Lebendiger Gottesdienst I


Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Stellen Sie sich vor, Osama bin Laden richtet unter dem Namen Hosanna bin Laden folgendes Schreiben an George W. Bush und seine Verbündeten :
"Lieber Bruder George,
Gottes große Barmherzigkeit drängt mich zu folgendem Rat an Dich und alle Brüder: Lebt euren Glauben mit Leib und Seele. Gebt euch ganz hin als ein lebendiges Opfer. So feiert ihr wirklich Gottesdienst, der Gott gefällt, das ist vernünftiger Gottesdienst."
Wohlgemerkt, die Unterschrift lautet nicht Osama, sondern Hosanna bin Laden. Falls der Brief tatsächlich in die Hände von George Bush geriete, stünde er vor einer schwierigen Entscheidung. Als Bibelleser müsste er unschwer die Übereinstimmung mit den Worten in dem obigen Bibeltext feststellen können. Hat sein großer Gegner jetzt also die Frechheit, biblisches Wort für seine Zwecke zu missbrauchen ? Aber dann ist da die seltsame Namensänderung, nicht mehr Osama, sondern Hosanna. Bedeutet das nicht Gott hilft mir ? Der Topterrorist also ein biblischer Bekenner ?
Soweit unser Gedankenspiel - denn einmal in der Menschheitsgeschichte ist ein solches Wunder wirklich geschehen. Der Schreiber des Briefes an die Christen in Rom, dem der heutige Text entnommen ist, hat eine Vergangenheit als terroristischer Christenverfolger. Seinerzeit gab es keine Selbstmordattentate, aber das Bemühen um die Vernichtung Andersgläubiger war auch gnadenlos. Der Theologe Saulus, ein römischer Staatsbürger und jüdischer Gelehrter, war der damalige Topterrorist. Mit größtmöglichem Eifer und in politischer Übereinstimmung mit seiner religiösen Führung wurde er zum meistgefürchteten Verfolger. Das ging solange gut, bis die Stimme des auferstandenen Jesus aus Nazareth ihn zur Besinnung rief und schließlich total umwandelte. Aus Saulus ist in einem langen Lernprozeß der Paulus geworden, dem wir unseren heutigen Text verdanken. Nur wenige seiner Landsleute schafften es, dieser unglaublichen Wandlung zu trauen. Darum ging der geläuterte Jude Paulus zu den Heiden, ohne sich jedoch von seinen jüdischen Geschwistern loszusagen. Beide, Juden und Heiden, gehören zu den Christusbekennern in Rom, denen der wichtigste Brief des Paulus gilt. Sie kennen die Lebensgeschichte des Apostels und spüren, daß es keine leeren Worte sind, wenn er von Barmherzigkeit, Opfer und Gottesdienst spricht.

Die Bekehrung des Paulus ist Zeichen der Barmherzigkeit Gottes. Die Kreuzigung Jesu ist Zeichen der Liebe Gottes, denn durch Jesu Auferweckung von den Toten ist jede menschliche Macht ad absurdum geführt worden.
Schließlich ist Gottesdienst nicht mehr nur Vollzug von Riten, sondern lebendiges Dasein im Geist Gottes, wie Jesus es gezeigt hat.

Aus diesen Feststellungen folgt dann eigentlich ganz logisch alles Weitere. In einem ständigen Prozeß wird sich das Bewusstsein der Christen erneuern, d.h. sich von Tag zu Tag wandeln, um Gottes Willen besser und besser zu erfüllen. Und Gottes Willen ist in keinem Gesetzbuch niedergelegt, sondern erweist sich da, wo im Geist Jesu wirklich Gutes geschieht, das Gott gefällt, das vollkommen ist. Wie aber soll der einzelne Mensch wissen, was er Gutes tun kann, ja wieweit er selbst gut ist ? Paulus gibt aus seiner Erfahrung eine sehr weise Antwort: Das Maß des Glaubens, wie Gott es geschenkt hat, ist die Richtschnur. Das allerdings kann und muß der Einzelne ganz allein herausfinden, je nachdem Gottes Barmherzigkeit sein Leben erneuert hat, darin liegt das Maß seines Glaubens - und nicht in frommer Kraftanstrengung. Nur aus der Gewissheit des ganz persönlichen Maßes an Glauben wird der Mensch Gutes wirken, ohne sich über andere zu erheben, denn jeder verdankt sein Maß an Glauben der Barmherzigkeit Gottes.
Falls auch Osama bin Laden wirklich jemals ein Hosanna bin Laden wird, sollte George Bush dessen Brief ernst nehmen. Der Absender hätte erkannt, daß im christlichen Glauben der Leib als lebendiges Opfer nicht selbstmörderisches Tun bedeutet, sondern dankbarer und unbezahlbarer Lebenseinsatz in einer Welt voller Mord und Totschlag ist. Das bedeutet Erfüllung des Willens Gottes, des Vaters Jesu Christi. Er musste sein Leben opfern, damit seine Brüder und Schwestern in der endgültigen Gewissheit ewigen Lebens hier und jetzt die Barmherzigkeit Gottes leben können.


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