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Die folgenden Rezensionen erschienen in Jazz Live Nr 133/2001.
Essencia ist kammermusikalisches, konzentriertes Konzertieren
in verschiedensten atmosphärischen und strukturellen Gegebenheiten. Ob
gospelhaft, reduziert-meditativ, dadaistisch-absurd, schönklingend elegisch,
oder freitönend klangbetont, immer versucht das Trio der Essenz des jeweils
manifesten Daseinszustandes musikalisch näher zu kommen und evoziert dabei sehr
unterschiedliche Stimmungen, die jedoch immer intime Wärme ausstrahlen. Die
Bandbreite ist erstaunlich und dennoch überzeugt die Produktion durch
Konsistenz auf höchster Ebene. In den 12 Stücken werden die musikalischen
Karten unter den Mitspielern jeweils neu verteilt und die tragende Funktionen (Rhythmus, Melodie, Klangfarbe) können schwerpunktmäßig von allen möglichen
Instrumentenkombinationen getragen werden. Besonders reizvoll sind dabei die
Verzahnungen des Klanges von Holzblasinstrumenten und gestrichenem Bass. Im
Wechsel zwischen komponierter Thematik und spontaner Improvisation lebt eine
gesunde Balance von Kopf und Bauch.
(Stubenrauch)
Enthielt die erste Tranche dieser Session (erschienen auf dem Vorgängeralbum „The Water Is Wide“) neben Eigenkompositionen auch Traditionelles (Gospels, Ellington), so ist dieser zweite Teil ausschließlich Originals gewidmet. Nach den Jahren nordischer Elegie und fernöstlich gestimmter Meditation wird mit dieser Musik das Bekenntnis zur afro-amerikanischen Tradition weiter vertieft. Lloyd, der große, reife Meister verweigert sich dem Zwang, in „Projekten“ dem Zeitgeist nachzulaufen. Er spielt großteils seit vielen Jahren konsequent immer wieder die gleichen Themen, auch wenn er sie regelmäßig neu betitelt (fast, als wolle er uns weismachen, er habe sie jeweils neu erschaffen). Sie sind zu seinem höchstpersönlichen Vokabular geworden, das den Aufbau großzügiger musikalischer Spannungsbögen und Strukturen erlaubt.
Diese Band ist die richtige, um Charles Lloyd von seinen Soundwolken immer wieder auf den Boden zurückzuholen. Die Grundierung liefern die lebhaften Rhythmen Billy Higgins’ (eine seiner letzten Aufnahmen), Entspannung kommt von Abercrombies lockeren Soli (eine E-Gitarre ohne Effekte, sehr angenehm und effektvoll!). Dazwischen immer wieder unbegleitete Soloeinsprengsel von Mehldau, der auch sonst für frische Überraschungen sorgt. Und das Ganze kann auch fröhlich und intensiv swingen, so wie man Lloyd auf CD-Produktionen der letzten Jahre kaum gehört hat.
Charles Lloyd ist tief verwurzelt in der Tradition des
Hymnischen, Spirituellen und der authentischen Suche nach einem persönlichen,
intensiven Ausdruck, der die Musik als ein Mittel sieht, Transzendenz in diese
Welt zu bringen. Seine stetige Reifung ist generell bemerkenswert, ganz
besonders aber die Entwicklung seines Sounds zu einem Medium sehr intimen
Ausdrucks in feinsten Nuancen. Zusätzlich gesegnet mit einem tiefen Sinn für
Dynamik und einem beständigen solistischen Ideenreichtum ist Lloyd zweifellos
in die Reihe der ganz großen Tenorsaxophonisten des Jazz einzureihen. Die
Anerkennung seines Repertoires als bedeutender, bleibender Beitrag zur
Jazzgeschickte wird folgen, wenn es sich von der starken, persönlichen
Interpretation seines Schöpfers ablösen kann.
(Stubenrauch)