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CDU-Peter gewinnt Meingott Walter

Die CDU sammelt für Deutschland: Wenn es um die Verteidigung des Abendlandes geht, darf am Bahnhof Duisburg-Großenbaum keiner fehlen

Duisburg (taz ruhr) - "Die Chaoten sind auch schon da!" Eben erst hat der CDU-Aktivist im schwarzen Mantel, der sich später als "Alfred Tetzlaff" vorstellen wird, seinen Infostand am S-Bahnhof Duisburg-Großenbaum aufgebaut, da muß er schon zum Handy greifen, um die Polizei zu rufen. Junge Leute haben offensichtlich keinen Bock auf sein "Unterschriften-Sammelständchen" gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Die CDU-Seniorin, die mit ihm hinter dem Infostand, mit dem weiß-roten Partei-Sonnenschirm steht, um den Passanten verführerisch zuzulächeln, krallt sich verunsichert an ihren Kugelschreiber. Gröhlend rücken die "Chaoten" näher: "Was will ich, was willst Du - das Verbot der CDU!" Bedrohlich ruckelt es am Infostand. Aber "abräumen" ist heute nicht angesagt: Die jungen Leute rufen Parolen, verteilen Flugblätter und wollen diskutieren.

Die beiden CDU-Alten bekommen Verstärkung vom herannahenden Harald Weske aus Mündelheim. "Der Unterschied zwischen Deutschen und Ausländern ist erst einmal in der Staatsangehörigkeit zu sehen", doziert der Aalglattrasierte und ergänzt: "Erstens müssen die Ausländer vernünftig die deutsche Sprache lernen. Dann müssen sie ..." und so weiter.

Erste Unterschriftswillige kommen. "Was soll der Scheiß hier?", eröffnet einer von ihnen charmant die Diskussion. Der Mann unterschreibt, trägt aber keine Adresse ein. "Deutschlaaaand! Deutschlaaaand!", kommentieren die jungen Störenfriede zufrieden.

Ein Radfahrer grüßt den Standleiter: "Hallo Peter! Nix zu schlucken da?" - "Du kannst hier erstmal unterschreiben, und dann was schlucken!." Das Angebot ködert den Radler nicht. "Bis morgen Abend", ruft er und biegt in die Seitenstraße ab.

Harald Wittenbecher dagegen unterschreibt und eilt mit zufriedenem "Harharhar" in den, direkt vor dem Stand haltenden Bus. "Warum ich diese Aktion für richtig empfinde? Weil ich dahinter stehe. Ich möchte, daß jeder machen kann, was er will. Ich brauch keine Begründung dafür!".

Peter wird ungemütlich: "Machen Sie, daß sie wegkommen!", herrscht er den Schwarm ungebetener Gäste an, die nach wie vor die Unterschreiber nerven. Sie drücken Passanten Flugblätter in die Hand, auf denen eine Pressemitteilung der NRW-'Republikaner' dokumentiert wird: "'Republikaner' bieten Landes-CDU Unterstützung an". Ulrike Schliwa kriegt ein Blatt in die Hand gedrückt: "Ich bin entsetzt, daß die CDU ihren Infostand bei uns in Großenbaum aufgebaut hat. Ich finde es aber sehr positiv, daß die Jugend diese Art Menschenkette um den Stand bildet."

Eine leichte Rangelei: "Schubsen Sie mich nicht, Sie Chaot!" - "Schubsen Sie mich nicht, Sie Rassist!" Der VW-Bus der Schutzpolizei trifft ein. Doch wer wen geschubst hat, kann nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. So nehmen die Beamten nur die Personalien auf.

Die meisten Unterschreiber gehören der "Generation, die Deutschland wieder aufgebaut hat", an. Und leiten daraus eine besondere Kompetenz in Zuwanderungsfragen ab: "Die Ausländer gehören nicht hieher!", sagt ein Rentner. Eine Seniorin ist großzügiger: "Die dürfen ein halbes Jahr hier arbeiten, dann sollen sie nach Hause gehen!"

Die CDU-Seniorin gerät an ihrem Ständchen in Erklärungsnotstand: "Nein. Nein. Nein. Das ist keine Aktion von CDU und Republikanern. Die Flugblätter gehören hier nicht her. Die haben die Chaoten hingelegt", versichert die Altaktvistin. Einer Blondine wäre das eh' egal: "Der Verfassungsschutz hat die 'Republikaner' nicht verboten, also ist das 'ne Partei wie jede andere."

Ein junger Mann im "Böhse Onkelz"-Kapuzenpulli erregt bei den "Chaoten" gesteigerten Unmut. "Wir hindern keinen daran , zu unterschreiben", sagt Standleiter Peter - und erhält weltgewandte Schützenhilfe: "Wir Christen müssen zusammenhalten, der Islam ist gefährlich. Sonst kommen die Lappenköniginnen mit ihren Lappen um den Kopf", warnt eine 60- jährige mit erhobenem Zeigefinger.

Selma B. hatte noch nie Lappen um den Kopf. Und Deutsche möchte sie eigentlich auch nicht werden. "Ich möchte hier nur meine Rechte haben." Deswegen will die 28jährige den Doppelpaß. "Die CDU schürt den Ausländerhaß", sagt die angehende Sozialwissenschaftlerin. "Jetzt, mach` aber mal einen Punkt!", raunzt Standleiter Peter die kurdische Studentin an. "Guck mal,....", sächselt ein Rentner zu seiner Frau rüber, "...die frechen Türken hier!", dabei rückt er seine Melkermütze zurecht.

Jetzt ist es fünf nach drei. Peter steckt sich einen Zigarillo an. "Früher wär ich auch gerne Polizist geworden", offenbart er sich einem Uniformierten. Der kann sich zu keinem Lächeln durchringen.

Als Fremder im eigenen Stadtteil fühlt sich Helmut K (80). "Der Türke kann sich hier bewegen wie sonstwas. Lesen Se mal hier. In der Zeitung vom Mittwoch, den zehnten Februar. Es geht um den geplanten Moscheebau da. Die Türken drohen, entweder kommt der Bau durch, oder niemand wird Hüttenheim am anderen Tag wiedererkennen. Ich hab nichts gegen Türken, aber frech sollense nicht werden."

Der 50jährige CDU-Peter stellt sich den bohrenden Fragen der Jugend. "Als Zwanzigjähriger hätte ich Eure Argumente durchaus verstehen können.", sagt er gönnnerhaft. Aber heute sei er erwachsen. "Was wollen Sie denn. Ich hab doch einen viel höheren Bildungsabschluß als Sie", erwidert ein junger Antifaschist.

Da wendet Peter sich lieber seinem Kumpel Otto zu: "Gleich gehen wir erstmal Karneval feiern, Otto!" - "Ja, das machen wa auch, Peter!" Um 16 Uhr, eine Stunde früher als geplant, bläst Peter zum Rückzug. Unterschrieben haben etwa 100 Leute - darunter viele Prominente: von "Adolf Hitler" bis "Meingott Walter". Super, Peter.

Marcus Meier / Andreas Hippin