The Frigates

The Frigates
von James Henderson
Sprache: Englisch
Taschenbuch - 208 Seiten - Wordsworth Editions Ltd
Erscheinungsdatum:Juli 1998

Die reale Geschichte der Fregatten und ihrer Kapitäne von 1793 bis 1815, wie sie Seeromane und Schriftsteller nicht spannender erfinden könnten !


Überraschungsangriff in der Nacht

PENELOPE und PAULINE gegen PROSERPINE

Nach dem Bericht in der "Naval History" (1837) von William James

Man schrieb den 27. Februar 1809 : Die englische Fregatte PROSERPINE, 32 Kanonen, unter dem Kommando von Kapitän Charles Otter, war von Vizeadmiral Thornborough vor dem französischen Mittelmeerhafen Toulon stationiert worden, um die Bewegungen des dort liegenden Flottenverbandes unter Vizeadmiral Ganteaume zu beobachten.
Um nicht von einem Ausbruch der französischen Flotte überrascht zu werden und den Gegner nicht aus den Augen zu verlieren, stand die PROSERPINE meistens dicht unter Land, während die britischen Blockadegeschwader weiter draussen auf See kreuzten und auf den Tag hofften, an dem Ganteaume den Hafen wieder verlassen würde.

Der französische Admiral war jedoch verärgert über diese vorwitzige feindliche Fregatte, die immer wieder provozierend nah an Toulon heranlief und auch die Küstenschifffahrt nachhaltig störte. Der Admiral beschloß, den Störenfried zumindest zu verjagen.
Zu diesem Zweck schickte er die beiden 40-Kanonen-Fregatten PENELOPE und PAULINE unter dem Kommando von Bernard Dubourdieu und François-Gilles Montfort aus. Besonders Dubourdieu hatte mit der englischen Navy noch einige alte Rechnungen offen (Siehe auch seine Biographie).

Kaum hatten Dubourdieu und Montfort Kapitän Otters Schiff nicht weit vor Toulon ausgemacht, hielten sie auch schon frontal auf die PROSERPINE zu.
Der Brite entzog sich diesem plumpen Angriffsversuch jedoch souverän und als die beiden Angreifer den Rückweg antraten, folgte ihnen die PROSERPINE wieder dicht unter Land. Die Fregatte begab sich bei dieser Gelegenheit sogar auf die Jagd nach Prisen, als ihr einige kleine Handelsschiffe ins Blickfeld kamen.
Als die Briten hierbei jedoch erfolglos blieb, kreuzten sie wieder hinaus auf die See, um bei Nacht einen gebührenden Abstand zur Küste herzustellen und mit kleinen Segeln bei ohnehin schwacher Brise die Nacht abzuwarten.

Die Frechheit der PROSERPINE ärgerte Ganteaume noch mehr, aber er hoffte auch, gerade diese Selbstsicherheit des lästigen Beobachters ausnützen zu können, um die britische Fregatte zu fangen.
Zu diesem Zweck ließ er neben den bereits bekannten Fregatten noch die Fregatte POMONE (38) und die beiden schnellsten Linienschiffe AJAX (74) und SUFFREN (74) auslaufen, um das englische Kriegsschiff zu umzingeln.

Am späten Abend schwärmte das Geschwader aus:
Zuerst arbeiteten sich die PENELOPE und PAULINE unter Land segelnd nach Westen vor, während die Fregatte POMONE nach Norden segelte, um dann einen weiten Bogen nach Westen zu fahren.
Die beiden Schlachtschiffe, die AJAX (74) unter Kapitän Jean-Nicolas Petit und die SUFFREN (74) unter Kapitän Auguste-François Louvel, nahmen einen deutlich weniger westlichen Kurs als PENELOPE und PAULINE, um die PROSERPINE entweder der POMONE entgegenzutreiben oder ihr den Weg auf einer Flucht vor den zwei anderen Fregatten zu verlegen.

Um ca. 1:00 ging der Mond im Nordosten auf und die beiden französischen Fregatten profitierten vom Schatten der Hochebene des Kaps Sicie - von See her waren sie nicht mehr zu sehen. Andererseits ermöglichte der Mondschein von der Uferseite her eine perfekte Sicht auf das Meer.
So war es den beiden französischen Fregatten möglich, um ca. 2:00 in Süd / Südwest die PROSERPINE zu sichten, die bewegungslos in einer Flaute rund 13 Meilen südwestlich von Kap Sicie lag.

An Bord der britischen Fregatte war die Besatzung ahnungslos über die Jagd, die der französische Vizeadmiral befohlen hatte. Während die Jäger sich nun unsichtbar für die Männer von der PROSERPINE heranpirschten, wurden PENELOPE und PAULINE auch noch von einer frischen Landbrise aus Nord / Nordost begünstigt.

Ganteaumes Plan - Dubourdieus Erfolg - Wegnahme der PROSERPINE

Erst beim Wachwechsel um 4:00, als Leutnant Rigby den Wachhabenden Steuermann Brown ablöste, wurde die Annäherung des Feindes bemerkt. Trotz der erschwerten Sichtverhältnisse war dies viel zu spät, denn die PENELOPE und die PAULINE waren zu diesem Zeitpunkt schon fast in Schußweite.
Die PROSERPINE dagegen zeigte mit dem Bug nach Nordosten auf Dubourdieus Schiffe und lag dazu noch in einer Flaute. Bevor die Nordostbrise, mit der die Gegner kamen und mit der Otter nun den Bug seines Schiffes aus dem Wind drehen ließ, dem britischen Schiff richtig genutzt hätte, wäre es schon zu spät gewesen.

Doch die zuvor bekalmte englische Fregatte schien noch einmal Glück zu haben, denn genau zu diesem Zeitpunkt sprang der Wind um und wehte nun aus Süd / Südost. Kapitän Otter konnte sofort Fahrt mit östlichem Kurs aufnehmen, während Dubourdieu und seine Schiffe nun abfallen mußten.
Da die Franzosen aber mehr Segel trugen und zumindest die PENELOPE offensichtlich besser getrimmt war als die PROSERPINE, blieben die Gegner nicht zurück, sondern näherten sich schnell auf Nahkampfweite.

Kapitän Otter ließ nun in einem schnellen, doch am Ende verhängnisvollen Entschluß mühevoll zwei Achtzehnpfünderkanonen in die Heckkabine schaffen, um durch die Gewichtsverlagerung auf das Backbordheck die englische Fregatte schneller zu machen. Er rechnete damit, daß Dubourdieu und Montfort zurückbleiben mußten und die Kanoniere der PROSERPINE dann die französischen Fregatten vom Heck aus unter Feuer nehmen konnten. So würde der englische Kapitän das Entkommen seines Schiffes doppelt sichern.

Doch der britische Kapitän hatte die Situation falsch eingeschätzt, denn die PENELOPE war bereits auf Schlagdistanz heran und eröffnete um 4:25 das Feuer. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Kanonen noch nicht an ihrem Ziel angelangt, verhinderten aber die Bedienung der beiden hinteren Achtzehnpfünder der Backbordbreitseite gegen die PENELOPE, der nun lediglich mit einer reduzierten Artillerie begegnet werden konnte.
Als Übel hinzu kam nun die etwas zurückgebliebene PAULINE, die hinter dem Heck der flüchtenden und sich entfernenden PROSERPINE ihre Backbordbreitseite ein um das andere Mal abfeuerte und begann, die anvisierte Takelage des Briten zu verwüsten.

Um 4:40 war Dubourdieu mit der PENELOPE auf Pistolenschußweite heran, während die PAULINE nun den Kurs der beiden anderen Fregatten aufgenommen hatte und sich auf der Steuerbordseite des Briten heranschob. Dabei jagte sie der PROSERPINE mit ihren vorderen Achtzehnpfündern Kugel um Kugel in Heck und Achterschiff.

Die PROSERPINE war in ihren Manövrierfähigkeiten bereits stark eingeschränkt worden, Vormast und Kreuzmast kurz vor dem Fall und auf den französischen Schiffen - zusammen mit rund 700 Mann Besatzung - bereitete man sich schon auf die Entermanöver vor.

Kapitän Otter mußte schließlich einsehen, daß jeder weitere Kampf sinnlos war, denn weder konnte er auf Hilfe hoffen noch dem Gegner noch entrinnen.
So ließ er um 5:10, nach nur 40 Minuten Gefecht die englische Flagge niederholen. Der französische Überfall war ein unverhofft schneller Erfolg.

 seeschlacht.tk

Die Überraschung des Angriffs und Otters Vernunft trugen dazu bei, daß an diesem Tag von den 211 Besatzungsmitgliedern der PROSERPINE lediglich zwei Leute starben und 9 Matrosen verwundet wurden, während die Franzosen gar keine Verluste hatten.
William James spricht deswegen in seinem Buch verächtlich von "indifferent gunnery" der Franzosen, übersetzt "nichtsagender Beschuß".
Meiner Meinung war zumindest der französische Beschuß dagegen höchst "differenziert", weil er sich auf die Takelage konzentrierte und seinen Zweck vollkommen erfüllte, wie das Ergebnis beweist. Manchmal muß man sich halt doch in´s Gedächtnis rufen, daß William James seine "Naval History" bereits 1837 schrieb und Frankreich und England von der Entente noch weit entfernt waren...

Bei Tagesanbruch kamen im Nordosten die beiden Linienschiffe SUFFREN und AJAX in Sicht und Osten / Südosten wurde die POMONE gesichtet. Das französische Netz schloß sich allerdings um einen bereits gefangenen Fisch.

Die PROSERPINE wurde im Triumph in den Hafen von Toulon gebracht, Dubourdieu und Montfort mit Ruhm überschüttet. Der Kommandant der PENELOPE machte eine schnelle Karriere bis zum Konteradmiral 1811, doch fiel er nur einen Monat nach seiner Beförderung in der Schlacht vor Lissa (s.u.).

  Die Klippen von Lissa - Fregattenschlacht in der Adria

Kapitän Otter hatte ebenfalls Pech, denn er wurde erst nach Napoleons Abdankung im Jahre 1814 aus französischer Gefangenschaft entlassen. In einem Verfahren bezüglich des Verlustes der PROSERPINE im selben Jahr wurde der Kapitän höchst ehrenvoll freigesprochen, was ihm angesichts seines unglücklichen Kanonenmanövers und der gestrengen britischen Navy zu Kriegszeiten und nach kürzerer Gefangenschaft vielleicht nicht widerfahren wäre.
Tatsächlich hatte auch die verspätete Sichtung der französischen Fregatten keine Folgen für die damalige Wache, auf die sich der generelle Freispruch ebenfalls bezog.

Der Verlust der PROSERPINE war einer der wenigen britischen See-Niederlagen dieser Ära und mit Blick auf die Art und Weise des Sieges und nicht zuletzt auch der geringen Verluste einer der größten französischen Triumphe.


Napoleons gefallenen Göttinnen
SEESCHLACHT.TK - Das Buch

Napoleons gefallene Göttinnen
Die Geschichte der französischen MINERVE-Fregatten

von Thomas Siebe
Sprache: Deutsch Broschiert - 349 Seiten - BoD
ISBN 978-3-8391-0218-3 Erscheinungsdatum: Mai 2009
Bei AMAZON bestellen Mehr Infos

Copyright 2005 by Pellewserbe