Friedensdienst


Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Gegnern, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch ! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen:
Friede sei mit euch ! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: "Nehmt hin den heiligen Geist ! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten".

Auferstanden von den Toten - ein frommer Mythos ? Wir alle wissen, dass Zeugenaussagen sehr unterschiedlich sein können, obwohl es sich um ein und dasselbe Geschehen handelt. Je weiter das Ereignis zurückliegt, umso mehr weichen die Zeugenaussagen voneinander ab, obwohl sie im Wesentlichen doch übereinstimmen: Der Unfall passierte; ein Einbruch hat stattgefunden; das Haus ging in Flammen auf. Aber auch die Aussagen zu erfreulichen Ereignissen stimmen nie ganz überein und je beeindruckender das Geschehen ist, umso vielfältiger sind die Äußerungen dazu. Ostern ist nicht nur das fröhliche Frühlingsfest mit vielen bunten Eiern und sonstigen Überraschungen, nein, seit etwa 2000 Jahren feiern Christen die Auferstehung Jesu von den Toten. Diesem schier unvorstellbaren Ereignis verdanken wir sogar unsere heutige Zeitrechnung. Die Jahreszählung geht zurück auf Jesu erstes Erscheinen im antiken Land Judäa im heutigen Palästina.
Einer ganzen Reihe von Zeugenaussagen im Neuen Testament verdanken wir die Nachrichten von dem weltbewegenden Ereignis der Auferstehung des Getöteten drei Tage nach seiner Kreuzigung und Grablegung. Eines dieser Zeugnisse ist der oben zitierte Textabschnitt. Er ist etwa 80-100 Jahre nach dem Geschehen verfasst worden und beruht sehr wahrscheinlich auf älteren Überlieferungen.
Am Tag nach dem jüdischen Ruhetag, an unserem Sonntag, hocken die Jünger angstvoll hinter verschlossenen Türen. Kennen wir dieses "Zumachen" gegenüber Neuem nicht zur Genüge ? Berichte von Erscheinungen des Auferstandenen haben sie total verunsichert und nun fürchten sie den Zorn derer, die für Jesu Kreuzigung gesorgt hatten, und schämen sich für ihr eigenes Verhalten. Es ist sehr gut vorstellbar, wie sie die Ereignisse der letzten Tage erregt diskutieren, um mit dem Schock irgendwie fertigzuwerden. Jesu Ankündigungen, dass er leiden und sterben müsse und am dritten Tag auferstehen werde, scheinen sie völlig vergessen zu haben. Der Abschiedsschmerz hat sie alle blockiert. Umso fassungsloser starren sie die Gestalt an, die plötzlich in ihrer Mitte steht und mit den vertrauten Worten grüßt "Friede sei mit Euch". Als sie noch immer zweifeln, werden ihre Blicke auf die Spuren der Kreuzigung am Körper des Erschienenen gelenkt. Jetzt erfüllt unglaubliche Freude die eben noch verängstigten Männer und sie hören erneut die Stimme des Auferstandenen: "Friede sei mit euch ! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Die Jünger erhalten einen großen Auftrag. Sie werden zu Gesandten (Apostel) Jesu berufen und erhalten dieselbe Vollmacht, die Jesus von seinem Vater empfangen hatte. Und nun bezeugt der Evangelist Johannes ein sehr eigenartiges Geschehen: Jesus haucht die Jünger an, ein Zeichen für den Empfang des Heiligen Geistes. Diese Vorstellung mag uns befremden, aber für den Zeugen ist das Geschehen realistisch, denn Jesus begleitet es mit dem Wort: "Nehmt hin den Heiligen Geist". Wir sind es gewohnt, die sog. Ausgießung des Heiligen Geistes mit dem Pfingstfest in Verbindung zu bringen. Aber offenbar sieht der Evangelist das Erkennen des Auferstandenen und den Empfang des Heiligen Geistes als ein und denselben Vorgang. Eine Vorstellung, die uns Nachgeborenen sehr hilfreich sein könnte, denn sitzen wir nicht auch oft genug angstvoll hinter innerlich verrammelten Türen? Es gibt das Glauben vom Hörensagen, das ist ein Fürwahrhalten und das ist dem Zweifel ausgesetzt. Doch dann gibt es die Erkenntnis der Wahrheit und die wirkt der Heilige Geist im Menschen. Die Frage, ob die Auferstehung nur ein frommer Mythos oder ein faktisches Geschehen ist, wird damit zur Glaubensfrage und ist im persönlichen Bekenntnis zu beantworten. Obwohl Menschen aus dem Jüngerkreis von Erscheinungen des Auferstandenen erzählt hatten, konnten es die versammelten Jünger nicht glauben. Erst die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen weckt ihren Glauben an den lebendigen Christus und so ist es bis heute geblieben. Es ist ein Geschenk und wir nennen es Erweckung.
Die Bevollmächtigung durch den Auferstandenen hat Folgen. Die Gesandten Jesu empfangen das Vorrecht, Sünden zu vergeben und haben dadurch tatsächlich Macht. Wo immer s i e die Sündenvergebung verweigern, bleibt das Verhältnis zwischen Gott und Mensch gestört. Dieser Aspekt einer Jesusjüngerschaft nach Ostern und Pfingsten lässt aufhorchen. Hat Kirche diese ernsten Konsequenzen ihres Verhaltens wohl immer bedacht ? Jesus hat bis zum letzten Atemzug den Menschen vergeben. Jeder und jede, die sich in den Dienst des Auferstandenen gestellt weiß, sollte beherzigen, was dieser unmissverständlich seinen Aposteln ans Herz legt: "… und welchen ihr sie(die Sünden) behaltet, denen sind sie behalten".
Trotz dieser ernsten Mahnung an diesem Tag des Jubels, lassen wir uns doch anstecken von der unbeschreiblichen Freude der angstbefreiten, aufgeschlossenen Jünger: Die Gegenwart des Auferstandenen in ihrer Mitte gibt ihnen die Gewissheit, er ist wahrhaftig auferstanden. Der lebendige Gott, unser aller Vater, hat ihn nicht im Tod gelassen, niemand kann uns diesen Sieg rauben. Und bis auf den heutigen Tag gilt Jesu Zusage: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen". Seit vielen Jahren dürfen mein Mann und ich tagtäglich diese befreiende Erfahrung machen.


Zurück