Nicht nur private, auch öffentliche Auftraggeber begleichen Rechnungen immer später

Zahlungsmoral läßt zu wünschen übrig

Bei Bau- und Ausbaubetrieben, die ohnehin seit längerem unter Auftragsmangel leiden, führt dies nicht selten zur Pleite

Von Christa Eder (Südeutsche Zeitung vom 24.1.1998)

Wenn ein Auftraggeber nicht pünktlich zahlt, kann ein Betrieb leicht in die Bredouille geraten. Wenn die Außenstände dann auch noch kumulieren und Liquiditätsengpässe entstehen, ist selbst ein "gesunder" Betrieb nicht vor dem "worst case", der Zahlungsunfähigkeit, dem Konkurs, gefeit. Die Creditreform Wirtschafts- und Konjunkturforschung, Neuss, hat in einer Untersuchung festgestellt, daß sich die Zah- lungsmoral seit fünf Jahren kontinuierlich ver- schlechtert. Grund: Die Zunahme der Insolven- zen, die 1997 wieder Rekordhöhe erreicht haben. 34 100 Gesamtinsolvenzen (8,4 Prozent mehr als 1996), davon 27 700 Unter- nehmenspleiten (+ 8,5 Prozent) und etwa 550 000 arbeitslos gewordene Mitarbeiter (+ 13,8 Prozent) lautet die deprimie- rende Bilanz der Creditreform. Eine Regionaler- hebung wurde bislang nicht durchgeführt, aber die Prozentzahlen seien auch für den Raum München repräsentativ, wie der Pressesprecher der Creditreform, Michael Bretz, versichert. Während die Industrie weniger insolvenzanfällig ist, bewegen sich Einzelhandel und Dienstlei- stung im Mittelfeld. Das Baugewerbe hat die größten Probleme. Durch die Abnahme der Bauinvestitionen und die ausländische Billig- konkurrenz ist die Branche angeschlagen. Hinzu kommt, daß Bauunternehmen zum Teil zu hundert Prozent mit Bankkrediten arbeiten. "Ein kleineres Unternehmen mit 2 0 Mitarbeitern und 1,5 Millionen Mark Außenständen ist bei elf Prozent Bankzinsen schnell ruiniert", erklärt Eckhard Frikell, Geschäftsführer der Münchner Bauinnung.

Vorschußzahlungen nicht üblich

Während in den meisten Branchen Sofort- oder Vorschußzahlung üblich sind, muß die Bau- wirtschaft oft sehr lange auf ihr Geld warten. "Pro Bau müssen wir zunächst 200 000 bis 300 000 Mark vorschießen", so Elisabeth Renner von der Bauunternehmung Renner GmbH. "Die erste Abschlagzahlung ist erst 18 Tage nach Fertig- stellung der Kellerdecke fällig. Für die Schluß- rechnung kann sich der Kunde zwei Monate Zeit lassen." So schreibt es die VOB (Verdingungs- ordnung für Bauleistungen) vor. Die Realität sieht jedoch anders aus. Erst nach vier bis sechs Wochen bei Abschlagszahlungen und nach bis zu einem Jahr bei Schlußzahlungen haben die Bauunternehmer ihr Geld auf dem Konto - vorausgesetzt, der Kunde ist zahlungs- fähig. Mit dem Problem der schlechten Zahlungs- moral lebt die alteingesessene Baufirma Renner mit 75 Angestellten seit ihrer Gründung. So schlimm wie heute sei sie allerdings noch nie gewesen. "Früher hat ein Handschlag genügt, heute braucht man für jeden Vertrag zwei Anwälte", so Elisabeth Renner. Selbst eine Sicherheitsbürgschaft sei noch lange keine

Garantie, daß man später sein Geld bekomme. "Wenn ein Bauherr nicht zahlt, hat man zwei Möglichkeiten: Zuwarten und auf die Zahlungs- willigkeit beziehungsweise -fähigkeit hoffen oder den Rechtsweg beschreiten und zwei bis drei Jahre auf den Gerichtstermin warten. Je größer der Auftraggeber, so Renner, desto länger wartet man auf sein Geld."

Nicht besser ergeht es Straßenbaufirmen. Diese Branche ist fast ausschließlich von staatlichen und kommunalen Aufträgen abhängig und be- kommt somit die chronische Leere in den Kas- sen der Öffentlichen Hand voll zu spüren. "Es kann Monate dauern, bis die erste Abschlags- zahlung kommt. Die Firmen befinden sich in einem ständigen Schwebezustand zwischen schwarzen und roten Zahlen", sagt Bernhard Kreuß, Leiter der Fachgruppe Straßenbau bei der Bauinnung, die unter anderen etwa 60 Münchner Straßenbaufirmen vertritt. Erschwe- rend hinzu kämen die restriktiven Bedingungen der Banken, die ihre Kreditrahmen seit der Schneider-Pleite immer enger steckten. Rund zehn Münchner Straßenbaufirmen mußten in den vergangenen Jahren wegen Liquiditäts- problemen aufgeben, schätzt Kreuß. Dabei hät- ten sie durchaus rechtliche Instrumente gehabt, ihre Außenstände einzutreiben. In der Regel machten aber die wenigsten davon Gebrauch, weil sie befürchteten, bei der nächsten Vergabe leer auszugehen. Ein falsches Verhalten, findet Frikell: "Die Firmen sollten sich nicht scheuen zu mahnen, denn auch Beamte sind in der Regel bestrebt, Liegengebliebenes zu erledigen."

Von der schlechten Zahlungsmoral sind Betriebe jeder Größenordnung betroffen. Auch ein Groß- unternehmen wie die BayWa AG beklagte für 1996 428 Millionen Mark Außenstände; 1995 waren es 410 Millionen. Knapp die Hälfte der Forderungen mußte abgeschrieben werden. Pressesprecher Lothar Schönberger bestätigt, daß diese Ausfälle überwiegend auf Unterneh- menspleiten im Bau und Ausbau zurückzufüh- ren sind.

Zinsgewinn mit später Zahlung

Daß die Firmen wegen Konkurses nicht zahlen können, ist für Schönberger nur eine Seite: "Die Zinsgewinne der Schuldner sind die andere. Eine Rechnung in Millionenhöhe wirft pro Tag viel Gewinn ab. Je länger der Betrag auf dem Kun- denkonto liegt, desto besser." Schönbergers Fazit: "Je knapper die Zeiten, desto schlechter die Moral." Die BayWa hat aus den schlechten Erfahrungen bereits Konsequenzen gezogen. Seit 1996 hat sie ihr Debitoren-Management ver- stärkt. "Wir prüfen heute die Liquidität unserer Kunden um vieles genauer als früher."