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Neurophysiologie

 

 

Das Nervensystem besteht aus 3 großen Funktionskreisen:

Zusammen mit der Umwelt als der vierten Größe bilden die drei Leistungsbereiche des Nervensystems einen geschlossenen Kreis aus Umwelt-Sensorik-Integration-Motorik, der im Normalfall perfekt und abgestimmt funktioniert.

 

Integration

Die Verbindung zwischen der Sensorik (mit dem Körper/Raumschema) und der Motorik bildet der Integrator (wurde früher als Assoziationskortex bezeichnet). Er ist mit 70 % der ca. 100 Milliarden Großhirnneurone das größte Neuronensystem des Hirnes und ist über den Balken, weitere Kommissurenbahnen und über das Mittelhirn zur Einheit verschmolzen. Hier wird das über die Sinne Aufgenommene zum Körper-im-Raum-Schema vernetzt, darüberhinaus wird auch Neues, Eigenständiges, also die geistigen Leistungen hervorgebracht.

Bei einigen Integratorneuronen ist die Ansprechbarkeitsschwelle auf Null herabgesenkt, sie warten nicht mehr auf den Anstoß anderer Neurone wie z.B. aus den Sinnen oder Instinken , sondern werden bereits aktiv, bevor es zu solchen Anstößen kommt. Diese Neurone sind also spontanaktiv.

Der Integrator arbeitet reflexiv, d.h., er integriert sich selbst, ist geistig aktiv und damit kreativ.

 

Globalsystem

Das Globalsystem (integrating system n. Sherrington) ist ein vernetzendes Neuronensystem, das sich in speziellen Neuronenschichten in der mehrschichtigen Hirnrinde über die ganze Kortex ausbreitet. Die meisten Neuronen befinden sich präfrontal. Seine Bedeutung liegt in der Vernetzung, im Zusammenbau, in der Globalintegration. Seine Eigenleistungen sind unter 3 Aspekten zu betrachten:

  • Denken (pensatives Vermögen) mit Einfallsreichtum, Durchblick, Interesse, Kritikvermögen. Konzentration, Aufmerksamkeit, Erkennen und freier Gedächtnisabruf.

  • Erleben (sensitives Vermögen) mit Ergriffensein, Begeisterungsfähigkeit und Kreativität.

  • Wollen (voluptives Vermögen) mit Regsamkeit, Initiative, Unternehmungslust, Zielausrichtung, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und Zuverlässigkeit.

Im Areal einiger Teilsysteme (s.u.), also im sensomotorischen, im Sprach- und Schriftsystem sowie in den beiden musischen Systemen hat das Globalsystem Neurone ausdifferenziert, die abgespeicherte Erlebnis- und Verhaltensmuster aus dem Erinnerungsdepot des angrenzenden rezeptiven Teilsystems aufrufen oder aber neue Pläne schaffen (kreiren). Diese besonderen, semispezialisierten Neurone des Globalsystems machen den Kreativanteil im entsprechenden Teilsystem aus, der mit dem Rezeptivanteil zusammen eine Einheit bildet.

Ebenso gewaltig wie die zusammengebauten Muster des Globalsystems (Globalintegrate) sind die Engramme (physiologische Spuren, die die Reize im Gehirn hinterlassen als Grundlage von Lernfähigkeit und Gedächtnis), die bis in die Teilsysteme hineinreichen. Die Engrammanteile im Teilsystem stellen hierbei Codes dar, von denen aus die assoziierten Globalenprogramme aufgerufen werden können und umgekehrt. Beispielsweise ist im Sprachsystem ein bestimmtes Wort gespeichert, während im Globalsystem die Gesamteindrücke mit den Begleitumständen, die beim Hören dieses Wortes vorlagen, abgelegt sind (semantischer Gehalt). Das gegenseitige Aufrufen der Engramme erfolgt assoziativ, das Globalsystem weckt das dazugehörige Teilsystemprogramm und umgekehrt.

Zwischen den Wahrnehmungen und den geweckten Gedächtnisinhalten existiert eine Unterschiedsschwelle (Barriere). Wenn diese im Wachzustand ausfällt, kommt es zur Halluzination. Im Traum ist sie physiologisch aufgehoben.

Wie alle Engramme unterliegen auch die Globalenenprogramme dem Abbau, um Platz für neue Engramme zu schaffen. Demnach verändert sich der Gedächtnishintergrund ständig und lebenslang.

 
 

Globalsystem

Denken

Konzentration
Aufmerksamkeit
Gedächtnisabruf

Erleben

Begeisterungsfähigkeit

Wollen

Ausdauer
 
 

18 Teilsysteme

Als Ergänzung zum Globalsystem haben sich Teilsysteme entwickelt, die nur in einem bestimmten Hirnareal vorkommen und vom Globalsystem delegierte Teilaufgaben übernommen haben. Hierbei handelt es sich um

  • 7 Wahrnehmungssysteme
  • 3 verbale Kommunikationssysteme
  • 2 nonverbale Kommunikationssysteme
  • das sensomotorische Saystem
  • das Körper/Raum-Orientierungssystem
  • das sensomotorische System
  • das Körper/Raum-Orientierungssystem
  • die limbischen Systeme:

emotionales System

instinktives System

retikuläres System

Engrammierungssystem

Sie stehen mit dem Globalsystem entweder

  • in Wechselbeziehung (Zweiwegesystem) oder
  • überbringen Information (afferente Einwegsysteme) oder
  • übernehmen Informationen, um sie an andere Systeme weiterzugeben (efferente Einwegsysteme)

Teilsysteme

Wahrnehmung und Wiedererkennen

Körperschema

Hautsinne
  Bindegewebssinn (Propriozeption)
  Gleichgewicht
  Geschmack
  vegetative Reize (Harn- und Stuhldrang)
Raumschema Sehen
  Hören
  Riechen

Sensomotorik

Gehmotorik
Greifmotorik
Mundmotorik
Mimik, Gestik, limbische Laute

Körper/Raumabstimmung

Verbale Kommunikation

Sprache verstehen
  sprechen
Schrift lesen
  schreiben
Rechnen

Musische Kommunikation

Musik hören
  machen
Gestalten bestaunen
  tun (malen, zeichnen, basteln)

Gedächtnisspeichervermögen

Emotion

aufgestellt (vermindert > depressiv)
reizbar / aggressiv
Stabilität

Retikuläres System (veget.Reaktionen)

Instinktives System

Meidinstinkte Exkretion
  Wärmeregulation (z.B Fieber, oft kalt)
  Körperpflege (Sauberkeit)
  Schmerzen
  Sicherung (gesteigert > ängstlich
Gewinninstinkte Ernährung (Appetit)
  Geselligkeit (Umgang)
  Sexinstinkt (Pubertätsprobleme)
 
 

 

Die Motorik entwickelte sich neurophysiologisch zur:

  • Reflexmotorik

  • Extrapyramidalmotorik

  • Kleinhirnmodifikation

  • Pyramidenbahn

  • Kortikalen Sensomotorik

Reflexmotorik

Ihren Ausgang nimmt die Motorik in der Reflexmotorik, eine ausschließliche Antwortmotorik, die auf eintreffende Reize aus dem Körper- oder Raumschema wartet.

So wie das Mundschema beim Körperschema am Anfang steht, so bilden die Mundreflexe (Mundgreif-, Saug-, Ausstoßreflex) den Beginn des motorischen Geschehens.

Eigenreflexe

Sie sind die einfachsten motorischen Verhaltensmuster. Hier sind 2 Neuronenarten zuständig (sensibel und motorisch). Wird ein Muskel gedehnt, so wandeln seine Muskelspindeln den Dehnungsreiz in bioelektrische Signale um, die vom sensiblen Neuron zum Rückenmark weitergeleitet werden und dort die Vorderhornmotoneurone aktivieren. Diese senden Signale in den gedehnten Muskel und veranlassen eine Kontraktion. Dadurch wird der Dehnungskraft Widerstand entgegengebracht (Absicherungsmotorik). Dies ist die schnellste motorische Reaktionsmöglichkeit bei ca. 20 ms.

Es gibt 2 Arten von Muskelspindeln:

  • phasische Muskelspindeln feuern nur kurz aber rasch und intensiv = phasische Eigenreflexe

  • tonische Muskelspindeln feuern unbeschränkt, laufen aber langsam an und bleiben so lange aktiv, bis nach ca. 200 ms eine Gegenkraft vom extrapyramidalen System aufgebaut wird. Dadurch wird die Spindel wieder entlastet und ansprechbar für neue Einwirkungen von außen. Wenn aufgrund einer extrapyramidalen Störung keine extrapyramidale Gegenkraft aufgebaut werden kann, so bleiben die gedehnten Spindeln ununterbrochen - also tonisch aktiv.

Zwischenneurone

Sie sind im Evolutionsverlauf zwischen dem afferenten und efferenten Neuron entstanden und haben sich zum "Integrator", dem mächtigsten Zwischensytem des Großhirns weiterentwickelt. Ihre wesentlichen Eigenschaften sind:

  • Verteilen. Eingegangene Reize werden über viele Motoneuronen verteilt. Hier kommt es zu einer ausgedehnten Reaktion, im Extremfall zur Massenreaktion.

  • Adaptieren. Auf immer wieder gleiche Reize wird nicht mehr reagiert, also ein Anstieg der Ansprechbarkeitsschwelle = Schwellenvariabilität.

  • Erinnern. Wiederholt miteinander eingehende Reize werden "erinnert". Ein Gedächtnisvermögen wurde aufgebaut und führte zu den bedingten Reflexen.

Fremdreflexe

Die Afferenzen zu den Zwischenneuronen stammen hier aus muskelfremden Organen, wie z.B. den Gelenken, Bändern, der Haut und den höheren Sinnesorganen. Diese afferenten Neurone geben ihre Information gleichzeitig zum Großhirn weiter (Muskelspindeln tun dies nicht). Fremdreflexe sind wichtig für das Gewinnen und Meiden von Reflexauslösern sowie für über die Eigenreflexe hinausgehende Absicherung der Haltung des Körpers und die Stellung der Glieder zueinander. Es gibt folgende Reflexgruppen:

  • Gewinnreflexe (Mundgreif-, Handgreif- und Zehengreifreflexe, Schluckreflex, Umarmungsreflex etc.

  • Meidreflexe (Schutz-, Schmerzmeid-, Wegwisch-, Wärmeregulations- und Ausscheidungsreflexe)

  • Haltungsreflexe für phylogenetisch alte Haltungs- und Gehmuster. Hierzu gehören der symmetrische und der asymmetrische tonische Nackenreflex (STNR und ATNR), ein Kriechreflex der Beine (zunächst in Bauchlage und bereits ab dem ersten Tag), der gekreuzte Streckreflex der Beine etc.

  • Stellreflexe für die Stellung der Glieder zueinander und der Erdanziehung gegenüber, z.B. der Nachenstellreflex, der Ellenbogen- und Handstütz, die Augenstellreflexe etc.

  • Gleichgewichtsreaktionen (z.B. auf der schiefen Ebene, Schaukelbrett etc.)

  • Übergeordnete Reflexkoordination im Stammhirn (Schwerpunkt im Bereich der Vestibulariskerngruppe) für koordinierte Reflexmuster über das ganze Rückenmark hinweg (s.a. Reflexkriechen nach Vojta). Ist dieses Koordinationssystem gestört, so kommt es zu den assoziierten Reaktionen und den typischen Störungsmustern beim apallischen Syndrom (Störungen der übergeordneten Reflexorganisation in der Formatio reticularis des unteren Stammhirns. Verschiedenartig gestörte generalisierte Reflexmuster, aus Hemmreflexmuster, groteske Beuge- und Streckstellungen der Arme, Beine und des Kopfes sowie verdrehte Rumpfhaltungen)

Aus dieser Organisation der Reflexe entwickelte sich die höhere Motorik. Aus den Haltungs- und Stellreflexen die Extrapyramidalmotorik und aus den Gewinn- und Meidreflexen die Instinktmotivation zum Instinktverhalten.

Ein Ausfall der Reflexe bedeutet den Verlust der Sofortreaktion auf Umwelteinwirkungen. Bei sensorischen Ausfällen kommt es darüberhinaus zu Fehlmeldungen über die Afferenzen, sei es für die Reflexe, für die extrapyramidale Tonusanpassung an plötzliche äußere Einwirkungen, für die kinästhetische Wahrnehmung oder für die sensomotorische Antwort. Die Motorik wird unsicher und destabilisiert. Ein Ausfall der Efferenzen bedeutet, daß auch alle anderen motorischen Efferenzen nicht mehr von der höheren Motorik in die Muskulatur geleitet werden können, da die gesamte Motorik durch denselben Engpass, nämlich den peripheren Nerv als Endstrecke laufen muß. So entsteht eine schlaffe Lähmung.

Sind die Reflexe übersteuert, so bedeutet das, daß periphere Afferenzen auf die Vorderhornmoto- oder Zwischenneurone auftreffen, die normalerweise vom Hemmanteil der Pyramidenbahn abgeblockt wären. Dadurch werden schon die Eigenreflexe übersteigert, von denen die tonischen zur Spastik führen. Dazu kommen noch die phylogenetisch alten, entblockten Reflexe wie die Haltungs- und Stellreflexe, die selbstständig zu unerwünschten Haltungen führen.

In der Rehabilitation geht es vor dem Hintergrund adäquater motorischen Zielen und individueller Bedürfnisse vor allem darum, ausgefallene Reflexe anzuregen und übersteuerte Reflexe durch rückenmarks-, kleinhirn- und stammhirneigene Hemmneurone (darunter viele Hemmneurone der Gleichgewichtssteuerung im Kleinhirn) abzudämpfen.

wird fortgesetzt
 
 
grafische Abbildungen:

Senso/motorisches System kortikale Efferenzen Neokortex

Sensorische Integration

 

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