Mütterliche Geduld


Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue ? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen. Füllt die Wasserkrüge mit Wasser ! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister ! Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wußtens's, die das Wasser geschöpft hatten - ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. Danach ging Jesus hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nicht lange da.

Das Hochzeitfeiern ist in unseren Tagen etwas aus der Mode gekommen. Lebensabschnittgemeinschaften entstehen und lösen sich wieder auf. Falls Kinder aus solchen Beziehungen hervorgehen, haben sie buchstäblich das Nachsehen, denn ein Elternteil geht nun andere Wege.
Selbst wenn Partner zum Standesamt gehen und auch um den kirchlichen Segen bitten, garantieren sakramentaler Ritus und aufwändige Feier noch keineswegs den Bestand des so geschlossenen Bundes bis ans Lebensende.
Zu Jesu Zeit war die feierliche Eheschließung im Kreise der Großfamilien und Freunde des Brautpaares eine Selbstverständlichkeit wie auch heute noch in orientalischen Ländern. Zusammenleben von Mann und Frau in vorehelicher Gemeinschaft war undenkbar, ja auf außerehelichem Geschlechtsverkehr des Mädchens stand die Todesstraße durch Steinigung. Das voreheliche Verhalten des Mannes ist biblisch kein Thema.
Wie es im Johannes-Evangelium heißt, wird Jesu Familie zu einer Hochzeit in der Nachbarschaft eingeladen. Auch Jesus und seine Jünger sind eingeladen. Es heißt ausdrücklich, daß Jesu Mutter ihm vorausgegangen ist. Offenbar hilft sie bei den Vorbereitungen und lernt dabei die Dienerschaft kennen. Mit Schrecken stellt sie später fest, der Wein geht zur Neige. Eine Blamage für den Bräutigam, dessen Familie doch Ausrichter des Festes ist. Inzwischen ist auch Jesus inmitten der Gäste aufgetaucht. Noch weiß niemand, außer der Mutter, wer er wirklich ist, welche große Kraft in ihm schlummert. In ihrer Sorge um den Ruf der gastgebenden Familie wendet sie sich an ihren Sohn und erzählt ihm die peinliche Wahrheit: Sie haben keinen Wein mehr. Anstatt der Mutter Mut zuzusprechen, weist Jesus sie barsch zurück, "Was geht's's dich an, was ich tue ? Meine Stunde ist noch nicht gekommen".
Welche Reaktion ?! Der einzige Mensch, der die wahre Identität Jesu kennt, wird schroff zurückgewiesen. Der erste Mensch, der der neuschaffenden Kraft des Heiligen Geistes von Herzen Glauben geschenkt hat, erfährt eine Abfuhr - wenn auch mit einem Fünkchen Hoffnung "Meine Stunde ist noch nicht gekommen". Ist der Sohn also doch bereit, helfend einzugreifen ? Offensichtlich will er sich von der ihm vertrauenden Mutter nicht drängen lassen und signalisiert gleichzeitig, er wird handeln. Was tut die Mutter ? Zieht sie sich enttäuscht zurück ? Gerät ihr Vertrauen in die Möglichkeiten des Sohnes ins Wanken ? Nichts von alledem. Sie ermutigt die Dienerschaft, den Anweisungen Jesu unbedingt Folge zu leisten.
So lässt er große Wasserkrüge, die eigentlich zur rituellen Reinigung bestimmt sind, mit Wasser füllen und schickt schließlich einen Diener zum Mundschenk, um das zu Wein gewordene Wasser zu verkosten. Die Qualität des Weins erweist sich als vortrefflich, sodaß der Speisemeister den Bräutigam nicht versteht. Schenkt man nicht zuerst den guten Wein und danach den Wein geringerer Qualität aus, wenn die angetrunkenen Gäste es nicht mehr merken ? Der Zeremonienmeister hat keine Ahnung, wo der Superwein herkommt.
Was will der Evangelist seinen Hörern mit dieser Geschichte verdeutlichen, die er als erstes Zeichen Jesu in seiner Heimatregion überliefert ? Ich denke, es geht ihm um zwei Aspekte :

Einmal ist da Jesu unglaubliche Vollmacht, denn es übersteigt menschliches Vorstellungsvermögen, daß Wasser in Wein gewandelt wird. Gleichnishaft kommt darin zum Ausdruck, daß die bis dahin gültigen Reinigungsrituale aufgehoben werden zugunsten der Reinigung durch den Geist Gottes, der Neues Leben schafft. Wein steht hier als Symbol für das Leben aus diesem Geist.
Zum anderen ist da die Mutter, die um Jesu Vollmacht weiß. Sie steht für jeden, der der neuschaffenden Kraft Gottes vertraut. Sie lernt eine heilsame Lektion: Es geht nicht darum, Jesus zum Eingreifen zu drängen, sondern darum, Menschen zu ermutigen, Jesu Gebot vorbehaltlos Folge zu lassen. Weltweit wird angesichts großer Not sehr viel gebetet, vielleicht sollten Christen auch auf die Mutter Jesu achten und schauen, wen sie ermutigen können, in Jesu Namen zu handeln, damit der Geist Gottes endlich eingreifen kann. In diesem Zusammenhang sehe ich die Mutter Jesu nicht etwa als eine Himmelskönigin, sondern als die lernfähige jüdische Frau, deren Vertrauen in Gottes Möglichkeiten unerschütterlich ist.
Die Geschichte von der Hochzeit zu Kana ist 2000 Jahre alt, aber ist sie darum antiquiert ? Ich denke, der vertrauensvolle Dienst der Mutter Jesu hat auch in unseren Tagen an Aktualität nichts verloren. Wir sollten uns gegenseitig viel öfter ermutigen, auf Jesu Wort zu hören, scheinbar Unvernünftiges in die Tat umsetzen im Vertrauen darauf, daß Gottes Geist niemals entsprechend unseren Vorstellungen in das Geschehen eingreift. Das ist der Weg, hochzeitliche Freude unter uns lebendig werden zu lassen, denn Christen sind tatsächlich eingeladen, die Hochzeit im Hause Gottes fröhlich mitzufeiern. Wer sind die Brautleute ? Christus will als Bräutigam seinem geliebten Menschenvolk (der Braut) im Heiligen Geist die Treue halten und braucht dazu nicht unbedingt Priester, Theologen und Kirchengebäude, ganz zu schweigen von kirchlichen Behörden.





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