Wie friesisch ist das Friesische?

P. Kramer
Vortrag gehalten auf dem Philologenkongreß der Fryske Akademy am 9.12.1999.
Der friesische Text wird erscheinen in "Philologia Frisica" und gekürzt in "De Pompeblêden".

Zusammenfassung. In dieser Studie wird berechnet wie viel des Altfriesischen bewahrt worden ist in vier neufriesischen Mundarten in den Niederlanden und in Deutschland (s. Karte). Sie bezieht sich dabei auf den 197 häufigsten Worttypen und damit auf 65% der Sprache. Das Ergebnis findet sich in Darstellung 1, zusammen mit dem Gehalt an verlorenem und neugebildetem Material und dem Gehalt an aus dem Niederländisch/ Niederdeutschen oder aus anderen Sprachen stammenden Worttypen.
Darstellung 2 zeigt den Gehalt an Altfriesisch in den modernen Mundarten und Darstellung 3 die Verteilung über den Häufigkeitsklassen, aus welche abgeleitet wird, daß in den nicht betrachteten 35% der Sprache die Verteilung etwa dieselbe sein wird.
Der Gehalt an charakteristischem altfriesischem Material in den vier Mundarten und in vier nicht-friesischen Nachbarmundarten in den Niederlanden erscheint in Darstellung 4.












P. Kramer.

 

Übersichtskarte der betrachteten Mundarten.



Darstellung 1. Wieviel % des Altfriesischen ist in den heutigen Mundarten bewahrt?
W 74%, S 82%, N 81%.
(Gehalt an Niederdeutsch/Niederländisch: W 5%, S 10%, N 7%; andere Sprachen: W 0,1%, S 0,2%, N 2,2% [2% Dänisch]; Neubildungen: W 4%, S 1%, N 2%).
Wichtig ist der Bestand an verschwundene Funktionen, z.B. Zahl, Wortgeschlecht und Fall bei den Artikeln: W 17%, S 6%, N 8%. Rechnet man diese nicht, so bekommt man:



Darstellung 2. Wieviel % des Neufriesischen ist Altfriesisch? W 89%, S 88%, N 88%.



Darstellung 3. Diese Untersuchung bezog sich auf den 197 häufigsten Wortformen und damit auf 65% aller Wörter. Die Verteilung über den Häufigkeitsgruppen ist aber ziemlich gleich, so daß die restlichen 35% der Wörter (viele Wortformen!) das Bild nicht mehr eingreifend ändern werden.



Darstellung 4. Wie ist der Gehalt an als charakteristisch Friesisch zu erkennendes Wortmaterial?
Altfriesisch 42%, W 21%, S 39%, N 31%. D.h. daß das West- und Nordfriesische relativ viel charakteristisches Material verloren haben. (Z.B.: sitte '(ich) sitze' ist gut Friesisch, könnte aber auch Niederdeutsch sein, ist also nicht charakteristisch).
Die nicht-friesischen Nachbarmundarten verzeichneten hier viel weniger Punkte, nämlich von 3,4% der Mundart um Alkmaar bis 0,8% im Groningischen (was bekanntlich mit dem ostfriesischen Niederdeutsch zu vergleichen ist) und nur 0,1% im Stellingwerfischen.

Das Saterfriesische ist somit der weitaus am besten bewahrte neufriesische Mundart.