7. Lektion - lectio septima (septem 7)


Inhalt:


Einleitung

Wie versprochen lesen wir noch zwei Sätze über Tarquinius Prisus, von dem wir in der letzten Lektion erfuhren, daß er sich durch virtute und liberalitate die Gunst des Königs gewonnen hatte.

Im übrigen können Sie stolz auf sich sein, denn Sie haben die nicht immer leichte Einführungsphase weitgehend gesund überstanden und dürfen heute Julius Caesar die Hand schütteln, denn wir werden uns mit ihm beschäftigen -und das für eine ganze Weile. Da aber selbst Caesar mit seinen netten Geschichten aus Galliens Wäldern uns gelegentlich hart an der Langeweile vorbeiführt, werden wir in den Anhängen -und auch sonst, wenn es sich anbietet- andere Autoren zur Sprache kommen lassen. Doch zunächst nochmals Tarquinius Priscus, von dem wir auch wieder was Grammatisches bekommen werden.

Hunc Ancus ita adamâvit, ut eum postrêmô tûtôrem etiam lîberîs testamentô institueret.

Wir sehen ein ut und wissen, daß da ein Nebensatz beginnt, der wohl eine Folge ausdrückt und damit ein Konsekutivsatz sein wird, da vorher im Hauptsatz ita derart steht. Dann aber müßte das Prädikat des Nebensatzes ein Konjunktiv sein -ist es auch, denn dort steht der Infinitiv instituere + Personalendung t. Das ist die Art, wie der Konjunktiv Imperfekt Aktiv gebildet wird, vgl. 4.Lektion. ut ...institueret daß er einsetzte. Daß er wen einsetzte? Natürlich ihn, eum. eum ist direktes Objekt = Akkusativobjekt. Man hätte ja auch den Akkusativ tutorem probeweise als Objekt ansehen können: man hätte einen Tutor einsetzen können. Welcher Tutor kann aber gemeint sein, und was sollen wir mit eum anfangen? Sie werden einsehen, daß man so nicht zu einer sinnvollen Aussage kommt. Wohl aber mit eum als Objekt. Jetzt werden Sie sicher weiterfragen: sie werden ihn als was einsetzen? Na klar, als Tutor! Da tûtor, ôris Vormund zu eum passen muß, brauchen wir natürlich tutor im Akkusativ. Tûtôrem ist der Akkusativ des Prädikatsnomens tûtor. Wir nennen tûtôrem kurz Prädikatsakkusativ. Im Deutschen übersetzen wir dies mit als Tutor. Also: daß er ihn als Tutor einsetzte. Jetzt fragt man sich aber für wen? Zu für suchen wir im Lateinischen einen Dativ. Ist natürlich da: lîberîs für die (seine) Kinder. postrêmô ist ein Adverb schließlich, zuletzt. Bei testamentô vermuten Sie richtig: durch Testament. Dieser Ablativ, der auf die Frage wodurch? antwortet, ist ein Ablativus instrumenti, ein Ablativ des "Werkzeugs".

Vergessen wir den Hauptsatz nicht! Prädikat: adamâvit er hat lieb gewonnen, Subjekt: Ancus.
Wen hat Ancus lieb gewonnen? hunc diesen = Akk. Sing. von hic dieser.
ita Adverb so, derart; es steht, wenn damit auf ein Verb Bezug genommen wird. Bei einem Adjektiv steht tam, erinnern Sie sich? (6.Lektion): tam oblîviôsus so vergeßlich.
Damit ist alles geklärt, und der Satz wird so übersetzt:

Diesen gewann Ancus so lieb, daß er ihn zuletzt durch sein Testament sogar (etiam) als Vormund für seine Kinder einsetzte.

Sed cum Tarquinius ipse regnare vellet, fîliôs post Ancî mortem paternô regnô fraudâre statuit.

Wieder eine Periode aus Haupt -und einem von sed eingeleiteten Nebensatz. Beginnen wir diesmal beim Hauptsatz. Prädikat? sta-tu-it er hat beschlossen. (statuit kann vom Sinn her nur Perfekt oder Imperfekt sein. Das Imperfekt fällt aus, da es ein ba verlangt: statuêbat er beschloß.
Also handelt es sich um 3.Sing.Ind.Perf.Akt von
statuô, uî, ûtum, statuere festsetzen, verordnen, erbauen.
statu-ô gehört zur kons. Konj. mit Präs.-Stamm auf kurzes u. Trotz des auslautenden Vokals behalten diese Verben die bei Kons.-Stämmen eingeschobenen Vokale i oder e bei, so daß sich ihre Konjugation nicht von der der Konsonantenstämme unterscheidet. Das gilt ebenso für Stämme, die auf v ausgehen, z.B. volv-ô ich rolle-genauso wie der VOLVO.)
Wer beschließt? Das steht im Verb: er, d.h. Tarquinius ist Subjekt. Was beschließt er? fraudâre zu berauben. Wen? fîliôs. Wessen berauben? Wir suchen verzweifelt nach einem passenden Genitiv. Aber, im Lateinischen regieren die Verben des Beraubens nicht den Genitiv, sondern den Ablativ. (In der vorigen Lektion haben wir das schon bei spoliâre gesehen!). Natürlich: er will sie des väterlichen Reiches berauben: paternô regnô, und zwar nach des Ancus Tod: post Ancî mortem.

Das cum des Vordersatzes deutet hin auf einen Grund für dieses befremdliche Vorhaben (cum causale): da er selbst herrschen wollte. vellet ist 3.Sing.Konj.Impf.Aktiv des unregelmäßigen volô, voluî, velle wollen.

Da aber Tarquinius selbst herrschen wollte, beschloß er, nach dem Tod des Ancus die Söhne des väterlichen Reiches zu berauben. Was ihm auch gelang, wie die Geschichte lehrt.

Machen wir eine Übung zu diesem letzten Satz -und mit einem kleinen Zusatz:

Sie haben sicher nicht viel Mühe, die folgende Übersetzung nachzuvollziehen -oder konnten Sie sie gar selbst erstellen?

 

Rückblick:

In der Lektüre der letzten Lektion erlebten wir den Verstoß des letzten Königs und die Geburt der römischen Republik, etwa um 510 v.Chr. (Sie sollte fast 500 Jahre lang leben, nämlich bis zur Schlacht bei Actium, die den Wendepunkt von der Republik zum Kaisertum markiert.)
Um diese Zeit -eigentlich etwas früher!- sind die Juden in die babylonische Gefangenschaft geführt worden. Darauf macht uns Augustinus aufmerksam. In seinem Gottesstaat Buch XVIII, 15 sagt er: Regnante apud Romanos Tarquinio Prisco, qui successerat Anco Martio, ductus est captivus in Babyloniam populus Judaeorum. Als bei den Römern Tarquinius Priscus regierte, der Ancus Marcius nachgefolgt war, wurden die Juden (das Volk der Juden) als Gefangene nach Babylon geführt.

Den folgenden Dialog habe ich aus dem 9. Kapitel des Eutropius zusammengebastelt. Er faßt nochmals das zusammen, was um 510 v.Chr. in Rom geschah, -und enthält selbstredend wichtige neue Vokabeln, die Sie überall einsetzen können.

Dialog

Quis suscêpit imperium post Tarquinium Superbum?
Pro unô rêge duo cônsulês creâbantur. (pro + Abl. = anstelle von).
Wer übernahm nach Tarquinius Superbus die Herrschaft?
Anstelle eines Königs wurden zwei Konsuln gewählt.
Cûr duo consules?
Hâc causâ ut, sî ûnus malus fuisset, ab alterô co-ercerêtur.
Warum zwei Konsuln?
Darum, daß, wenn einer schlecht sein sollte, er vom anderen zurechtgewiesen würde.
Quamdiû regnavêrunt?
Plâcuit, nê imperium longius quam annuum habêrent.
Wielange haben sie regiert?
Man beschloß, daß sie die Macht nicht länger als ein Jahr haben sollten.
Cur nôn diuturnum?
Ut nê per diuturnitâtem potestâtis insolentiôres redderentur, sed cîvîlês semper essent.
Warum nicht für länger?
Damit sie nicht durch die lange Dauer der Macht zu übermütig würden, sondern immer volksnah seien.
Quis fuêrunt prîmî cônsulês Rômae?
Fuerunt annô primô ab expulsîs rêgibus cônsulês L. Iunius Brutus, et Tarquinius Collatinus, marîtus Lucretiae. Sed Tarquiniô Collatinô statim sublata est dîgnitas.
Wer waren die ersten Konsuln in Rom?
Im ersten Jahr nach der Vertreibung der Könige waren L. Iunius Brutus und Tarquinius Collatinus, der Gatte der Lucretia, Konsuln. Aber dem Tarquinius Collatinus ist die Würde sogleich weggenommen worden.
Cur?
Placuerat, nê quisquam in urbe remanêret, qui Tarquinius vocârêtur.
Es wurde bestimmt, daß niemand in der Stadt bleiben dürfe, der Tarquinius genannt würde.
At Tarquinius Superbus quômodo vitam fînîvit?
Cûmâs sê contulit et in eâ urbe seniô et aegritûdine cônfectus brevî obi-it
Aber auf welche Weise hat Tarquinius Superbus das Leben beendigt?
Er begab sich nach Cumae, und in dieser Stadt starb er, von Altersschwäche und Gram aufgerieben, kurze Zeit später.

Vokabeln:

creâbantur sie wurden gewählt 3.Pl.Ind.Impf.Pass. von creâre wählen, vgl. unten Grammatik
co-erceô, cuî, citum, cêre strafen, im Zaum halten, zurechtweisen
placeô, placuî, placitum, placêre gefallen (2.Konj. wie taceô, doceô, moveô)
annuus 3 jährig, für ein Jahr = anniversârius
diuturnus 3
lange dauernd, langlebig
potestâs, âtis f die Macht
red-dô, didî, ditum,reddere wiedergeben, erstatten, erwidern, werden, machen
redderentur 3.Pl.Konj.Impf.Pass.
tollô, sustulî, sublâtum, tollere wegnehmen (unreglm. Verb), vgl. Grammatik
remanêret 3.S.Konj.Impf.Akt. er würde bleiben
vocârê-tur 3.S.Konj.Impf.Pass. er würde gerufen. Nach Aufforderung oder Wunsch folgt Konjunktiv. (nê + Konj.)
Den Konjunktiv Imperfekt Aktiv lernten wir in der 4.Lektion kennen. Kurz: Infinitiv + (m,s,t,mus,tis,nt). Im Passiv haben wir Infinitiv + (r, ris, tur, mur, minî, ntur)
vocâre-r ich würde gerufen, vocârê-ris du würdest gerufen usw.
quômodo
Adv. auf welche Weise?
sê cônferre sich begeben; ferô, tulî, lâtum, ferre tragen, bringen; vgl. vorhin tollere!
brevî
Adv. bald darauf
senium, iî n
Altersschwäche
aegritûdo, tûdinis f Unwohlsein, Gram (aegrôtus, a, um krank; aegrôtô 1 ich bin krank)
seniô et aegritûdine cônfectus von Altersschwäche und Gram aufgerieben
côn-ficiô, fêci, fectum, ficere erledigen, aufreiben, erschöpfen, töten
ob-eô, iî, itum, îre dahingehen, sterben (obitus, ûs m Besuch, Untergang, Tod)

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Grammatik

Adjektiva der 3. Deklination

Singular

Plural

 

m

f

n

m

f

n

Nom.

âcer

âcris

âcre

âcrês

âcrês

âcria

Gen.

 

âcris

   

âcrium

 

Dat.

 

âcrî

   

âcribus

 

Akk.

âcrem

âcrem

âcre

âcrîs(ês)

âcrîs(ês)

âcria

Abl.

 

âcrî

   

âcribus

 


Beim Vergleich mit den Substantiven der 3. Deklination fällt auf, daß der Ablativ der Adjektive nicht auf e, sondern auf î endet. Der Gen. Plural geht auf ium aus, Nom., Akk., Vok. der Neutra endet im Pl. auf ia. Die Neutra werden also dekliniert wie die Substantive auf ar, e, al.
Regel: Die Adjektive haben die Endungen bzw. Ausgänge î, ia, ium.
Die Adjektive auf -r sind im Nominativ Singular dreiendig.
Merke: Bei dem Adjektiv celer schnell gehört das zweite e zum Stamm: celer, celeris, celere

Achtung: der Gen. Pl. von celer heißt celerum

quod fêlîx, faustum fortûnâtumque sit! was glücklich, günstig und glückbringend sein möge! (Die Chiffre Q.F.F.F.S. kann man gelegentlich auf alten Urkunden finden.)

Anmerkung: Kirchengemälde wurden oft als Bibel der Armen bezeichnet. Lateinisch heißt dies aber nicht biblia pauperium sondern biblia pauperum.
Grund: pauper Gen.: pauperis ist eine Ausnahme.
Es hat außerdem den Abl. Sing. auf e. Aber auch das Gegenstück reich dîves, dîvitis macht dieselben Ausnahmen. Im Wörterbuch finden Sie das sogar vermerkt, z.B. (abl. sg. -e;
gen. pl. -um).
Aus dem Gen. Pl. dîvit-um ergibt sich der Stamm dîvit-, sî bene meminî wenn ich mich recht erinnere.

(meminî, meministî, meminit, meminimus, meministis, meminêrunt ich erinnere mich, du erinnerst dich,... ist eines der süßen defektiven Verben, verba dêfektîva, die der Form nach Perfekt sind -und als solche konjugiert werden-, die aber im Deutschen als Präsens zu übersetzen sind.
Sie kennen bereits
nôvî ich weiß und ôdî ich hasse. meminî ist redupliziertes Perfekt und bedeutet eigentlich ich habe es in meinem Geist, mêns. Also mementô! erinnere dich!
Und jetzt sagen Sie sicher:
recordâtus sum ich habe mich erinnert, nônne ita est? ist es nicht so? Das war natürlich ein Perfekt.)

Zum Glück gibt es nur wenige Adjektive, die aus der Reihe tanzen; meist sind es solche einer Endung. Merken Sie sich vielleicht die folgende Zusammenstellung:

Die Adjektive
pauper, dîves, prînceps,
vetus
und auch particeps

bilden den Abl. Sing. auf e, den Gen. Plur. auf um,
den N. A. V. Plur. auf a

Die Adjektive

inops, memor, celer

bilden den Gen. Plur. auf um.

 

prînceps der erste; vetus alt, particeps teilhaftig
inops arm, memor eingedenk, celer schnell

Bereits in der ersten Lektion sagte ich Ihnen, daß es viele Adjektive einer Endung gibt, die auf
-ns,-ntis ausgehen, die aber eigentlich Partizipia sind. Z.B. sapiêns, entis weise; prûdêns, entis
klug; dîligêns, entis fleißig usw. Sie haben als Adjektive aber alle den Abl. Sing. auf und den Gen. Pl. auf -ium.
Wenn Partizipia als Adjektive eine dauernde Eigenschaft ausdrücken, werden sie genauso dekliniert wie einendige Adjektive: cum cônsule amantî mit dem liebenden Konsul.
Werden sie als Substantive gebraucht oder in Partizipialkonstruktionen, so haben sie im Ablativ Singular nicht î, sondern -e: â prûdente von dem Klugen; cônsule praesente im Beisein des Konsuls oder cônsule eam amante da der Konsul sie liebt.

 

Imperfekt und Futur I bei der konsonantischen Konjugation

Präsens und Perfekt der kons. Konjugation im Aktiv lernten wir schon in der 2.Lektion kennen.
Nachzutragen sind noch Imperfekt und Futur I im Aktiv.

Konsonantische Konjugation und esse (Indikativ Aktiv)

Imperfekt

Futur I

ich sagte

ich faßte

ich war

ich werde sagen

ich werde fassen

ich werde sein

dîc-ê-ba-m

capi-ê-ba-m

er-a-m

dîc-a-m

capi-a-m

er-ô

dîc-ê-bâ-s

capi-ê-bâ-s

er-â-s

dîc-ê-s

capi-ê-s

er-i-s

dîc-ê-ba-t

capi-ê-ba-t

er-a-t

dîc-e-t

capi-e-t

er-i-t

dîc-ê-bâ-mus

capi-ê-bâ-mus

er-â-mus

dîc-ê-mus

capi-ê-mus

er-i-mus

dîc-ê-bâ-tis

capi-ê-bâ-tis

er-â-tis

dîc-ê-tis

capi-ê-tis

er-i-tis

dîc-ê-ba-nt

capi-ê-ba-nt

er-a-nt

dîc-e-nt

capi-e-nt

er-u-nt

 

Im Imperfekt wird zwischen Präsensstamm und Tempuszeichen -ba- der Erweiterungs-Vokal ê eingeschoben. Dadurch wird die Aussprache der Verbform natürlich erleichtert.

Vom Imperfekt gelangen wir zum Futur I, indem wir das Infix -ba- herausnehmen. Das Tempuszeichen des Futurs ist bei der kons. Konjugation das -e-. Bei der 1.Pers. Sing. muß noch e in a umgewandelt werden.
Beim Futur von esse beobachtet man das Tempuszeichen i.

Der Präsens-Stamm von esse ist es-. Der Ind.Impf. eram ist aus es-am entstanden. Das Futur erô kommt von dem alten Konjunktiv es-ô.

Das Passiv

Das Passiv unterscheidet sich vom Aktiv -wie könnte es anders sein- durch andere Endungen. Am auffallendsten ist der fast überall auftauchende r-Laut. Darauf wies ich schon in der 2. Lektion in den Worterklärungen hin. Damals gab ich Ihnen auch schon die Endungen des Präsens Passiv. Die folgende Tabelle vergleicht Aktiv- und Passiv-Endungen.

Aktiv

1.

2.

3. Singular

1.

2.

3. Plural

o(m)

s

t

mus

tis

nt

(o)r

ris

tur

mur

minî

ntur

1.

2.

3. Singular

1.

2.

3. Plural

Passiv


Diese Endungen werden einfach an den Präsens-Stamm gehängt. D.h. man bildet das Passiv, indem man die Aktiv-Endungen durch die Passiv-Endungen ersetzt. Das Zeichen (o)r bedeutet, daß im Passiv die Endung r an das o von laudo, video, audio, lego usw. gehängt wird.
Beachte: Nur die Endung der 2.Pers.Pl. besitzt kein r.

Indikativ Präsens Passiv (Übersichtstabelle)

a-Konj.

e-Konj.

i-Konj.

kons. Konj.

kons. -io- Konj.

ich werde gerufen

ich werde gesehen

ich werde gehört

ich werde geführt

ich werde gefaßt

vocor

videor

audior

dûc--or

capi-or

vocâris

vidêris

audîris

dûc-e-ris

cape-ris

vocâtur

vidêtur

audîtur

dûc-i-tur

capi-tur

vocâmur

vidêmur

audîmur

dûc-i-mur

capi-mur

vocâminî

vidêminî

audîminî

dûc-i-minî

capi-minî

vocantur

videntur

audiuntur

dûc-u-ntur

capiu-ntur


Im Präsens der konsonantischen Konjugation wird -außer bei der 1. Person- zwischen den auslautenden Konsonanten und den Endungen ein kurzer Bindevokal eingeschoben.
Sonst hätte man Ausspracheschwierigkeiten.

In der 4.Lektion hatten wir Futur I und Imperfekt Aktiv miteinander verglichen. Dabei stellte sich heraus, daß sie -abgesehen von der 1.Person- dieselben Endungen haben wie das Präsens.
Beim Imperfekt Passiv ist -ba- wieder das Tempuszeichen, genauso wie im Aktiv. Bei der kons. Konjugation muß aber, wie wir vorhin sahen, zwischen dieses Tempuszeichen und den Präsensstamm der Stammerweiterungsvokal ê eingeschoben werden. Im Aktiv haben wir z.B. dûc-ê-ba-t er führte, im Passiv haben wir dûc-ê-bâ-tur er wurde geführt. Beim Futur I haben wir im Aktiv dûc-et er wird führen, im Passiv werden wir haben dûc-êtur er wird geführt werden.


Indikativ Imperfekt Passiv (Übersichtstabelle)

a-Konj.

e-Konj.

i-Konj.

kons. Konj.

kons. -io- Konj.

ich wurde gerufen

ich wurde gesehen

ich wurde gehört

ich wurde geführt

ich wurde gefaßt

vocâ-bar

vidê-bar

audi-ê-bar

dûc-ê-bar

capi-ê-bar

vocâ-bâris

vidê-bâris

audi-ê-bâris

dûc-ê-bâris

capi-ê-bâris

vocâ-bâtur

vidê-bâtur

audi-ê-bâtur

dûc-ê-bâtur

capi-ê-bâtur

vocâ-bâmur

vidê-bâmur

audi-ê-bâmur

dûc-ê-bâmur

capi-ê-bâmur

vocâ-bâminî

vidê-bâminî

audi-ê-bâminî

dûc-ê-bâminî

capi-ê-bâmimî

vocâ-bantur

vidê-bantur

audi-ê-bantur

dûc-ê-bantur

capi-ê-bantur


Das Imperfekt-ba ist allgegenwärtig. Aber auch die Stammvokale bleiben erhalten:
a, e, i für die 1., 2.und 4. Konjugation. Das a in der "Endung" -bantur ist positionslang und
muß betont werden. Der Vokal wird jedoch kurz ausgesprochen.

Oben sagte ich bereits, wie man den Konjunktiv des Imperfekt Passiv bildet. Hier sage ich es nochmals:
Den Konjunktiv Imperfekt Aktiv lernten wir in der 4.Lektion kennen. Kurz: Infinitiv + (m,s,t,mus,tis,nt). Im Passiv haben wir Infinitiv + (r, ris, tur, mur, minî, ntur)
vocâre-r ich würde gerufen, vocârê-ris du würdest gerufen usw.

Beim Futur I Passiv findet man in fast allen Personen der 1. und 2. Konjugation die
Kennsilbe -bi- und bei der 3. und 4. Konjugation den Kennvokal e.

Indikativ Futur I Passiv (Übersichtstabelle)

a-Konj.

e-Konj.

i-Konj.

kons. Konj.

kons. -io- Konj.

ich werde gerufen werden

ich werde gesehen werden

ich werde gehört werden

ich werde geführt werden

ich werde gefaßt werden

vocâ-bor

vidê-bor

audi-ar

dûc-ar

capi-ar

vocâ-be-ris

vidê-be-ris

audi-ê-ris

dûc-ê-ris

capi-ê-ris

vocâ-bi-tur

vidê-bi-tur

audi-ê-tur

dûc-ê-tur

capi-ê-tur

vocâ-bi-mur

vidê-bi-mur

audi-ê-mur

dûc-ê-mur

capi-ê-mur

vocâ-bi-minî

vidê-bi-minî

audi-ê-minî

dûc-ê-minî

capi-ê-mimî

vocâ-bu-ntur

vidê-bu-ntur

audi-ê-ntur

dûc-e-ntur

capi-ê-ntur

 

Sehen Sie, daß von der i-Konjugation ab das -bi- konsequent herausgeschnitten wurde, und daß stattdessen der Vokal e zum Tempuszeichen des Futurs wird?

Schauen Sie sich die Tabellen immer wieder einmal an, vor allem natürlich, wenn Sie unsicher sind, um welche Form es sich bei einem gegebenen Verb handelt. Zum Glück kommen in einem gegebenen Text nur höchstens endlich viele verschiedene Verbformen vor, so daß alles immer überschaubar bleibt.
Ich geben Ihnen einmal einige Verbformen, und Sie sollten versuchen, sie zu bestimmen. Die Lösungen stehen zwar in der rechten Spalte, aber decken Sie diese doch besser ab-o.k.?
Die erste Zeile dient als Beispiel.

 

Infinitiv

Analyse

audiris

audîre hören

2.P.Sg.Ind.Präs.Pass du wirst gehört

impediuntur

impedîre hindern

3.Pl.Ind.Präs.Pass sie werden gehindert

lîberâbitur

lîberâre befreien

3.Sg.Ind.Fut.I.Pass. er wird befreit werden

laudâbâminî

laudâre loben

2.Pl.Ind.Impf.Pass. ihr wurdet gelobt

legêmur

legere lesen

1.Pl.Ind.Fut.I.Pass. wir werden gelesen werden


Ich bin mir fast sicher, daß Sie sich künftig selbst eine derartige Tabelle zum eigenen Vergnügen anlegen, denn Material finden Sie ja haufenweise in unserem Kurs. Eine derartige Tabelle eignet sich auch vorzüglich zum Abfragen durch Freunde oder Verwandte, z.B. auf sonntäglichen Spaziergängen oder an fernsehfreien Abenden bei einem kühlen Glas Bier, -selbst mit Wein soll das funktionieren; einfach ausprobieren!

Was die Übertragung eines aktiven Satzes ins Passiv angeht, so haben Sie nur zu beachten, daß der aktive Objektsakkusativ im Passiv zum Nominativ wird. Das Subjekt des aktiven Satzes tritt in den Ablativ mit der Präposition â (bzw. ab vor Vokalen).

Beispiele:

Aktivisch: Famula ientâculum et aquam portat. Das Mädchen (Dienerin) bringt Frühstück und Wasser.
Passivisch: Ientâculum (spr. jentâkulum) et aqua â famulâ portantur. Das Frühstück und das Wasser werden von dem Mädchen gebracht.

Aktivisch: Orpheus Eurydicên amat. Orpheus liebt Eurydike. (Akk. von E. ist Eurydicên)
Passivisch: Eurydicê ab Orpheô amâtur. Eurydike wird von Orpheus geliebt.

Aktivisch: Fêminae Sabinôrum lûdôs magnificôs spectant (spectavêrunt) Die Frauen der Sabiner schauen (schauten) prächtige Spiele an.
Passivisch: Lûdî magnificî â fêminîs Sabinôrum spectantur (spectâtî sunt = Perfekt Passiv). Prächtige Spiele werden (wurden) von den Frauen der Sabiner angeschaut.

Die Formen des Perfectum Passivi (Perfekt Passiv) sind ganz einfach herzustellen.
Sie werden gebildet mit dem PPP (Participium Perfecti Passivi) und den Präsensformen von
esse. Das PPP wird wie bonus, a, um (boni, ae, a) dekliniert und richtet sich in Genus, Numerus und Kasus nach seinem Beziehungswort. (Im Plusquamperfekt werden die Imperfektformen, im Futur II die Futur I-Formen von esse benutzt.)

Das letzte Beispiel zeigte dies: spectâtî sunt, was eigentlich heißt: sie sind angeschaute.

Hier ist noch ein wichtiges Beispiel:

cônsul capâcem pateram exhaurit. Der Konsul leert einen mächtigen Humpen. (Vgl. Anhang)
â cônsule capâx patera exhausta est. Der mächtige Humpen ist vom Konsul geleert worden.

Wir lernen das PPP immer als dritte Form im Averbo eines Verbs.
Z.B. lautet das Averbo, die Stammformen, von austrinken
ex-hauriô, hausî, haustum, haurîre. Hier ist haustum das Neutrum des PPP haustus, a, um.
(
Man führt das Neutrum im Averbo an, weil es gleich ist dem Supinum auf -tum. In der 9.Lektion werden wir mehr über das Supinum sprechen.)
Nicht alle Supina (= Neutra des PPP) enden auf -tum, z.B. hat sentîre fühlen ein Supinum auf
-sum. Die Stammformen lauten: sentiô, sênsî, sênsum, sentîre.
gefühlt worden sein sênsus,a,um esse; es ist gefühlt worden (man hat gefühlt) sênsum est.

 

Gerundium und Gerundivum Teil I

Im Deutschen und Lateinischen benutzen wir gelegentlich den Infinitiv als Substantiv (Verbalsubstantiv). Natürlich muß das Verbalsubstantiv als echtes Substantiv dekliniert werden können. Einzige Einschränkungen sind: es gibt keinen Plural, und es ist ein Neutrum.

Z.B. sagen wir im Nominativ das Trinken ist gesund, schädlich, angenehm...Oder im Akkusativ der Grund für das Trinken ist der Tadel meines Chefs, der Verlust meiner Freundin,.... Wir können auch im Genitiv trinken: der Grund des Trinkens ist.... Auch einen Dativ bilden wir: dem Trinken sind keine Grenzen gesetzt. Wenn wir aber hören, daß durch das Trinken schon mancheiner ruiniert wurde, so benutzen wir den Ablativ, den wir mit Hilfe von durch gebildet haben.
Andrerseits kann das Verbalsubstantiv seine Herkunft nicht verleugnen. Wie ein Verb kann es durch ein Adverb erweitert werden: Das schnelle Essen ist ungesund. Wir werden sehen, daß das lateinische Verbalsubstantiv -mit gewissen Einschränkungen- auch ein Objekt bei sich haben kann. In der Regel steht das Gerundium jedoch nur dann, wenn es kein Akkusativobjekt bei sich hat.

Wie bildet und wie dekliniert der Lateiner das Verbalsubstantiv? (Es hat übrigens einen eigenen Namen, es heißt Gerundium, spr. ge-run-di-um). Er macht es nicht so wie wir mit Hilfe des Artikels, er hat ja keinen! Der Lateiner hat sich was Neues ausgedacht: er hängt bei Verben der 1. und 2. Konjugation an den Präsensstamm die Silbe -nd- (Infix), z.B. lauda-nd-, und dekliniert dieses Gebilde wie ein Nomen der o-Deklination.
(Das Gerundium heißt deshalb auch gelegentlich substantivische nd-Form.)
Bei Stämmen der 3. und 4. Konjugation wird -e-nd- an den Verbalstamm gehängt. Das zusätzliche e ist ein Hilfs-oder Bindevokal. Im Nominativ stimmt das Gerundium allerdings mit dem reinen Infinitiv überein. In den anderen Kasus, man nennt sie die casûs oblîqui, haben wir die Endungen i, o, um, o. Der Akkusativ kommt nur zusammen mit Praepositionen vor, meistens mit ad.

Die folgende Tabelle faßt die Deklination des Verbal-Substantivs (Gerundium) zusammen.
Als Muster dient condere gründen (erinnern Sie sich an den Titel des Livius-Buches ab urbe condita?)

Deklination des Gerundiums

Nom.

condere

das Gründen, die Gründung

Genitiv

condendî

des Gründens, der Gründung

Dativ

condendô

dem Gründen, der Gründung

Akkusativ

ad condendum

zum Gründen, zur Gründung

Ablativ

condendô

durch das Gründen, durch die Gründung

 

Beispiele:

Nominativ: discere iûcundum est. Lernen macht Spaß. (discere lernen)
Genitiv: cupidus est discendî. Sie ist begierig zu lernen.
Dativ: discendô studêmus. Wir bemühen uns zu lernen (um das Lernen).
(studêre sich bemühen regiert den Dativ. Ein Gerundium regiert den Kasus seines Verbs.)
Akkusativ: aptus (paratus) est ad discendum. Er ist geeignet (bereit) zum Lernen..
Ablativ: exercendô (docendô) discimus. Durch Üben (Lehren) lernen wir.

Beachte besonders:

lâtrandî causâ canês adsunt. Hunde sind des Bellens wegen da.

Canês in lâtrandô a puerîs impediuntur. Die Hunde werden am Bellen von Kindern gehindert. (impedîre hindern. im-pediô ich hindere; in lâtrandô ist Ablativ)

causâ wegen und grâtiâ zuliebe (das sind eigentlich Substantive im Ablativ) verlangen den Genitiv und werden diesem nachgestellt,
vgl. honôris causâ id faciô der Ehre wegen tue ich es.
Auch das Gerundium muß vor causâ und grâtiâ im Genitiv stehen.

Ars bene scrîbendî difficilis est. Die Kunst, gut zu schreiben, ist schwierig.
Das Gerundium wird durch ein Adverb, bene gut, erweitert.

Legendô librôs tempus terô. Mit Bücherlesen verbringe ich meine Zeit.
(terô, trîvî, trîtum, terere vergeuden, verbringen)
Das Gerundium wird durch ein Objekt, librôs Bücher, erweitert.

(Im allgemeinen wird jedoch das Gerundium durch ein Gerundivum -vgl. unten- ersetzt, wenn ein Akkusativ-Objekt vorhanden ist. Davon in der folgenden Lektion mehr.)


Das Gerundium regiert denselben Kasus wie das Verb, zu dem es gehört.
Z.B. verlangt cupidus est er ist begierig auf den Genitiv. Also muß auch ein davon abhängiges Gerundium im Genitiv stehen.
Cupidus est lûdendî er ist begierig auf Spielen, er verlangt danach zu spielen.

(Cupidus sum lûdî ich bin heiß auf die Schule; lûdus, î m bedeutet nicht nur die Schule, sondern auch das Spiel, denn auch das wird üblicherweise in der Schule gepflegt. Wie heißt demnach er ist begierig auf die Deklination des Verbs "cupio" im Aktiv -erinnern Sie sich, daß der Lateiner Deklination sagt?- Cupidus est dêclînâtiônis verbî actîvî "cupio".)


Gerundivum

Sehr gerne machte der Lateiner aus einem Verb ein Adjektiv, indem er wie beim Gerundium das Infix -nd- bzw. -end- an den Präsensstamm hängte, und als Endung -us, -a, -um benutzte. Dieses Verbal-Adjektiv wird adjektivische nd-Form oder Gerundivum genannt. Als Adjektiv muß es sich nach seinem Beziehungswort in Genus, Numerus und Kasus richten.
Wenn wir wieder condere gründen benutzen, so haben wir etwa urbs cond-end-a eine zu gründende Stadt, eine Stadt, die gegründet werden muß. Die Übersetzung sagt uns, daß das Gerundivum in diesem Beispiel eine Notwendigkeit ausdrückt. Der alte Cato betonte immer wieder Carthâgô dêle-nd-a est Karthago muß zerstört werden. (dêleô,êvî,êtum,delêre auslöschen, tilgen)
Die Person, die das Gebot ausführen soll, steht im Dativ:
Carthâgô mihi dêlenda est ich muß Karthago zerstören.
Quandô mihi reveniendum est? wann soll ich wiederkommen?

Das verneinte Gerundivum wird i.a. mit nicht dürfen übersetzt:

In taberna cantamus canticum non cantandum in der Kneipe singen wir ein Lied, das man nicht singen darf.

In der folgenden Lektion werde ich dieses Thema -das Gerundivum, nicht das Singen verbotener Lieder!-, nochmals anschneiden. Also ich bitte, sich mächtig darauf zu freuen!

 

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Gerundium

Gerundivum

Lösungen:

Gerundium

Gerundivum

 

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Lektüre

Caesars Kommentare (commentarii) zum Gallischen Krieg, Bellum Gallicum, waren bereits veröffentlicht, als Cicero sie in seinem Brutus im Jahre 46 v.Chr. lobte.
Mit dieser lapidaren Feststellung will ich bemerken, daß wir nicht genau wissen, wann Caesar den Bericht über seine Heldentaten in Gallien geschrieben hat. Da sich eine runde Zahl leicht merken läßt, schlage ich vor, wir wählen das Jahr 50 v.Chr.
Angefangen hatte alles viel früher, im Jahr 58 v.Chr. Damals traf Caesar in Gallien ein, um den Helvetiern klarzumachen, daß sie es bitte unterlassen sollen, für Rom eine Gefahr zu sein. Auch der Germane Ariovist bekam derartige Vorwürfe zu hören. Im ersten von sieben Büchern (die Rollen I-VII), die insgesamt die Ereignisse in den Jahren 58-52 schildern, läßt Caesar uns hautnah miterleben, wie er mit Helvetiern und Ariovist fertig wurde. Wir werden uns zunächst nur mit Rolle I beschäftigen.

Caesar liefert keine bloße Aufzählung von Schlachten und Niederlagen. Er ist Literat und will neben den Taten auch ihre Hintergründe analysieren. Caesars Sprache ist wohl durchdacht, klar, sachorientiert -aber auch tendenziös. Die Genauigkeit in der Wortwahl ist bereits von Cicero gelobt worden: pura et inlustris brevitas reine und anschauliche Kürze. Eine stilistische Eigenart ist besonders hervorzzuheben. Wenn er Taten oder deren Hintergründe beschreibt, spricht er von sich selbst in der dritten Person: Caesar glaubte, Caesar veranlaßte usw. Wahrscheinlich wollte er damit Objektivität dokumentieren (vortäuschen?).
Über Caesar ist unendlich viel geschrieben und gesagt worden. Man kann einfach nichts Neues vorbringen. Seltsam ist, daß er erst um 1500 als Schulautor entdeckt wurde (Johannes Sturm hat ihn 1537 in die Straßburger Schulordnung gebracht). Man las vorher Livius, Sallust, Lucan, Seneca u.a., aber keinen Caesar. Es gibt auch keine antiken Kommentare zum Bellum Gallicum.
Quintilian lobte Caesars Reden, von den Kommentaren jedoch keine Spur. Diese aber leben fort, die Reden sind vergessen. In späteren Handschriften finden wir sogar Sueton als Autor vermerkt.

Die römische Eroberung Galliens ist ein Musterbeispiel früher Logistik, deren Grundprinzip lauten könnte: Man hat immer schneller zu sein als der Konkurrent (Gegner). Caesar konnte am Tag 150 km im Wagen zurücklegen, wobei er -wenn er nicht schlief- dachte, schrieb, Befehle abschickte, Meldungen entgegennahm. Die Strecke von Rom bis zur Rhone legte er in einer Woche zurück. Um das Geschwindigkeitsprinzip zu erfüllen, war der Operationsbereich sorgfältig zu organisieren. Man brauchte Straßen, Rast- und Umschlagplätze. Boten waren fortwährend unterwegs, um die Kommunikation zu sichern. Alle Truppenbewegungen (Lieferungen) mußten aufeinander abgestimmt sein.
Geschwindigkeit, Organisation, Kommunikation sind Grundpfeiler, auf die sich jedes moderne Heer und jedes wohl funktionierende moderne Unternehmen stützen.
Caesars Erfolge waren weitgehend das Resultat angewandter Logistik -und das schon vor mehr als 2000 Jahren! Nicht umsonst wurde Caesar auf dem humanistischen Gymnasium des 19. Jahrhunderts Pflichtlektüre für angehende Unternehmer und Offiziere. (Vgl. H. Cancik, Rationalität und Militär-Caesars Kriege gegen Mensch und Natur, in: Lateinische Literatur, heute wirkend. Band II, Kleine Vandenhoek-Reihe, 1987)

Heute würden viele Lehrer Caesar wieder gerne aus dem Kanon der Schulautoren entfernen. Wahrscheinlich deshalb, weil die moderne Jugend durch Caesars Schilderungen von Schlachten, Leiden, Untergängen und Siegen keine Erhöhung der Pulsfrequenz mehr spürt, wie es von Lesern aus dem 19. Jahrhundert gelegentlich überliefert wurde. Ähnliches ist über Xenophon im Griechisch-Unterricht zu sagen. Aber Fakt ist auch, daß beide Autoren sich vorzüglich dazu eignen, Latein bzw. Griechisch zu lernen.

Für jeden Caesar-Interessierten ist die Schrift Caesar als Schriftsteller von Frank E. Adcock ein Muß. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen, 1958.

Caesaris commentarii de bello Gallico.

Liber primus.
Caput primum.

BG 1, 1, 1-3 (Bellum Gallicum Buch 1, Kapitel 1, Paragraphen 1-3)

1.

Gallia est omnis divîsa in partes três, quârum ûnam incolunt Belgae, aliam Aquitâni, tertiam, quî ipsôrum linguâ Celtae, nostrâ Gallî appellantur.

2.

Hî omnês linguâ, institûtîs, lêgibus inter sê differrunt. Gallôs ab Aquitânîs Garumna flûmen, a Belgîs Mâtrona et Sequana dîvidit.

3.

Hôrum omnium fortissimî sunt Belgae,
propterea quod a cultû atque humanitate provinciae longissimê absunt,
minimêque ad eôs mercatôres saepe commeant atque ea, quae ad effêminandôs animôs pertinent, important,
proximîque sunt Germânîs, qui trâns Rhênum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt.

 

 

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Übersetzung

 

Caesars Kommentare zum gallischen Krieg.

Erstes Buch.
Erstes Kapitel.

fast wörtliche Übersetzung


BG 1, 1, 1-3 (Bellum Gallicum Buch 1, Kapitel 1, Paragraphen 1-3)

1.

Ganz Gallien ist geteilt in drei Teile, von denen den einen bewohnen die Belger, den anderen die Aquitaner, den dritten, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden.

2.

Diese alle unterscheiden sich voneinander durch Sprache, Sitten, Gesetze. Die Gallier teilt von den Aquitanern die Garonne, von den Belgern Marne und Seine.

3.

Von diesen allen die tapfersten sind die Belger, deshalb weil sie von Kultur und Zivilisation der Provinz am weitesten entfernt sind, auch gehen sehr selten Kaufleute bei ihnen ein und aus und importieren solche Waren, die auf die Verweichlichung der Charaktere abzielen, und sie sind den Germanen am nächsten, die jenseits des Rheins wohnen, mit denen sie fortwährend Krieg führen.


freiere Übersetzung

Gallien im weiteren Sinn zerfällt in drei Teile; von diesen bewohnen den einen die Belger, einen anderen die Aquitaner, den dritten die Volksstämme, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in der unsrigen Gallier heißen.
Diese alle unterscheiden sich durch ihre Sprache, Gepflogenheiten und Gesetze voneinander. Die Garonne trennt die Gallier von den Aquitanern, Marne und Seine trennen sie von den Belgern.
Die Belger sind die tapfersten von allen diesen Völkerschaften; denn sie sind von Kultur und Zivilisation der Provinz am weitesten entfernt. Sehr selten werden sie von Kaufleuten aufgesucht, die Waren importieren, die der Verweichlichung der Charaktere dienen könnten.
Außerdem sind sie Nachbarn der rechtsrheinischen Germanen, mit denen sie fortwährend Krieg führen.

 

 

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Worterklärungen

und Erklärungen zur Übersetzung

Ohne Einleitung beginnt Caesar seinen Bericht mit dem geographischen Begriff Gallia omnis Ganz Gallien. Dieses Land wird von Belgern, Aquitanern und Galliern bewohnt.
(Das -von Rom aus gesehen- jenseits der Alpen liegende Gallien wird Gallia Transalpîna genannt, also das heutige Frankreich, Belgien und Holland. Das heutige Oberitalien war Gallia Cisalpîna.)
Die Gallier waren Kelten, sprachen also keltisch, eine indo-europäische (= indo-germanische) Sprache. Im übrigen hatte jeder Volksstamm gemäß Zeile 2 seine eigene Sprache.
Die Provinz ist die heutige Provence, also die römische Provinz an der Südküste Frankreichs.
Laut Caesar will der helvetische Fürst Orgetorix die Vereinigung ganz Galliens herbeiführen, was für die römische Provinz eine ungeheure Gefahr sein würde, eine ständige Bedrohung. Dies zu verhindern, ist Caesar nach Gallien geeilt, -mit ihm seine kampferprobten Legionäre.

Sie werden feststellen, daß das lateinische Original kaum Schwierigkeiten für Sie enthält, fast alle Vokabeln sind Ihnen schon einmal begegnet, und die Grammatik ist auch nicht schwierig.

Im Laufe der Zeit werden Sie wohl auf die Längenbezeichnungen verzichten können. Ich werde ihre Zahl allmählich reduzieren.
Haben Sie trotz meiner optimistischen Worte Schwierigkeiten bei der Übersetzung? No problem!
Probieren wir es gemeinsam, indem wir zunächst die lateinischen Vokabeln in eine deutsche Wortfolge (revidierte oder angepaßte Wortfolge oder constr. dir. = constructio directa) bringen. Viel spart uns das zwar nicht, denn dazu ist es wieder nötig, zuerst Prädikat, Subjekt, Objekt usw. aufzuspüren, d.h. eine Satz-Analyse durchzuführen. Dennoch, als Übersetzungs-Übung ist die Mühe nicht umsonst.

In Zeile 1 sehen wir, daß divisa est das Prädikat des Hauptsatzes ist. Subjekt ist Gallia omnis. Bei unam haben wir partem zu ergänzen. linguâ ist als Ablativus instrumenti auf die Frage wodurch? aufzufassen. appellantur sie werden genannt ist 3.Pl.Ind.Präs.Pass. von appellare anreden, benennen. Der lat.Text mit deutscher Wortfolge sieht demnach so aus:

Gallia omnis est divisa in tres partes, quarum Belgae incolunt unam (partem), aliam (partem) Aquitani, tertiam (partem) (ei) qui ipsorum lingua Celtae appellantur, nostra (lingua) Galli.

Jetzt kann man den Text Wort für Wort ins Deutsche übersetzen. Danach muß die deutsche Fassung natürlich noch poliert werden!

Zeile 2 behandeln Sie ebenso. linguâ, institûtîs, lêgibus sind Ablative der Beziehung (ablativus limitationis). Der Ablativus limitationis gibt an, wodurch sich Personen oder Sachen vor anderen auszeichnen oder von anderen unterscheiden. Er steht auf die Frage in Bezug worauf ? Regelmäßig steht er bei differre sich unterscheiden, dif-ferô ich unterscheide mich. Z.B. differunt linguâ sie unterscheiden sich durch die Sprache oder numerô navium hostes superiores sunt an Zahl der Schiffe sind die Feinde überlegen. Die gallî sind die eigentlichen Gallier, die zwischen den Aquitanern und den Belgern wohnen. Die revidierte Wortfolge sieht demnach so aus:

Hi omnes differunt inter se lingua, institutis, legibus. Flumen Garumna dividit Gallos ab Aquitanis, Mâtrona et Sequana a Belgis.
Erinnern Sie sich, daß Flüsse normalerweise männlich sind (Ende der 1.Lektion)? Die Marne, Mâtrona, ae f bildet -wie auch die Mosel, Mosella, ae f- eine Ausnahme, sie ist weiblich.

Das Satzgefüge in Zeile 3 beginnt mit einem Hauptssatz, dem ein von propterea quod deshalb weil eingeleiteter, begründender Nebensatz folgt.
Subjekt des HS ist Belgae, Prädikat: sunt fortissimi. Prädikat des Nebensatzes ist absunt sie sind entfernt mit dem Adverb longissimê am längsten des Superlativs longisssimus. Das Subjekt (sie) steckt im Prädikat. horum omnium dieser aller = von diesen allen.
Im Rest des 3.Paragaphen gibt Caesar noch zwei weitere Gründe dafür an, warum die Belger seiner Meinung nach bei weitem die Tapfersten der drei Völkerschaften sind. Wir kommen gleich darauf zurück.

Rev. Wortfolge:

Horum omnium Belgae sunt fortissimi, propterea quod absunt longissime a cultu atque humanitate provinciae, (hûmânitâs, tatis f Menschlichkeit, Bildung, Geschmack, Zivilisation)

Der zweite Grund ist, daß Kaufleute minimê saepe am wenigsten oft = sehr selten, diejenigen Dinge, die (ea, quae Akk.Neutr.Plur.; der Akk. Sing. lautet id, quod) zur Verweichlichung der Charaktere dienen (pertinent sie dienen, zielen auf; per-tineô, tinuî,-, pertinêre). Quae ist Subjekt des NS, pertinent ist Prädikat. Zu erklären ist noch ad effeminandos animos. Es handelt sich um eine Gerundivum-Konstruktion. Diese spezielle grammatische Form werden wir in der 8. Lektion besprechen.

(Wenn Sie aber jetzt schon eine kleine Erklärung haben wollen, so lesen Sie vorweg Folgendes: Wir müssen zunächst festhalten, vgl. oben Grammatik, daß es ein Gerundium gibt, das dann benutzt wird, wenn von einem als Substantiv gebrauchten Infinitiv der Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ gebraucht wird. Z.B condere gründen oder das Gründen.
Der Genitiv zu diesem Verbalsubstantiv heißt condendi des Gründens; der Dativ: condendô dem Gründen; der Akkusativ: ad condendum zum Gründen; der Ablativ: condendô durch das Gründen.
Effeminare heißt verweichlichen oder das Verweichlichen. Wenn Sie dazu den Akkusativ haben wollen, so nehmen Sie den Akk. des Gerundiums: ad effeminandum zum Verweichlichen. Das Gerundium ad effeminandum regiert denselben Kasus, den das Verb effeminare regiert, nämlich den Akkusativ. Und wie heißt dann zum Verweichlichen der Charaktere? -doch wohl ad effeminandum animôs. Aber, der Lateiner mochte diese Form garnicht!
Eine wichtige Regel besagt nämlich: hat das Gerundium ein Akkusativ-Objekt bei sich, hier animôs, so muß es i.a. in ein Verbal-Adjektiv verwandelt werden, das sich in Numerus, Genus und Kasus nach dem Substantiv richtet.
Wie aber wird dieses Verbal-Adjektiv gebildet?
Man nehme den Stamm des Gerundiums und hänge us, a, um daran, es hat also dieselben Endungen wie ein Adjektiv der 1. und 2. Deklination. Dieses Verbaladjektiv heißt Gerundivum.

Also: aus ad effeminandum wird in unserem Beispiel das Verbal-Adjektiv (= Gerundivum) effeminandôs, das sich als Adjektiv nach animôs richtetn mußte. In der kommenden Lektion komme ich, wie gesagt, darauf nochmals ausführlich zurück.)

 

 
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Anhang

Heute will ich Ihnen nochmals von gebildeten Frauen erzählen, von neueren Frauen, die sich für Sprachen interessieren, vor allem für Latein.
Der Text stammt von dem großen Humanisten Erasmus von Rotterdam, der in der Zeit von 1500-35 bis 1500+35, also vor etwa 500 Jahren, fast überall in Europa lebte. Erasmus war ein bedeutender Gelehrter und Schriftsteller. Er publizierte eine eigene lateinische Übersetzung des Neuen Testaments und machte damit der Vulgata des Hieronymus Konkurrenz.
1516 veröffentlichte er den griechischen Text des NT, den Sie sich auch aus dem Internet downloaden können. Als er einst von Italien kommend geradenwegs nach England ritt, vertrieb er sich die Zeit mit dem Entwurf eines Büchleins, das später einmal zur Weltliteratur zählen sollte: Das Lob der Torheit (Encomium Moriae). Er wurde dazu u.a. von den Dialogen des Lukian inspiriert, die Sie im Griechisch-Kurs im Original kennen lernen können.
Er schrieb das Lob der Torheit in London, im Hause seines Freundes Thomas Morus, in nur acht Tagen nieder. Heute ist die Anzahl der Übersetzungen und Auflagen dieses spritzigen Werkchens kaum noch zu zählen.

Etwa 20 Jahre später, 1526, folgte diesem Longseller ein nicht weniger erfolgreiches Büchlein: Vertraute Gespräche (Colloquia familiaria). Es handelt sich um 81 geistreiche, hintergründige Dialoge, die eigentlich dazu bestimmt waren, dem angehenden Lateiner den gepflegten Umgangston beizubringen.
Aus dieser Sammlung lesen Sie jetzt aus dem Dialog Der Abt und die gelehrte Frau (Abbatis et Eruditae) einen kleinen Ausschnitt. Vielleicht werden Sie sich daran erfreuen, und sich das Büchlein für 3 Deutsche Mark kaufen (Reclam Nr. 9822), billiger ist Bildung kaum noch zu haben. Leider aber hat Erasmus nichts mehr davon.

Die feinsinnige, verheiratete Dame Magdalia unterhält sich mit dem weniger feinsinnigen, unverheirateten Abt Antronius über die Bildung. (antrum Höhle hat vielleicht nichts mit Antronius zu tun, aber wenigstens haben Sie eine neue Vokabel.) Der Abt haßt gebildete Menschen, vor allem, wenn es sich dabei um Mönche oder Frauen handelt. Die einen neigen dazu, fortwährend zu widersprechen, die anderen sind schwer zu erobern, -vor allem, wenn man selbst schwach im Lateinischen ist. Französich würde ja noch angehen, aber Latein...

Magdalia: Nônne mâtrônae est, administrare rem domesticam, erudîre lîberôs?

Antronius: Est

M.: An rem tantam exîstimas administrarî posse sine sapientiâ?

A.: Nôn arbitror.

M.: At hanc sapientiam docent mê librî.

A.: Ego domî habeô sexâgintâ duôs monachôs; tamen nullum librum reperiês in meô cubiculô .

M.: Bene itaque prospectum est monachîs illîs.

A.: Feram librôs, nôn fero Latînôs.

M.: Quâpropter?

A.: Quia non convenit ea lingua foeminîs.

M.: Exspectô caussam.

A.: Quia parum facit ad tuendam illarum pudîcitiam.

M.: Ergo nugâcissimis fâbulis plênî librî Gallice scriptî faciunt ad pudîcitiam?

A.: Aliud est.

M.: Dic istud, quidquid est, apertê.

A.: Tutiores sunt a sacerdôtibus, si nesciant Latîne.
---------------------------------------------------------------------------

M.: Nônne decorum est, foeminam in Germania natam discere Gallice?

A.: Maxime.

M.: Quam ob rem?

A.: Ut loquatur cum hîs, quî sciunt Gallice.

M.: Et mihi putas indecorum, si discam Latine, ut quotidie confabuler cum tot auctoribus tam facundîs, tam eruditîs, tam sapientibus, tam fidîs consultoribus?

A.: Libri adimunt multum cerebri foeminis, quum alioqui parum illîs supersit.

M.: Quantum vobis supersit, nescio; certe mihi quantulumcunque est, malim in bonis studiis consumere, quam in precibus sine mente dictîs, in pernoctibus conviviîs, in exhauriendîs capâcibus paterîs.

A.: Librorum familiaritas parit însâniam.


Vokabular

nônne nicht wahr? Fragepartikel, die die Antwort Ja erwartet. Zielt man auf die Antwort Nein, so benutzt man die Interrogativ-Partikel num. Bei dem angehängten (enklitischen) -ne ist die Antwort offen.
mâtrôna, ae f Gattin
an oder etwa
ex-îstimô 1. Konj. ich meine
doceô, docuî, doctum, docêre lehren
domî zu Hause (Lokativ)
re-periô, repperî, repertum, re-perîre finden; reperiês 2.Sg.Ind.Fut.Akt. du wirst finden
prô-spectô 1.Konj. vorausschauen, sorgen für
ferô, tulî, lâtum, ferre tragen, ertragen; nôn ferrô ich ertrage es nicht; feram ist 1.Sg. Konj.Präs oder 1.Sg.Ind.Fut.
ex-spectô erwarten
caussa = causa
parum id faciô
ich halte das für zu unwichtig
tueor, tuitus sum, tuêrî beschützen; Gerundivum eines Deponens der 2. Konj.: tuendus, -a, -um einer, der geschützt werden soll, ein zu schützender
foemina = fêmina Frau (Weib)

Gallice Französisch; z.B. sorores tuae Gallice (Italice, Latine, Graece) loqui possunt deine Schwestern können Französisch (Italienisch, Lateinisch, Griechisch) sprecehen.
ut loquatur
3.Sing.Konj.Präs.Dep. damit sie sprechen kann. Das Verb loquor (spr. lokwor)
ich spreche hat passive Form, aber aktive Bedeutung, d.h. es ist ein Deponens.

scîre wissen Inf. Präs. Akt., scit er, sie, es weiß 3.Sing.Ind.Präs.Akt. sciunt sie wissen 3.Pl.Ind.Präs.Akt. Das ganze Averbo lautet: sciô, scîvî, scîtum, scîre wissen.

ad-imô, êmî, êmptum, imere rauben, wegnehmen. Erinnern Sie sich, daß Raub-Verben den Ablativ regieren?
cerebrum, î das Gehirn; das e vor br ist nicht positionslang, da br die Verbindung einer Muta (b) mit einer Liquida (r) ist, vgl. 1.Lektion, Einleitung.
quum = cum
quantulus-cum(n)que 3
wie klein, wie wenig auch immer
super-sum, fuî, esse übrig sein, vorhanden sein
mâlim 1.S.Konj.Präs.Akt von mâlô ich ich ziehe vor, ich will lieber; mâlô, mâluî, mâlle
ex-hauriô, hausî, haustum, haurîre
ausleeren
capâx, âcis geräumig; capâcitâs, âtis f Raum, Umfang; eine "Kapazität" hat einen großes Denkvolumen.
patera, ae f Schale, hier Humpen
prex, precis f = precês, um f Bitte, Gebet
pariô, peperî, partum, parere gebären

 

Übersetzung:

Magdalia: Ist es nicht Sache der Frau, den Haushalt zu besorgen und die Kinder zu erziehen?

Antronius:
Sicher

M.: Aber meinst du, daß eine derartige Aufgabe ohne Bildung (Verstand) erfüllt werden kann? A.: Das glaube ich nicht.
M.: Und gerade diese Bildung lehren mich die Bücher.
A.: Ich habe zu Hause 62 Mönche; dennoch wirst du in meiner Zelle kein einziges Buch finden.
M.: Und so ist für diese Mönche gut vorgesorgt.
A.: Bücher würde ich ja noch dulden, lateinische ertrage ich nicht.
M.: Warum?
A.: Weil diese Sprache Frauen nicht bekommt.
M.: Ich erwarte eine Erklärung.
A.: Weil sie zum Schutz ihrer Keuschheit nichts beiträgt.
M.: Also sind französisch geschriebene Bücher, voll dummer Geschichten, gut für die Keuschheit?
A.: Das ist was anderes.
M.: Sag das, was es auch sei, ganz offen.
A.: Sie sind vor den Priestern sicherer, wenn sie kein Latein können.

M.: Es ist also schicklich, wenn eine in Deutschland geborene Frau Französisch lernt?
A.: Natürlich.
M.: Und warum?
A.: Damit sie mit denen sprechen kann, die Französisch können.
M.: Und für mich hältst du es für unschicklich, wenn ich Latein lerne, um mich mit so vielen Autoren, so beredten, so gebildeten, so vernünftigen und mit derart zuverlässigen Ratgebern täglich zu unterhalten?
A.: Bücher rauben den Frauen viel vom Verstand (Gehirn), von dem sie ohnehin nicht zuviel haben.
M.: Wieviel ihr davon habt (übrig ist), weiß ich nicht. Ich möchte jedenfalls das wenige, das ich habe, lieber für vernünftige Studien verwenden als für Gebete, die ohne Verstand hergesagt werden, für nächtelange Trinkgelage und das Leeren gewaltiger Humpen.

A.: Der Umgang mit Büchern gebiert Wahnsinn.

Mit dieser wahren Feststellung ist das Streitgespräch aber noch nicht beendet. Die beiden wechseln noch einige nette Gedanken. Lesen Sie nur selbst!

 

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