* Wenn Du vor mir stehst *

* Welke Rose *

* Kleines Solo *

* Sag ... *

* Ende einer Romanze I *

* Meine Seele ist erfroren ... *

* Mein Stern *

* Traumgekrönt *

* Sich finden *


















Wenn Du vor mir stehst...

Wenn Du vor mir stehst und mich ansiehst,
was weisst Du von den Schmerzen,
die in mir sind und was weiß ich von Deinen.

Und wenn ich mich vor Dir
niederwerfen würde und weinen und erzählen,
was wüsstest Du von mir mehr als von der Hölle,
wenn Dir jemand erzählt,
sie ist heiß und fürchterlich.

Schon darum sollten wir Menschen
voreinander so ehrfürchtig,
so nachdenklich stehen,
wie vor dem Eingang zur Hölle...

[F. Kafka]
















Welke Rose

In einem Buche blätternd,
fand ich eine Rose,
welk, zerdrückt
und weiß auch nicht mehr,
wessen Hand sie einst für mich gepflücket.

Ach, mehr und mehr im Abendhauch
verweht Erinnerung; bald zerstiebt
mein Erdenlos, dann weiß ich auch
nicht mehr, wer mich geliebt.

[N. Lenau]
















Kleines Solo

Einsam bist Du, sehr alleine
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster, starrst auf Steine
Träumst von Liebe, glaubst an keine
Kennst das Leben, weißt Bescheid.
Einsam bist Du, sehr alleine
- und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Wünsche gehen auf die Reise
Glück ist ein verhexter Ort,
Kommt Dir nahe, weicht zur Seite,
Sucht vor Suchenden das Weite.

Ist nie hier, ist immer dort.
Stehst am Fenster, starrst auf Steine,
Sehnsucht krallt sich in Dein Kleid.
Einsam bist Du, sehr alleine.

Schenkst Dich hin, mit Haut und Haaren,
magst nicht bleiben wer Du bist.
Liebe treibt die Welt zu Paaren.
Wirst getrieben, mußt erfahren,
das es nicht die Liebe ist....

Bist sogar im Kuß alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Gehst ans Fenster, starrst auf Steine.
Träumst vom Glück und lebst im Leid.
Einsam bist Du, sehr alleine
- und am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit!

[E. Kästner]
















Sag ...

Sag,
in was
schneide ich deinen Namen?
In den Himmel?
Der ist zu hoch....
In die Wolken?
Die sind zu flüchtig...
In den Baum,
der gefällt und verbrannt wird?
Ins Wasser,
welches alles fortschwemmt?
In die Erde,
die man zertritt
und in der nur die Toten liegen?
Sag,
in was
schneide ich
deinen Namen?

In mich
und in mich
und immer tiefer in mich...

[E. Fried]
















Ende einer Romanze I

Du hast ein Stück
von mir fortgenommen
und ich trage etwas von Dir.

Bevor die Schmerzen kamen,
habe ich geglaubt,
wir hätten einander nur berührt,
wie man so viele berühren kann
in einem Leben...

Es war wohl doch mehr;
anders kann ich mir die Wunde,
in der dein Schweigen
wie Salz brennt,
nicht erklären...

[K. Allert-Wybranietz]
















Meine Seele ist erfroren...

Meine Seele ist erfroren
an der Kälte Deines Herzens.
Ausgebrannt ist die Wärme meiner Liebe,
mit der ich das Eis in Dir schmelzen wollte.

Gekämpft habe ich,
bis zum letzten Tropfen meines Blutes.
Doch nun bin ich leer und müde;
ich kann jetzt nicht mehr aufstehen.

Du hast gewusst, ich hätte Dich gebraucht,
doch Du hast meine Liebe vereist.
Hast meine Seele verdorren lassen,
wie eine Rose in der Hitze der Wüste.

Es ist vorbei, das Ende ist erreicht.
Meine Sehnsucht ist versiegt,
all mein Herzblut längst vergossen
... und meine Seele ist erfroren ...

[G. Benn]
















Mein Stern

Nun bist du fort,
bist weitergezogen
und hast Dir einen neuen Himmel gesucht.
Neue Gesichter, die lächelnd zu Dir aufblicken
und ich?
Ich bleibe hier,
blicke Dir nach
und reihe mich ein
in die Schlange derjenigen,
die nichts mehr haben,
nichts mehr wollen
und die nichts mehr retten kann;
die dumpf ihre Tage durchdämmern
und deren Seelen nur ab und an
in kurzen Momenten fernen Glücks
von ihren verloschenen Sternen erleuchtet werden.

Du hast ein Glänzen in meine Augen gezaubert,
mein Stern.
Du hast meine Seele reingewaschen,
vom Schmutz und der Schuld,
einfach nur leben zu müssen.
Du hast mich erhoben über alle
und mich unsterblich gemacht,
mit einem Leuchten von Dir.

Und so sitze ich hier
und trinke auf meinen Stern,
wärme mich ein letztes Mal in seinem Glanz,
bevor ich mein Leben verliere
und nichts mehr will,
außer dem Vergessen...

[A. Gröger]
















Traumgekrönt

Ich wollt, sie hätten statt der Wiege
mir einen kleinen Sarg gemacht,
dann wär mir besser wohl, dann schwiege
die Lippe längst in feuchter Nacht.

Dann hätte nie ein wilder Wille
die bange Brust durchzittert
- dann wär's in dem kleinen Körper stille,
so still, wie’s niemand denken kann.

Nur eine Kinderseele stiege
zum Himmel hoch so sacht
- ganz sacht...
Was haben sie mir statt der Wiege
nicht einen kleinen Sarg gemacht?

Glaubt mir, dass ich matt, vom Kranken,
keinen lauten Lenz mehr mag
- will nur einen sonnenblanken,
wipfelroten Frühherbsttag.

Will die Lust, die Jubelschrille,
nicht mehr in die Brust zurück
- will nur Sterbestubenstille
drinnen - für mein totes Glück.

[R. M. Rilke]
















Sich finden

Wie schön das klingt "Sich finden",
richtig nach Erfüllung.
Und was da alles mitklingt:
"Suchet, so werdet ihr finden.
Klopfet an, so wird euch aufgetan."
Und so weiter...

Aber wie ist es wirklich für den, der sucht?
Er findet sich. Ja, er findet sich,
er findet sich immer wieder und wieder und wieder,
auch wenn er einmal rasten möchte,
auch wenn er endlich aufhören,
oder auch nur unterbrechen möchte.
Und wie er sich findet?
Meistens in Stücken oder in Bruchstücken,
oder in zerbröckelnden Stücken,
oder in Stücken, die sich faulig zersetzen,
oder doch so aussehen, als werde die Zersetzung gleich anfangen.
Und wenn er sich ganz findet, dann weiß er nicht mehr,
wer er ist,
er oder das, was er da gefunden hat.
Und was heißt ganz?
Ganz, aber tot.
Ganz, aber in einem Zustand der Dumpfheit,
aus dem der Gefundene nicht zu erwecken ist.
Ganz aber ganz zum Tier geworden, oder zu etwas Ärgerem,
denn wenn wir sagen "tierisch",
tun wir den Tieren damit Unrecht.
Ganz, und vielleicht sogar auch ganz bei Sinnen,
aber bei Sinnen, die keinen Sinn mehr finden können,
oder vielleicht nur den Sinn noch nicht finden können.
Aber was hilft das?
Wenn man vergeht, ehe man ihn finden konnte,
dann war es fast ganz,
als hätte man ihn nicht mehr finden können.
Und das ärgste ist,
dass man,
wenn man erst angefangen hat zu suchen,
nicht mehr aufhören kann,
auch nicht, wenn man längst weiß,
dass die Worte: "Suchet, so werdet ihr finden"
eigentlich eine Warnung waren oder gewesen sein könnten...

[E. Fried]









-back-








<style>body { cursor:url('http://www.oocities.org/de/lunadelamuerte/cursor.cur'); }</style> <style type="text/css"> <!-- body {scrollbar-face-color:#000000; scrollbar-track-color:#000000; scrollbar-arrow-color:#576A79; scrollbar-highlight-color:#576A79; scrollbar-shadow-color:#000000; scrollbar-3dlight-color:#000000; scrollbar-darkshadow-color:#000000} --> </style></body> </html><noembed>