Meine Vergangenheit


Meine Vergangenheit zu beschreiben ist ziemlich schwierig, weil ich immer noch viele Gedächtnislücken habe und mich an manche Jahre in meiner Kindheit nicht erinnern kann.

Zwischen meinem dritten und 13. Lebensjahr wurde ich von meinem Großvater sexuell missbraucht. Ich kann mich an die Übergriffe nur noch sehr schwach erinnern, an manche kann ich mich aber umso stärker erinnern, auch wenn ich das am liebsten gar nicht würde.
Als ich jünger war, bekam ich von dem ganzen gar nichts mit. Für Aussenstehende ist das wirklich schwer zu verstehen, dass gebe ich zu. Aber in meiner Kindheit habe ich mich von diesen schrecklichen Erlebnissen abgespaltet. Wenn es geschah, klinkte sich mein Verstand aus und ich bekam von all dem nichts mehr mit und war in meiner Phantasie an irgendeinen anderen, wunderschönen Ort. Ein guter Freund sagte mal zu mir, er kann sich das gar nicht vorstellen. Ein paar Monate später schrieb ich ein Gedicht darüber und gab es ihm zu lesen. Er meinte, er kann es sich nun besser vorstellen. Vielleicht ist das bei anderen auch so und deswegen möchte ich es an dieser Stelle aufschreiben:

Das Zimmer

Und draussen war es warm und die Vögel sangen.
Das Zimmer war dunkel.
Sie hörte das Lachen, denn es spielten Kinder.
Im Zimmer war sie gefangen.
Ausserhalb des Zimmers pulsierte das Leben
und sie starb in diesen Augenblicken.
Er lachte und nahm sie auf den Arm,
wenn er nicht mit ihr im Zimmer war.
Er spielte mit ihr und schenkte ihr Süßes,
denn das war die Belohnung, wenn sie ihn befriedigte.
Und draussen schien die Sonne, dort war es bunt
und das Zimmer war kalt, dunkel und grau.
Draussen war das Gras unter ihren Füßen weich
und das Bett im Zimmer steinhart.
Und sie klammerte sich an das Gefühl von weichem Gras,
wenn sie hart auf die Erde gedrückt wurde.
Sie hielt an dem Bild von warmer Sonne fest,
jedesmal und immer wenn sie glaubte das Bewusstsein zu verlieren.
Die Vögel sangen laut in ihrem Ohr
damit sie nicht das Stöhnen hörte.
Und draussen war es warm und die Vögel sangen,
wenn er fertig war sie zu benutzen und sie hinaus
in die Welt zurück stieß. Allein. Zerissen. Tot.


06. März 2003

Als ich 13 Jahre alt war, regestrierte ich was er da mit mir tat und das es falsch ist. Ich konnte es nicht verstehen und wehrte mich gegen den Gedanken, dass er mich missbraucht hat. Das konnte einfach nicht wahr sein. Ich hatte wahnsinnige Schuldgefühle. Wie kann man einem so lieben Menschen so etwas schreckliches zutrauen? Wie schlecht musste ich sein, was für eine Lügnerin musste ich sein. Obwohl ich lange Zeit niemanden etwas erzählt habe.
Der Selbsthass wuchs, wurde immer größer. Das Gefühl dreckig, wertlos, schuldig zu sein war groß. Ich verletzte mich selber. Ich ritzte mir mit Stecknadeln die Haut an den Handgelenken auf. Das war mir nicht genug, es erfüllt nicht seinen Zweck. Ich weiß nicht mehr wann es war, aber ich fing bald darauf an mir mit Rasierklingen tief in die Arme zu schneiden. Niemand wusste davon, niemand bemerkte es. Noch nicht einmal meine Eltern. Das verstecken sollte noch 2 Jahre lang anhalten.