Erich Fried
 
geboren 1921 in Wien, starb 1988 in Baden-Baden. 1938 nach England emigriert, lebte er in London. Seit 1946 war er freier Schriftsteller. Georg Büchner Preis 1987. Werke in Auswahl: >> Ein Soldat und ein Mädchen << (Roman 1960); >> Warngedichte << (1964); >> So kam ich unter die
Deutschen << (Gedichte 1977); >> Liebesgedichte << (1979); >> Gedichte ohne Vaterland << (1988); >> Gesammelte Werke << in 4 Bänden. 1993 Verlag Klaus Wagenbach, Berlin.
(entnommen: Erich Fried, Gedichte)
 
Seine Gedichte kenne und liebe ich seit 1981, also schon ganz schön lange *zwinker*. Vor allem seine Liebesgedichte haben es mir angetan. Dies ist mein Lieblingsgedicht von Erich Fried, sicher auch eines seiner bekanntesten...
 
 
 
Was es ist  
  
Es ist Unsinn  
sagt die Vernunft  
Es ist was es ist  
sagt die Liebe  
  
Es ist Unglück  
sagt die Berechnung  
Es ist nichts als Schmerz  
sagt die Angst  
Es ist aussichtslos  
sagt die Einsicht  
Es ist was es ist  
sagt die Liebe  
  
Es ist lächerlich  
sagt der Stolz  
Es ist leichtsinnig  
sagt die Vorsicht  
Es ist unmöglich  
sagt die Erfahrung  
Es ist was es ist  
sagt die Liebe  
 
 
 
Weitere:
 

 
Gründe
 
 
>> Weil das alles nicht hilft
Sie tun ja doch was sie wollen
 
 Weil ich mir nicht nochmals
die Finger verbrennen will
 
 Weil man nur lachen wird;
Auf dich haben sie gewartet
 
Und warum immer ich?
Keiner wird es mir danken
 
 Weil da niemand mehr durchsieht
sondern höchstens noch mehr kaputt geht
 
Weil jedes Schlechte
vielleicht auch sein Gutes hat
 
 Weil es Sache des Standpunktes ist
und überhaupt wem soll man glauben?
 
 Weil auch bei den anderen nur
mit Wasser gekocht wird
 
 Weil ich das lieber
Berufeneren überlasse
 
 Weil man nie weiss
wie einem das schaden kann
 
 Weil sich die Mühe nicht lohnt
weil sie alle das gar nicht wert sind <<
 
Das sind Todesursachen
zu schreiben auf unsere Gräber
 
die nicht mehr gegraben werden
wenn das die Ursachen sind
 

 
Humorlos
 
Die Jungen
werfen
zum Spass
mit Steinen
nach Fröschen
 
 Die Frösche
sterben
im Ernst
 

 
 Die Lüge von den kurzen Beinen
 
Die
Beine
der
grösseren
Lügen
sind
gar
nicht
immer
so
kurz
 
 Kürzer
ist
oft
das
Leben
derer
die
an
sie
glaubten
 

 
Not kennt kein Gebot
 
 Heute haben wir leider
für Feinheiten
keine Zeit
 
 sagte einer
den ich schon vor Jahren
als Grobian kannte
 

 
Angst und Zweifel
 
Zweifle nicht
an dem
der dir sagt
er hat Angst
 
aber hab Angst
vor dem
der dir sagt
er kennt keinen Zweifel
 

 
Liebesgedicht für die Freiheit
und Freiheitsgedicht für die Liebe
 
Mit der Freiheit ist das
so ähnlich wie mit der Liebe
 
Wenn dann das sogenannte Glück mich nach Jahren
wieder herausholt aus dem verschlossenen Schrank
 
und sagt: >> Nun darfst du wieder!
Nun zeig was du kannst! <<
 
Werde ich dann einatmen und meine Arme ausbreiten
und wieder jung sein und voller Lebensmut
 
oder werde ich dann nach Mottenkugeln riechen
und mit den Knochen klappern im Takt eines fremden Herzschlags?
 
Mit der Freiheit ist das
so ähnlich wie mit der Liebe
 
und mit der Liebe ist das
so ähnlich wie mit der Freiheit
 

 
Dann wieder
 
Was keiner
geglaubt haben wird
 
was keiner
gewusst haben konnte
 
was keiner
geahnt haben durfte
 
das wird dann wieder
das gewesen sein
 
was keiner
gewollt haben wollte
 

 
Nur nicht
 
Das Leben
wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte
 
Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung
 
Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet
 
Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben
 

 
Herrschaftsfreiheit
 
Zu sagen
>> Hier
herrscht Freiheit <<
ist immer
ein Irrtum
oder auch
eine Lüge:
 
Freiheit
herrscht nicht
 

 
Die Warner
 
Wenn Leute dir sagen:
>> Kümmere dich nicht
soviel
um dich selbst <<
dann sieh dir
die Leute an
die dir das sagen:
An ihnen kannst du erkennen
wie das ist
wenn einer
sich nicht genug
um sich selbst
gekümmert hat
 

 
 
Ups... nun ist das ganz schön viel geworden. Aber: Ist er nicht fantastisch?
Sämtliche auf dieser Seite befindlichen Gedichte sind aus
 
Erich Fried: Gedichte
ausgewählt und herausgegeben von Klaus Wagenbach
erschienen 1995 bei dtv
ISBN 3-423-11997-7
ca. 12,90 DM
 

 
 
 

 
 
 
 
Zuletzt bearbeitet am 19.3.1999
 
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