5.1. Entwicklung der griechischen Gemeinsprache

Die griechische Sprache hat in ihrer Vergangenheit einen beträchtlichen Wandel erfahren. In der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends vollzog sich die erste griechische Wanderung, bei der die Achäer und Ionier erstmals in Griechenland eindrangen; es bildeten sich die Dialekte des Ionischen, Arkadischen und Äolischen. Die Dorische Wanderung gegen Ende des zweiten Jahrtausends legte die künftigen Wohngebiete der griechischen Stämme fest und etablierte auch die Dorier, die auf der Peloponnes und später auf Kreta viele mykenische Gemeinden und auch minoische Städte unterjochten.
Die griechischen Dialekte entstanden aus einer literarisch nicht belegten griechischen Ursprache. Ihre Unterschiede lagen also an den Neuerungen, diese wiederum entstanden aufgrund fremder Einflüsse.
Die griechischen Dialekte werden folgendermaßen eingeteilt: Die Ostgriechischen, zu denen das Ionisch-Attische, Äolische und Arkadokyprische gezählt werden - die enge sprachliche Verwandtschaft rührt von der gemeinsamen Ausbreitung in der mittelhelladischen Epoche her - und die Westgriechischen, zu denen das Dorische und das Nordwestgriechische zählen. Die einzelnen Dialekte werden wiederum in Mundarten unterteilt, die nach sprachlichen Besonderheiten unterschieden werden, welche freilich auch mit der räumlichen Position des jeweiligen Volkes zusammenhängen.
Das Ionisch-Attische besteht aus dem Ionischen und dem Attischen. Man nimmt an, dass die Attika den Ausgangspunkt für die ionische Kolonisation im 8. Jahrhundert darstellt. Die sprachlichen Differenzen kommen wohl von der engen Nachbarschaft der Ionier zu den zwar auch indogermanischen, aber doch von fremdem Sprachgut beeinflussten Völkern Kleinasiens.

Das Arkadokyprische wird nur aufgrund sprachwissenschaftlicher Vermutungen so zusammengefasst. Der auf der Peloponnes isolierte arkadische Dialekt weist einige Gemeinsamkeiten mit dem kyprischen Dialekt auf (die Kolonien auf Zypern sollen arkadischen Ursprungs sein). Außerdem gibt es gewisse sprachliche Ähnlichkeiten mit dem in den pamphylischen Kolonien gesprochenen Dialekt.
Das Äolische hatte sein Zentrum in Thessalien, dessen mythischer Herrscher der Windgott Aiolos gewesen war. Der thessalische und der böotische Dialekt war stark von seinen nordwestgriechischen Nachbarn beeinflusst, der lesbische hingegen von den Ioniern.
Das Dorische hat die meisten archaistischen Formen beibehalten. Seine inneren Abweichungen haben die Ursache darin, dass jedes Volk, das von den Doriern unterworfen wurde, Einfluss auf den jeweiligen Dialekt hatte (so auch in Kreta das Minoische).

Die Entwicklung, die zu einer neuen Ursprache (oder besser: Gemeinsprache, koinh) führte, war erst durch die Perserkriege möglich. Die griechischen Staaten, die vorher für sich und Bruderkrieg führend gelebt hatten, bekamen erstmals seit der Dorischen Wanderung wieder das Gefühl, einem Volk zugehörig zu sein. Im Peloponnesischen Krieg zwischen Sparta und Athen bis 403 v. Chr. ging es lediglich um die Vorherrschaft in Griechenland. Mythos, Religion und die panhellenischen Spiele bei Olympia, Delphi, Korinth und Nemea einten die Griechen. Ab 402 wurde erstmals die griechische Gemeinsprache in der Literatur benutzt. Sie war aus einer „attisierten" Form des Ionischen entstanden. Dafür gibt es zwei Gründe:

Die Ionier waren das zahlreichste und wohlhabendste Volk (die Dorier, ihre härtesten Konkurrenten im Handel, hatten im sechsten Jahrhundert viele Kolonien verloren) und Athen das geistige Zentrum Griechenlands. Aber auch dorische Einwürfe wurden berücksichtigt. Von den übrigen griechischen Stämmen schlossen sich nur die Arkader und Kyprier aus. Die wichtigsten Beschlüsse waren die Einigung auf das bewegliche n am Wortende, das tt statt ss und die Substantivendung euw, entstanden aus e^w.
Diese Gemeinsprache verbreitete sich zunächst vom Mutterland aus in den barbarischen Norden, und vor allem die Makedonen adaptierten sie als Amts- und Kultsprache. So verbreitete auch Alexander der Große sie in seinem Feldzug gegen Persien in allen eroberten Ländern. Die Lage nach seinem Tod sah so aus, dass vom Indos bis zur Straße von Gibraltar das Griechische gesprochen und verstanden wurde

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Autor: Jonathan Groß