparativ mayor kennt, verliert dieser jedoch immer mehr an Bedeutung.
Die Umschreibung mit dem Adverb mehr (span. más, lat. magis), treffen wir bereits im Lateinischen an, und zwar bei Adjektiven, die vor dem Ausgang -us einen Vokal haben, z.B. ardu-us, a, um steil. Der Komparativ heißt magis arduus. Den Superlativ bilden diese Adjektive mit mâximê am meisten, sehr, also der steilste oder sehr steil heißt mâximê arduus.
Folgende Adjektive gehören hierhin: idône-us geeignet, dubi-us zweifelhaft, necessâri-us notwendig und auch piu-us fromm: magis pius frommer, mâximê pius der frommste, sehr fromm.
Nicht dazu gehört aber das Adjektiv
antîquus, a, um, es bildet ganz normal antîquior, -ius älter und antîquissimus der älteste, sehr alt. Hier gehört das -u- vor dem -us zum -q- und ist konsonantisch (w). Die Ausprache ist ja auch: an-tî-kwus, an-tî-kwi-or, an-tî-kwis-si-mus.Über den Superlativ gibt es auch noch etwas zu sagen. Wir treffen ihn typischerweise dann an, wenn drei Personen oder Dinge in Bezug auf eine gemeinsame Eigenschaft miteinander verglichen werden. Vergleichen wir doch mal die Schönheit dreier Frauen:
Sempronia pulchra est.
Sempronia ist schön.Bei den Adjektiven auf
-er geht der Superlativ auf -errimus aus: pulcher => pulcherrimus,Das Bildungselement des Superlativs ist normalerweise -(is)sim-, das links von sich den Wortstock und rechts die Ausgänge -us, -a, -um der a-o-Deklination hat.
Der Superlativ aller Adjektive wird nach der a-oDeklination dekliniert.
Superlativ: Wortstock + (is)sim + (-us, -a, -um) |
Tiberis flûmen latissimum est.
Der Tiber ist ein sehr breiter Fluß. (flûmen, inis n)Auch beim Superlativ muß nicht unbedingt ein Vergleich vorliegen.
Sie könnten z.B. finden, daß Claudia sehr stark und Lesbia sehr klug ist:
Claudia fortissima et Lesbia prûdentissima est.
Oder denken Sie an Ihren Brief, der Cicero so angenehm war, denn er schrieb Ihnen, Richard, doch: Grâtissimae mihi tuae litterae fuêrunt, Ricarde.
Ich muß Sie aber noch auf folgende Besonderheit hinweisen, die die Adjektive auf -ilis betrifft wie facilis leicht, similis ähnlich, humilis niedrig usw.
Sie bilden den Superlativ auf -(il)limus:
facillimus sehr leicht, simillimus sehr ähnlich, humillimus sehr niedrig
Ausnahme: nôbilis, e edel => nôbilissimus sehr edel
Noch eine Kleinigkeit, weil es unten in der Caesar-Lektüre (Zeile 1) vorkommt. Es gibt einige Komparative und Superlative, die keinen Positiv haben. Genauer, die kein Adjektiv als Positiv haben; bei ihnen übernimmt eine Präposition die Rolle des Positivs.
Z.B. wird von extrâ außerhalb der Komparativ exterior der äußere und der Superlativ extrêmus der äußerste abgeleitet.
Aus prope nahe bei ergibt sich propior der nähere und proximus der nächste.
Nehmen wir noch ein Beispiel:
Aus suprâ oberhalb folgen der Komparativ superior mit den beiden Bedeutungen der obere und überlegen und die beiden Superlative suprêmus der oberste und summus der höchste.
Sie finden eine Liste dieser unvollständigen Steigerung in Ihrer Grammatik, z.B. in KurzGr S.26.
Machen wir Schluß mit einem Hinweis auf eine Stelle in unserer heutigen Bellum- Gallicum-Lesung. Es heißt dort in Zeile 5
Caesar ... quam maximîs potest itineribus in Galliam ulteriôrem contendit. Caesar eilt in möglichst großen Märschen ins jenseitige Gallien.
Die Struktur, die ich erklären will, ist quam + Superlativ + posse. Caesar benutzt sie, um einen möglichst großen Aufwand zu bezeichnen.
Ein paar Zeilen weiter heißt es: ..quam maximum potest militum numerum ... eine möglichst große Anzahl an Soldaten...
Unser möglichst mit dem Positiv wird im Lateinischen also durch quam mit dem Superlativ ausgedrückt.
Manchmal fehlt eine Form von posse, z.B. in einem früheren B-G-Kapitel (I,3,1) Helvetii constituerunt sementes quam maximas facere. Die Helvetier beschlossen, eine möglichst große Aussaat zu machen.
Das unregelmässige Verb
volôIn der 12.Lektion haben wir die Formen von possum betrachtet, heute ist volô, voluî, velle wollen an der Reihe.
Zunächste einige Sätze, in denen Formen von velle benutzt werden:
Sie sehen, ohne velle wollen ist kein Gespräch zu führen, schon garnicht über Geld. Also schnell die Verbalformen zusammengestellt:
Präsensstamm:
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vî-s vul-t vol-u-mus vul-tis vol-u-nt |
vel-î-s vel-i-t vel-î-mus vel-î-tis vel-i-nt |
vol-ê-bâ-s vol-ê-ba-t vol-ê-bâ-mus vol-ê-bâ-tis vol-ê-ba-nt |
vel-lê-s vel-le-t vel-lê-mus vel-lê-tis vel-le-nt |
vol-ê-s vol-e-t vol-e-mus vol-e-tis vol-e-nt |
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Das Part.Präs. volêns, volentis wollend ist meist Adjektiv und bedeutet dann willig, gewogen
Zu volô gehören zwei Composita, die wir bereits kennen:
nôlô, nôluî, nôlle nicht wollen
mâlô, mâluî, mâlle lieber wollen
Diese Verben sind aus nê-volô und magis volô kontrahiert. Fast alle Formen werden nach dem Muster von velle gebildet, aber zu beachten sind die folgenden Ausrutscher:
nôlô |
nôn vîs |
nôn vult |
nôlumus |
nôn vultis |
nôlunt |
mâlô |
mâvîs |
mâvult |
mâlumus |
mâvultis |
mâlunt |
Beispiele:
nôlô multum tempus perdere. Ich will nicht viel Zeit verlieren.
plura scribere nôlô mehr will ich nicht schreiben
errare mâlô cum Platone... ich will lieber mit Plato irren...
nôlêns volêns nicht wollend (oder) wollend oder: nicht wollend wollend
Hier sind zunächst einige Übungen zu Catull,
versuchen Sie zu übersetzen:
(quadrivium, iî n
Kreuzweg, angiportum, î n enges Gäßchen, Seitengasse,Nun zu der Komparation von Adjektiven
Issa est passere nêquior Catullî, |
nêquior, ius wertlos, schelmischcolumba, ae f Taube blandus 3 neckisch, kosend Indicus 3 aus Indien lapillus, î Edelstein catella, ae f Hündchen Pûblî = Pûbliî (Gen. von Pûblius) |
Sie finden sicher schnell heraus, daß es sich um Elfsilbler (Hendekasyllabus) handelt:
Is-s(a) est | pas-se-re | nê-qui |-or Ca |-tul - lî; bis auf nê- sind alle markierten Silben positionslang, denn ihre Vokale stehen jeweils vor mehreren Konsonanten.
Hier noch zwei Sätze zu velle und mâlle:
Lösungen:
Als Caesar erfuhr, daß sie vorhatten, durch die römische Provinz zu ziehen, verließ er sofort Rom und erschien eine Woche später bereits vor Genf. So war Caesar.
BG I,6,3-7,3
1 |
Extrêmum oppidum Allobrogum est proximumque Helvêtiôrum fînibus Genava. Ex eô oppidô pôns ad Helvêtiôs pertinet. |
2. |
Allobrogibus sêsê vel persuâsûrôs quod nôndum bonô animô in populum Rômânum vidêrentur, exîstimâbant, vel vî coâctûrôs, ut per suôs fînês eôs îre paterentur. |
3. |
O mnibus rêbus ad profectiônem comparâtîs diem dîcunt, quâ diê ad rîpam Rhodanî omnês conveniant. |
4. |
is diês erat ante diem quîntum Kalendâs Aprîlês Lûciô Pisône, Aulô Gabiniô cônsulibus. |
5. |
Caesarî cum id nûntiâtum esset, eôs per provinciam nostram iter facere conârî, mâtûrat ab urbe proficîscî et quam maximîs potest itineribus in Galliam ulteriôrem contendit et ad Genavam pervenit. |
6. |
Provinciae tôtî quam maximum potest mîlitum numerum imperat (erat omnînô in Galliâ ulteriôre legiô ûna), pontem, quî erat ad Genavam, iubet rescindî. |
7. |
Ubî dê eius adventû Helvêtiî certiôrês factî sunt, legâtôs ad eum mittunt nobilissimôs civitâtis, cuius lêgâtiônis Nammêius et Vercucloetius principem locum obtinêbant, |
8. |
quî dîcerent sibi esse in animô sine ullô maleficiô iter per provinciam facere, propterea quod aliud iter habêrent nullum; rogâre, ut eius voluntâte id sibi facere liceat. |
wörtliche Übersetzung
1. |
Die letzte Stadt der Allobroger ist und die nächste der Helvetier den Grenzen Genf. Aus dieser Stadt eine Brücke zu den Helvetiern führt. |
2. |
Die Allobroger sie entweder überreden würden, weil noch nicht guter Gesinnung gegen das Volk römische schienen, sie glaubten, oder mit Gewalt zwingen würden, daß durch ihr Gebiet sie ziehen ließen. |
3. |
Nachdem alle Dinge zum Aufbruch vorbereitet worden waren, einen Tag sie sagen an, an welchem Tag am Ufer der Rhône alle zusammenkommen sollen. |
4. |
Dieser Tag war der fünfte Tag vor den Kalenden des April, als Lucius Piso und Aulus Gabinius Konsuln waren. |
5. |
Dem Caesar als dies gemeldet worden war, (daß) sie durch Provinz unsere die Reise zu machen beabsichtigten, er eilt von der Stadt abzureisen und in möglichst großen er kann Märschen in das jenseitige Gallien er eilt und bei Genf er anlangt. |
6. |
Der Provinz ganzen eine möglichst große er kann der Soldaten Anzahl er legt auf (es war überhaupt im jenseitigen Gallien Legion eine), die Brücke, die war bei Genf, er befiehlt abzureißen. |
7. |
Sobald von seiner Ankunft die Helvetier benachrichtigt worden sind, als Gesandte zu ihm sie schicken die Vornehmsten der Bürgerschaft, welcher Gesandtschaft Nammeius und Verucloëtius die erste Stelle einnahmen, |
8. |
die sagen sollten, ihnen sei im Sinne ohne jede Feindseligkeit den Weg durch die Provinz zu machen, weil einen anderen Weg sie hätten keinen; sie bäten, daß mit seinem Willen dies ihnen zu tun erlaubt sei. |
freie Übersetzung
Die letzte Stadt der Allobroger und die den Grenzen der Helvetier am nächsten ist Genf. |
Verben
côgere
zwingen
Sonstige Wörter und Erklärungen
Genava
Genf; lacus Lemannus Genfer SeeBeide Sätze sind zwar recht einfach zu übersetzen, dennoch wollen wir sie nicht einfach überfliegen. Da steht z.B. im ersten Satz das Subjekt Genava ganz eigenwillig am Satzende, offenbar der besonderen Betonung wegen. oppidum ist Prädikatsnomen zum Verbum est.
Genf ist einerseits die letzte Stadt, andererseit die nächste, d.h. die Superlative extremum und proximum (vgl. Grammatik) sind Attribute zu oppidum. Allobrogum ist Genitivattribut zu oppidum.
Von dem Attribut proximum ist schließlich der Dat. Pl. finibus abhängig. (spr. pro-xi-mum-kwe)
Bei Satz 2 ist zu bemerken, daß ex den Ablativ regiert: eô oppidô mit eô als Ablativ Sg. Neutr. von is, ea, id. Das Verb pertinêre bedeutete bisher meist gehören, in der Wendung pôns pertinet bedeutet es sich erstrecken, führen.
Zeile 2
Der HS des Satzgefüges ist (Helvetiis) exîstimabant (ex-î-sti-mâ-bant). Natürlich erwarten wir einen a.c.i., -der auch prompt auftaucht: sêsê (= sê = Helvetios) vel persuâsuros (esse). Dazu gehört als entfernteres Objekt (= Dativ-Objekt, denn persuâdeô regiert den Dativ) Allobrogibus.
persuasurum esse (und gleich auch coacturum esse) ist der Inf.Präs. der Coniugatio periphrastica, der gleichzeitig als Infinitiv Futur fungiert, wie wir schon in der 11.Lektion sahen.
persuasurum muß sich nach dem Subjekt des a.c.i. richten, das heißt nach dem Akk.Pl.Mask. sêsê (= Helvetios). Daher lautet das fertige Prädikat des a.c.i.: persuasuros esse. Zu exîstimabant gehört aber noch ein zweiter a.c.i.: (sêsê) vel vî coâctûrôs (esse).
Sie glaubten, daß sie die A. entweder (vel) überreden würden ... oder (vel) durch Gewalt zwingen würden...
Zwischen persuasuros und existimabant hat Caesar noch einen Nebensatz eingeschoben, der den Grund dafür angibt, weshalb die Helvetier glaubten, die A. überreden zu können, wir haben also einen Kausalsatz vor uns. Der Konjunktiv steht bei quod, weil es sich bei dem Grund um eine Vermutung des Subjektes des HS handelt. Schließlich muß noch gesagt werden, was sie wirklich vorhatten: ut per suôs fînês eôs îre paterentur.
Der a.c.i. eos îre hängt von paterentur ab: daß sie ihnen erlaubten, durch ihr (der Allobroger) Gebiet zu ziehen. Klarer wird das Ganze, wenn wir den Nebensatz durch ein Substantiv ersetzen: daß sie ihnen den Durchzug durch ihr Gebiet (Land) erlaubten.
Zeile 3
Der HS (Helvetii) dîcunt wird von einem Abl. absolutus eingeleitet: nachdem alle Dinge zum Aufbruch vorbereitet worden waren... Der von quâ, vgl. 5.Lektion, eingeleitete Relativsatz hat das Prädikat conveniant 3.Pl.Konj.Präs.Akt., das wir hier mit Hilfe von sollen wiedergeben müssen sie sollen zusammenkommen. Es handelt sich um einen Jussiv, erinnern Sie sich? Das steht in der 4.Lektion. Als Muster können Sie sich merken videant consules! die Konsuln sollen sich drum kümmern... In der 4.Lektion erfuhren wir, daß dies maskulin ist, wenn es einen Tag von 24 Stunden meint; bedeutet es einen Termin, so ist es weiblich. Demnach ist diem vor dicunt mit Termin zu übersetzen. Im 4.Satz bedeutet is dies aber einen Tag von 24 Stunden, ein Datum.
Zeile 4
Man erhält das Datum, wenn man vom 1. April (Kalendae Aprîlês) aus 5 Tage rückwärts rechnet. Die Zählung beginnt am 1. April: 1., 31., 30., 29., 28.
Das fragliche Jahr ergibt sich aus der Nennung der beiden Konsuln (im Ablativus absolutus).
Caesar gelang es im Oktober 59, als er selbst Konsul war, für das Jahr 58 zwei seiner Freunde als neue Konsuln wählen zu lassen: Lucius Calpurnius Piso, seit kurzem sein Schwiegervater, Caesar hatte dessen Tochter Calpurnia geheiratet. Aulus Gabinius war ein alter Gefolgsmann des Pompeius. Caesar bereitete zu dieser Zeit bereits seine Gallien-Mission vor und brauchte zu Hause zuverlässige Hintermänner. Dazu gehörte auch Clodius, der Bruder der Catullschen Lesbia-Clodia. Mit Caesars Einwilligung war Clodius kurz zuvor zum Volkstribun gewählt worden. Pompeius heiratete 59 Caesars Tochter Julia, die etwa dreißig Jahre jünger war als er. Crassus, Pompeius und Caesar waren außerdem durch ihr Triumvirat aneinander gebunden, wenigstens Pompeius und Caesar, Crassus hielt sich spürbar zurück. Daß Caesar im Senat und in der römischen Gesellschaft wenige Freunde hatte, kann man sich leicht ausmalen. Vor seiner Abreise nach Gallien war jedenfalls noch manches Band zu knüpfen.
Zeile 5
Hier beginnt der eigentliche Auftritt Caesars, BG I,7,1.
Gleich zu Beginn müssen wir staunen, denn Caesar verfügte offenbar über einen schnellen Geheimdienst mit keltischen Sprachkenntnissen.
Den temporalen Vordersatz sparen wir uns bis zum Schluß auf. Der HS mit Caesar als Subjekt ist zusammengezogen und besitzt drei Verba im Präsens: maturat, contendit, pervenit, also typischer Caesar-Stil: er beschleunigt, eilt und kommt an. proficîscî ist direktes Objekt zu maturat. Die Verwendung des Präsens macht die Schilderung lebhaft. Caesar hätte auch im Perfekt schreiben können: maturâvit, contendit (= Präs.), pervênit.
Beachten Sie auch die beiden et, die die Verben miteinander verbinden: maturat et contendit et pervenit. Im Deutschen setzen wir und nur vor das letzte Verb: und kommt an. Der Lateiner kann die drei Verben aber auch einfach unverbunden, durch Kommata getrennt, nebeneinander schreiben, wie wir ja schon früher bei veni, vidi, vici ich kam, sah und siegte sahen.
maximis itineribus ist ein Ablativ auf die Frage womit? wodurch?, ein Ablativus instrumenti.
(Der Instrumentalis steht als adverbiale Bestimmung zur Bezeichnung von: Mittel, Ursache, Begleitung und Art und Weise.)
ad Genavam bedeutet in die Gegend von Genf; nach Genf würde einfach Genavam heißen.
Ebenso muß man unterscheiden a Roma aus der Umgegend von Rom und ex urbe Roma aus der Stadt Rom.
Jetzt fehlt noch der Anfang der Periode. Der Konj. Plusquamperfekt nûntiâtum esset beim cum historicum bezeichnet die Vorzeitigkeit: zuerst mußte der Vorgang gemeldet werden, dann erst brach Caesar auf: als Caesar dies gemeldet worden war.... Das Partizip nuntiatum steht im Neutrum, weil es sich auf das Neutrum id bezieht. Der auf den Temporalsatz folgende daß-Satz steht lateinisch im a.c.i. mit eôs als Subjekt und dem Deponens conârî versuchen als Prädikat.
Zeile 6
Die Periode besteht aus zwei beigeordneten Hauptsätzen mit den Präsens-Prädikaten imperat und iubet. Wir wissen, daß iubet nach einem a.c.i. verlangt: pontem rescindî daß die Brücke abgerissen werde. rescindi ist Inf. Präs. Passiv von rescindere.
Beachten Sie, daß im Relativsatz quî erat ad Genavam das Relativpronomen quî im Nominativ steht, das Bezugswort pontem aber im Akkusativ. In der 5.Lektion hörten Sie, daß das Rel.Pron. sich in Genus und Numerus zwar nach seinem Beziehungswort richtet, im Kasus jedoch nach seiner Funktion im Relativsatz -und die ist hier, Subjekt zu sein. Beachten Sie das Imperfekt erat zur Schilderung eines Zustandes.
Der eingeschobene Satz erat ... legiô ûna deutet darauf hin, daß es in der provincia Romana vor Caesars Auftritt offenbar recht ruhig zuging, denn eine Legion waren nur 4000 Mann. Soviele Polizisten benötigt eine heutige Großstadt um bei besonderen Anlässen die Ordnung zu garantieren.
Daß Caesar so ohne weiteres und in wenigen Wochen ein ansehnliches Heer ausheben konnte, ist ebenfalls bemerkenswert. Er erwähnt nicht, daß er in Aquileia, in Norditalien, bereits über drei Legionen verfügt. Die Aushebung von Legionen verlangte eigentlich einen Senatsbeschluß. Aber Caesar wird sich schon zu rechtfertigen wissen.
Zeile 7/8
HS: (helvetii) mittunt, Objekt zu mittunt ist nobilissimos mit dem Gen. Attribut cîvitâtis. Apposition zum Objekt ist legatos als Gesandte.
Im temporalen, passiven Vordersatz ist facti sunt sie sind gemacht worden 3.Pl.Ind.Perf.Pass. Prädikat zum Subjekt Helvetii. certior factus sum ich bin benachrichtigt worden.
ut ... liceat (Konj.Präs.) ist ein Finalsatz, eingeleitet mit ut finale, der von rogare abhängt. Von liceat hängt schließlich der Infinitivsatz id facere dies zu tun ab.
Die relativen Anschlüsse cuius (legationis) und qui (dicerent) erzeugen im Lateinischen eine enge Satzverbindung. Im Deutschen ist es jedoch geschickter, die Rel.-Pronomina in Demonstrativ-Pronomina zu verwandeln. Wir beginnen dann jedesmal einen neuen Satz.
Lösungen:
Heute werden wir eine Anekdote aus dem Leben des Kaisers Augustus lesen. Hier sind zunächst einige Lebensdaten:
Name: C. Octavius, nach Adoption durch Onkel C. Iulius Caesar neuer Name:
C. Iulius Caesar Octavianus, seit 16.1.27 Augustus, der Erhabene.
Geb. 23.9.63 v.Chr. in Rom
45 begleitet er Caesar nach Spanien
27.11.43 Triumvirat zusammen mit Antonius und Lepidus.
Nach Ausschaltung des Lepidus und nach dem Seesieg über Antonius am
2.9.31 bei Aktium Alleinherrscher unter scheinbarer Wahrung republikanischer Traditionen.
Gestorben: 19.8.14 n.Chr. in Nola. Der Sterbemonat wurde nach ihm August genannt.
Bei seinem Tod hinterließ Augustus ein Testament, eine Verfügung über seine Bestattung, eine statistische Übersicht über das ganze Reich und eine Verzeichnis seiner Taten, die Res gestae Divi Augusti. 1555 wurde eine Abschrift dieses Verzeichnisses (Index rerum gestarum) in griechischer Sprache -in Marmor gemeißelt- an einem ehemaligen Tempel der Göttin Roma und des Augustus in Ankara (Ankyra) gefunden, daher auch Monumentum Ancyranum genannt.
Der römische Historiker Sueton (70-140 n.Chr., Freund Plinius´ d.J.,) verfaßte eine Biographie des Kaisers.
Im Anhang der nächsten Lektion werden wir einige Zeilen aus dem Index lesen.
Nur einige wenige der unzähligen Briefe, die Augustus geschrieben bzw. diktiert haben muß, sind erhalten, z.B. ein kurzer Brief an seinen heiß geliebten Enkel Gaius Caesar (20 v.Chr.- 4.n.Chr.).
Hier nun die angekündigte Anekdote:
Cum post Actiacam victoriam Octavianus Romam reverterêtur, occurit ei inter gratulantes opifex quidam corvum tenens, quem instituerat haec dicere:
Ave, Caesar, victor imperator.
Miratus Caesar officiosam avem viginti milibus nummorum emit. Salutatus similiter a psittaco emi eum iussit. Hoc exemplum sutorem pauperem sollicitavit, ut corvum institueret ad parem salutationem.
mîror, mîrâtus sum, mîrârî
sich wundern, anstaunen (+ Akk.) Dep. 1.Konj.Caesar staunte über den eilfertigen Vogel und kaufte ihn für 20000 Sesterzen. Als er von einem Papagei ähnlich begrüßt worden war, befahl er, ihn zu kaufen.
Dieses Beispiel reizte einen armen Schuster, einen Raben zu der gleichen Begrüßung abzurichten.
Quî impendiô exhaustus saepe ad avem non respondentem dîcere solêbat: opera et impênsa periit! Aliquandô tamen corvus coepit dicere dictam salutationem.
impendium, i n
der Aufwand, die Mühe, die KostenDieser pflegte durch den Aufwand erschöpft zum nicht antwortenden Vogel oft zu sagen
:hac salutatione audita
ist Abl. absolutus;Nachdem Augustus dies gehört hatte, sagte er beim Vorübergehen
: Zu Hause habe ich genug derartiger Begrüßer. Der Rabe hatte noch Gedächtnis übrig, so daß er auch jene Worte hinzufügte, mit denen er seinen Herren klagen zu hören pflegte: Mühe und Kosten sind verloren.Ad quod Caesar rîsit emique avem iussit, quantî nullam ante emerat.
rîdeô, rîsî, rîsum, rîdêre lachen
quantî für wieviel, so teuer wie (quantî cônstat haec avis was kostet dieser Vogel? - Est cârissima!)
Caesar lachte hierüber und befahl, den Vogel zu kaufen, so teuer wie er keinen vorher gekauft hatte.