Kusthistorische u. entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen (http://www.stockeregg.com/2_essays_d.phtml

Von 1890 bis ca. 1920 wurde Piktorialismus in der Photographie mit einer auffallenden Einheitlichkeit in den westlichen Kulturstaaten von Berufs- wie auch engagierten Amateurphotographen gleichermaßen gepflegt. Neuartige Techniken, wie beispielsweise die Edeldruckverfahren, sind typische Bestrebungen dieser Zeit, dem fertigen Bild nicht nur Dauerhaftigkeit zu garantieren, indem die Silberschichten durch Pigment-, Platin-, Bromöl- und Gummilösungen ersetzt wurden, sondern auch dem Photographen das uneingeschränkte Steuern und Kontrollieren des Tonwertumfanges der Photographie zu ermöglichen. Die Photographie von Hugo Henneberg, Hans Watzek und Heinrich Kühn, die sich im Wiener Trifolium vereinten, waren so voller malerischer Effekte, dass der unvoreingenommene Betrachter glaubt, es handle sich um Ablichtungen von Gemälden. Dieser photographische Impressionismus wurde durch weltweit aktiv gewordene Photoclubs, die mit Ausstellungen, Arbeitsmappen und Publikationen diesen neuen Stil verbreiteten, noch gefördert. Die 1902 in New York gegründete "Photosecession” hatte als ihre Gründermitglieder so berühmte Piktorialisten wie Getrude Käsebier, Clarence H. White, Eduard J. Steichen, Frank Eugen und Alvin Langdon Coburn. Diese unter der Leitung von Alfred Stieglitz stehende Bewegung hatte zum Ziel, die photographische Ästhetik sowie die Einheitlichkeit des Stils zu fördern. Künstler, Theoretiker, Herausgeber, Händler, Sammler und Propagandist für die Schönen Künste in einem, begann Stieglitz mit dem Kunstmagazin "Camera Work” und der Gallery 291 (5th Avenue) eine solide Plattform zu begründen, auf welcher die Kunstdiskussion interdisziplinär geführt wurde. Seine ursprünglich fast ketzerisch anmutende dualistische Lehre, wonach moderne Malerei (Kubismus, Surrealismus) genauso den Schönen Künsten zuzuordnen sei wie Photographie, fand er dreissig Jahre später bestätigt. In den frühen Jahren füllte er "Camera Work" noch mit den malerischen Prints der Piktorialisten. In engem Kontakt mit den Entwicklungen moderner Kunstbewegungen und mit Künstlern wie Marcel Duchamp, Man Ray, Giorgia O’Keeffe (seine spätere Frau), wechselte er jedoch gegen das Ende von "Camera Work", 1917, zusehends zur direkten, puren Photographie; die beiden letzten Nummern sind gänzlich dem grossen Meister der unverfälschten Photographie, Paul Strand, gewidmet. Stieglitz empfand Photographie als Kunstmedium, das primär im Dienste des Geistes und Verstandes steht; letztlich liege ihre Bedeutung nicht in der Kamera selbst, nicht in einer spezifischen Technik oder einem Laborprozess, sondern in der Absicht, im Willen des Photographen; dieser dürfe jedes Hilfsmittel und jede Methode zur Erreichung seiner Ziele anwenden. Auch die Vielfalt der Stile in der Photographie verteidigte Stieglitz, indem er meinte: "Why shouldn’t photography have lots of movements, making war with each other? It’s happened in painting all my life!” Es ist das Verdienst von Alfred Stieglitz, die Photographie von ihrer malerischen idée fixe zu befreien und ihr die verlorene Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Identität zurückzugeben.

Bemerkung des Verfassers der Homepage: Die Bilder Franz Rontags sind technisch perfekt realisierte farbige Wiedergaben realistischer Objekte ohne jedoch farbempfindliches Filmmaterialien zur Verfügung zu haben. Die hier erwähnten malerischen Elemente entstehen durch ein geschickt ausgewählte Objektsausschnitte vor entsprechendem Hintergrund und wohl nicht durch eigenwillige Einfärbung der "Gelatinedruckstöcke". Die künstlerischen Eingriffe wie das Herausarbeiten von Kontrasten, Lichtpunkten, Gestaltung des Schattens sind insgesamt schwer als handwerkliche Kunstgriffe nachzuvollziehen. Das Gesamtergebnis spricht für sich.  (H. Kreissl)