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Ein Schimmel und das Gampiross


 

Hopp, hopp, hopp! Pferdchen lauf Galopp! Über Stock und über Steine, aber brich dir nicht die Beine! Hopp, hopp, hopp! Pferdchen lauf Galopp!

 Haribo, der weise Schimmel, hatte in der letzten Nacht nicht viel geschlafen. Er musste an die Geschwister denken, die gestern miteinander gestritten hatten. Laura, die Fünfzehnjährige und ihr sechsjähriger Bruder Kelvin streiten oft sehr heftig. Kelvin wollte auch gerne einmal auf dem Pferd reiten. Aber immer wieder schickte Laura den kleinen Bruder ins Haus und rief ihm nach: „Geh du auf dein Gampiross, du bist noch viel zu klein, um auf Haribo, diesem grossen Tier zu reiten. Dazu braucht man Kraft und lange Beine.“

Der Schimmel dachte lange Zeit darüber nach. Er kennt kein Gampiross und er würde gern einmal so ein Ross sehen. Einen alten Esel und eine dumme Kuh, ja die kennt er. Diese Tiere stehen oft auf den nahen Wiesen und bei seinen Ausritten sieht er sie, aber ein Gampiross ist ihm noch nie begegnet. Neulich rief ein Fremder: 'He, du Schweinehund'. Schweinehunde gibt es also auch. Vielleicht ist so ein Schaukelpferd ein junges Fohlen. Ja, bestimmt ist das ein kleines Pferd, ein Pony mit kurzen Beinen, damit Kinder darauf schaukeln können. Aber eine Kinderschaukel hat keine Beine. Das ist doch ein Sitzbrett, das an zwei verstellbaren Seilen oder Ketten frei hängt. Darauf klettern die Kinder und schaukeln wild drauflos.

Auf der Koppel und beim Ausritt im Galopp entlang dem Wald, vergass Haribo die Geschichte mit dem Gampiross wieder. Sehr glücklich und stolz trug er seine junge Reiterin. Laura ritt schon seit sie zwölf Jahre alt war. Dieses grosse Reitpferd hatte sie aber erst kürzlich vom Grossvater geschenkt bekommen und sie mussten beide erst einmal richtig vertraut werden. "Aber Übung macht dem Meister" und Laura trainiert viel mit Haribo, denn sie will später auch an Turnieren teilnehmen.

In der folgenden Nacht aber geschieht etwas Sonderbares. Im Stall bei Haribo steht plötzlich Kelvin im Pyjama und mit nackten Füssen. „Du Haribo, darf ich jetzt auf dir reiten?“ flüstert Kelvin. "Ich bin ganz alleine bei dir und Laura schläft." Er tritt nahe an das grosse Pferd, stellt sich auf die Zehenspitzen und füttert den Schimmel mit etwas Hafer aus  seiner flachen Hand. Haribo wiehert leise vor Freude, schüttelt seine Mähne und neigt seinen Kopf ganz dicht zu Kelvin hinunter: „Nein Kelvin, das geht wirklich nicht, du bist noch viel zu klein, um allein in den Sattel zu steigen. Zeige mir lieber einmal dein Gampiross. Ich habe noch nie ein richtiges Schaukelpferd gesehen.“

Das lässt sich Kelvin nicht zweimal sagen. Er bindet Haribo los und führt ihn langsam aus dem Stall, über den Hof und dann direkt zum Wohnhaus. Vor der Haustüre stockt das Pferd, aber Kelvin zieht es sanft weiter. „Du Haribo, wir müssen ganz leise die Treppen hinauf steigen. Hast Du mich verstanden?“ so fragt Kelvin den Schimmel.

Haribo hat Probleme die schmale Treppe hinauf zu steigen, aber es klappt trotzdem. Jetzt stehen beide mitten in Kelvins Zimmer. „Aber wo ist nun dein Gampiross?" fragt Haribo und schaut sich im Raum um. Ein Pony oder ein kleines Fohlen ist nirgends zu sehen, doch in einer Ecke steht ein hölzernes Pferd auf zwei halbrunden, nach oben gebogenen Kufen. Es ist schön angemalt, hat eine Mähne und auch einen richtigen Rossschwanz. „Da ist es“, sagt Kelvin stolz und zeigt auf sein Holzpferd, „möchtest du darauf schaukeln?“

Haribo stutzt etwas verlegen und wiehert: “Aber Kelvin, ich bin doch zu gross und zu schwer für dein Gampiross, .... und du, du bist zu klein, um auf mir zu reiten. Wir müssen beide mit unserem Schicksal zufrieden sein. Gehe du nur schön in dein Bettchen und schlafe tüchtig, dann wächst du schnell und kannst in kurzer Zeit auch auf einem richtigen Schimmel reiten.“

Kelvin schlüpft unter seine Bettdecke und ist schnell in seiner Traumwelt versunken. Das Pferd dreht sich leise um, steigt vorsichtig die Treppen hinunter und läuft in den Stall. Als am anderen Morgen die Kinder wieder in den Stall treten lachen  beide, denn sie haben ein Geheimnis.

Gestritten aber wurde unter den Geschwistern nie mehr.

Text und Bilder: Christiane Wild


 

 

Briefmarken aus einer Motivsammlung
briefmarken.htm


 

 

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