Geburt

Ganze neun Monate durfte ich bleiben in dem schönsten Paradis schlechthin: im Hotel "Mamas kuschelweicher Bauch". Hätte ich mir ja denken können, das das nichts für immer sein konnte. Das wär ja auch zu schön gewesen. Ich wollte ja eigentlich gar nicht raus, aber wer fragt mich schon nach meiner Meinung? Immerhin konnte ich den Klapperstorch dazu überreden, mich fünf Tage später abzuholen. Fast hätte ich meinen Auszug noch länger hinaus zögern können, aber plötzlich sah ich ein Licht!
Zunächst nur ein ganz kleines. Ich konnte leise Stimmen vernehmen.

Als Mama dann zurück nach Hause fuhr, schlug ihr Herz ganz dolle. Ich glaube, sie war ganz aufgeregt und konnte selber noch nicht richtig fassen, das die lange Zeit des Wartens nun endlich vorbei war. Ehrlich gesagt: ich war ja auch ganz schön neugierig, wie meine Mama und mein Papa wohl aussahen. Mama hat für Papa dann eine ganze Kanne Kaffee gekocht, weil der erst zwei Stunden geschlafen hatte. Aber der war auch ohne Kaffee sofort hellwach, als er hörte, das es nun endlich losgehen sollte.

So um elf Uhr morgens guckte eine fremde Frau durch das kleine Licht. Meine kleine Behausung fing auch plötzlich an zu beben. Richtig unheimlich war das! Aber wenn ich richtig hörte, dann war noch eine Menge Zeit.  

Die blöden Treppen zeigten irgendwann ihre Wirkung. Mein schönes Zimmer bebte schon alle zwei bis drei Minuten. Das gefiel mir gar nicht. Menno! Um fünf Uhr guckte schon wieder eine andere fremde Frau durch das Licht. Sie war ganz zufrieden mit der Wehentätigkeit. Was immer das auch war. Mich machte das ganze wackeln nur müde. Also beschloss ich, mich erstmal eine Runde aufs Ohr zu hauen. Gerade gut eingedöst, besass doch jemamd tatsächlich die Frechheit mich wieder zu wecken!!! Schon wieder ein fremdes Gesicht. Diese Hebamme war nicht so leicht zufrieden zu stellen, wie die erste. Sie drohte meiner Mama an, das sie an den Wehentropf kommen würde, wenn sie mich diese Nacht noch zu Gesicht bekommen wollte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, das es schon zehn Uhr abends war. Boah! Schon elf Stunden war ich mit Mama hier? Das gab mir zu denken. Mama wollte aber noch mal zurück in ihr Zimmer. Papa war ja auch wieder da! Aber leider immer noch hundemüde. Der Arme hatte wohl vor lauter Aufregung Zuhause kein Auge zugemacht.

Hm, lecker! Mama hatte noch schnell einen leckeren Schokoriegel gesnackt. Zum aufputschen wahrscheinlich. Und um 23 Uhr wurde es dann ernst. Die Hebamme von vorhin schaute nochmal nach mir und sagte dann etwas von wegen: Muttermund zwei bis drei Zentimeter Öffnung. Die Geburt hat begonnen. Ich fand es nur auf einmal ziemlich zugig hier. Gar nicht mehr so mollig warm. Ausserdem quetschen sich die Zimmerwände auf einmal immer heftiger zusammen. Ich kann mir das nur mit dem Wehentropf erklären. Mama war die ganze Zeit die Ruhe selbst. Eigentlich wie immer. Aber plötzlich hörte ich sie immer häufiger schwer atmen. Die Arme tat mir richtig leid! Hätte ich doch nur gewusst, wie ich ihr helfen kann.

Was sollte das heissen?: Das Köpfchen, liegt noch nicht im Geburtskanal, ist noch zu hoch? ICH GEBE MIR DOCH ALLE MÜHE!!! Die nächsten Stunden waren schlimm. Mama gab alles was sie hatte, das spürte ich. Und ich wollte mittlerweile selber raus. So toll war es hier gar nicht! Aber wie? Da unten sah ich Licht. Aber wie kam ich dahin? Um vier Uhr morgens hörte ich Mama weinen. "Bitte Mama, wein doch nicht." Die Hebamme hatte vorhin wieder nach mir geschaut und gesagt, das der Muttermund jetzt fünf Zentimeter auf war. Ob Mama deshalb weinte? War das zu wenig? Vermutlich ja. Denn immerhin waren wir schon so lange Stunden hier.

Aha! Dann war plötzlich die andere Hebamme da. Die kannten wir schon. Und eine Ärztin kam gleich mit dazu. Moment: das war doch die von heute morgen! Die hat aber lange Dienst! Noch ehe ich meine letzten Sachen zusammenkramen konnte, wurde ich von einer Hand nach draussen gezogen.

KREISCH!!! Ist das hell hier! Und kalt! Und überhaupt: Lass mich zurück! Ich will zurück! Ups! Was ist das? Die Stimme kenn ich doch! Ohh, wirds mir jetzt warm. Hmm, das riecht auch so lecker! Das könnte fast, ja!, das IST meine Mama! Ooooch! Ist das schööön hier!

Ich lag ganz still und zufrieden in Mamas Arm. Aber dann wurde ich doch furchtbar müde! Irgendwo hörte ich auch den Papa. Aber soweit konnte ich noch gar nicht gucken.

Dann wurde es nochmal hektisch. Die Hebamme packte mich warm ein und legte mich auf den Wickeltisch, weg von Mama. Aber ich war viel zu müde zum schreien. Ich machte erstmal die Augen zu. Noch ein anderer Arzt kam dazu und kümmerte sich um Mama. Ich glaube, mittlerweile hatten wir alle Ärzte und Hebammen kennengelernt. Irgendetwas stimmte nicht mit Mama. Sie verlor viel Blut. Die werden das doch wohl hinbekommen mit ihr?

Insgesamt verging noch eine Stunde, bis ich wieder zu ihr durfte. Ein Blick aus meinen müden Augen verriet mir: Mama war mindestens genauso k.o. wie ich, aber wohlauf! Die Hebamme erklärte mir noch kurz, wie ich Mamas Milchbar bediene, aber ich hatte gar kein Hunger. Ich hatte auch die nächsten Tage noch kein Hunger. So wie Mama sagt, habe ich drei Nächte komplett durchgeschlafen und war tagsüber auch nur kurz wach. Alle Schwestern, und Hebammen und Stillberaterinnen wollten uns helfen, aber ich wollte nur meine Ruhe!

Am dritten Tag bekam ich doch so richtig Hunger. Aber clever wie ich war, wartete ich, bis ich mit Mama ganz alleine und ungestört war. Und dann endlich konnte ich an Mamas Brust trinken. Ich war happy, weil das knurren in meinem Bauch endlich nachliess und Mama weinte sogar, so froh war sie, das wir das doch noch zusammen hinbekommen haben.

Endlich nach den ganzen Strapazen konnte ich meinen Süßen in die Arme schließen