Entwicklung des Schulsystems in Gotha

1800 - 1870

 

Die "Freischule" von Gotha

 

Um den Schulbesuch in den Volksschulen zu verbessern, beantragte das Oberkonsistorium die Schließung aller "Privatschulen". Durch ein Herzogliches Reskript vom 10. Mai 1784 sollten "alle Privatschulen, welche von unberufenen Personen in ihren Häusern gehalten zu werden pflegten, wo sich oft eine große Anzahl Kinder zu einem Unterrichte, den kein Sachverständiger prüfte, versammelte, und welche unter dem Nahmen der ‚Winkelschulen’ bekannt waren" geschlossen werden.

Schon seit mehreren Jahren war das Herzogliche Oberkonsistorium bemüht, "auch die Schule für die Nichtstudierenden, für die Kinder der Bürger und der Landleute", zu verbessern. Man wollte auch die "ärmeren Kinder" zum kontinuierlichen Besuch der Schule bewegen, da meist von diesen Kindern der Schulbesuch unregelmäßig oder überhaupt nicht erfolgte.

Hier kamen vor allem die Eltern ihrer Pflicht nicht nach, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Missstände, gegen die bereits Andreas Reyher ankämpfte. Strafen halfen wenig, sondern verschlimmerten die Situation nur noch.

Deshalb waren neben der "Herzoglichen Allmosen-Commission", dem "Ober-Consistorium" auch Herzog Ernst I. dafür, "die Errichtung einer so nützlichen Anstalt" zu genehmigen. Der Unterricht war kostenlos. Die Finanzierung der "Frey-Schule" sollte durch den Herzog und die Almosenkasse erfolgen.

Am 20. Mai 1800 wird auf Initiative des Generalsuperintendenten Josias Friedrich Christian Löffler die Schule hinter der Margarethenkirche (im heutigen "Löfflerhaus") eröffnet. Bis 1785 war hier zunächst ein "Werkhaus für Arme" eingerichtet, bis später die öffentliche Waage Einzug hielt.

Die "Freischule" entwickelte sich zu einer "wirklichen Arbeitsschule". Hier wurde nicht nur Unterricht erteilt, sondern die Kinder führten auch Arbeiten gegen ein Endgeld aus. So konnten sie zur Verbesserung der finanziellen Situation in den Familien beitragen und waren vor allem unter ständiger Aufsicht. Betteln, Müßiggang und Diebstahl wurden so - zumindest während der Schulzeit - unterbunden.

Der Unterricht begann von April – September um 7 Uhr, in den Wintermonaten um 8 Uhr und dauerte bis 11 Uhr, am Nachmittag wurde von 13 – 18 Uhr unterrichtet und in der "Werkhalle" gearbeitet. Unterricht und "Arbeitstätigkeiten" wechselten einander ab.

Im Unterricht der "Freischule" wurde den Schülern – wie auch in den anderen Volksschulen – Lesen, Schreiben, Rechnen, Sittenlehre, Religion, Geographie, "Kenntniß des menschlichen Körpers, und einige andere gemeinnützige Kenntnisse" vermittelt.

Vergleicht man den Unterrichtsablauf von heute, muss man feststellen, dass die Kinder der "Freischule" sehr wenig Freizeit hatten. Nach der Konfirmation im Alter von etwa 13 Jahren verließen die Schüler die Schule, um eine Lehre zu beginnen.

Oft waren die Lehrer jedoch der Meinung, dass manche Kinder noch ein Jahr in der Schule bleiben sollten, um sich vor allem körperlich für die spätere Lehre zu stärken. Schnell erhöhte sich die Schülerzahl von 60 zu Beginn des Unterrichts auf 100. "Besonders können und sollen an diese Schule alle die Kinder gewiesen werden, welche, unter dem gegründeten oder angeblichen Vorwande der Armuth, die öffentlichen Schulen versäumen, oder von der Policey bettelnd auf den Straßen angetroffen werden." 1822 waren es bereits 171 Kinder.

Die praktischen Arbeiten, die die Kinder auszuführen hatten, waren Spinnen von Flachs, Wolle, Baumwolle und Ziegenhaaren; Stricken von Strümpfen und Stiefeln; Flechten von "Haarschuhen" und Bandmachen. Trotz des wöchentlichen Verdienstes von 8 - 16 Groschen (je nach Tätigkeit) fehlten die Schüler oft in der Schule.

Immer wieder stellten die Verantwortlichen der Schule fest, dass die Nachlässigkeit, Oberflächlichkeit oder einfach nur Ablehnung der Schulausbildung die Ursachen für den mangelhaften Besuch der Kinder waren. Man beschloss deshalb, denjenigen Eltern die finanzielle Unterstützung aus der Almosen-Kasse künftig zu versagen, die das Fehlen ihrer Kinder begünstigten.

Trotzdem trug die "Freischule" dem dringenden Bedürfnis zur Verbesserung des Volksschulunterrichts bei. Am 4. Februar 1816 starb Löffler, der Hauptinitiator der "Freischule". Nach seinem Willen wird eine Stiftung ins Leben gerufen, aus der alljährlich an seinem Todestag Geldprämien an solche Kinder verteilt werden sollen, die sich im abgelaufenen Schuljahr durch "gutes Betragen und Fleiß" auszeichneten. Die sogenannte "Löffler-Feier" wurde danach alljährlich festlich begangen, um an den "genialen Volks- und Kinderfreund" zu erinnern.

Fast 100 Jahre existierte die "Freischule" zum Segen der Kinder aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, die hier unentgeltlich unterrichtet und praktisch ausgebildet wurden.

Der spätere Direktor der Reyherschule Kohlstock bemühte sich lange Zeit danach noch, jedes Jahr die "Löffler-Feier" durchzuführen.

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