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Keine Bilder, kein Zauber mehr. Nur Ánujol erinnert sich. Die Zeit des Dunkels liegt fern. Er sitzt in seiner Eiche und hört, wie die Truppen sich stampfend entfernen. Nur immer weiter ins Bergland hinein!
Er legt sein Ohr an den Stamm. Yowanwe ist wieder da. Sie flüstert. Ihr Bild flüstert. Ihr Zauber. Ánujol verharrt ganz still. Regt er sich, wird sie gleich wieder verschwinden. Nie kann er sie lange halten. Die Luft, die Eichenrinde, das Reh wollen sie nicht dulden, können sie nicht ertragen. Niemals. Sie wollen vergessen. Nur vergessen. Schon ist Yowanwe fort. Ihre Schulter wird wieder zum Felsvorsprung, ihre Füße wieder zu Birkenwurzeln. „Aynúra?“ Zweige knacken. Dort drüben, zwischen den Fichten. Plötzlich steht sie unter ihm, sieht nach oben, sieht ihm direkt in die Augen. Jetzt muss er sich lösen. Von den Truppen, von Yowanwe, von ihren Verrätern. Langsam und bedächtig steigt er nach unten, geht an Aynúra vorbei auf den Waldrand zu. Sie folgt ihm nach einer Weile, weiß, dass sie den vorgegebenen Abstand wahren muss. Yowanwe liegt in der Luft. Überall ist sie, spricht ihre Stimme. Von Augenblicken, von Dunkelheit, vom Geruch der Erde, von Vergangenheit. Aynúra bleibt stehen, sinkt langsam zu Boden. Da sind ihre Hände! Yowanwes Hände liegen auf ihren Schultern. Aynúra rührt sich nicht, lauscht. Die Tränen haben ihre Kehle erreicht. „Weinst du?“ Yowanwe schweigt. Lässt ihre Hände an Aynúras Armen hinabgleiten. Sie wird niemals antworten. Das Feuer! Der Hexensud! Die Zauberformeln! Dein Gesang! Veylijo gúrama suryê ... Alles dreht sich. Lass mich zu dir! Hilf mir! Yowanwe sagt nichts, kann nichts sagen. Sie ist nicht da. Die Stirn fest in die Erde gedrückt, weint Aynúra. Sie weint um des Zaubers, um der Verbundenheit Willen. Was verloren sein sollte, ist hier. Ihr Körper lehnt sich auf gegen die starre, immerwährende Sattheit der Bäume. Er schüttelt sich, schüttelt sie, schüttelt die Erde. „Hör auf, hör auf“, schreien die Rehe. „Die dunklen Zeiten sind vorbei!“ Da rutscht Aynúra den Tunnel des Vergessens hinab. Am unteren Ende wartet Ánujol. Als sie aufwacht, hört sie nicht das Knistern des Kamins und nicht das Klappern der Fensterläden. Sie hört nicht, wie er zur Tür hereinkommt und sieht auch nicht, wie er sich neben sie setzt. Doch sie spürt deutlich seine Anwesenheit und erschrickt nicht, als er sie berührt. Er fragt nicht. Er muss nicht fragen. Yowanwe ist da. .Fortsetzung folgt. (letzte Änderung 20.11.06) zurück |