... Mondlyrik ...




Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite,
die er niemandem zeigt ...

[M. Twain]







~ Mondnacht ~

Es war, als hätt' der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis' die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

[J. v. Eichendorff]








~ Oberpfälzische Sage ~

Mond und Sonne sind Mann und Frau,
die immer zugleich am Himmel stehen.
Der Sonne ist der eheliche Gefährte nicht feurig genug;
sie nimmt ihm seine mangelnde Leuchtkraft
und Leidenschaft übel.
Schließlich schlägt sie ihm eine Übereinkunft vor:
Wer am nächsten Morgen als erster erwacht,
soll fortan nur noch bei Tage scheinen,
dem Schläfrigen, Trägen aber die Nacht gehören.
Lachend stimmt der Mond diesem Abkommen zu
und mit demselben lachenden Gesicht
wacht er am nächsten Morgen als Zweiter auf.
Die Sonne hat den Sieg davongetragen
und regiert von nun an den Tag,
der Mond taucht erst am Abendhimmel auf
und erhellt sanft die Nacht...
Doch beide bedauern längst,
dass sie nun getrennte Wege gehen müssen
und die eheliche Gemeinschaft zerstört ist.
Der Mond zieht bleich und traurig seine Bahn,
der Sonne kommen am Abend,
wenn sie am Horizont untergeht,
oft blutrote Tränen...
Immer wieder versuchen sie,
den Weg zueinander zu finden,
sich - etwa um die Zeit des Neumonds
oder bei Sonnenfinsternis - zu treffen.
Doch wenn sie sich am nächsten sind,
fehlen ihnen die Worte zur Verständigung.
Sie reden aneinander vorbei,
bis ihre Bahnen sie wieder trennen.
Der Mond aber nimmt nach solchen Begegnungen
jedes Mal vor Kummer ab, bis zum Verschwinden,
um sich nur langsam wieder zu erholen.

[Gefunden in: Mondrhythmen in unserem Leben
- E. Sternberg - Verlag Hornos]








~ Mondmärchen ~

Eines Tages, als gerade niemand hinschaute,
trat der Mond an die Sonne heran.
"Entschuldigung" sagte er etwas verschüchtert,
"darf ich dir eine Frage stellen?"

Verwundert schaute die Sonne auf den kleinen Mond herab,
sie hatte ihn gar nicht bemerkt.
"Was machst du hier?" fragte sie.
"Du gehörst doch in die Nacht. Der Tag gehört mir."
Das wiederum schüchterte den Mond noch viel mehr ein;
er nickte stumm und verschwand wieder.
Doch nach kurzer Zeit redete er sich Mut zu,
schließlich hatte er ein wichtiges Anliegen,
welches ihm schon seit Jahren auf der Seele brannte.
Und so ging er ein zweites Mal zur Sonne...

"Entschuldigung" rief er,
diesmal mit einer etwas festeren Stimme,
"ich hätte dich gern einmal etwas gefragt."
Die Sonne konnte sich, als sie den Mond sah,
ein Lächeln nicht verkneifen,
war er doch um Längen kleiner als sie selbst.
Allerdings fand sie es niedlich, wie er da stand
und zu ihr hinaufblickte.

Sie beugte sich zu ihm herunter.
"Wie kann ich dir denn helfen?"
"Nun, ich frage mich schon seit Jahren,
wieso ich nur in der Nacht da sein darf und du am Tag.
Und warum du weit länger zu sehen bist als ich.
Das finde ich irgendwie gemein" sagte der Mond
und schaute die Sonne erwartungsvoll an.

"Lieber Mond, das kann ich dir auch nicht sagen.
Ehrlich gesagt, interessiert es mich auch nicht wirklich"
erwiderte die Sonne.
"Ich bin am Himmel zu sehen, gebe den Menschen Wärme
und mache das Leben auf der Erde erst möglich.
Deshalb muß ich am Tag da sein,
weil sich das Leben am Tag abspielt."
Mit diesen Worten wandte sie sich ab.

Dem Mond war das natürlich noch nicht genug
und er wollte sich mit dieser nichtssagenden Äußerung
nicht zufrieden geben.
Aber die arrogante Art der Sonne verängstigte ihn
und er beschloß, ein wenig Mitleid in ihr zu wecken.
Erneut sprach er sie an:
"Aber ist dir schon einmal aufgefallen,
dass mich die Menschen auch brauchen?
Sie haben aber nicht viel von mir,
weil sie mich nur ein paar Stunden sehen können
und nachts schlafen die Menschen immer.
Das finde ich etwas unfair" schniefte der Mond
und drückte ein paar Tränen hervor,
die sich auf ihren langen Weg zur Erde machten.
Doch er schien mit seiner Mitleidsmasche keinen Erfolg zu haben,
denn die Sonne wandte sich von ihm ab...

Schmollend zog sich der Mond also zurück...
Mittlerweile hatte sich der Tag dem Ende zu geneigt
und die Sonne wurde glutrot.
Der Mond ignorierte dieses Bild,
welches er sonst jeden Abend voller Begeisterung bewundert hatte
und hatte eigentlich keine Lust mehr,
wieder seinen Platz am Himmel einzunehmen und zu beobachten,
wie sich die Menschenkinder nach und nach in das Traumland begaben.
Er versteckte sich hinter einer großen Wolke
und ließ die Menschen allein...

Als er dort nun einige Zeit traurig und verstört gesessen hatte,
hörte er aus dem Nichts eine schwache Stimme:
"Wo bist du?"
Der Mond fühlte sich nicht angesprochen,
trotzdem schaute er neugierig in den Nachthimmel,
wo sich einige Sterne eingefunden hatten.
"Wen sucht ihr?" rief er den Sternen zu.
Einer von ihnen kam näher...
"Dich!" antwortete der Stern mit einem Lächeln im Gesicht.
"Wir sind doch nur wegen dir hier".
"Wegen mir?" fragte der Mond,"wer braucht mich schon?
Das Leben findet tagsüber statt, nachts schlafen die Menschen nur,
ich stehe nur zur Zierde am Himmel.
Aber damit ist Schluß, es bringt ja nichts!"
Mit diesen Worten kuschelte sich der Mond wieder in seine Wolke
und fing an zu weinen.

Der Stern aber ließ sich so einfach nicht abspeisen.
"Hast du schon einmal genau zur Erde geschaut?
Ich habe noch nicht genau gezählt, es sind auch nicht besonders viele,
aber ich kann ein paar Menschenkinder sehen, die nur auf dich warten!"
Lustlos stieg der Mond wieder aus seiner Wolke empor,
warf aber trotzdem einen kurzen Blick auf die Erde...
Und tatsächlich, sie standen vor der Tür, saßen am Fenster,
lagen wach und blickten nur an den Himmel, die Menschen.
"Ob sie wirklich auf mich warten?" sagte der Mond zu sich selbst
und war fast ein bißchen gerührt.

Doch sein Gespräch mit der Sonne hatte ihn zu sehr mitgenommen.
"Für die paar Stunden lohnt es sich doch nicht,
an den Himmel zu steigen" sagte er zu den Sternen,
die mittlerweile zahlreicher geworden waren und erwartungsvoll in einem Kreis um ihn herumstanden.
"Außerdem bin ich viel zu schwach, mein Licht ist gegen die Sonne ein Nichts,
es wärmt nicht, und zum Leben braucht man mich auch nicht.
Wäre ich nicht da, es würde sicher niemandem auffallen".
Da waren die Sterne sprachlos,
sie alle wollten dem Mond irgendwie klarmachen,
dass dem alles nicht so ist,
aber es schien niemand die richtigen Worte zu finden...

Schließlich fasste der Stern, der ihn vorher schon angesprochen hatte,
seinen ganzen Mut zusammen und sprach zum Mond:
"Wenn dich niemand vermissen würde,
dann stünden dort unten nicht so viele Menschen und würden warten.
Sie brauchen dich genauso zum Leben wie die Sonne,
nur du kannst ihnen nämlich Trost spenden."
"Wie das?" fragte der Mond und wischte sich verlegen
die Tränen aus den Augen.
"Wie kann ich die Menschen trösten?"
"Das ist ganz einfach" erwiderte der Stern und zwinkerte ihm zu.
"Wie du ja vorhin schon gesagt hast, schlafen die meisten Menschen nachts.
Es gibt aber ein paar, die dies nicht tun.
Sie sind in der Minderheit und mit ihren Problemen ganz allein,
weil sie niemanden haben, dem sie sie erzählen können.
Schließlich schlafen ja alle.
Das sind die Mondkinder, die abends am Fenster stehen
und nur auf dich warten,
weil sie wissen, daß du für ein paar Stunden da sein wirst."
Der Mond war sichtlich bewegt von der Ansprache des Sterns.
So genau hatte er darüber noch nie nachgedacht.
"Aber ich bin doch zu schwach und ich würde doch gerne
viel länger für diese Mondkinder da sein.
Aber dann funkt mir die Sonne ja wieder dazwischen!"
Jetzt war der Mond völlig verzweifelt und fing wieder an zu weinen...

Da schoben sich ein paar Wolken vor den weinenden Mond
und umarmten ihn, so dass ihm ganz warm wurde.
Verwirrt blickte er auf.
Der Stern nahm ihn in den Arm und flüsterte:
"Die Wolken wollen nicht, dass deine Kinder dich weinen sehen.
Deswegen verdecken sie dich.
Und daß du nur ein paar Stunden da bist,
macht dich erst recht zu etwas besonderem;
wärst du immer da, würden sich die Menschen an dich gewöhnen
und dich nicht mehr beachten."
"Aber mein Licht ist doch viel zu schwach" rief der Mond verzweifelt,
"wie kann da für alle Mondkinder genug Wärme übrig bleiben?"
Da brach der Stern in schallendes Gelächter aus.
"Hast du dich denn in all den Jahren niemals gefragt,
warum wir Sterne dich jede Nacht an den Himmel begleiten?
Selbst wenn du einmal nicht genug Kraft hast, sind wir da,
um den Menschen zu zeigen, dass es dir noch gut geht."

Jetzt war der Mond auch überzeugt:
Er ließ sich von ein paar Sternen an die Hand nehmen
und gemeinsam traten sie den Weg an den Nachthimmel an.

...Und wenn man ab und zu abends ganz genau hinschaut,
dann kann man sehen,
wie sich der Mond beschämt ein paar Freudentränen aus seinem Gesicht wischt
und seinen Kindern zuwinkt,
die auf der Erde jede Minute mit ihm genießen...

[Verfasser unbekannt]









~ Tränen des Mondes ~

Als der Mond und die Sonne sich das erste Mal
in den tiefen des Alls begegneten,
fühlten sie sich unwiderstehlich zueinander hingezogen.
Die Erde jedoch,
die unaufhaltsam ihre Kreise um die Sonne zog,
war schneller,
schnappte sich den Mond und ließ ihn nicht wieder gehen.
Der Mond war nun an die Erde gefesselt
und konnte nur aus weiter Ferne
in das Antlitz der Sonne schauen.
Er sehnte sich schmerzlich nach dem Lächeln und dem Licht der Sonne,
denn es ließ ihn am dunklen Nachthimmel
wie einen Stern erstrahlen
und wärmte ihn.
Ungeduldig blickte er deshalb Tag für Tag,
Nacht für Nacht der Feuerkugel entgegen
und wenn er ihre Wärme spürte,
fühlte er sich ihr nah.
Als die Erde dies bemerkte,
stellte sie sich erbost zwischen die beiden.
Nun konnten die Strahlen der Sonne den Mond nicht mehr wärmen
und er musste in der Finsternis ausharren.
Da fror der Mond und weinte bittere Tränen.
Die Tränen fielen auf die Erde und dort wo sie hinfielen,
verbreiteten sie Sehnsucht unter den Menschen.
Und jedes Mal,
wenn Du den Mond auf seiner Bahn um die Erde beobachtest,
kannst Du spüren,
wie die Sehnsucht auch Dich erfasst...


[Verfasser leider unbekannt]









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