4.2. Einfluss der Priester und Beamten auf die Ptolemäer bis zu Ptolemaios VI.

Alexander der Große hatte Ägypten 332 v. Chr. kampflos besetzt. Nach seinem Tod neun Jahre später war Ägypten immer noch Satrapie, regiert vom Freund und früheren Heerführer Alexanders, Ptolemaios. Schon sein Vater Lagos war Heerführer unter Philipp und Alexander gewesen und hatte sich in zahlreichen Schlachten bewährt. Er heiratete Antigone, eine Nichte des Antipater und in zweiter Ehe Arsinoe, eine Cousine Philipps II. von Makedonien. Aus dieser Verbindung entstanden Menelaos, später Stratege auf Zypern, und Ptolemaios. Dieser heiratete zunächst Artakama, die jedoch bald starb, dann Eurydike, die Tochter des Antipater, mit der er zahlreiche Nachkommen zeugte, die später Werkzeug seiner klugen Heiratspolitik wurden: So war seine Tochter Lysandra beispielsweise in erster Ehe mit Alexander V., in zweiter Ehe mit Agathokles, dem Sohn des Lysimachos, verheiratet; aus der fünften Ehe seiner Tochter Ptolemais ging Ptolemaios Keraunos hervor, der Schwiegervater des Pyrrhos von Epirus - bekannt wegen seines Ausspruchs: „Noch so ein Sieg, und ich bin verloren!". All die verwandtschaftlichen Verquickungen zu erläutern, die den Stamm der Ptolemäer betreffen, würde hier den Rahmen sprengen. Nur soviel: Der Nachfolger des Ptolemaios, Ptolemaios II., entstammte aus einer dritten Ehe des Ptolemaios mit seiner Halbschwester Berenike. Dessen Nachfolger Ptolemaios III. wiederum heiratete Berenike II., deren Vater aus der ersten Ehe der Berenike I. entstanden war. Erst ab hier wird der Verlauf linear. Aus der Ehe des Ptolemaios III. mit Berenike II. entstanden Ptolemaios IV., seine spätere Gemahlin Arsinoe III., Magas, Alexander, Berenike sowie ein weiterer Sohn. Ptolemaios IV. zeugte nur einen Sohn: Ptolemaios V., der früh Kleopatra I., Tochter des Antiochos III., heiratete. Aus dieser Verbindung entstanden die drei Geschwister, deren Machtkämpfe (in Kapitel 3.6.4. ausführlich beschrieben) die Stärke Ägyptens ruinierten. In den folgenden zwei Jahrhunderten kam es so oft zu Mitregentschaften, Stürzen, Intrigen und Doppelehen, dass die Heiratspolitik unter den Tisch fiel. Es ging nur noch um den persönlichen Machterhalt, nicht um den der Dynastie. Der letzte souveräne ptolemäische Herrscher war Kleopatra VII., Tochter des Ptolemaios XII. Auletes („Flötenspieler") und der Kleopatra V. Tryphaina. Sie tötete erst ihre Schwester und Mitregentin Berenike IV. und heiratete dann einen Bruder nach dem anderen. Im Machterhalt wurde sie zunächst von Cäsar tatkräftig unterstützt. Die Gegenleistung war recht menschlicher Natur, so entstand dann auch der „vaterlose" Ptolemaios XV. Kaisarion („Caesarchen"), dessen bloßer Name schon genug über den Vater aussagt. Nach der Ermordung des römischen Diktators, im Verlauf des römischen Bürgerkriegs, band sie durch ihre Reize den Triumvirn Marcus Antonius an sich und gebar ihm drei Kinder: Kleopatra Selene II., Alexander Helios und Ptolemaios Philadelphos. Nach der Schlacht beim Aktion und der Einnahme Alexandrias durch Octavian wählte Kleopatra gemeinsam mit ihrem Gemahl und ihren unmündigen Söhnen den Freitod. Dies war das Ende der ptolemäischen Macht. Ihre Brüder und die Söhne des Antonius kamen um, auch Kaisarion wurde auf Geheiß des Octavian ermordet. Ihre Tochter Kleopatra Selene heiratete den kunstliebhabenden König von Mauretanien, Juba II. Ihr gemeinsamer Sohn Ptolemaios wurde 40 n. Chr., im Alter von 58 Jahren, als König von Mauretanien auf Betreiben des römischen Kaisers Gaius Caligula ermordet. Damit war das Geschlecht der Ptolemaier versiegt.
Ihr Untergang erfolgte ein Menschenalter später als derjenige der Seleukiden, ihrer ältesten Widersacher. Selbst im letzten Jahr vor dem aktiakischen Sieg des Octavian war Ägypten mächtig, während das auf Syrien beschränkte Seleukidenreich bereits dreißig Jahre früher an die Römer vererbt worden war. Kleopatras Politik und ihr Einfluss auf Antonius waren derart bedeutsam, dass sie die endgültige Entscheidung im Machtkampf im Römischen Reich provozierte und damit auch den Prinzipat, das Staatssystem des Römischen Reiches bis zu seiner Teilung, vorbereitete.

nächster Artikel
zurück
Autor: Jonathan Groß