Die Berliner Straßenbahn


Mein erster richtiger Kontakt mit der Berliner Straßenbahn kam erst nach der Wende zustande, da es in Berlin (West) keine mehr gab. Zwar erinnere ich mich an die regelmäßigen Besuche der historischen Fahrzeug-
sammlung im Betriebshof Britz, aber das war halt keine Straßenbahn "live".

Doch werfen wir erst einmal einen Blick in die Geschichte:

 Die erste Pferdeeisenbahn in Berlin nahm am 22. Juni 1865 ihren Fahrbetrieb zwischen
 Brandenburger Tor und Kupfergraben auf. Nach Gründung der "Großen Berliner Pferde-
 eisenbahn-Aktiengesellschaft" im Jahre 1871 entstand allmählich ein dichtes Netz, das
 1895 bereits 55 Linien auf 364 km Strecke umfaßte. Im selben Jahr wurden 164 Millio-
 nen Fahrgäste befördert. Die Pferdeeisenbahn war dem stetig wachsenden Verkehrs-
 aufkommen jedoch bald nicht mehr gewachsen, und so brachte dieses Jahr nicht nur einen Fahrgastrekord, sondern auch die Ablösung des Pferdebetriebs durch den elektrischen Betrieb.

Werner Siemens (das "von" erwarb er sich erst 1888) entwickelte einen Elektromotor, der erstmalig 1879, im Rahmen einer Gewerbeausstellung, an einer Lok ausprobiert wurde. Zwei Jahre später, am 16. Mai 1881, fuhr die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Lichterfelde-Ost bei Berlin. Die erste elektrische Strecke in Berlin wurde am 10. September 1895 eröffnet, sie führte von der Badstraße in Berlin zur Damerowstraße im damals noch selbständigen Pankow. Folgerichtig wurde mit zunehmender Ausdehnung des elektrischen Netzes die "Große Berliner Pferdeeisenbahn-Aktiengesellschaft" am 25. Januar 1898 in "Große Berliner Straßenbahn AG" umbenannt. Schließlich wurde am 21. August 1902 die letzte Pferdebahn-
linie eingestellt.

Neben der eben genannten Gesellschaft versuchten sich auch andere Unternehmen im Betrieb von Straßen-
bahnen in Berlin:

 1886 wurde die Berliner Dampfstraßenbahn eröffnet. Sie gehörte zum
 Konsortium des Kleinbahn-Unternehmers von Bachstein. Man hoffte, mit
 Straßenbahnlokomotiven bzw. Dampftriebwagen weiter und schneller zu
 fahren, als mit der Pferdebahn, doch in Berlin selbst war aufgrund der
 Brandgefahr keine Konzession möglich. Das Netz beschränkte sich
 demzufolge auf die westlichen Vororte Charlottenburg, Schöneberg und
 Steglitz. Die Dampfstraßenbahn konnte sich betrieblich jedoch nicht
 durchsetzen, und bereits in den Jahren 1899 bis 1900 wurde das Netz
 auf elektrischen Betrieb umgestellt.

Auch die Hochbahngesellschaft, welche seit dem 18. Februar 1902 die erste U-Bahn-Strecke in Berlin betrieb, stellte bereits am 1. Oktober 1901 eine Straßenbahnlinie vom zukünftigen Endbahnhof Warschauer Brücke zum Zentralviehhof in Dienst. Diese Bahnlinie war als Provisorium gedacht und sollte nur bis zur Verlängerung der U-Bahn-Strecke bestehen bleiben. Daß sich an dieser Situation bis heute nichts verändert hat zeigt, wie dauerhaft Provisorien sein können. Ob die U-Bahn jemals verlängert wird, ist fraglich, die entsprechende Strecke ist aber im 200km-Ausbauplan enthalten.

            
         1902                                                  2003                                                   ?

Durch die dem Ersten Weltkrieg folgende Inflation war man gezwungen, den Betrieb vermehrt unter wirtschaft-
lichen Gesichtspunkten zu führen. Daher löste am 10. September 1923 die "Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH" die "Große Berliner Straßenbahn AG" ab. Vorangegangen war ein straßenbahnloser Tag am 9. Sep-
tember 1923
.

Eine Stabilisierung der Lage erfolgte am 1. Januar 1929 mit der Gründung der BVG. Nunmehr standen 14400 Mitarbeiter, 89 Linien, 1600 km Streckenlänge, 4243 Fahrzeuge und 20 Betriebshöfe unter ihrer Regie. Be-
reits im ersten Betriebsjahr wurden 929,1 Millionen Fahrgäste befördert. Am 1. Januar 1938 wurde die BVG in einen Eigenbetrieb der Stadt Berlin umgewandelt.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges stand auch die Straßenbahn vor einem Trümmerhaufen, doch bereits am 20. Mai 1945 wurden 14 Linien wieder in Be-
trieb genommen. Teilweise mußten die Wagen noch über stromlose Abschnitte hinweg geschoben werden. Das Foto aus dem Jahr 1946 zeigt eine Menschen-
menge, die am Potsdamer Platz auf die nächste Bahn wartet.



Einer kurzen Phase des Wiederaufbaus folgte jedoch bald die Spaltung des Netzes, welche in mehreren Schritten erfolgte. Der erste Schritt war die Einführung der DM als Zahlungsmittel in den drei Westsektoren am 20. März 1948. Zwar war der durchgehende Straßenbahnverkehr hiervon nicht betroffen, aber die Schaffner mußten nunmehr an der Sektorengrenze wechseln. Die endgültige Spaltung des Netzes erfolgte mit der Spaltung der BVG am 1. August 1949. Die letzten gemeinsam betriebenen Linien wurden am 15. Januar 1953 eingestellt. Der Grund hierfür war ein aus heutiger Sicht eher banaler Streit zwischen den beiden BVG-Verwal-
tungen über den Einsatz von weiblichem Fahrpersonal. Da man nun auf beiden Seiten mit dem Aufbau eigener Nahverkehrsnetze begann, gab es bei der Straßenbahn mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 nichts mehr zu trennen.

 Der Beschluß des Senats von Berlin (West), das U-Bahn-Netz
 auszubauen und den Bus-Betrieb weiter zu entwickeln, be-
 siegelte das Schicksal der Straßenbahn im Westteil Berlins.
 Die ersten großen Streckenstillegungen erfolgten im Bereich
 des Bezirks Reinickendorf. Am 1. Juli 1954 wurde mit der
 Herausnahme der Strecken aus dem Kurfürstendamm die
 endgültige Auflösung des Netzes eingeleitet. Die letzte Stra-
 ßenbahn in Berlin (West) ist auf den beiden Fotos zu sehen. Es war ein Wagen der
 Linie 55, der am 2. Oktober 1967 vom Bahnhof Zoologischer Garten nach Spandau
 unterwegs war. Ab 1972 gab es wieder eine Straßenbahn in Berlin (West). Als die stillgelegten U-Bahnhöfe Bülowstraße und Nollendorfplatz zum Türkischen Basar bzw. Flohmarkt umgebaut wurden, wurde auf dem dazwischen liegenden Viadukt ein Pendelverkehr mit einem alten Straßenbahnwagen eingerichtet. Nach der Wende erlitt dieser Pendelverkehr dasselbe Schicksal wie die M-Bahn, er mußte der Wiedereröffnung der U-Bahn weichen.

Auch in Berlin (Ost) wurde die Straßenbahn großflächig aus der Innenstadt entfernt, am 1. Januar 1967 fuhr die letzte Bahn über den Alexanderplatz. Da aus Kostengründen ein schneller Ausbau des U-Bahn-Netzes nicht möglich war, blieb sie jedoch in den Außenbezirken bestehen und bildete weiterhin das Hauptverkehrsmittel. Die Modernisierung des Fahrzeugparks wurde verstärkt vorangetrieben. Ab dem 11. September 1976 wurden bei CKD Prag hergestellte Straßenbahnwagen eingesetzt. Ebenfalls in den 70er Jahren begann man mit der Verlängerung bestehender Linien in neu entstan-
dene Wohngebiete im Osten der Stadt. In der Zeit von 1979 bis 1990 ent-
standen hierdurch 26 km Neubaustrecke.

 Das Konzept der BVG sieht vor, daß jeder Unternehmensbereich durch ein Symbol dargestellt wird.
 Nunmehr galt es, ein solches für die Straßenbahn zu entwerfen. "Straßenbahn" war zu lang und die Be-
griffe "S-Bahn" und "Stadtbahn" waren auch schon vergeben. Letztendlich hat man sich für das dem bayeri-
schen entlehnte "Tram" und das links dargestellte Symbol entschieden.

 Ab dem Jahr 1994 wurde mit der er-
 neuten Modernisierung des Fahrzeug-
 parks begonnen. Neben der Beschaf-
 fung der hier zu sehenden Niederflur-
 triebwagen des Typs GT6N wurden
 insgesamt 447 CKD-Straßenbahnen
 beim Waggonbau Bautzen moderni-
 siert. Ein derart hergerichteter Wagen
ist auf dem Foto oben zu sehen. Im Mai 1997 wurde das Modernisierungsprogramm abgeschlossen und am 25. Mai 1998 wurde der letzte nicht modernisierte Wagen feierlich verabschiedet. Zudem wurden sukzessive die bestehenden Streckenabschnitte erneuert und die Haltestellenbereiche neu gestaltet.

Das Ziel, mit der Vereinigung der Stadt so schnell wie möglich alle Verkehrsverbindungen wieder herzustellen, erweist sich bei der Straßenbahn als schwierig, da im ehemaligen Westteil keinerlei Infrastruktur mehr vorhan-
den ist. Seit dem 14. Oktober 1995 fährt jedoch auch hier wieder eine Straßenbahn, denn an diesem Tag wurde die Strecke vom S-Bahnhof Bornholmer Straße zum Luise-Schröder-Platz, und am 25. Oktober 1997 von dort aus bis zum Virchow-Klinikum verlängert. Weitere Streckenerweiterungen sind geplant oder befinden sich in Bau. Realisiert wurde bereits die Verlegung der bestehenden Strecke am Bahnhof Friedrichstraße, so daß eine bessere Umsteigemöglichkeit geschaffen wurde.

Hier gibt´s die Netzspinne im Großformat Nunmehr hat das Straßenbahnnetz den links zu
 sehenden Zustand erreicht. Wer möchte, kann sich
 die abgebildete Netzspinne durch Anklicken des
 Fotos im Großformat (234 KB) ansehen. Man kann
 bei näherem Hinsehen erkennen, daß das Berliner
 Straßenbahnnetz in vier Bereiche gegliedert ist,
 die z.T. unabhängig voneinander betrieben werden
 können. Diese Bereiche sind:

 1) das Radialnetz (Linien 1-18)
 2) das Tangentialnetz (Linien 20-28)
 3) das Ortsnetz Pankow (Linien 50-52)
 4) das Ortsnetz Köpenick (Linien 60-67).




Hinzu kommen seit dem 12. Dezember 2004 die im Rahmen des Konzepts "BVG 2005 plus" eingeführten Metro-Linien. Sobald mir ein neues Liniennetz zur Verfügung steht, werde ich es hier einstellen.

Erwähnenswert sind die Straßenbahnlinien 87 und 88, die am S-Bahnhof Friedrichshagen
bzw. am S-Bahnhof Rahnsdorf beginnen. Hierbei handelt es sich um Überlandlinien, die von der Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn GmbH und Woltersdorfer Straßenbahn GmbH betrieben werden.

Doch wie wird die Zukunft aussehen?

 Neben der laufenden Ausbesserung bestehender Strecken-
 abschnitte, sind Streckenverlängerungen und -verlegungen in
 Planung bzw. in Bau. Auf der linken Seite sind die entspre-
 chenden Planungen für den Bereich der Stadtmitte zu sehen.
 Hierbei genießt die Anbindung des Regierungsviertels und
 des Lehrter Zentralbahnhofs größte Priorität. Wann diese
 Strecken tatsächlich gebaut werden, ist aufgrund der knappen
 Finanzmittel nicht abzusehen. Zudem wird, besonders von
 Bündnis 90/Die Grünen, die noch immer vorherrschende stra-
 ßenbahnfeindliche Politik des Berliner Senats kritisiert.Ob
 die Straßenbahn jemals wieder flächendeckend im gesamten
 Berliner Stadtgebiet fahren wird, bleibt daher abzuwarten.



Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 2000 getan. An diesem Tag wurde eine Verlängerungsstrecke von der bisherigen Endhaltestelle am S-Bahnhof Warschauer Straße (s.o.) bis direkt vor den gleichnamigen U-Bahnhof in Betrieb genommen. Da hier aufgrund des Platzmangels keine Wendeschleife angelegt werden konnte, müssen auf diesem Abschnitt Zweirichtungsfahrzeuge eingesetzt werden, die an jedem Ende einen Führerstand und Türen auf beiden Seiten besitzen. 15 solcher Fahrzeuge wurden im Dezember 1999 an die BVG ausgeliefert.

Am 29. September 2000 ging die Verlängerung der Linie 50 nach Buchholz in Betrieb, am 24. November 2000 eine kurze Streckenverlegung in Köpenick, am 28. Mai 2006 die zweite Neubaustrecke in den ehemaligen Westteil entlang der Bernauer Straße zum Nordbahnhof und am 30. Mai 2007 eine kurze Strecke in der Karl-Liebknecht-Straße. Geplant sind eine Verlängerung vom S-Bahnhof Adlershof in die dortige Wissenschaftsstadt, die im Jahr 2008 in Betrieb gehen soll(te) (scheint inzwischen auf Eis gelegt worden zu sein), sowie eine Strecke durch die Invalidenstraße zum Lehrter Bahnhof (sollte schon 2006 fertig sein) und durch die Leipziger Straße zum Potsdamer Platz. Obwohl hier sogar schon ca. 500m Gleise verlegt wurden, wurde die Fertigstellung dieser Strecke ersteinmal auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zusammen mit den laufenden Beschleunigungsmaßnahmen und dem modernen Fahrzeugpark ist die, wenn auch langsam vorangehende, Netzvergrößerung ein sichtbares Anzeichen dafür, daß es mit der Straßenbahn in Berlin wieder bergauf geht.

Literaturverzeichnis <P><BR> <HR> <BR> <CENTER><FONT FACE="Arial" SIZE=-1>[<A HREF="http://www.lfi-tir.de/privathome/stein/start.html">Startseite</A>]&nbsp; [<A HREF="ich.html">Ich &uuml;ber mich</A>]&nbsp; [<A HREF="hafenbar.html">Hafenbar</A>]&nbsp; [<A HREF="studienfahrt.html">Studienfahrtfotos</A>]&nbsp; [<A HREF="fotosammlung.html">Fotosammlung</A>]&nbsp; [<A HREF="sache.html">In eigener Sache</A>]&nbsp; [<A HREF="links.html">Links</A>]&nbsp; [<A HREF="mailto:dgstein@hotmail.com">E-Mail</A>]<P> [<A HREF="s-bahn.html">Berliner S-Bahn</A>]&nbsp; [<A HREF="u-bahn.html">Berliner U-Bahn</A>]&nbsp; [<A HREF="m-bahn.html">Berliner M-Bahn</A>]&nbsp; [<A HREF="regionalbahn.html">Berliner Regionalbahn</A>]&nbsp; [<U>Berliner Stra&szlig;enbahn</U>]</FONT></CENTER>