21.
Lektion - lectio vicesima prima (viginti unus,-a, -um 21)Ich hatte mir vorgenommen, Sie in die Ovid-Lektüre einzuführen. Die ersten 5 Verse aus dem dritten Buch der Metamorphosen haben wir in der letzten Lektion auch bereits auseinander genommen. Vermutlich ist Ihnen alles klar, und wir können uns an die nächsten Verse machen.
Worterklärungen und Übersetzung
Was meinen Sie, wollen wir heute zuerst einmal den Inhalt erarbeiten und dann erst skandieren?
Gut, das meine ich auch.
Nach mehrmaligem aufmerksamem Durchlesen haben wir immer noch nicht alles verstanden -außer natürlich: quis enim possit dêprêndere furta Iovis? wer denn könnte hinter die Schliche Jupiters kommen?
dê-prêndô, ndî, nsum, prêndere ergreifen, entdecken (die Vollform lautet dê-prehendô); fûrtum, î n Diebstahl, Gaunerei, List;
Iuppiter (Iûpiter), Iovis m Jupiter (gr. Zeus).
Der Konjunktiv Präs. possit ist ein sogenannter potentialer Konjunktiv, vgl. zum Potentialis im hypothetischen Satz die 10. Lektion, Einleitung.
Hier soll gesagt sein: Wer möchte schon glauben, daß jemand hinter seine Schliche kommt. Eigentlich doch niemand! (Der potentiale Konjunktiv drückt in zurückhaltender Weise aus: ich glaube nicht, daß jemand hinter seine Schliche kommt. Mit wer möchte schon glauben... wird demnach eine bescheidene Behauptung ausgedrückt. Vergleichen Sie z.B. auch quis hoc crêdat? wer möchte das glauben? anstelle von das glaube ich nicht.)
Wir entdecken weiter drei Prädikate: vîtat er meidet von (ê)vîtâre meiden, cônsulit er holt sich Rat von cônsulô, cônsuluî, cônsultum, cônsulere beschließen, befragen (der Konsul ist ein Berater; hier ôrâculum cônsulere das Orakel befragen) und requîrit er fragt nach, er erforscht von requîrô, requisîvî, requisîtum, requîrere erforschen, nachfragen.
Wenn Sie jetzt noch erfahren, daß Agênoridês, ae ein Patronym, d.h. ein vom Name des Vaters abgeleiteter Name ist, dann fällt es Ihnen wie Schuppen von den Augen; denn natürlich ist Kadmos, der Agenoride, das gesuchte Subjekt zu den drei Prädikaten.
Das Objekt zu vîtat ist auch klar: patriamque iramque das Vaterland und den Zorn.
parêns, entis (Vater, Mutter) ist der Singular zu parentês, (i)um m Eltern.
Wir übersetzen demnach den 7. Vers folgendermaßen: der flüchtige Agenoride meidet das Vaterland und den Zorn des Vaters.
Zu dem Adjektiv profugus, a, um flüchtig, verbannt gehört auch ein Substantiv: profugus, î m der Flüchtling, der Verbannte. Wir können also auch sagen: der Agenoride meidet als Flüchtling das (sein) Vaterland und den Zorn des Vaters.
requîrit und cônsulit bedeuten im Grunde dasselbe: befragen, erforschen.
supplex, supplicis bittflehend; der Plural ôrâcula ist eine poetische Freiheit, und mit ôrâculum Phoebî ist das Orakel im Tempel des Apollo (Phoebus ist ein Beiname des Sonnengottes Apollo) zu Delphi gemeint. (Im Anhang zur 13. Griechisch-Lektion finden Sie etwas zu Apoll und auch zu Delphi. Offenbar geht Ovid davon aus, daß in der Zeit des Kadmos, ca. 1500 v. Chr., in Delphi bereits orakelt wurde- quis hoc crêdat?)
tellûs, ûris f die Erde, das Land
(Bei den Nomina der 3.Dekl., die auch im Genitiv u beibehalten, ist das u des Nominativs lang).
quae sit tellûs habitanda = quae tellûs habitanda sit welches Land zu bewohnen sei, d.h. in welchem Land er sich niederlassen soll.
Jetzt sind wir bis zum Ende der Periode vorgedrungen und haben den Ablativus absolutus orbe pererratô nachdem er den Erdkreis durchschweift hatte ganz vergessen. Sie kennen sicherlich den Orbit eines Satelliten -dann ist Ihnen auch orbis, is m der Kreis, die Kreisbahn bekannt. Der orbis terrârum ist der Erdkreis oder die Welt.
(Mußten wir tatsächlich einen derartigen Anlauf nehmen, um diesen Satz zu übersetzen?)
Nachdem er die Welt durchschweift hatte - denn wer könnte schon hinter die Schliche Jupiters kommen?- meidet der Agenoride als Flüchtling sein Vaterland und den Zorn seines Vaters, befragt bittflehend das Orakel des Phoebus und erkundigt sich, welches Land er bewohnen soll. |
Skandierung
Sie möchten natürlich gleich losstürzen und die vier Verse mathematisch untersuchen, so wie ich es Ihnen in den letzten beiden Lektionen gezeigt hatte. Wenn Sie aber jedesmal derart systematisch vorgehen, werden Sie nur schwer lernen, einen Hexameter auf Anhieb richtig zu lesen. Ich schlage Ihnen daher vor, die Verse zunächst laut vorzulesen, und zwar sooft, bis Sie glauben, den richtigen Rhythmus gefunden zu haben. Markieren Sie dann die zu iktierenden (zu betonenden) Silben mit einem Bleistift -diese Marken können Sie nämlich wieder ausradieren!
Wenn Sie damit fertig sind, wenn Sie also glauben, die Hexameter richtig zu lesen, gehen Sie hin und unterziehen ihre Arbeit einer sorgfältigen Kontrolle, so wie wir es anhand unseres Rezeptes in der 19. und 20. Lektion geübt haben. Vielleicht ist Ovid bei der Fabrikation der Hexameter ähnlich vorgegangen. Andererseits flossen ihm die Hexameter ja automatisch richtig durch den Calamus auf sein Wachstäfelchen.
Sie werden beim Lesen wahrscheinlich feststellen, daß der 9. Vers sich am leichtesten skandieren läßt: consulit et, quae sit || tellus habitanda, requirit. Damit Sie aber beim Lesen auch die Silbenlängen richtig berücksichtigen, sollten Sie zusätzlich die naturlangen Silben markieren (aus der obigen Wortbesprechung sind Ihnen die meisten Längen ja bekannt).
9* cônsulit et, quaê sit || tellûs habitanda, requîrit.
Der * soll andeuten, daß die Skandierung noch überprüft werden muß. Bei einem -immer langen- Diphthong setzen wir das Längenzeichen nur auf den zweiten Vokal: quaê.
Wenn Sie jetzt zum 8. Vers gehen, werden Sie feststellen, daß Phoebiqu(e) oracula supplex am wenigsten Ärger macht -natürlich lesen Sie "Phöbîkwôrâkula", denn das e wird elidiert, d.h. nicht ausgesprochen. Wie aber lesen Sie A-ge-no-ri-des? Die Prosabetonung verlangt die Betonung des o. Damit kommt man hier aber nicht weiter, Sie müssen hier im Vers A-genori-des lesen. OK? Also notieren wir als die wahrscheinlich richtige Lesung:
8* vîtat Agênoridês || Phoebîqu(e) ôrâcula supplex
Im 7. Vers haben wir wieder eine Elision: patriamqu(e) îramque (patriamkwîramkwe)
7* fûrta Iovis? - profugus patriamqu(e) îramque parentis
Der 6. Vers beginnt nicht sehr rhythmisch, wie soll man Orbe pererrato skandieren? Es muß so aussehen: or-be per-|er-râ-|tô -. Innerhalb von pererrato hat man den Einduck zu stolpern.
6* orbe pererrâtô || - quis enim dêprêndere possit.
Ich sagte vorhin: es muß so aussehen. Warum denn? Wir haben nur das Schema des Hexameters hervorzuholen und mit dem 6. Vers zu vergleichen:
Hexameter: ¾
È
È
| ¾
È
È
| ¾
È
È
| ¾
È
È
| ¾
È
È
| ¾
È
Die letzten fünf Silben müssen jedenfalls so skandiert werden: prên-de-re | pos-sit, wobei pos- positionslang ist. Am Anfang haben wir den Daktylus or-be per- mit positionslangem or-.
Die Silbe er- in er-râ-tô ist wieder positionslang, tô ist lang, weil pererrâtô Ablativ ist.
Schließlich ist in e-nim die Silbe -nim positionslang.
Mit Markierung der Versfüße sieht der 6. Vers somit folgendermaßen aus:
Bei den anderen Versen haben wir auch gute Arbeit geleistet, die Skandierung stimmt.
Im 8. Vers ist die letzte Silbe -plex übrigens auch positionslang, denn x = c+s gilt als zwei Konsonanten (vergleiche auch z = d+s). Nochmals:
Eine Silbe ist durch Position lang, wenn auf ihren Vokal zwei oder mehr Konsonanten (oder ein Doppelkonsonant wie x oder z) folgen, von denen der zweite nicht r oder l ist.
In der nächsten Lektion werden wir uns die Verse 10 bis 18 vornehmen. Da Sie aber eigentlich keiner Einleitung mehr bedürfen, werde ich die folgenden Ovid-Texte im Anhang unterbringen. Dort sind sie aber dann kein Anhängsel, vielmehr wollen sie weiterhin mit Aufmerksamkeit "behandelt" werden. Leider sind wir natürlich noch nicht so weit, daß wir die Verse wirklich "lesen" können, vorläufig müssen wir uns Ovid noch erarbeiten. Großes Ziel bleibt allerdings, lateinische Poesie bald auch genießen zu können.
In der Einleitung werden wir von der nächsten Lektion an die erste der Vier Reden Ciceros gegen Catilina besprechen.
In der 9. Lektion haben wir ein Liste der Pronomina zusammengestellt. Ausführlich besprochen hatten wir bisher Demonstrativ-, Relativ- und Interrogativpronomina. Persönliche- und besitzanzeigende Fürwörter kamen zwar immer wieder einmal vor, ausführlich beschäftigt haben wir uns aber bisher nicht damit. Das soll jetzt ganz anders werden!
Prônômina personâlia
(persönliche Fürwörter), 1. und 2. PersonSingular
1. Person |
2. Person |
|||
Nominativ |
ego |
ich |
tû |
du |
Genitiv |
meî |
meiner |
tuî |
deiner |
Dativ |
mihi |
mir |
tibî |
dir |
Akkusativ |
mê |
mich |
tê |
dich |
Ablativ |
â mê |
von mir |
â tê |
von dir |
mêcum |
mit mir |
têcum |
mit dir |
Prônômina personâlia (
persönliche Fürwörter), 1. und 2. PersonPlural
1. Person |
2. Person |
|||
Nominativ |
nôs |
wir |
vôs |
ihr |
Genitiv |
nostrî |
unser |
vestrî |
euer |
Dativ |
nôbis |
uns |
vôbîs |
euch |
Akkusativ |
nôs |
uns |
vôs |
euch |
Ablativ |
â nôbîs |
von uns |
â vôbîs |
von euch |
nôbîscum |
mit uns |
vôbîscum |
mit euch |
Normalerweise werden die Personalpronomen nur benutzt, wenn sie besonders hervorgehoben werden sollen. Z.B. sagt Cicero einmal (Cic. Ad. Her. 4, 53, 66):
Ego patriam lîberâvi, vôs lîberî esse nôn curâtis. Ich habe das Vaterland befreit, und ihr kümmert euch nicht darum, frei zu sein.
Neben den Genitiven des Plural nostrî und vestrî gibt es auch noch die Formen nostrum, vestrum (für nostrôrum, vestrôrum).
Die beiden ersten (und auch die Gen. Sing. meî, tuî ) werden als Genitivus objectivus benutzt: dêsidêrium tuî die Sehnsucht nach dir; dêsidêrium vestrî die Sehnsucht nach euch.
(In der 9. Lektion hatten wir cupiditâs regnî, wo regnî Gen. obj. ist, also das Objekt im Genitiv, auf das sich das Verlangen erstreckt).
Die Formen nostrum, vestrum stehen als Genitivus partitivus und bezeichnen den Teil eines Ganzen, vgl. 9. Lektion, Anhang. Wir könnten etwa fragen: Wer von euch hat es getan? Quis vestrum fêcit? Antwort: Keiner von uns! Nêmo nostrum!
(nêmô, nûllîus, nêminî, nêminem, nûllô niemand, keiner; als Adj. kein, z.B. nêmô Thêbanus)
Nun fehlt nur noch die 3. Person des Personalpronomens. Aber die hat der Lateiner nicht gekannt. Wo wir er, sie, es sagen, sagt er is, ea, id, d.h. der Lateiner ersetzt die 3. Person des Personalpronomens durch das Demonstrativpronomen is, ea, id, dieser, diese, dieses
(-das wir bereits in der 9. Lektion tabelliert hatten!):
Singular |
Plural |
||||||
Nominativ |
is |
ea |
id |
iî(eî) |
eae |
ea |
|
Genitiv |
eius |
eôrum |
eârum |
eôrum |
|||
Dativ |
eî |
iîs(eîs) |
|||||
Akkusativ |
eum |
eam |
id |
eôs |
eâs |
ea |
|
Ablativ |
eô |
eâ |
eô |
iîs(eîs) |
Man benutzt is, ea, id jedoch nur dann, wenn das Personalpronomen sich nicht auf das Subjekt zurückbezieht, wenn es nicht reflexiv ist.
Z.B.: mein Freund wird ihn verteidigen amîcus eum dêfendet.
Wenn das Pronomen der 3.Person jedoch reflexiv ist, so muß suî, sibi, sê, â sê (seiner-bzw. ihrer, sich, sich, von sich) benutzt werden, und zwar sowohl im Singular als auch im Plural -und für m, f, n- (einen Nominativ gibt es nicht!).
Z.B.: amîcus meus sê dêfendet mein Freund wird sich verteidigen oder
Cleopatra sê interfêcit Cleopatra hat sich getötet.
(Cleaopatra hat sich selbst getötet muß mit dem zu deklinierenden ipse, ipsa, ipsum gebildet werden: Cleopatra sê ipsam interfêcit. Im Deutschen bleibt selbst, selber immer unverändert. Im Englischen endigen alle reflexiven Pronomina in -self: myself, yourself usw. Demnach wäre Cleopatra sê interfêcit auf Englisch mit Cleopatra killed herself zu übersetzen.)
(reflexiv soll hier heißen, daß sich das Pronomen der dritten Person auf das Subjekt desselben Satzes zurückbezieht, wie in dem Sätzchen amîcus meus sê dêfendet .
In innerlich abhängigen Sätzen (indir. Frage- und Begehrsätze, indir. Rede) kann das Pronomen sich aber auch auf das Subjekt des übergeordneten Satzes beziehen: Caesar imperâvit, ut sibi adventus legâtî nûntiârêtur. Caesar befahl, daß ihm die Ankunft des Gesandten gemeldet werde.
Die obliquen Kasus der Personalpronomina der 1. und 2. Person, d.h. alle außer dem Nominativ, sind -wie im Deutschen- zugleich reflexiv.
Z.B. in speculô mê videô ich sehe mich im Spiegel.)
Bei dieser reflexiven Anwendung ist der Besitzer zugleich Subjekt des Satzes.
Paula patruum eius videt.
Paula sieht seinen (dessen, des Freundes) Onkel.Im nicht reflexiven Fall ist der Besitzer nicht Subjekt des Satzes.
Die folgende Tabelle der Pronomina possessiva enthält auch
die Possessivpronomina der 1. und 2. Person.
1. Person |
2. Person |
3. Person |
|
Singular |
meus, a, um |
tuus, -a, -um |
suus, -a, -um |
Plural |
noster, -tra, -trum |
vester, -tra, -trum |
suî, -ae, -a |
Die Possessivpronomina werden wie Adjektive gebraucht.
(im Englischen heißen sie possessive adjectives).
Sie werden daher auch attributiv und prädikativ gebraucht (schauen Sie sich vielleicht nochmals das schöne Mädchen -puella pulcra- in der 1. Lektion an!).
meus, tuus, suus werden wie bonus, a, um dekliniert, noster, vester gehen wie pulcher, a, um
Beispiel
für prädikative Anwendung:
hic liber meus est, ille liber tuus est das Buch hier gehört mir, das Buch dort gehört dir
für attributive Anwendung:
liber meus apud sorôrem est mein Buch ist bei meiner Schwester
Die Possessivpronomen stehen nur dort, wo der Zusammenhang es erfordert, vor allem dann, wenn das Besitzverhältnis betont werden muß.
Wenn Sie sich etwa mit ihrem Freund über dessen Familie unterhalten und wissen möchten, wie seine Frau heißt, werden Sie nicht fragen: quod nômen est uxôrî tuae? (Dativ), sondern nur quod nômen est uxôrî? -denn natürlich wollen Sie in diesem Zusammenhang nicht den Namen der Frau eines anderen wissen. (Ihr Freund wird dann wahrheitsgemäß antworten: nômen uxôrî est Prîscilla -wörtlich: der Frau ist der Namen P.)
Wenn Sie sich dann verabschieden wollen, weil ihre Frau im Fitnesscenter auf Sie wartet, dann ist es der Deutlichkeit wegen schon angebracht zu sagen: mê paenitet, Paule, sed mihi nunc eundum est. uxor mea mê in gymnasiô exspectat. Valê. Sorry, Paul, aber ich muß jetzt gehen. Meine Frau erwartet mich im Fitnesscenter. Mach's gut.
(Statt sein, ihr verwenden wir auch dessen, deren. Erinnern Sie sich vielleicht noch an die 3. Lektion, in der wir erfuhren, daß Romulus die Jungfrauen seiner Nachbarn raubte? invitavit nationes vicinas atque eârum virgines rapuit. Wir übersetzten dies mit er hat benachbarte Nationen eingeladen und deren Jungfrauen geraubt.
Merken wir uns auch, daß tuus, vester und suus keinen Vokativ haben. Aber Sie können sagen: bene, mî fîlî gut, mein Sohn. In der 1. Lektion hörten Sie nämlich bereits, daß der Vokativ von meus mein mî lautet.)
Zum Schluß noch ein kleiner Dialog:
Vivuntne adhûc parentês tuî? Leben deine Eltern noch?Sânê. Ja. Quis domî tuae hâbitat? Wer wohnt in deinem Haus? (Lokativ) Uxor et lîberî et eôrum avus aviaque. Meine Frau, meine Kinder und deren Großvater und Großmutter. (avia, ae f Großmutter) Velim cognôscere plûra dê familiâ vestrâ. Ich würde gerne mehr über eure Familie wissen. Quid velîs cognôscere dê familiâ nostrâ? Was willst du über unsere Familie wissen? Quid dê avô tuô? Wie steht's mit deinem Großvater? Habeô avum admîrâbilem. Ich habe einen großartigen Großvater. |
In der 8. Lektion hatten wir plûra dîcere noch mehr sagen kennen gelernt.
Das Zeitverhältnis und die
consecutio temporum (Zeitenfolge).Diesem Begriff sind wir bereits in der 6. Lektion begegnet, als wir den Gebrauch der Tempora des Indikativs in Hauptsätzen kennen lernten. Wir sprachen damals vor allem von den Zeitstufen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) und den Aktionsarten (ingressiv, imperfektisch, perfektisch). Wenn Sie sich das alles nochmals angeschaut haben, können Sie sofort den noch ausstehenden Begriff in Angriff nehmen: das Zeitverhältnis zwischen Haupt -und Nebensatz. (Die Tatsache, daß die Handlung des Nebensatzes zu der des Hauptsatzes gleichzeitig, vorzeitig oder nachzeitig sein kann, nannten wir das Zeitverhältnis beider Handlungen. In der letzten Lektion sprachen wir auch vom Zeitverhältnis beim a.c.i., erinnern Sie sich?)
Wir werden zunächst solche Nebensätze betrachten, die im Indikativ stehen, sog. indikativische Nebensätze; anschließend untersuchen wir die Verhältnisse bei konjunktivischen Nebensätzen. Die für den Fall der konj. Nebensätze zuständigen Regeln werden unter dem Begriff Zeitenfolge (cônsecûtiô temporum) zusammengefaßt.
(Es wäre sicherlich sinnvoller, diesen Begriff auch bei den indikativischen Nebensätzen zu verwenden, wie es z.B. in KurzGr S. 98 geschieht. Wenn Sie sich nochmals grundsätzlich über Nebensätze und a.c.i. informieren wollen, so klicken Sie doch einfach die Grammatik in der 10. Griechisch-Lektion an. Sie werden alles verstehen, denn die dortige Erklärung läuft ganz ungriechisch ab -und Sie brauchen auch keinen griechischen Zeichensatz zu installieren!)
Tempus im regierenden Satz |
Konjunktiv im Nebensatz |
Zeitverhältnis |
Haupttempora: |
Präsens |
Gleichzeitigkeit |
Perfekt |
Vorzeitigkeit |
|
- ûrus sim |
Nachzeitigkeit |
|
Nebentempora: Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt |
Imperfekt |
Gleichzeitigkeit |
Plusquamperfekt |
Vorzeitigkeit |
|
-ûrus essem |
Nachzeitigkeit |
Steht im übergeordneten Hauptsatz ein Nebentempus (man sagt auch Präterium oder Vergangenheitstempus), so haben wir im konjunktivischenen Nebensatz
bei Gleichzeitigkeit den Konjunktiv Imperfekt zu benutzen:
rogâbam (rogâvî, rogâveram) num adesset ich fragte (habe gefragt, hatte gefragt), ob er anwesend wäre. (Frage und Anwesenheit sind gleichzeitig.) Oder mit Perfekt im Hauptsatz:
rogâvî, ubi esset ich habe gefragt, wo er wäre. (Der Konjunktiv Imperfekt drückt ebenso wie der Konjunktiv Präsens die Gleichzeitigkeit aus, weil auch er mit dem Präsensstamm gebildet wird.)
bei Vorzeitigkeit haben wir: rogâvî, ubi fuisset (Plqpf.) ich fragte, wo er gewesen wäre;
bei Nachzeitigkeit gilt: rogâvî, ubi crâs futûrus esset ich fragte, wo er morgen sein würde. Für den fehlenden Konjunktiv des Futur I wird jetzt der Konjunktiv auf -ûrus essem benutzt.
(Es ist gut, sich zu merken, daß -isse- mit hätte oder wäre übersetzt wird.)
Nehmen wir noch den Fall des Plusquamperfekt im regierenden Satz zusammen mit facere:
Gleichzeitigkeit:
rogâveram, quid faceret (Konj. Impf) ich hatte gefragt, was er täte (nämlich im Augenblick der Frage, daher sind die Geschehen in Haupt- und Nebensatz gleichzeitig).
Vorzeitigkeit:
rogâveram, quid fêcisset (Konj. Plqpf.) ich hatte gefragt, was er getan hätte (nämlich bevor ich fragte).
Nachzeitigkeit:
rogâveram, quid (crâs) factûrus esset (Konj. Futur auf -ûrus essem) ich hatte gefragt, was er (morgen) machen würde.
Die consecutio temporum gilt bei allen konjunktivischen und innerlich abhängigen Nebensätzen, also z.B. auch bei abhängigen Begehrsätzen (Wunschsätzen oder Befehlen), die immer als gleichzeitig angesehen werden -denn was man begehrt, will man doch sofort haben! Die Folge davon ist, daß in abh. Begehrsätzen nur Konj. Präsens oder Imperfekt vorkommen können.
(Steht das regierende Verb im Präsens oder Futur, so hat im Nebensatz der Konj. Präsens zu stehen; steht das regierende Verb in einem Nebentempus -einem historischem Tempus-, so haben wir im Nebensatz den Konjunktiv Imperfekt.)
Beispiel: (Wir bleiben bei unserem rogâre, das nämlich nicht nur fragen bedeutet, sondern auch bitten.)
Mâter fîlium rogat, ut frâtrem visitet die Mutter bittet den Sohn, daß er den Bruder besuche.
Pater fîliam rogâvit, nê sorôrem visitâret der Vater bat die Tochter, daß sie die Schwester nicht besuche.
Beachten Sie die Verwendung von
ut (daß) und nê (daß nicht) in abhängigen Begehrsätzen und bei deren Verneinung!Wie
iubêre und vetâre werden auch die folgenden beiden Verben konstruiert, die beide die Bedeutung zulassen haben:Wenn iubêre und vetâre passivisch gebraucht werden, so steht die Konstruktion des Nominativus cum Infinitivo (n.c.i.): milites pontem facere iussî sunt den Soldaten wurde befohlen, eine Brücke zu bauen
Versuchen Sie zu übersetzen
Lösungen:
Caesars Antwort: er ist trotz allem bereit, Frieden zu schließen, wenn die Helvetier Geiseln stellen. Auf diese Forderung hat Divico nur die Antwort: "Wir sind es gewohnt, Geiseln zu empfangen, nicht aber sie zu stellen," -sprach's und entfernte sich.
Der Leser hat keine Schwierigkeit, sich vorzustellen, wie Caesar mit einem boshaften Lächeln der helvetischen Gesandtschaft hinterherschaute.
BG I,14
1. |
Hîs Caesar ita respondit: eô sibi minus dubitâtiônis darî, quod eâs rês, quâs lêgâtî Helvetii commemorâssent, memoriâ tenêret, atque eô gravius ferre, quô minus meritô pôpulî Romani accidissent: quî sî alicûius iniûriae sibi cônscius fuisset, non fuisse difficile cavêre; ( spr. a-li-kû-jus) |
2. |
sed eô dêceptum, quod neque commissum â sê intellegeret, quârê timêret, neque sine causâ timendum putâret. |
3. |
Quodsî veteris contumêliae oblîvîscî vellet, num etiam recentium iniûriârum, quod eô invîtô iter per prôvinciam per vim temptâssent, quod Haeduos, quod Ambarros, quod Allobrogas vexâssent, memoriam dêpônere posse? ( spr. ob-lî-vîs-kî) |
4. |
Quod suâ victôriâ tam insolenter gloriarentur quodque tam diû sê impûne iniûriâs tulisse admirarentur, eôdem pertinêre. |
5. |
Cônsuêsse enim deôs immortâlês, quô gravius hominês ex commutatiône rêrum doleant, quôs prô scelere eorum ulcîscî velint, hîs secundiôrês interdum rês et diuturniôrem impûnitâtem concêdere. |
6. |
Cum ea ita sint, tamen, sî obsidês ab iîs sibi dentur, uti ea, quae polliceantur, factûrôs intellegat, et sî Haeduîs dê iniûriîs, quâs ipsîs sociîsque eôrum intulerint, item sî Allobrogibus satisfaciant, sêsê cum iîs pâcem esse factûrum. |
7. |
Dîvicô respondit: ita Helvêtiôs â mâiôribus suîs institûtôs esse, uti obsidês accipere, nôn dâre, cônsuêrint: êius reî populum Rômânum esse testem. |
8. |
Hôc respônsô datô discessit. |
wörtliche Übersetzung
1. |
Diesen Caesar so antwortete: desto ihm weniger Zweifel werde gegeben, weil die Sachen, die die Gesandten helvetischen erwähnt hätten, in Erinnerung erhätte, und desto schwerer trage, je weniger durch Schuld des römischen Volkes geschehen wären; dieses wenn irgend eines Unrechts sich bewußt gewesen wäre, nicht gewesen sein schwierig, sich zu hüten; |
2. |
aber dadurch getäuscht, weil weder begangen von ihm einsähe, weshalb sich fürchtete, noch ohne Grund zu fürchten glaubte. |
3. |
Wenn er nun die alte Schmach vergessen wollte, auch der neuen Gewalttätigkeiten, daß gegen seinen Willen den Durchzug durch die Provinz durch Gewalt sie hätten versucht, daß die Häduer, daß die Ambarrer, daß die Allobroger sie hätten mißhandelt, die Erinnerung ablegen er könne? |
4. |
Daß ihres Sieges so unverschämt sie rühmten sich und daß so lange er straflos Beleidigungen ertragen habe sie sich wunderten, ebendahin es gehöre. |
5. |
Gewöhnt seien denn die Götter unsterblichen, je schwerer die Menschen aus der Veränderung der Dinge Schmerz empfänden, die für Frevel derselben strafen wollten, diesen günstigere zuweilen Dinge und längere Straflosigkeit gewähren. |
6. |
Da diese Dinge so seien, dennoch, wenn Geiseln von ihnen ihm gegeben werden, daß das, was sie versprächen, sie tun werden er einsehe, und wenn den Häduern wegen der Ungerechtigkeiten, die ihnen selbst und Bundesgenossen ihren sie hätten zugefügt, ebenso wenn den Allobrogern Genugtuung sie geben, er mit ihnen Frieden werde machen. |
7. |
Divico antwortete: so die Helvetier von Vorfahren ihren unterwiesen worden seien, daß Geiseln anzunehmen, nicht zu geben gewöhnt seien; dieser Sache das römische Volk sei Zeuge. |
8. |
Nach dieser Antwort gegeben er ging fort. |
freie Übersetzung
Diesen gab Caesar folgendes zur Antwort: Er habe um so weniger Grund zu zweifeln, weil er die Ereignisse, an die die helvetischen Gesandten erinnert hätten, im Gedächtnis habe; und er empfinde sie um so schmerzlicher, als sie nicht durch ein Verschulden des römischen Volkes eingetreten seien. Wenn dieses sich irgend eines Unrechts bewußt gewesen wäre, so hätte es sich ohne Schwierigkeit vorsehen können. Daß sie sich ihres Sieges so unverschämt rühmten, und daß sie sich wunderten, daß er so lange ihre Beleidigungen ertragen habe, gehöre in denselben Zusammenhang. |
Verben
com-memorâre
sich erinnern, erwähnen
Sonstige Wörter und Erklärungen
dubitâtiô, ônis f
Zweifel, Bedenken
Zeile 1
respondit
er hat geantwortet (Ind.Perf.) leitet eine indirekte Rede ein. Der Hauptsatz der indir. Rede, den wir im Konjunktiv wiedergeben, hat den Inf. Präs. Pass. darî gegeben werden; dazu gehört als Subjekt minus weniger. Die wörtliche Formulierung ihm werde desto weniger des Zweifels gegeben ist im Deutschen unmöglich. Zunächst ist statt weniger des Zweifels zu setzen: weniger Zweifel oder weniger Anlaß zum Zweifel, sodann drücken wir das Ganze aktiv aus: er habe um so weniger Zweifel, weil ...Zeile 2
sed eô (populum Romanum) deceptum (esse), quod...
aber das r.V. sei dadurch getäuscht worden, weil... deceptum (esse) ist Inf. Perf. Pass. des a.c.i.Zeilen 3/4
Die Periode wird von dem Nebensatz quodsî ... vellet wenn er nun wollte eingeleitet.
sî veteris contumêliae oblîvîscî vellet hieß direkt: sî veteris contumêliae oblîvîscî volô.
Der von num eingeleitete Fragesatz zielt immer auf eine negative Antwort ( vgl. 9. Lektion, Einl.): Caesar hat etwa direkt gefragt: (meint ihr etwa) ich kann die Erinnerung an ... ablegen? num ... memoriam dêpônere possum? Vorausgesetze Anwort ist Nein. Es handelt sich um eine rhetorische Frage, die eigentlich eine Aussage ist -und daher in indir. Rede durch einen a.c.i. ausgedrückt werden muß.
Es folgen die beiden uniuriae, die mit quod aufgezählt werden. Der Konj. Plqpf. temptâvissent wurde zu temptâssent abgekürzt, ebenso wurde aus vexâvissent die Kurzform vexâssent.
In Zeile 4 müssen wir uns daran erinnern, daß das Deponens der 1. Konj. gloriârî den Ablativ regiert. Mit dem unbestimmten Pronomen aliquis sagen wir gloriârî aliquâ rê sich einer Sache rühmen.
Zeile 5
Diese Periode ist nicht ganz einfach. Beginnen wir mit dem Hauptsatz: Deôs immortâlês cônsuêvisse die unsterblichen Götter pflegten -nämlich zu gewähren concêdere, -was? secundiôrês ... impûnitâtem, und wem? hîs denjenigen. Hier schließt der Relativsatz quôs ... velint an; also: denjenigen, die...
Den von quô damit desto eingeleiteten Finalsatz quô ... doleant setzen wir im Deutschen an den Schluß der Periode.
Zeile 6
Die Aussage im a.c.i. mit dem Infinitiv Fut. Aktiv. esse factûrum und dem Subjekt sêsê lautet: er werde mit ihnen Frieden schließen sêsê cum iîs pâcem esse factûrum; dieser HS steht am Schluß der Periode. Ganz zu Beginn finden wir einen Einräumungssatz (Konzessivsatz): cum ea (Nom. Neutr. Pl. von is, ea, id) ita sint da die Dinge so seien = trotzdem. Vor dem HS stehen drei Bedingungssätze (Konditionalsätze) mit Konj. Präs.:
1. sî obsidês dentur wenn Geiseln gegeben würden (dentur = 3.Pl.Konj.Präs. Pass. von dare)
2. sî Haeduîs satisfaciant (3. Pl. Konj. Präs. Akt.) von satisfacere Genugtuung leisten
3. sî Allobrogibus satsifaciant
Gleich nach dem ersten Konditionalsatz steht ein von uti = ut eingeleiteter Finalsatz uti ...factûrôs intellegat (3. Sing. Konj. Präs. Akt.); eigentlich sollte dort stehen: ut ... eôs factûrôs esse intellegat. Zu factûrôs gehört das Objekt ea das, und dazu gehört der Relativsatz quae polliceantur (3. Pl. Konj. Präs. Dep.) was sie versprächen.
In dem zweiten Bedingungssatz steht noch der Relativsatz quâs ... intulerint (3. Pl. Konj. Perf. Akt. von inferre hineintragen, zufügen), worin quâs sich auf iniûriîs bezieht.
Beachten Sie bitte, daß das Relativpronomen sich im Kasus nach der Funktion richtet, die es im Realtivsatz ausübt (vgl. 5. Lektion). Hier ist es dir. Objekt (wen oder was haben sie zugefügt?), steht also im Akkusativ.
Zeile 7/8
Die Antwort des Divico wird von ita so eingeleitet und weist damit schon hin auf einen Konsekutivsatz: uti ... cônsuêrint (= cônsuêverint 3. Pl.Konj. Perf. Akt.) daß sie sich gewöhnt hätten. Die von Divico gemachten Aussagen stehen in indir. Rede im a.c.i.
Hôc respônsô datô nachdem diese Anwort gegeben worden war ist ein Ablativus absolutus.
Lösungen:
Vielleicht haben Sie den Film Gladiator in diesem Sommer des Jahres 2000 gesehen, und vielleicht haben Sie die Details bewundert, mit der Ridley Scott seinen Film gestaltet hat -ich war erstaunt und des Lobes voll. Aber vielleicht war ihnen auch zuviel des Blutes, das allenthalben verspritzt wurde. Mir war es zuviel.
http://novaroma.org/ludi/index.html ist eine der vielen Net-Seiten, in denen Sie sich weiter über Gladiatorenkämpfe informieren können. Hier werden Sie auch auf Quellen zum Thema Gladiatoren hingewiesen -und es werden Ihnen Farbfotos gezeigt! Klar, nicht von wirklichen Gladiatoren (arênârius, î Gladiator), aber immerhin von Galdiatorkämpfen, wie sie z.B. auf Mosaiken dargestellt sind.
Der wichtigste Gewährsmann in Sachen Antikes Schauspiel ist wohl der nörgelnde Spielverderber Tertullian, ein christlicher Rechtsanwalt und Kirchenvater aus Karthago, ca. 150-220 n. Chr.
In seiner Schrift De spectaculis (Über die Spiele) drückt er seinen Unmut über alle Art von Spielen aus, -er hat uns damit aber wichtige Informationen über die beliebtesten römischen Shows hinterlassen. Einer seiner aufschlußreichen Kernsätze lautet: amphitheatrum ... omnium daemonum templum est das Amphitheater ist der Tempel aller Dämonen.
Wer wollte ihm nicht beipflichten und seinen Abscheu vor blutrünstigen Spielen teilen! Wenn auch nicht überall Blut floß, so wollte Tertullian dennoch, daß sich der Christ von jeder Art Schauspiel fernhalte. Die Predigten des Kirchenvaters erinnern oft sehr stark an Äußerungen heutiger Fundamentalisten. Sein Rigorismus führte ihn bald in den Kreis der kompromißlosen Sekte der Montanisten, Anhänger des Propheten Montanus. Schließlich aber gründete er seine eigene Sekte. Auch Augustinus (354-430 n. Chr.) wird sich nicht wohlwollend über die Schauspiele äußern, aber ein Tertullian war ihm denn doch zu radikal; angeblich nannte er ihn einen Ketzer.
Tertullian lieferte in De spectaculis eine systematische Darstellung des antiken Spielewesens; Augustinus stellt uns im sechsten Buch seiner Confessiones, VI 8,13, den Seelenzustand seines den Gladiatorenkämpfen verfallenen Freundes Alypius dar.
Aus beiden Schriften wollen wir jetzt einige Zeilen lesen.
Tertullian, De spectaculis, 16 (1-3)
Cum ergo furor interdîcitur nobis, ab omni spectaculo auferimur, etiam a circo, ubi propriê furor praesidet.
Dehinc ad signum anxii pendent, ûnîus dementiae una vôx est.
Cognosce dementiam de vanitate: "misit", dicunt et nuntiant invicem quod simul ab omnibus visum est. Teneo testimonium caecitatis: non vident missum quid sit; mappam putant, sed est diaboli ab alto praecipitati figura.
Augustinus, Confessiones, VI 8,13
Augustinus erzählt, daß sein Freund Alypius als Student der Rechtswissenschaft in Rom lebte und eine Abneigung gegen Gladiatorenkämpfe hatte. Eines Tages jedoch wird er von Studienfreunden trotz seines Widerspruchs ins Amphitheater geschleppt, an einem Tag da Spiele auf Leben und Tod angesetzt waren. Alypius würde sich einfach die Augen zuhalten.
quo ubi ventum est et sedibus quibus potuerunt locati sunt, fervebant omnia inmanissimis voluptatibus. Ille clausis foribus oculorum interdixit animo, ne in tanta mala procêderet.
Als sie dort eingetroffen waren und sich auf Sitzen, die sie ergattert hatten, niedergelassen hatten, fieberten bereits alle in maßloser Lust.
Bei geschlossenen Pforten seiner Augen erlaubte er seiner Seele nicht, in soviel Übel vorzudringen
Atque utinam et aures opturasset! Nam quodam pugnae casu, cum clamor ingens totius populi vehementer eum pulsasset, curiositate victus et quasi paratus, quidquid illud esset, etiam visum contemnere et vincere, aperuit oculos ...
obturâre (obturavisset)
verstopfen; auris, is f das Ohr (aurês praebêre Gehör schenken)Hätte er sich doch auch die Ohren verstopft
! Denn bei einem gewissen Zwischenfall des Kampfes, als das ungeheure Geschrei des ganzen Publikums ihn heftig traf, öffnete er die Augen, besiegt von Neugier, und als wäre er bereit, auch den Anblick von, was immer es sei, zu verachten und auszuhalten.ut enim vidit illum sanguinem, inmanitatem simul ebibit et non se avertit, sed fixit aspectum et hauriebat furias et nesciebat et delectabatur scelere certaminis et cruenta voluptate inebriabatur.
Et non erat iam ille, qui vênerat, sed unus de turba, ad quam vênerat, et verus eorum socius, a quibus adductus erat. Quid plura?
immânitâs, âtis
ungeheure Größe, Roheit; ebibere austrinken, begierig in sich aufnehmendenn als er jenes Blut sah, nahm er zugleich ungeheure Grausamkeit in sich auf und wandte sich nicht ab, sondern stierte hin, trank die Raserei, bemerkte es nicht und ergötzte sich an der Ruchlosigkeit des Kampfes und berauschte sich an blutdürstiger Wollust.
Nein, er war nicht mehr derselbe, der gekommen war, sondern einer aus der Menge, unter die er sich gemischt hatte, und ein wahrer Kumpan derer, von denen er hingeschleppt worden war. Was gibt es noch zu sagen