Islamia Primary School

Quelle: http://de.news.yahoo.com/050603/286/4kgfz.html

London (AFP) - Man sieht es den Kleinen nicht an, dass sie Teil eines kühnen gesellschaftlichen Experimentes sind. Die 210 Grundschüler der Islamia Primary School in London machen das, was ihre Altersgenossen überall sonst auf der Welt machen: Sie schreien, tollen herum und tummeln sich wild auf dem Spielplatz. Und doch gibt es einen Unterschied. Die Grundschule hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Schüler zu modernen Moslems zu erziehen, die sich in die zeitgenössische britische Gesellschaft einfügen, ohne ihre religiöse Identität zu verlieren. Kinder zwischen Mohammed und McDonald's: "Wir bilden eine britisch-moslemische Identität heraus", beschreibt Schulleiter Abdullah Trevathan das Projekt.

Als die Schule im Jahr 1983 von dem Sänger Yusuf Islam alias Cat Stevens gegründet wurde, schlugen ihr zunächst viele Vorbehalte entgegen. "Da gab es Ängste, wir würden hier Unterrichtsstunden im Bau von Molotow-Cocktails abhalten", erinnert sich Trevathan, ein zum Islam konvertierter Amerikaner. Das hat sich inzwischen geändert: Als erste islamische Schule wird die Islamia School staatlich gefördert, in Leistungs-Rankings landet sie im landesweiten Vergleich auf den Spitzenplätzen, und auf der Warteliste für die 210 Plätze stehen aktuell die Namen von 3500 Kindern. Aus der exotischen Lehranstalt ist eine Art islamischer Elite-Grundschule geworden.

Die Londoner Schule setzt bewusst ein Gegengewicht zur religiösen Radikalisierung in Teilen der moslemischen Welt und zu den Fundamentalisten, die den Islam einengen auf ein Instrument im politischen Kampf. Zwar gehen die Schüler vom siebten Lebensjahr an gemeinsam zum Gebet in die Moschee, sie lernen Arabisch, Mädchen tragen ab neun Jahren den Schleier. Doch sei die Unterrichtsmethode "komplett westlich - rational und empirisch", sagt Trevathan. "Wir machen hier Kentucky FriedIslam."

Anders als in vielen Medresen der moslemischen Welt, wo die Kinder hauptsächlich mit dem Auswendiglernen des Koran beschäftigt sind, dessen altertümliches Arabisch sie nicht einmal verstehen, legt die Islamia School viel Wert auf Diskussion, vernunftgeleiteten Meinungsaustausch und intellektuelles Kräftemessen. Sie sieht sich in der Tradition der Scholastik und des Kartesianismus, zweier in Europa entstandenen philosophischen Denkschulen, die den Gebrauch des menschlichen Verstandes in den Mittelpunkt stellen. Schließlich hat auch der Islam in früheren Zeiten Anleihen aus der rationalen hellenistischen
Philosophie genommen. 

Dies ist laut Trevathan für die "Lösungen der Probleme im heutigen Großbritannien" viel wichtiger als der Ansatz der Fundamentalisten, die angeblich gottgegebene und damit unumstößliche Wahrheiten verkünden und so jede Diskussion von vornherein unmöglich machen. Die Schule wolle eine Identität vermitteln, in der sich die Vielfalt der großen islamischen Welt spiegele, sagt der Rektor.Sein Islam sei "organisch, dynamisch und chaotisch".

Der Anspruch der Schule ist, mit ihrem Weltverständnis weit über den begrenzten Kreis der 210 Schüler hinauszureichen. So könnten beispielsweise die Eltern von ihren Kindern lernen, sagt Trevathan. Gegenwärtig kämpft er dagegen an, dass sich die Moslems in Großbritannien ständig über Benachteiligungen beklagen. "Im Moment ist es weit verbreitet in unserer Gemeinschaft, sich als Opfer zu sehen", kritisiert er. "Es gibt zwar Islamfeindlichkeit, aber wir sind schon auch selbst dafür verantwortlich". wie die Briten ihre 1,6 Millionen moslemischen Mitbürger betrachten.

 

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