Liebe und Erotik im Mittelalter
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Sexualität im Mittelalter

Die offizielle Sexualmoral im Mittelalter war geprägt von der Leibes- und Lustfeindlichkeit der katholischen Kirche. Die Kirche predigte einen umfangreicher Verbotskatalog, der Sex ausschließlich zur Fortpflanzung und nur in der Ehe erlaubte. So finden sich oft in Predigen Anleitungen an Mann und Frau, wie sie ihre Rollen als Gatte oder Gattin wahrzunehmen haben. Während der Schwangerschaft und der Menstruation, aber auch an vielen kirchlichen Feiertagen hatten die Menschen keusch zu leben. Beim Geschlechtsverkehr sollten die Eheleute nur Fortpflanzung im Sinn haben. Empfanden sie dabei Vergnügen, waren sie bereits beschmutzt. Die Kirche hatte die Ehe in den Status eines "heiligen Sakraments" erhoben und drohte mit harten Strafen, sollten ihre Regeln missachtet werden. Da die "fleischliche Begierde" aber grundsätzlich als sündhafter Trieb angesehen wurde, galten alle neugeborenen Kinder von Geburt an mit der "Erbsünde" befleckt, von der sie erst durch die Taufe befreit wurden. Das Mittelalter unterschied zwischen natürlichen und widernatürlichen Formen der Sexualität. Als natürliche galten zeugungsorientierte Handlungen und unter widernatürlicher Sexualität verstand man sexuelle Praktiken, die in keinem Fall zur Zeugung von Kindern führen konnten. Als einfache Unzucht galt der Bordellbesuch. Gefolgt wurde er vom Ehebruch, der Blutschande und schliesslich den Sünden wider die Natur, zu denen Thomas von Aquin Selbstbefriedigung, Zoophilie, Homosexualität und ungehörige Praktiken wie etwa Anal- oder Oralsex zählte. Zwischen Theorie und Praxis herrschte damals wie heute eine grosse Kluft. Die Prostitution wurde toleriert und teilweise sogar reglementiert. Bei der Bevölkerung stieß die Kirche mit ihrer Sexual- und Körperfeindlichkeit nämlich auf breites Unverständnis und die Menschen lebten ihre Sexualität weit unbekümmerter aus, als es den Kirchenmännern lieb sein konnte. An der Nacktheit fanden die Menschen des Mittelalters beispielsweise nichts An&stößiges, schließlich schliefen sie unbekleidet oder trafen sich mit ihren Nachbarn und Freunden nackt in den städtischen Badehäusern. So stellte sich oft eine gewisse Nachsicht gegenüber "sündigen" Verfehlungen ein - was wohl lauch daran lag, dass viele Geistliche selbst zu den "armen Sündern" gehörten.



Die Geschichte von Alibech und Rustico, Holzschnitt Italien 1492. Das Bild zeigt einen erigierten Penis, was in mittelalterlichen Darstellungen eine Seltenheit ist.