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Copyright: Dieter H. Steinmetz

Das Leben der Anna Margareta Wrangel Gräfin von Salmis geb. v. Haugwitz

(s. auch: http://www.oocities.org/de/steinmetz41 - dort auch mehr Bilder)

Anna Margareta von Haugwitz (1622 - 1673) im Alter von 26 Jahren

Das Gebäude des Rittergutes Calbe, wie es ausgesehen haben könnte (Computersimulation mit "ArCon"). Allerdings war das Haus 1694   abgebrannt und wurde in dieser Form 1715 neu errichtet.

Geburt in der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges

Anna Margareta wurde am 16.1.1622 in Calbe an der Saale im zentral gelegenen Rittergut geboren.

Ihre Eltern, Balthasar (auch: Baltzer, Baltzar) Joachim von Haugwitz und Sophie von Veltheim, gehörten zum niederen, aber besitzenden und angesehenen Landadel. Das Rittergut umfasste ungefähr zweihundert Hektar Ackerland, Wiesen und Wald, ein für die damalige Zeit erhebliches Stück Land. Diese autarke Herrschaftsenklave mit niederer Gerichtsbarkeit inmitten der Stadt war nach der Reformation aus einem ehemaligen karolingisch/ottonischen Königshof und einem späteren Gutshof des Magdeburger Moritzklosters hervorgegangen. Die von Haugwitz' waren das dritte Besitzergeschlecht, vor ihnen hatten schon die Familien von Hacke und von Ingersleben das Gut besessen.

Kindheit als Kriegs-Waise

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ging es der Familie Haugwitz offensichtlich noch gut, denn 1624 wurde in den Stadtakten ein Streit des Rittergutsbesitzers von Haugwitz mit der Bürgerschaft wegen dessen Verstoßes gegen das Stadtrecht verzeichnet. Selbstherrlich hatte sich der Adlige über die in der städtischen "Willkür" festgelegte Weidegerechtigkeit hinweggesetzt (vgl. Reccius, a. a. O., S. 48).

Doch dann kam das Unglück über die Calbe'sche Haugwitz-Familie. Wie aus einer Leichenpredigt für Anna Margaretas Bruder Christian Friedrich hervorgeht, starb der Vater Balthasar von Haugwitz schon "frühzeitig" in Brandenburg und musste dort auch wegen der Kriegsereignisse beerdigt werden (Hinweis des Geschichtsforschers Klaus Herrfurth, Pfarrer i. R. ). Nach Anna Margaretas Selbstbiographie, die sie einige Zeit vor ihrem Ableben "mit eigener Hand" geschrieben hatte (vgl. Gerth, Christ-Gebührliche..., a. a. O., zitiert nach: Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa, a. a. O., S. 22), erfolgte der Tod des Vaters, als sie vier Jahre alt gewesen war, also 1626. Möglicherweise hatte von Haugwitz beim protestantischen Administrator Markgraf Christian Wilhelm von Brandenburg gedient und war bei den Rückzugsgefechten gegen die Übermacht der Kaiserlichen gefallen, oder er war ein Opfer der in diesem Jahr in Brandenburg grassierenden Pest geworden. Die Mutter musste nun die 6  Kinder allein durchbringen. Die vater- und schutzlose Familie verarmte.

Als 1630, wahrscheinlich beim verheerenden Massaker der Kaiserlichen am 22./23. September in Calbe (vgl. ebenda ), auch noch die Mutter und vier Geschwister starben, brachten barmherzige Verwandte die achtjährige Waise Anna Margareta nach Egeln (ca. 25km von Calbe entfernt) in ein Zisterzienserinnen-Kloster. Dieses Frauen-Kloster "Am Marienstuhl" blieb, obwohl Egeln sich seit 1547 zum Protestantismus bekannte, bis zu seiner Auflösung 1809 während der Napoleonischen "Westfalenzeit" dem katholischen Glauben verpflichtet.

Kindheit und Jugend mit einer Pflegemutter und als Mündel des schwedischen Feldherrn Banér

Johan Banér (1596-1641) (Nach: http://members.tripod.com)

1632 hatte Johan (Gustaffson) Banér (23.6.1596 - 10.5.1641), einer der fähigsten Feldherren des Dreißigjährigen Krieges und Kommandeur eines der vier schwedischen Hauptheere, die Ämter Egeln, Athensleben und Hadmersleben von der schwedischen Krone für seine Verdienste zum Lehen bekommen (vgl. Miszelle über den Dreißigjährigen Krieg in Calbe und Umgebung ). Im gleichen Jahr richtete er sein Hauptquartier im Schloss seiner Lieblingsstadt Egeln ein.

Im Dreißigjährigen Krieg war es üblich, dass nicht nur viele Soldaten ihre Familien und Habseligkeiten im Tross zu den Schlachtorten "mitschleppten", sondern auch die Kommandeure ihre individuellen "Feldherren-Höfe" mit Ehefrauen, Kindern, befreundeten Personen und Bediensteten von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz mitführten. Banér hatte 1623 Catherina Elisabeth von Pfuel(l) (20.2. 1598 - 20.2.1636), eine  hochadlige Dame aus Vichel im Brandenburgischen, geheiratet (vgl. FamilySearch). Diese Frau war mit der Gräfin Elisabeth Juliane von Löwenstein (22.1.1600 - 27.5.1640) eng befreundet. Die Gräfin Löwenstein, als schön, klug und edel gepriesen, war eine geborene von Erbach (Erpach) und ihre Mutter eine Gräfin von Barby-Mühlingen (vgl. ebenda). 1620 hatte sie sich mit dem Grafen Georg Ludwig von Löwenstein-Scharfeneck, einem Oberst in schwedischen Diensten, vermählt, der 1633 im großen Feldlager vor Erfurt starb (- ob durch eine grassierende Seuche oder durch Feindeinwirkung, war nicht zu ermitteln). Baner und seine Frau nahmen nun die schutzlose Witwe, zu der sie durch die Freundschaft der beiden Frauen schon längere Zeit festen Kontakt hatten, in ihren Familienkreis auf (vgl. Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa, a. a. O., S. 22).

Renaissanceschloss Egeln, eine ursprünglich mittelalterliche Wasserburg

Während der Zeit des Banér-Quartiers im Schloss Egeln lebte auch der Familien-"Klan" dort, und damit waren die Weichen für den weiteren Lebensweg Anna Margaretas und das Zusammentreffen  mit ihrem künftigen Ehemann gestellt. Als die bei den Zisterzienserinnen lebende Waise aus Calbe etwa 11 Jahre alt war, wurde die als klug, barmherzig und tatkräftig geltende Gräfin von Löwenstein auf das Kind aufmerksam. Gerade erst verwitwet, nahm sie  das Mädchen aus dem Kloster, wo es zunehmend unter den Einfluss der katholischen Erziehung geriet. In ihrer anfangs erwähnten Selbstbiographie schrieb Anna Margareta rückblickend:  Weil "... ich noch gar jung, und in den glaubens sachen nicht informiret were, und desfalls balt könte von den Catholischen Verführet werden", vgl. Gerth, a. a. O., zitiert nach: Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa, a. a. O., S. 22). Die Gräfin von Löwenstein nahm nun für das Mädchen die Stellung einer geliebten und verehrten Mutter ein. Anna Margareta wurde gemeinsam mit der leiblichen Tochter der Gräfin, der fast 4 Jahre jüngeren Marie Christine, von einem eigens dazu angestellten Lehrer unterrichtet und gebildet. In der Selbstbiographie hieß es: Die Pflegemutter "befahl dem Praeceptori mich nebst ihrer Fräulein Tochter zugleich und fleißig zu informiren in Christlichen Glauben, schreiben und lesen" (vgl. ebenda). Als die Ehefrau Banérs im Alter von 38 Jahren schwer erkrankte, wünschte sie sich auf dem Sterbebett, dass ihr Mann nach ihrem Ableben die Freundin heiratete. Nach dem Tod Catharina Elisabeths in Magdeburg (20.2.1636) heiratete Banér im Juli des gleichen Jahres (vgl. Losman, a. a. O., S. 22) die enge Freundin der Verstorbenen im Lager vor Werben. Nun war Anna Margareta von Haugwitz mit 14 Jahren ein Mündel des berühmt-berüchtigten Feldherrn geworden.

Das ehemalige Zisterzienserinnen- Kloster "Am Marienstuhl" in Egeln

An der Seite ihrer Pflegemutter hatte das Mädchen seit seinem 11. oder 12. Lebensjahr im umherziehenden Feldherrnhof Banérs alle Gräuel des Krieges hautnah miterleben und oft die Strapazen des Lagerlebens ertragen müssen. Nach dem traumatisierenden Erlebnis  des Familienverlustes von 1630 hatte Anna Margareta bei den Zügen von einem Kriegsschauplatz zum anderen die Leiden der Zivilbevölkerung in ihrer engeren und weiteren Heimat zwangläufig mit angesehen. Bis zu ihrem 26. Lebensjahr hatte sie meist nur Not, Elend, Grausamkeit, Krankheit und Tod, eben die großen und kleinen Tragödien des Dreißigjährigen Krieges, kennen gelernt. So war das Mädchen in Banérs Feldherrnhof unbewusst auf das harte Leben als künftige Kommandeursfrau vorbereitet worden.

Carl Gustav (Gustaf) Wrangel

Carl Gustaf Wrangel (1613 - 1676)

Bald schon sollte ein bedeutender Protagonist schicksalhaft den Weg der jugendlichen Adligen aus dem Familienkreis Banérs kreuzen, der junge, unter dem Kommando des berühmten und gefürchteten Feldherrn stehende und gerade zum Generalmajor beförderte Carl Gustav Wrangel (1613 - 1676). Er stammte aus einer angesehenen baltisch-schwedischen Feldherrnfamilie und "war der Sohn von Herman Wrangel, einem schwedischen Feldmarschall baltischer Herkunft; seine Mutter stammte aus dem alten schwedischen Adelsgeschlecht Grip. Am 5. Dezember 1613 wurde Carl Gustaf Wrangel in dem ziemlich bescheidenen väterlichen Schlösschen in Skokloster (zwischen Stockholm und Uppsala) geboren." (Losman, Carl Gustaf Wrangel, Skokloster und Europa... , a. a. O., S. 2.) "Sein Studium war... nur von kurzer Dauer, erfüllte jedoch die Anforderungen des adligen Bildungsideals nach universaler ziviler und militärischer Bildung. Das Fundament wurde durch Privatlehrer und - wahrscheinlich - in einer Adelsschule in Stockholm gelegt. Auch wenn er nie ein guter Latinist war, widmete er sich natürlich der schwedischen Variante des politischen Humanismus. Die römischen Helden waren Vorbilder und Gustav II. Adolf der neue Augustus. Die übliche Bildungsreise führte nach Leiden und Paris, Studienorte, die erst kürzlich zu Lieblingszielen junger schwedischer Aristokraten geworden waren. Wrangel war Repräsentant eines neuen Kriegeradels, der während des Dreißigjährigen Krieges Karriere machte und sich von neuen, französisch inspirierten Modeströmungen beeindrucken ließ." (Ebenda). Schon mit 18 Jahren nach kurzer universitärer Ausbildung nahm er als einer von mehreren Kammerjunkern am Feldzug König Gustav II. Adolf in Deutschland teil (vgl. Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa... , a. a. O., S. 20.). Als ein Schützling des Königs und unter der Obhut des Vaters machte der kluge, tapfere und taktisch-strategisch geschickte junge Mann rasch militärisch Karriere. Bereits 1634 war er unter seinem Vater, der 1632 in Preußen Gouverneur geworden war und in Elbing residierte, Oberstleutnant und Kompaniechef (vgl. ebenda, S. 18). Im Januar 1635 wurde er Oberst in Feldmarschall Johan Banérs Leibregiment (vgl. ebenda, S. 19). Ende März 1637 forderte der Vater Carl Gustav auf, den Dienst bei Banér zu quittieren. Wrangel ging zur Armee des Vaters nach Vorpommern und nahm an dessen Feldzug gegen die Kaiserlichen teil. Als der Vater 1638 nach Schweden zurück kehrte, kam Wrangel wieder unter den Oberbefehl Banérs, der in der Zwischenzeit in dem jungen "Senkrechtstarter" einen potentiellen Konkurrenten sah. Der 17 Jahre ältere Feldmarschall mokierte sich bei jeder Gelegenheit über den modebewussten, besonders an französischen Vorbildern orientierten Offizier. Banér schrieb an Kanzler Axel Oxenstierna, dass "Wrangel mir gantz undt nichts nützlich ist, denn desselben actiones nur kinder- und lauter à la mode-händel sein unndt hat er in Franckreich und Hollandt dererselben sitten so gar angenommen, das er sich auch in kleidung und tractament wie ein gebohrner Frantzoss halten thut" (zitiert nach: Losman, Carl Gustaf Wrangel, Skokloster... , a. a. O., S. 4). Der Feldmarschall versuchte nun, den weiteren Aufstieg des jungen Kriegsaktivisten zu verhindern. Seine Interventionen nützten allerdings nichts, Wrangel avancierte in Pommern mit 25 Jahren zum Generalmajor und Chef der Hilfstruppen. Und obwohl Banér Wrangel in seinem Heer nicht haben wollte  ("dass dieser junge cavallier seine jugendt an andern orten woll anlegen, als ich durch seine praesentz bei dieser armee mir allerley inconvenientien belästiget werden möchte" - Baner an Oxenstierna, Stettin 21.5. 1638, in: A. Oxenstierna, Schriften, II, Bd. 6, S. 548 f., zitiert nach: Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa... , a. a. O., S. 21.), kam Wrangel wieder - nun als Generalmajor - zur Hauptarmee Banérs, und das blieb so bis zum Tod des Feldmarschalls 1641.

Verlobung, Hochzeit und Skandal in Schweden

Es ist ungewiss, wann Wrangel das schöne Mädchen aus Calbe zum ersten Mal sah und sich in sie verliebte. Allem Anschein nach muss aber der junge Offizier sie bei seinen dienstlichen Verpflichtungen als Unterführer im Feldherrnhof seines Chefs, vielleicht bei einem der in jenen Kreisen üblichen Bankette, kennen gelernt haben.

Wrangel, der "Senkrechtstarter" mit gutem Namen und großer Zukunft, wurde unter den jungen unverheirateten Damen des schwedischen Hochadels als "gute Partie" begehrt (vgl. Brief Lorens von der Linde an C. G. Wrangel vom 1.9.1640, Cyriaksburg, in: Reichsarchiv Stockholm, Briefe, E8410, zitiert nach: Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa... , a. a. O., S. 23.). Doch dieser verliebte sich ausgerechnet in eine unbekannte, verarmte Provinz-Schönheit aus einem deutschen Land. Jedoch hatte das kluge und schöne Mädchen aus dem Erzbistum Magdeburg ein entscheidendes Plus gegenüber den feinen Damen aus Schweden: Anna Margareta von Haugwitz war von Kindheit an die Anspannungen und Strapazen des Lebens in einem Feldherrenhof gewöhnt.

Als die von dem Mädchen verehrte Pflegemutter schwer erkrankte, verlobten sich Carl Gustav Wrangel und Anna Margareta im Mai 1640. Am 27. Mai 1640 verstarb die von Banér innig geliebte, wohl wichtigste Bezugsperson in seinem Leben, seine zweite Ehefrau Elisabeth Juliane im Feldlager vor Saalfeld. Sie wurde eine Woche später in Erfurt beigesetzt (vgl. ebenda, S. 21.). Vor Schmerz und Verzweiflung soll der Feldherr fast den Verstand verloren haben. Die Verstorbene hatte mit klugem Verhalten und mit Sanftmut versucht, die schlimmsten Ausfälle bei dem zunehmend der Trunksucht verfallenen und unberechenbar gewordenen Feldmarschall (vgl. Koniarek, Klaus, Wer war wer im Dreißigjährigen Krieg? http://www.koni.onlinehome.de/ausfuehrliche-biographien/wrangel-lang.htm) zu verhindern oder zu mildern.

Nun ging es mit Banér sichtlich zu Ende. Noch im September hatte er die 16jährige Markgräfin Johanna Margareta von Baden geheiratet. Johan Banér starb am 10. Mai 1641 in Halberstadt.

Herman Wrangel, der Vater Carl Gustafs

Schon 5 Tage nach dem Ableben der Pflegemutter heirateten Wrangel und seine Verlobte am 1. Juni 1640 im riesigen Feldlager vor Saalfeld, in einer schwer heimgesuchten Gegend, wo sich seit Monaten die kaiserliche auf der einen und die schwedische Armee auf der anderen Seite gegenüber lagen. Die überstürzte Hochzeit nach einer nur zweiwöchigen Verlobung und die unchristliche Missachtung der Trauerzeit für die hoch geachtete Verstorbene gab nicht nur Nährstoff für merkwürdige Spekulationen ("unterliga Coniecturer" - L. v. d. Linde an C. G. Wrangel in: a. a. O.), für Klatsch und Tratsch in den schwedischen Adelskreisen, sondern auch für unterschiedliche Hypothesen der Historiker.

Wahrscheinlich ging es Wrangel darum, die nun zum zweiten Mal in ihrem Leben schutzlos gewordene geliebte Frau angesichts der sich auflösenden Banér-Familie und des zunehmenden geistigen Verfalls des Feldmarschalls vor Unwägbarkeiten und Übergriffen zu bewahren, möglicherweise aber auch darum, den Vater Herman Wrangel vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Natürlich raste der Vater in Schweden vor Wut beim Eintreffen der Nachricht aus Saalfeld von der "unstandesgemäßen" Hochzeit seines Sohnes Carl Gustav. Ein anderer Sohn, Johan Mauritz,  hatte sich zwei Jahre zuvor - den Ambitionen des Vaters entsprechend - mit einer Hochadligen vermählt (vgl. Losman, Carl Gustav Wrangel och Europa... , a. a. O., S. 23., Anm. 5). Ein Freund Carl Gustavs, Lorens von der Linde, berichtete ihm von den Gründen des Vaters für dessen Aufgebrachtheit und Verbitterung.  Zum ersten sei die Braut nicht hochadlig oder fürstlich, zweitens sei Herman Wrangel weder gefragt noch konsultiert worden und drittens hätte die Frau des Sohnes zum Familienkreis seines größten Feindes Banér gehört. Viertens kam wohl noch hinzu, aber das schrieb der Freund nicht, dass Anna Margareta ganz einfach ein Habenichts war. Wrangel rechtfertigte sich vor dem Freund und versuchte bei seinem Vater über die Tante Brita von Gyllenstierna zu intervenieren. Erst nach dem Tod seines Intimfeindes Banér im Mai 1641 beruhigte sich Herman Wrangel etwas. 1644 starb auch er.

Die in den Augen des Hochadels unstandesgemäße Heirat war wohl eine der wichtigsten Antriebsfedern für den jungen Generalmajor, es der Welt "zu zeigen", für sein zusammen mit seiner attraktiven Frau prunkvolles Auftreten und für seine Begierde nach Macht und Besitz.

Leben als Frau eines Kriegsherren und als Landesfürstin

(vgl. dazu in erster Linie die beiden angegebenen Losman- und den Asmus-Titel)

Nach der Hochzeit im Feldlager bei Saalfeld, die wegen der Trauer um die verstorbene Gräfin Elisabeth Juliane wohl nicht sehr pompös ausgefallen war, musste Anna Margareta auch weiterhin überwiegend das seit Jahren gewohnte Leben in Wagen und Zelt führen. Der Wrangelsche Feldherrnhof war zwar mit einigen Annehmlichkeiten ausgestattet, trotzdem bedeutete das Leben darin, besonders im Winter, Strapazen durchzustehen, wie einer der Angestellten, der Maler Matthäus Merian d. J. in seinen Memoiren berichtete (vgl. Losman,... Skokloster..., a. a. O., S. 6). Kunstgegenstände zierten die sonst kärglichen Zeltwände, sogar Musik auf einer mitgeschleppten Orgel wurde gemacht. Erst im Jahr 1648 hatte für die 26jährige die ständige Konfrontation mit den Kriegsgräueln ein Ende. Eine Zeit der relativen Sicherheit in Frieden und Wohlstand für die Familie sowie der anwachsenden Machtfülle für Carl Gustav Wrangel begann.

Das erste Kind Hannibal im Alter von einem Jahr (Es starb mit 5 Jahren)

Zwischen 1641 und 1665 gebar Anna Margareta 13 Kinder, 11 waren nach ihrer  Selbstbiographie lebend geboren worden (vgl. Asmus, a. a. O., S. 197). Von diesen Kindern starben 9 schon vor Erreichung des sechsten Lebensjahres, Carl Filip (Philipp) verstarb während seiner Ausbildung in London im Alter von 19 Jahren (vgl. ebenda., S. 197). Die drei Mädchen, die auch heirateten und selbst Kinder hatten, waren das zweite Wrangel-Kind, Margareta Juliana (1642 - 1701), das sechste lebend geborene, Eleonora Sofia (1651 - 1687), genannt nach ihrer Großmutter Sofia aus Calbe, und das achte, Polidora Christiana (1655 - 1675). Eleonora Sofia wurde in der Wrangelsburg (zwischen Greifswald und Wolgast) geboren und starb in Stralsund. 1689 wurde sie in der Gruft der Herrscher von Putbus in Vilmnitz beigesetzt, denn sie hatte den Baron von Putbus geheiratet. Ihre drei Kinder starben noch jung. Die dritte erwachsene Tochter, Polidora Christiana, mit 18 Jahren verheiratet mit Leonard Johan Wittenberg, starb im Alter von 20 Jahren nach der Geburt ihres zweiten Kindes (vgl. ebenda., S. 199f.). Die einzige Linie, die weitergeführt wurde, waren die Kinder und Kindeskinder von Margareta Juliana. Sie hatte den schwedischen Adligen Nils Nilsson Brahe geheiratet, und ihre Nachkommen waren die Adelsfamilien der Bonde, Hamilton und - durch einen Nebenlinie - wieder der Wrangel (s. unten).

Das Ehepaar, besonders der General, liebte es, seinen Söhnen martialische Namen von Helden der Antike zu geben, Hannibal, Achilles oder Augustus. Wie Zeitgenossen berichteten, trat Wrangel schon mit dreißig Jahren wie ein König auf. 1646 war er Feldmarschall und Oberbefehlshaber der schwedischen Truppen in Deutschland geworden. Der junge Kriegsherr machte steile Karriere wegen seiner Erfolge und überraschenden taktischen Manöver. So hatte er zum Beispiel 1647 von Franken aus einen plötzlichen und unerwarteten Vorstoß nach Böhmen gemacht, die Stadt Eger eingenommen und in einem nächtlichen Überraschungsangriff das kaiserliche Lager überrumpelt. Kaiser Ferdinand III. war der Gefangennahme nur knapp entgangen, weil er im Nachthemd geflohen war (vgl. Koniarek, a. a. O.). Als Wrangel die Nachricht vom Westfälischen Friedensschluss durch den Kurier des schwedischen Kanzlers Oxenstierna überbracht wurde, bekam er einen fürchterlichen Tobsuchtsanfall, zertrampelte seinen Feldmarschallhut und überschüttete alle Beteiligten mit grauenhaften Verwünschungen. Nach seiner persönlichen Auffassung war jeder Frieden nur eine Unterbrechung des Krieges, und er hasste Unterbrechungen, weil sie, wie er es ausdrückte, keinen Ruhm und keine Ehre brachten. Mit Ruhm und Ehre meinte er natürlich auch Reichtum. Bis dahin hatten sein "Ruhm" und die Geschäftstüchtigkeit des Ehepaares ein riesiges Vermögen eingebracht .

Spätgotische Hallenkirche St. Stephani (Westseite) in Calbe/Saale

Norddeutsche Backsteingotik an der Wrangel-Kapelle

Taufstein von 1561

An der St.-Stephani-Kirche in Calbe gibt es seit dem 15. Jahrhundert einen Anbau, eine Kapelle mit norddeutscher Backsteingotik, die bis heute "Wrangel-Kapelle" genannt wird. Sie steht nur etwa 60m vom Rittergutsgebäude, dem Elternhaus Anna Margaretas, entfernt. Sicher ist die Tochter des Ehepaares von Haugwitz in der Stephani-Kirche getauft worden, auch wenn die Belege darüber durch die Akten-Vernichtungen im Dreißigjährigen Krieg fehlen. Was hat es aber mit dieser ominösen Wrangel-Kapelle auf sich? Es ist anzunehmen, dass sie etwas mit der Dankbarkeit des Ehepaares gegenüber der Geburtsstadt bzw. der Taufkirche Anna Margaretas zu tun hat. Besucht wird das Feldherrn-Ehepaar die St.-Stephani-Kirche mit dem Taufstein, in dem Anna Margareta getauft wurde, mit hoher Wahrscheinlichkeit haben, zumal sich die Schweden recht oft in Calbe und Umgebung aufhielten (- meist zum Leidwesen der Bevölkerung -). Möglicherweise wurde die Kapelle zum Ruhme und auf Kosten der jungen Familie Wrangel restauriert und ausgestattet.

Bankett im Nürnberger Rathaus 1649 während des Nürnberger Kongresses (nach: Losman:...och Europa..., a. a. O., S. 68 f.)

 

Das zweite Kind Margareta Juliana im Alter von 9 Jahren

Nach dem Dreißigjährigen Krieg strahlte der Stern des Feldmarschalls und der Familie Wrangel noch heller. Startpunkt für Wrangels zweite Karriere war der Nürnberger Kongress (Exekutionstag) 1649/50 zum Vollzug des Westfälischen Friedens, der "Wiener Kongress" des 17. Jahrhunderts. Wrangel und seine Familie hielten sich zwei Jahre in Nürnberg als Gäste des ehemaligen Feindes Ottavio Piccolomini auf. "Gestern besuchte mich Wrangel, und er sprach und trat auf wie ein Mann von Welt", schrieb Ottavio Piccolomini im Mai 1649 zu Beginn des Exekutionstags an den Kaiser. Wrangel war zu diesem wichtigen Kongress als Vertrauter und sachkundiger Berater des schwedischen Delegationsleiters, des Thronfolgers Carl Gustaf (Karl Gustav) mitgekommen. Neben seiner diplomatischen Funktion nutzten aber er und seine umtriebige Frau Anna Margareta den Aufenthalt in Nürnberg zu geschäftlichen Transaktionen und vor allem zum Bekanntmachen mit der Kunst und der "großen Welt". Seine schöne Frau und er liebten es, an den majestätischen barocken Festen, den Banketten der europäischen Fürsten und Gesandten teilzunehmen und selbst im Mittelpunkt zu stehen. Diese Feste waren Gesamtkunstwerke mit Feuerwerken, Theater und Gauklerspielen. Im Zusammenhang mit diesen prunkvollen Inszenierungen kam das Ehepaar auch mit Nürnberger Dichtern und Musikern in Kontakt. Von der Hofhaltung Piccolominis schauten sich die Wrangels eine Menge für ihr zukünftiges fürstliches Auftreten ab. Sie gaben auch selbst solche Bankette, wobei man bedenken muss, dass sich die schwedischen Magnaten gegenseitig übertreffen wollten. Anna Margareta kaufte zu diesen Zwecken Tafelgerät und Prachtsilber bei den Silberschmieden in Nürnberg im Werte von mehreren tausend Reichstalern. Schon vor Nürnberg hielten Wrangel und seine Frau in fürstlicher Manier den Portraitmaler Matthias Merian d. J. in ihren Diensten als Hofmaler. Bei dem holländischen berühmten Maler van Hulle bestellte des Ehepaar auch mehrere Gemälde, uns interessiert dabei besonders das schöne lebensgroße Portrait der 26jährigen Anna Margareta, in dessen Hintergrund das Nürnberger Rathaus zu sehen ist (siehe Abb. oben). Es hängt heute im berühmten größten und letzten Schloss der Wrangels, in Skokloster, und ist ein Publikumsmagnet.

Wrangel, der auch nach dem Dreißigjährigen Krieg in den Kriegen Schwedens mit Polen und Dänemark (1655-1660) sowie mit Bremen (1666) als erfolgreicher Feldherr tätig war, wurde als Belohnung für seine maßgebliche Beteiligung an der Erfüllung der Großmachtansprüche von der schwedischen Krone zum Generalgouverneur in Pommern( 1648), zum Grafen von Salmis (1651), zum Reichsadmiral (1657), zum Reichsrat und Mitglied der Vormundschaftsregierung für Karl XI. (1660), zum Kanzler der Universität Greifswald (1660) und schließlich zum Reichsmarschall (1664) ernannt. Der Güterbesitz des Ehepaares war außerordentlich groß und lag in Schwedisch-Pommern, in Bremen-Verden, im Baltikum, in Finnland und im eigentlichen Schweden ( vgl. Losman,... och Europa..., a. a. O., S. 236.).

Königin Christine, mit der die Familie auch nach ihrer Abdankung freundschaftlich verbunden war, schenkte dem Feldherrn und Kunstliebhaber, ebenso wie ihre Nachfolger (Wrangel diente unter 4 Monarchen) einige Besitztümer, z. B. 1648 Schloss Spyker auf Rügen, das er mit Anna Margareta bewohnte. Das Ehepaar gestaltete das Schloss aus dem 15. Jahrhundert nach dem Vorbild des Schlosses Gripsholm. Die Wrangels besaßen schließlich 7 prachtvoll ausgestattete Schlösser, der Generalgouverneur mehrere Residenzen von Stettin bis Bremervörde und Stockholm und das lebensfrohe Kriegsgewinnlerehepaar eine Reihe von Lust- und Jagdschlössern von Pommern bis Südschweden.

Die bedeutendsten Wrangelschen Schlösser waren das schon genannte Spyker auf Rügen, Wrangelsburg bei Wolgast und ein Stadtpalais in Stralsund, die wichtigsten Residenzen in Schweden waren ein Stadtpalais in Stockholm und das Schloss Skokloster südlich von Uppsala (vgl. ebenda.). Diese Fülle von Repräsentation hatten sonst nur Könige aufzuweisen. Könige beschenkten den cleveren und erfolgreichen Reichsmarschall, Könige buhlten um seine Gunst. Von den Großen Europas wurden die Wrangels auf ihren Prachtschlössern oft und gern besucht, wohl nicht nur wegen der Einzigartigkeit der Kunstsammlungen, sondern wohl auch, um diplomatische Fäden zu spinnen. Ganz als Barockmenschen fassten die Wrangels ihre Schlösser als verkleinerte Welttheater auf. Bedeutend sind die Wrangelschen Sammlungen barocker Musikstücke, die zum Teil auch von dem kunstliebenden Machtmenschen selbst stammen. Aus diesem reichhaltigen Fundus werden noch heute Konzerte in Pommern (z. B. "Nordischer Klang 2000") veranstaltet.

Das Auftreten Wrangels als Generalgouverneur war fürstlich, man nannte den „gotischen Mars" oft den „Landesvater" Pommerns. Der kunstsammelnde Landesfürst hatte sich in Nürnberg 13 Pracht-Hellebarden anfertigen lassen, die ihm bei Staatsakten voran getragen wurden. 1651 brachte der Grafentitel weiteren Glanz. Bei einem von der schwedischen Exkönigin Christina 1667 in Hamburg arrangierten Schauspiel trat Wrangel als der Anführer des ersten Palästina-Kreuzzuges, Gottfried von Bouillon, auf.

Der Feldherr im Alter von 39 Jahren in königlicher Pose (Ausschnitt aus einem berühmten Gemälde von David Klöcker Ehrenstrahl)

Schloss Spyker (Rügen) Schloss Skokloster (bei Uppsala)

Wrangelsche Patronatskirche "St. Pauli" in Bobbin, ca. 1,3 km von Spyker entfernt

Grafenwappen C. G. Wrangels an der Patronatsempore in der St.-Pauli-Kirche Bobbin

Wortlaut des Testaments Anna Margareta Wrangels bei Hävecker, a. a. O.

Das beeindruckende Schloss Skokloster wurde nach dem Vorbild der deutschen Schlösser Friedensstein in Gotha und Johannesburg in Aschaffenburg gleich neben dem bescheidenen väterlichen Schlösschen, in dem Carl Gustaf geboren wurde, gebaut. Es wurde eine gewaltige Kunstsammlung (mit damals 770 Gemälden, Tausenden von Büchern, Instrumenten, sonstigen Kunstgegenständen) und für das Ehepaar ein „Theater der Erinnerung".

Schloss Skokloster zeigte wie kaum etwas anderes die durch den Dreißigjährigen Krieg hervorgerufene Wandlung Schwedens und Europas (vgl. Losman,... Skokloster... , a. a. O.). Aber auch in dem typischen Barock-Ehepaar Wrangel selbst, der schönen Anna Margareta aus Calbe an der Saale und dem cleveren, kunst- und machthungrigen Marschall, spiegelte sich die Herausbildung der neuen frühkapitalistischen Kriegsgewinnler-Generation im Schoße der absolutistischen Gesellschaft wider.

Die für uns Heutige zum Teil sehr befremdlichen und verwerflichen Taten dieser Menschen sollten wir aber auch versuchen, in den Kontext ihrer Zeit zu stellen und aus diesem heraus zu verstehen.

Anna Margareta hatte sich ihr Mitgefühl für die unter den Kriegsfolgen leidenden Menschen in der Heimat bewahrt. Sie stiftete 500 Reichstaler für einen Fond, der der Linderung der Not in Calbe dienen sollte.  Beim Chronisten Hävecker ist das gesamte Testament Anna Margaretas vom 1. 6. 1667 bezüglich ihrer "Gebuhrtsstadt Calbe" wiedergegeben, nach dem an die Armen, Lehrer und Geistlichen der Stadt Calbe jährlich am 1. Juni der Kapitalertrag von 25 Talern verteilt werden sollte (vgl. Hävecker, a. a. O., S. 66.). Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dieser Brauch beibehalten. Die so genannte Wrangel-Schlegelsche Stiftung blieb über die Jahrhunderte hinweg Bestandteil  der Calbe'schen Wohltätigen Stiftungen, aus denen so manche soziale Einrichtung hervorging (vgl. Rocke, a. a. O.). Aus Notizen aus dem 19. Jahrhundert über damals noch vorhandene Grabsteine in der Stephani-Kirche geht auch hervor, dass es hier in Calbe schon früh verstorbene Kinder des Bruders (vgl. Stammbaum) der Anna Margareta gab, die die Namen Carl Gustav und Anna Margarethe  nach dem berühmten Onkel und der schönen Tante trugen.

Von ihrem „Theater der Erinnerung" hatten die Wrangels nicht mehr viel, aber es war wohl auch mehr für die Nachwelt gedacht.

Am 20.3.1673 starb Anna Margareta im Alter von 51 Jahren in Stockholm (wahrscheinlich an einer schweren, längeren Krankheit, denn sie erwartete und befürchtete ihren Tod, vgl. Asmus, a. a. O.). Ihr Ehemann, auch bereits schwer krank, verlor zwei Jahre später am 28.6.1675 (Schlacht bei Fehrbellin) zum ersten Mal in seinem Leben einen bedeutenden Feldzug, den Zug gegen die Brandenburger, in dem während der entscheidenden Phase wegen des Feldmarschalls Hinfälligkeit sein Stiefbruder, der unfähige und gegen die Zivilbevölkerung grausame Generalleutnant Wolmar (Waldemar) Wrangel, die Schweden befehligen musste. Und nahezu auf den Tag genau ein Jahr später starb am 25.6.1676 auch Carl Gustaf Wrangel 63jährig im Schloss Spyker auf Rügen. 1680 wurde er feierlich in Anwesenheit des Königs in Stockholm beigesetzt.

Die Zeit der schwedischen Großmacht ging allmählich zu Ende, und nach Fehrbellin betrat ein neuer Akteur die europäische Bühne, die künftige Großmacht Preußen.

Wie oben schon erwähnt, war es nur einer Tochter unter den vielen Kindern Anna Margaretas vergönnt, die Stammlinie weiter zu führen, nämlich Margareta Juliana (1642 - 1701). Ihre jüngere Schwester Eleonora Sofia (1651 - 1687), die den Baron Ernst Ludwig II. von Putbus heiratete, hatte drei Kinder, welche aber jung starben.

Die Angehörigen dieses einzigen "deutschen" Zweiges der Anna-Margareta-Nachkommen, der somit erloschen war, haben ihre Ruhestätte in der Familiengruft derer von Putbus in der Maria-Magdalena-Kirche in Vilmnitz auf Rügen.

Margareta Juliana heiratete den schwedischen Adligen Nils Nilsson Brahe. Aus dieser Ehe gingen 4 Kinder hervor, von denen zwei jung starben. Die Linie der in Wolgast geborenen Eleonora Margareta (Familie Bonde) erlosch im 19. Jahrhundert, aber die Nachkommen des Sohnes Abraham Nilsson Brahe (1668 - 1728), - Anna Margaretas Enkel, der ihr so sehr ähnlich sah -, leben heute als Mitglieder des irisch-schwedischen Adelsgeschlechtes Hamilton in Schweden.

Wiederum Mitglieder dieser Familie wanderten im 19. Jahrhundert in die USA aus, so dass man dort zahlreiche Nachkommen Anna Margaretas in den Familien Quarnstrom (Qvarnstrom), Fallows, Ownby, Burnett und Johnson (ursprünglich: Johanson) findet.

 

 

Die elterlichen Familien Anna Margaretas

– Streiflichter aus der Geschichte der Adelsgeschlechter derer von Haugwitz und von Veltheim

Beide elterlichen Familien Anna Margaretas gehörten zum ritterständischen Adel, und beide besaßen einen bedeutenden Namen.

a) Vater: Balthasar Joachim von Haugwitz
Der Adlige aus einem alten Geschlecht hatte 1604 die verwitwete Erbin des Rittergutes Calbe (vgl.
http://members.fortunecity.de/steinmetz41, Station 8), Magdalena von Ingersleben, geheiratet. Als sie 1611 starb, ehelichte er 1614 Sophie von Veltheim, die Tochter des Schlosshauptmanns (Verwalters) in Calbe, dessen Verwandte in Harbke ihren Sitz hatten.
Balthasar Joachim von Haugwitz stammte aus einer ursprünglich in Sachsen, vorwiegend im Gebiet von Meißen und Bautzen, ansässigen Familie. Schon im 12. Jahrhundert tauchten diese umtriebigen Adligen als von Hugwitz, Haubitz oder Haugwitz auf.

Ihr Wappen zeigt einen gekrönten Widderkopf, darüber einen Helm mit Krone, rot-schwarze Decken und einen schwarzen gekrönten Widder, der aus der Helmkrone wächst (vgl. Abbildungen unten).
Schnell breitete sich die Ritterfamilie in Schlesien, Böhmen, Mähren, Österreich und teilweise auch in Polen aus. In der polnischen Szlachta nahmen die von Haugwitz den slawischen Namen Pawlowski an.

Im 15. Jahrhundert hatte die Haugwitzfamilie gute und enge Beziehungen zu den sächsischen Kurfürsten. Georg und Hans von Haugwitz waren Kanzler, heute würden wir sagen: Regierungschefs, unter Kurfürst Friedrich II. Dieser Hans von Haugwitz stiftete auch die berühmte Haugwitz-Kapelle an der Nordseite der Paulinerkirche in Leipzig, die 1944 zerbombt und deren Ruine auf Befehl Ulbrichts 1968 völlig beseitigt wurde. Einer der Sitze derer von Haugwitz war Hirschstein an der Elbe. Auch nach Hans waren die Haugwitz´, obwohl nur Ritter, kurfürstliche Kanzler. Georg von Haugwitz brachte es außer zur Kanzlerschaft sogar bis zum Bischof von Naumburg.

Jahn von Haugwitz war über seine Tochter Anna der Großvater Katharinas von Bora, der Ehefrau Martin Luthers.
Ein von Haugwitz war kurfürstlicher Richter in Freiberg und in dieser Funktion mit dem spektakulären Fall von spätmittelalterlichem Kidnapping, dem so genannten Altenburger Prinzenraub, beschäftigt. Ritter Kunz von Kauffungen hatte die beiden Söhne des Kurfürsten entführt, um den Vater dadurch erpressen zu können. Mutige Köhler hatten im Wald die schon fast vollendete Flucht vereitelt. 1456 ließ der kurfürstliche Richter von Haugwitz den Entführer köpfen.
Mit Johann von Haugwitz wurde ein bedeutender Protestant Bischof in Meißen. Ein anderer von Haugwitz, Friedrich Adolf (1637 – 1705), war sächsischer Geheimer Kriegsrat, Oberhofmarschall und Obersteuerdirektor geworden. Seiner Schwester Ursula Margarethe und deren Tochter Sibylla gebührt der pikante Ruhm, die ersten kurfürstlich-sächsischen Mätressen gewesen zu sein, bis sie in Ungnade fielen und August der Starke gegen sie, auch gegen die 19jährig an den Pocken verstorbene Sibylla, einen damals viel beachteten Hexenprozess führte (zum Hexenwahn im 16./17. Jahrhundert vgl.
http://members.fortunecity.de/steinmetz41, Station 1).
Diese Geschichte verlief so:
Ursula Margarethe von Haugwitz hatte eine Liaison mit dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg III., dem Vater des legendären Augusts des Starken, weshalb sie bei den protestantisch-puritanisch erzogenen Bürgern und Bauern verhasst und als Hexe verschrien war. Um der christlichen Moral zu genügen, musste die Dame von Haugwitz einen Oberst namens von Neitschütz (Neithschütz, Neidschütz, Neitschitz) heiraten, der aber laufend auf „Dienstreisen“ geschickt wurde. Am 8. Februar 1675 gebar Ursula Margarethe dem Kurfürsten eine Tochter unter dem Namen Magdalena Sibylla von Neitschütz. Der Kurfürst hatte zwei legitime Söhne, Johann Georg (1668-1694) und Friedrich August (1670-1733), den späteren August den Starken. Als die bildschöne Magdalena Sibylla ins Teenager-Alter kam, verliebte sich der ältere der Brüder, also der potentielle nächste Kurfürst Johann Georg, unsterblich in sie. Der Vater war aus nahe liegenden Gründen entsetzt, verbannte Sibylla vom Hofe und schickte den verliebten Sohn auf eine längere Bildungsreise. Das aber nützte alles nichts. Als dann 1691 Vater Johann Georg nur 44jährig an der Cholera starb, wurde plötzlich der Liebhaber Kurfürst als Johann Georg IV. Nun konnte er seine Liebe richtig ausleben. Magdalena Sibylla wurde die erste offizielle Mätresse am sächsischen Hof, die wie eine legitime Ehefrau und Beherrscherin des Hofes auftreten durfte. Das änderte sich auch nicht, als die Kurfürstin-Witwe ihren Sohn Johann Georg zwang, die 6 Jahre ältere verwitwete Markgräfin von Ansbach aus dem Hause Sachsen-Eisenach zu heiraten. Im Gegenteil, Johann Georg bevorzugte seine Favoritin und demütigte seine Ehefrau so stark, dass es am Hofe schon am Hochzeitstage zu schweren Eklats kam. Die Ermordung der neuen Kurfürstin durch ihren jungen hasserfüllten Ehemann konnte der jüngere Bruder Friedrich August nur durch ein beherztes Eingreifen verhindern, wobei der Unbewaffnete mit der Hand den Degenstoß abwendete, was ihm eine lebenslange leichte Behinderung einbrachte. Wahrscheinlich wusste Johann Georg nichts von der engen Bluts-Verwandtschaft mit Sibylla oder hielt die Hinweise für böswillige Gerüchte, jedenfalls gebar sie ihm 1693 eine Tochter, bei der, obwohl unehelich gezeugt, sogar das englische Königspaar als Taufpaten fungierte. Durch eine hohe Bestechungssumme hatte Johann Georg beim Kaiser erreicht, dass Sibylla zur Reichsgräfin erhoben wurde. Fortan residierte sie im herrlichen Schloss Pillnitz. Aber dann, als sich Bruder Friedrich August gerade beim Karneval in Venedig amüsierte, geschah das Schreckliche. Sibylla wurde sehr krank, sie hatte sich die Geißel der Barockzeit, die Pocken, zugezogen. Sie starb am 4. April 1694 und kurze Zeit später auch der junge Kurfürst, in dessen Armen sie während ihrer schweren Krankheit gelegen hatte. Völlig unerwartet war der zwei Jahre jüngere Bruder Friedrich August, der nach menschlichem Ermessen das kaum hätte werden können, Kurfürst August I. („der Starke“) geworden. In einer noch vom Hexenwahn erfüllten Zeit sah das „Volk“ in den gehäuften Todesfällen am Hofe ein Zeichen von Schadenszauberei, und die „Hexen“ waren Ursula Margarethe und ihre tote Tochter, die Reichsgräfin. August der Starke nutzte die allgemeine Stimmung, um alle Vertrauten seines verstorbenen Bruders zu entfernen. Gegen Ursula Margarethe und ihre Tochter führte er einen damals noch üblichen, aber in seinen Kreisen doch recht ungewöhnlichen Hexenprozess, bei dem auch die noch Lebende angeblich gefoltert wurde. August der Starke ließ Ursula Margarethe von Neitschütz, geborene von Haugwitz und Geliebte seines Vaters, nach dem Schuldspruch anderthalb Jahre in einem Dresdner Gefängnis zubringen. Danach lebte sie auf einem Gut ihres Sohnes, wo sie 1713 starb. Dass sie auf die berüchtigte Festung Stolpen gebracht wurde, ist wohl eine phantasievolle Ausschmückung des zeitgenössischen Schriftstellers Christian Friedrich Hunold (Menantes) in seinem Roman "Der Europäischen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte" (Hamburg 1705). Auch die Story von dem abgewehrten Degenstoß geht sicherlich auf sein Konto. Für die Tochter des jung verstorbenen Liebespaares war Friedrich August "ein wohlwollender Vormund". Er erkannte sie als seine Nichte an, sorgte für eine gute Erziehung, stattete sie mit einer ansehnlichen Mitgift aus und gab sie - ganz im Sinne seiner Großmacht-Konzeption - einem polnischen Grafen zur Frau
(vgl. Piltz, Georg, August der Starke, Berlin 1986, Wagener, Hans, Der Europäischen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte, in: http://www.pierre-marteau.com/library/g-1705-0002.html, Vortrag 1997 in Meißen und Hannover von Michael E. Rodger, in: http://www.beautifulnetwork.de/august/seiten/anfang.html, Burkhardt, Felix,  Gymnasiale Hausarbeit über August den Starken, in: http://www.felixburkhardt.de/downloaddateien/pdf/schule/august_der_starke.pdf u. a.). Unter August dem Starken aber, wie wir heute wissen, blühte das Mätressen-Unwesen erst richtig auf.

(Wie es der Zufall so will: In der Verwandtschaft Anna Margaretas, diesmal der engeren, gab es noch eine berühmte Mätresse - Marie Aurora Gräfin von Königsmarck (1663-1728). Sie war die Tochter des Grafen Conrad Christopher von Königsmarck (1634-1673), eines Kriegskameraden Carl Gustav Wrangels. Dieser war mit einer Schwester Wrangels, Maria Christina (1637-1691), verheiratet. Anna Margareta war durch ihre Ehe mit Wrangel also die Tante der schönen und gebildeten Aurora von Königsmarck [vgl. Asmus, Ivo, Das Testament des Grafen – Die pommerschen Besitzungen Carl Gustav Wrangels nach Tod, förmyndarräfst und Reduktion, in: Gemeinsame Bekannte - Schweden und Deutschland in der Frühen Neuzeit, hsg. von Ivo Asmus, Heiko Droste, Jens E. Olesen, Greifswald 2004.].
Die 33jährige Schwedin, die mehrere Sprachen beherrschte, kam auf der Suche nach ihrem verschollenen Bruder auch an den sächsischen Hof, wo sie August den Starken so faszinierte, dass er sie zu seiner ersten Mätresse machte. Sie gebar ihm einen Sohn, Graf Moritz von Sachsen, den späteren Marschall von Frankreich. Schon einige Monate später wandte sich August neuen Liebschaften zu, und Aurora war so klug, traurigen Herzens ihrer Wege zu gehen. Sie betätigte sich in diplomatischen Geschäften und lebte zeitweilig in der Abtei Quedlinburg, wo sie 1728 starb und beigesetzt wurde.)

 

Auch ein anderer Haugwitz fiel in Ungnade, als er kurfürstliches Wild für sich erlegte. Als Christoph von Haugwitz daraufhin zu einer milden Strafe verurteilt wurde, erdolchte er aus Wut darüber den das Urteil überbringenden Beamten. Das aber war für den Kurfürsten zu viel. Er ließ Christoph am 6. September 1613 vor der Leipziger Pleißenburg enthaupten.
Zwei der bedeutendsten Mitglieder der Familie waren absolutistische Staatsmänner in habsburgischen und in preußischen Diensten, der österreichische Staatskanzler (unter Maria Theresia) Friedrich Wilhelm, seit 1733 Graf, von Haugwitz und der 50 Jahre später lebende preußische Kabinettsminister (unter Friedrich Wilhelm II.) Christian Heinrich  Curt Graf von Haugwitz.

Christian Heinrich Curt Graf von Haugwitz (1752-1832)

Beide waren bedeutende Reformer innerhalb des „aufgeklärten“ Absolutismus.

Heinrich Christian Kurt war auch an den späteren Hardenberg-Reformen in Preußen beteiligt, ein Reisefreund Goethes und mit dem „dicken Lüderjan“ Friedrich Wilhelm II. in der gemeinsamen Vorliebe für Okkultismus und Mystik freundschaftlich verbunden.

Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz (1702-1765)

Der „Österreicher“ Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz war unter Maria Theresia schlesischer Landespräsident und führte als österreichischer Kanzler bedeutende Justizreformen durch. Er war ein Förderer und Gönner Joseph Haydns.

Ein anderer Freund der Musik war Paul Graf von Haugwitz (1791 – 1856), einer der Textdichter Ludwig van Beethovens.
 

Aber das liegt schon anderthalb Jahrhunderte nach Anna Margareta.

Wie ihr Vater Balthasar Joachim als Angehöriger dieser Ritterfamilie, die vorwiegend im östlichen Teil des Reiches ansässig war, ausgerechnet in die Magdeburger Gegend kam, bleibt ein Geheimnis. Er starb 1626 in Brandenburg und wurde dort auch wegen der Kriegswirren beigesetzt.

Portal des ehemaligen Rittergutes in der Ritterstraße  (eigentlich: "Rittergut"straße) in Calbe im Design des 18./19. Jahrhunderts


b) Mutter: Sophie von Veltheim
Wie schon oben erwähnt, heiratete 1618 Balthasar Joachim von Haugwitz nach dem Tode seiner ersten Frau Magdalena von Ingersleben (1611) die Tochter des Schlossvogts Günzel (Guntzel) II. von Veltheim (auf Harbke) und dessen Ehefrau Lucia von Rautenberg (auf Bothmar), Sophie (Sophia, Sofia) von Veltheim. Diese Sophie gebar ihm dann 1622 Anna Margareta.
 

Auch die Veltheims finden wir schon im 12. Jahrhundert in der Geschichte. Sie stammten aus dem Braunschweigischen und benannten sich nach dem kleinen Ort Veltheim im Kreis Halberstadt. (Es gibt auch einen nur 20km entfernten Ort gleichen Namens bei Braunschweig. Auch in Nordrhein-Westfalen und in der Schweiz bei Winterthur und im Aargau gibt es die Orte Veltheim.) Einer der ritterlichen Hauptsitze der von Veltheims wurde Harbke bei Helmstedt, obwohl sie im 12. Jahrhundert zur Zeit der Ostkolonisation kurzzeitig als Grafen von Osterburg auftauchten. Nur muss man bedenken, dass damals die Bezeichnung „comes“(Graf) für einen Gebietsverwalter stand.

Seit 1107 war Adalgoz (Adalgot, Adelgot) von Veltheim Erzbischof von Magdeburg. Er gründete das Nicolaistift in Magdeburg und das Augustiner-Kloster Neuwerk bei Halle. 1128 hatte comes Werner von Veltheim die Schwester Albrechts des Bären, Adelheit, geheiratet. Er starb 1157 bei der Belagerung der slawischen "Brandenburg".

1308 übernahmen Bertram und Ludolf von Veltheim die Grundherrschaft in Harbke und legten damit den Grundstein für eine Ahnenfolge, welche die nächsten 637 Jahre die Geschicke des Ortes hauptsächlich bestimmte. Unter der Herrschaft derer von Veltheim entstanden in Harbke und Umgebung Schloss, Kirche, Park und Lustwald sowie viele heute noch erhaltene Fachwerkbauten.

In dem kleinen Ort Bodenteich bei Uelzen gibt es bis heute die Sage, dass Ritter Heinrich von Veltheim die schöne Margarete von Gilten liebte. Im Zweikampf tötete er seinen Rivalen Dietrich von Bodendiek und bald danach auch dessen Vater, der den Sohn rächen wollte. Die Hochzeit mit Margarete fand nun statt. Obwohl die Geschichte ein wenig an die Don-Juan-Sage erinnert, könnte doch Wahrheit dahinter stecken.

Ein anderer Heinrich von Veltheim war mit dem Raubritter und Landfriedensbrecher Dietrich von Quitzow verschwägert.
Chronist Wusterwitz berichtet: "Im Jahre 1417 ist Dietrich von Quitzow, so der Mark mancherlei Schaden zugefügt und sie heftig beleidigt hat, in dem der Familie von Veltheim zuständigen Schlosse Harpke [heute: Harbke - D. H. St.] gestorben und zu Kloster Marienborn [deren Priorin eine Tochter Heinrichs von Veltheim war - Th. Fontane] begraben worden." Eine Schwester der Quitzows, Mathilde, hatte den Herrn des Gutes Harbke, jenen schon erwähnten Veltheim geheiratet. Sie bot dem Bruder Dietrich vor seinem Tode Asyl in Harbke
(vgl. http://members.fortunecity.de/steinmetz41 , Station 11) .

Die Harbker Veltheim-Töchter hatten oft den Posten von Priorinnen (Vorsteherinnen) des nahe gelegenen Marien-Klosters der Augustinerinnen in Marienborn inne, waren aber in dieser Funktion auch in anderen Klöstern tätig. Diese Vorsteherinnen aus dem Veltheim-Hause sollen resolute Damen gewesen sein. Sie führten das Fräuleinstift zeitweise auch nach dem Einzug der Reformation.
1572 gab Achaz von Veltheim den Auftrag, in Harbke die Schloss- und Pfarrkirche St. Levini als Saalkirche zu errichten. Das Holz-Epitaph seiner Familie hängt an der Nordwand im Inneren der Kirche. Levin, zu dessen Ehren die Kirche errichtet wurde, soll der Legende nach ein Veltheim-Vorfahre gewesen sein. Der schottisch-angelsächsische Adlige, Mönch, Bischof und spätere Märtyrer Levin [Liafwin, Lebuin, Livinus, Liebwin] war ein Anhänger des Kirchenreformers Augustinus, wirkte zuerst in Italien, wurde von Karl dem Großen zur Sachsenbekehrung (ohne Erfolg) gerufen und ging dann zu den widerständigen Friesen, wo er um 780 in Deventer grausam ermordet wurde.

An den Innenwänden der St.-Levini-Kirche finden wir noch eine Reihe anderer Epitaphe (in früherer Grammatik: Epitaphien) aus Stein.
 

Blick ins Innere der Schloss- und Pfarrkirche des Heiligen Levin zu Harbke, rechts neben dem barocken Sandstein-Altar von 1676 die Patronatsloge derer von Veltheim, links die geschnitzte Kanzel

Holzepitaph des Kirchenstifters Achaz von Veltheim, seiner Frau Margarete von Saldern und - im kleinen Bildrahmen (unten Mitte) - Eltern und deren 12 Kinder

(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Frau Sailer, Denkmalpflegerin)

In dieser Kirche liegt auch eine jung verstorbene Tante Anna Margaretas begraben, in deren Grabinschrift es nach heutiger Rechtschreibung heißt: "Anno 1587, den 23. Juni ist in Gott selig entschlafen die edle, ehrbare und vieltugendsame Jungfer Eva von Veltheim, Guntzel von Veltheims Tochter, deren Seele Gott gnädig und barmherzig sei [Hervorhebung von mir - D.H.St.].

Als die Harbker Veltheim-Familie 1864 im Mannes-Stamm erlosch, schloss man die Familien-Gruft unterhalb des Altares. Die Patronats-Loge (Herrschaftsstuhl) mit separatem Kircheneingang befand sich rechts vor dem Altar. Zu den Veltheim-Repräsentationen gehörten in erster Linie das Harbker Wasserschloss und die landschaftsgestaltenden Maßnahmen des aufgeklärten Landesabsolutismus - wie der Harbker Schlosspark, der von Zeitgenossen in eine Reihe mit dem von Wörlitz gestellt und der auch von Goethe zu Studienzwecken besucht wurde. Zu den von den Harbker Veltheims geschaffenen Landschaftsbauten gehört auch die Orangerie im Park, die von den örtlichen Heimatfreunden, allen voran von Familie Sailer, liebevoll restauriert wurde.

Im Zeitalter des Absolutismus bekamen einige von Veltheims für ihre Verdienste als landesfürstliche Staatsbeamte den Grafentitel. Sie waren Herzogliche Braunschweig-Lüneburgische Staatsminister wie Graf Werner von Veltheim oder Braunschweiger Legationsrat, Kammerjunker und Hofjägermeister wie Georg Philipp von Veltheim.
Wie auch andere ihrer Zeit- und Standesgenossen förderten Mitglieder dieser Adelsfamilie die Landschaftskultur und die barocke und klassizistische Architektur.
Einige von ihnen machten sich im 18. Jahrhundert als Chemiker wie August Ferdinand von Veltheim oder als Dichter wie der Braunschweiger Autor historischer Dramen und Vertreter des Poetischen Realismus Hans Graf von Veltheim (1818 – 1854) einen Namen.
Nur einer ging auf sozialistisch-kommunistische Positionen über, es war der Marx-Freund Werner von Veltheim.
Eine andere Ausnahme in der Familie, wenn auch auf anderem Gebiet, stellte Ursula Hedwig von Veltheim dar. Sie war eine der beiden einzigen Frauen, die im 17. Jahrhundert Vorsitzende einer deutschen Sprachgesellschafts-„Zunft“ wurden. Die deutschen Sprachgesellschaften, deren bekannteste die „Fruchtbringende Gesellschaft“ und die „Deutschgesinnte Gesellschaft“ waren, entstanden mit der aufklärerischen Gedankenwelt im deutschen Bereich als erster Ausdruck eines fortschrittlichen Nationalgefühls. Inmitten des absolutistischen Umfeldes regten sich in den Gesellschaften auch erste Gleichheitsbestrebungen; der Anteil bürgerlicher Mitglieder war relativ groß. Adlige und Bürgerliche erhielten bei ihrer Aufnahme Mitgliedsnamen aus der Pflanzenwelt, welche die im Bereich des wissenschaftlichen Denkens als unproduktiv angesehenen Standesunterschiede überdecken sollten. Die bedeutendsten Literaten der Zeit gehörten diesen Gesellschaften an. Die Sprachgesellschaften hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die damals schon wuchernden Einflüsse der Fremdsprachen auf die deutsche Sprache zurückzudrängen und ein öffentliches Bewusstsein für die Schönheit der deutschen Poesie und Grammatik zu schaffen. Anderthalb Jahrhunderte später führte die neu entstehende Germanistik der Brüder Grimm das Werk fort.
Wie schon erwähnt, gab es nur zwei Frauen als „Zunft“(heute würden wir sagen:„Vereins“)-Vorsitzende, die innerhalb der Deutschgesinnten Gesellschaft aktiv waren: Ursula Hedwig von Veltheim und Catharina Regina von Greiffenberg. Diese Frauen müssen ein außerordentliches Wissen besessen haben, wenn sie in Vereinen von Gelehrten und literarisch gebildeten Menschen als Vorsitzende bestehen konnten.
Im 19. Jahrhundert siedelten sich einige Mitglieder der Familie in Vorpommern an.
Auch im 20. Jahrhundert brachte die Familie einen bedeutenden Wissenschaftler, Forscher und Schriftsteller hervor, der mit seinen Asienreisen und –büchern Aufsehen erregte: Hans-Hasso von Veltheim-Ostrau (1885 – 1956).
 

Aber das liegt auch schon wieder drei Jahrhunderte nach Anna Margareta.
 

Wir sehen, dass es sich bei den Familien ihrer Eltern um bedeutende Adelsgeschlechter handelte.
Und noch heute, lange nach der Ständegesellschaft und mitten in der bürgerlichen Demokratie stehen die Mitglieder der alten Geschlechter von Haugwitz und von Veltheim aktiv im gesellschaftlichen Alltag.

Die Mutter Anna Margaretas, Sophia von Haugwitz geborene von Veltheim, starb 1630 zusammen mit vier ihrer Kinder (s. oben), vielleicht beim grässlichen Massaker der Kaiserlichen am 22./23. September oder auf der Flucht.

 

Copyright: Dieter H. Steinmetz

 

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