Mikkas Geschichte

Bei uns würde also eine Katze einziehen - oder vielmehr ein Kater, denn meine Familie hatte meistens Kater gehabt und ich war der Meinung, diese seien verschmuster und mir vom Wesen her lieber.

Doch wie sollten wir zu einem Kater kommen. Wir wollten einen jungen Kater haben und mir schwebte ein roter, brauner oder grauer Tiger vor. Ich wollte keinen ganz schwarzen und keinen ganz weißen. Die "zweite Hand" die Berliner Anzeigenzeitung hatte einige Anzeigen und so fuhr ich in ein Dorf bei Berlin um mir Kätzchen anzusehen. Ich fand niedliche grau-getigerte Kitten vor, die aber im November in einer unbeheizten Scheune lebten und ganz verklebte Augen hatten. Die Katzenmutter ahlte sich im beheizten Wohnzimmer und die Kleinen hatten noch nie ein Katzenklo gesehen und waren wahrscheinlich voller Ungeziefer und Krankheiten. Ich hätte trotzdem eines genommen, wenn sich mein Freund nicht quer gestellt hätte.

Also wartete ich die nächste Ausgabe der zweiten Hand ab und verabredete ein Treffen an einem S-Bahnhof, dort wollte die Frau, mit der ich telefoniert hatte mit dem Auto vorbeikommen. Ich dachte, sie würde uns netter Weise abholen und zu den Kitten und der Katzenmama fahren, aber sie stand dann mit ihrer Tochter und einem Korb mit drei Katern vor uns. Einer war schwarz, einer schwarz-weiß und einer weiß und grau getigert. Der getigerte war am kleinsten und schwächsten, außerdem hatte wohl eines der Kinder die Schnurrhaare bearbeitet, sie waren fast alle abgeschnitten. Ich schwankte zwischen dem armen kleinen und dem schwarz-weißen, der einen kräftigen und gesunden Eindruck machte. Obwohl ich wohl besser gesagt hätte unter den Umständen nehme ich keinen, entschied ich mich für den schwarz-weißen Kater, der dann in unseren Kennel wanderte.

Als wir mit der Box zur S-Bahn gingen, dachte ich noch "oh weh, was haben wir getan, war das richtig?"

Der Kleine miaute und wollte sich mit aller Macht aus dem Korb graben. Wir litten mit ihm. Als wir aus der Bahn ausstiegen mussten wir noch etwa 10 Minuten nach Hause laufen und weil es ganz schön kalt war, beschloss ich den Kleinen unter meine Jacke zu nehmen, nur das Köpfchen guckte noch raus. So gingen wir nach Hause und es dauerte nicht lange, da war das Kater-Baby in meiner Jacke eingeschlafen.

Es dauerte auch nicht lange, bis ich zu Hause entdeckte, dass das Kater-Baby nach Eiter stank und die Quelle des Gestanks war auch klar zu erkennen: er hatte starken Schnupfen, der Eiter lief ihm aus der Nase und er schnarchte richtig.

Am Abend erhielt der Kleine noch seinen Namen: Mikka

Der Tierarztbesuch am nächsten Tag brachte auch noch einen stattlichen Flohbefall ans Tageslicht. Der Schnupfen war zum Glück kein Katzenschnupfen sondern "nur" ein normaler Schnupfen, der nach einer Woche mit Antibiotika bekämpft war, die Flöhe konnten auch schnell beseitigt werden.

Die ersten Wochen mit Mikka waren nicht ganz ungetrübt. Ich konnte nachempfinden, dass Frauen nach der Geburt eines Babys Depressionen bekommen. Ich hatte sozusagen Post-katzale Depressionen und überlegte schon, ob es nicht besser wäre so lange Mikka noch jung und nicht so sehr an uns gewöhnt war ihn an jemand zu geben, der sich mehr mit ihm anfreunden konnte. Wir waren es zuvor gewohnt gewesen zu Hause unsere Ruhe zu haben und jetzt hatten wir einen kleinen Wirbelwind, der gerade Abends unsere ganze Aufmerksamkeit brauchte, wenn wir kaputt waren. Dazu kam dass ich ein schlechtes Gewissen hatte ihn allein zu lassen. Zwei Tage pro Woche arbeite ich nicht zu Hause und der Kleine war den ganzen Tag alleine, das machte mich fertig, ich saß im Büro wie auf heißen Kohlen.

Wir wussten aber auch schon nach kurzer Zeit, dass Mikka zu uns gehörte und wir uns gar nicht mehr hätten trennen könnten, aber bis wir uns wirklich auf ihn eingestellt hatten war es Weihnachten geworden.

Mikka ist ein schlaues Kerlchen, er apportierte vom ersten Tag an seine Fellkugeln und war furchtbar verschmust und anhänglich.

Problematisch waren seine Wutausbrüche. Er wollte uns nicht als Chefs anerkennen und versuchte uns teilweise mit wüsten Attacken von unseren Plätzen zu vertreiben. Dagegen half nur sich möglichst groß zu machen, Augenkontakt zu halten und zu knurren und fauchen, was das Zeug hält. Wenn man damit aufhörte, bevor er maulend von dannen zog, wurde man mit allen Vieren angesprungen und erhielt böse Kratzer.

Aber wir gewannen ihn immer lieber und er war aus unserem Leben nicht mehr fortzudenken.

Ich wusste schon lange, dass Mikka nicht alleine bleiben durfte. Ich hatte zu viel über Katzen gelernt, als dass ich die Mär sie seien Einzelgänger länger glauben konnte. Mikka zeigte von seinem ganzen Verhalten her, dass er unbedingt einen Kumpel brauchte und ich dachte auch immer mal an den armen kleinen Bruder von Mikka, hätten wir ihn nicht lieber auch noch nehmen sollen? Aber das war ja längst zu spät und ich hoffe, er hat nette Menschen gefunden, die ihn gut aufgepäppelt haben.
Nachdem mein Freund Mikka auch sehr in sein Herz geschlossen hatte, brauchte ich dann keine lange Überredungskunst mehr, um ihn von einem Katerkumpel zu
überzeugen.

Ich machte mich also im Mai 2003 auf die Suche nach einem geeigneten Kumpel für unseren Wirbelwind Mikka. Ich wurde wiederum in der zweiten Hand fündig. Eine Korat Katze hatte Junge bekommen und der Vater war ein Siam-Kater. Da wir bei Mikka auf Grund seiner sehr schlanken Statur, seines schmalen Kopfes und seiner Lebhaftigkeit einen stark asiatischen Einschlag vermuten, musste diese Mischung wie geschaffen sein, dass sich die beiden von der Mentalität her verstehen.

Mein erster Besuch bei der Katzenmutter verlief auch ganz erfreulich, aber das soll auf Lucas Seite erzält werden...

Hier nur soviel: Mikka hat sich sehr verändert seit Luca da ist. Er ist viel ausgeglichener, er hat nie wieder Attacken gegen uns gefahren und er ist uns noch mehr ans Herz gewachsen (wenn das überhaupt möglich ist).

Mindestens ein mal pro Tag ist Mikka "vogelig", dann spinnt er ganz einfach, rast wie bescheuert durch die Wohnung, springt gegen die Wohnungstür, rast wieder rum und miaut, springt irgendwo anders hoch. Er ist dann einfach nicht zurechnungsfähig und wir sagen dann schon immer: "ach so, der Herr ist wieder vogelig". So sieht er in etwa aus, wenn er vogelig ist:

Mikka ist ein Anarchist. Er kümmert sich nicht um Verbote, im Gegenteil, gerade wenn wir dabei sind zeigt er uns, dass er selbstverständlich etwas auf dem Küchentisch verloren hat. Den Esstisch im Wohnzimmer haben wir deswegen auch schon als Schlafplatz freigegeben. Wenn wir ihn runtersetzen ist er sofort wieder oben drauf.
Er liebt es auf den Arm genommen zu werden und macht sich dann ganz schwer. Man kann ihn richtig über die Schulter legen und er schmiegt sich ganz fest an und schnurrt. Er lässt sich so sehr gerne durch die Wohnung tragen und ich glaube, das liegt daran, dass er sich damals unter meiner Jacke so geborgen gefühlt hat nach der schrecklichen Trennung von seiner Familie. Als Kätzchen war er sehr anhänglich, aber mit etwa 5 Monaten wurde er zusehends selbständiger und inzwischen sitzt er nicht mehr so gerne auf dem Schoß. Es sei denn man muss nachts auf die Toilette, dann kommt er ganz verschlafen mit und kuschelt sich ganz fest auf den Schoß. Erst nach minutenlangem Ringen und nachdem man dann schon fast im Sitzen auf der Toilette wieder eingeschlafen ist, bringt man es über's Herz ihn sanft runter zu setzen.

Dass er bildschön ist, erwähnte ich glaube ich noch nicht ;-)
Aber seht selbst:

Das ist Mikka im Sommer 2003 auf unserem Balkon. Da ist er fast ein Jahr alt. Er ist ein prächtiger Kater geworden, der inzwischen über 5 Kilo auf die Waage bringt. Aus dem kleinen verschnupften, verflohten Kätzchen, ist ein schöner, stolzer Kater geworden, der selbstbewußt und zufrieden wirkt. Die Tatsache, dass wir anfangs Probleme mit ihm hatten hat uns jetzt eher noch fester an ihn geschweißt, er wickelt uns inzwischen voll und ganz um seine Tatzen.

So lange wie es sein Katerleben gestattet wird er bei uns ein glückliches Dasein führen, soviel ist jedenfalls sicher!

Januar 2006:
Mikka ist wieder schmusiger geworden. Er kommt von sich aus auf den Schoß, macht ganz eifrig Milchtritt, legt sich nieder und schmust wie ein Verrückter. Er ist so lieeeeb!