tone zone: Equipment im HÄRTEtest mit Linde
in RockHard, Dezember 2000
(Andreas Himmelstein)
Mit HIM durch den Siebensaiter-Wald

guitar test


Vor einigen Wochen fand auf unserer Homepage unter den Lesern eine Diskussion zum Thema "siebensaitige Gitarren" statt. Diese Diskussion und die Emsigkeit, mit der die Instrumentenhersteller im Moment ein Modell nach dem anderen auf den Markt werfen, hat uns dazu veranlaßt, einige dieser Dinger mal anzutesten.

Ausgesucht haben wir uns vier bezahlbare Modelle der Mittelklasse, die eigentlich nur die Gemeinsamkeit haben, daß sie jeweils über zwei Humbucker in der Steg- und Halsposition verfügen. Um dem Ganzen mehr Würze zu geben, schleppten wir Linde von HIM in die Redaktion, der ja bekanntlich eine normale sechssaitige Gitarre in der Stimmung einer Siebensaitigen spielt. Soll heißen: Er benutzt einen Siebensaiter-Satz, läßt die hohe E-Saite weg und stimmt das Ding eine Quart tiefer, also H, E, A, D, Fis, H. Eine erste Überraschung ergibt sich, als Linde sein neuestes Schätzchen - eine '77er Gibson SG - aus dem Koffer holt, die er für schlappe 1.300 DM in einem kleinen Shop in Helsinki erworben hat. Der gute Mann ist nämlich wieder zur normalen Stimmung zurückgekehrt.

"Ich hab' jetzt mehrere Jahre in der tiefen Stimmung gespielt, und mittlerweile langweilt es mich einfach, so daß mal wieder eine Veränderung her mußte."

Dann dürften eure Songs live jetzt ja ein wenig anders klingen.

"Nein, eigentlich nicht. Einige Songs werden wir wohl aus dem Set nehmen, aber ansonsten nehme ich, wenn ich z.B. einen H-Powerchord spiele, einfach noch mal die Quinte (Fis) auf der tiefen E-Saite mit, so wie es Ritchie Blackmore öfters macht. Das klingt sogar druckvoller als in der tieferen Stimmung, weil der Akkord transparenter rüberkommt."

Warum hast du in den vergangenen Jahren nie eine Siebensaitige gespielt?

"Als ich mich dazu entschlossen habe, in dieser tiefen Stimmung zu spielen, gab es kaum ansprechende Modelle auf dem Markt. Da ich totaler Gibson-Fan bin, kam es für mich überhaupt nicht in Frage, mir irgendwas anderes um den Hals zu hängen."

Da liegt es natürlich nahe, daß er sich zunächst mal die Epiphone Les Paul schnappt und einer Prüfung unterzieht. Die Gitarre hat einen Korpus aus Mahagoni, 22 einwandfrei verarbeitete Jumbo-Bünde, zwei Epiphone-Humbucker und einen eingeleimten Hals. Also eigentlich alles wie bei einer normalen Les Paul, wäre da nicht dieses Monster von Hals. Das Ding gewinnt durch die zusätzliche Breite soviel mehr an Volumen, daß es für Leute mit kurzen Fingern ziemlich schwer wird, sich auf diesem Baumstamm zurechtzufinden. Gerade dann, wenn man wie Linde die Angewohnheit hat, mit dem Daumen über dem Griffbrett zu spielen, ist erst mal eine längere Eingewöhnungsphase nötig.

"Obwohl es natürlich erst mal ziemlich ungewohnt ist, auf einer Siebensaitigen zu spielen, finde ich den Hals gut. Er vermittelt ein gutes Spielgefühl."

Und so jagt Linde ein paar Stoner-Rock-Riffs durch die Speaker, immer wieder unterbrochen von kurzen Rock'n'Roll-Licks im Stile eines Angus Young. Die Epiphone hat einen natürlichen, satten und warmen Klang, wie man es von einer Les Paul gewohnt ist. Auch die leichte Kopflastigkeit, die sich durch den fetten Hals ergibt, scheint Linde nicht zu stören.

Die Epiphone ist ein Siebensaiter in einer traditionellen Form, inklusive aller Vor- und Nachteile einer herkömmlichen Les Paul. Für 1.300 DM bekommt man eine gute Gitarre, die für ein bißchen frischen Wind in der bisher so einseitigen Siebensaiter-Modellpalette sorgt.

Als nächstes schnappt Linde sich die Ibanez RG 7420. Und wieder hört man seine Vorliebe für Gitarristen wie Josh Homme, Neil Young oder John Lee Hooker - also nix mit Düster-Rock. In einer kurzen Spielpause erzählt er, wie er zum Gitarrespielen gekommen ist: "Als ich etwa zehn Jahre alt war, hab' ich in einem Schaufenster eine Gitarre gesehen und war direkt so fasziniert von dem Ding, daß ich sie unbedingt haben mußte. Es war also nicht so wie bei den meisten Leuten, die über einen Song, ein Riff oder einen Freund, der bereits eine Gitarre hat, zu diesem Instrument kommen."

Wenn dich der bloße Anblick einer Gitarre so in Verzückung versetzt hat, sollte man eigentlich davon ausgehen, daß du deine Klampfen hegst und pflegst und nicht bloß als einen simplen Gebrauchsgegenstand betrachtest.

"Jein. Bei manchen Auftritten verspüre ich das dringende Bedürfnis, das Teil komplett in seine Einzelteile zu zerlegen. Das würde ich wohl nicht tun, wenn mir besonders viel an den Dingern läge. Allerdings hab' ich auch einige Gitarren, die ich nur im Studio einsetze, z.B. eine Dia. Ich glaube, diese Firma existiert schon länger nicht mehr. Die Gitarre ist zwar eine japanische SG-Kopie, aber sie klingt sehr gut. Da sie sehr alt und selten ist, benutze ich sie nie bei Live-Auftritten. Ansonsten verwende ich live aber genau dieselben Sachen wie im Studio; sowohl bei der Amp als auch die Pedale sind absolut identisch."

Doch zurück zur Ibanez. Die Axt ist mit zwei V 77-Humbuckern, 24 Jumbo-Bünden, einem Lindenkorpus sowie einem Lo-Trs 7-Tremolo bestückt. Also nicht unbedingt das Material, das allgemein als hochwertig bezeichnet wird, aber da an der Verarbeitung nichts auszusetzen ist und für die Klampfe mit ein bißchen Suchen auch nicht mehr als 1.500 DM auf den Tisch gelegt werden müssen, soll uns das nicht weiter stören.

"Die Gitarre klingt im verzerrten Betrieb ein wenig heftiger als die Epiphone und dürfte wohl in erster Linie pure Metaller ansprechen. Der dünne Hals erleichtert zwar das Umsteigen von einer Sechssaitigen, gefällt mir persönlich aber nicht so gut. Ich bevorzuge eher etwas dickere Hälse, die vermitteln mir ein besseres Spielgefühl. Die Frickelfraktion dürfte aber ihre helle Freude daran haben. Das Tremolo macht hingegen einen guten Eindruck. Ich selbst benutze zwar keine Tremolos, aber wer es braucht, wird hier gut bedient."

Nach dieser Aussage sollte man gar nicht glauben, daß Steve Vai, der ja bekanntlich maßgeblich an der Entwicklung diverser Ibanez-Modelle (u.a. auch der ersten Siebensaiter-Modelle namens Universe, die Anfang der Neunziger auf den Markt kamen) beteiligt war, einen großen Einfluß auf den Werdegang des Mannes aus Helsinki hatte.

"Ich war früher ein totaler Steve Vai-Fan. Diesen Einfluß hört man meinem Spiel zwar nicht an, aber er ist auch heute noch der einzige dieser ganzen Shredding-Gitarristen, den ich gerne spielen höre, weil er einen einzigartigen Stil hat. Diese Bewunderung gipfelte darin, daß ich vor ein paar Jahren nach Boston ging und einen zweimonatigen Sommerkurs am Berkley-Institut belegte. In diesen zwei Monaten habe ich mehr gelernt als in den zwei Jahren an einer Musikschule in Helsinki, die ich vier bis fünf Mal die Woche besucht habe. Ich hatte vor- und nachher auch noch einige private Lehrer, aber keiner war in der Lage, mir den Stoff so gut zu vermitteln wie die Jungs in Amerika. Allerdings war das Ganze natürlich auch mit viel Disziplin und Arbeit verbunden. In manchen Phasen habe ich bis zu acht Stunden am Tag geübt."

Mittlerweile hat er sich die ESP/LTD M 207 umgeschnallt und schreddert noch mal die gleichen Riffs und Licks runter. Die Gitarre ist der Ibanez sehr ähnlich. Optisch unterscheidet sie sich in erster Linie durch die nach oben gerichtete Kopfplatte und die sogenannten Arrowhead-Inlays auf dem Griffbrett, die das Instrument ein wenig edler aussehen lassen. Anstelle des Lo-Trs 7-Tremolos gibt es ein Floyd Rose Licensed 7, das u.a. dadurch auffällt, daß der Hebel nicht nur (wie beim Ibanez-Modell) eingesteckt, sondern zusätzlich noch verschraubt wird. Es ist schon ein wenig enttäuschend, daß den Technikern nach all den Jahren immer noch keine bessere Lösung eingefallen ist. Auch wenn man die Mutter sehr fest anzieht, hat der Hebel immer noch zuviel Spiel, so daß die Spielbefehle mehr oder weniger indirekt die Saiten erreichen. Da hat Ibanez einfach immer noch die Nase vorn. Von den beiden Duncan-Design-Humbuckern abgesehen, ist der Rest der ESP mit der Ibanez identisch. Drei-Wege-Schalter für die Tonabnehmer, ein Poti für die Lautstärke, einer für die Tonregelung, 24 Jumbo-Bünde auf dem Hals, der erneut ziemlich flach daherkommt. Allerdings fällt er etwas breiter aus als bei der Ibanez, so daß das Handling für die Leute mit den kurzen Fingern wieder ein bißchen schwieriger werden dürfte.

Linde kommt zu einem fast identischen Fazit: "Wieder eine Gitarre für die Shredding-Abteilung, und daß das nicht so mein Fall ist, erwähnte ich ja bereits. Das Gerät klingt zwar nicht ganz so aggressiv wie die Ibanez, hat dafür aber ein wenig mehr Volumen im Klang. Daß die beiden Gitarren durch den aufgeschraubten Hals und das Tremolo weniger Sustain haben, stört mich dagegen weniger, da ich eh keine Solos mit endlos langen Tönen spiele."

Auch wenn sich auf diesen dünnen Hälsen wunderbar rumflitzen läßt, sollte man nicht vergessen, daß sie entsprechend sensibel auf äußere Einflüße reagieren. So reicht manchmal schon eine kleine Verbeugung, und der Ton senkt sich hörbar nach unten. Daß für die ESP zwei Blaue mehr als für die Ibanez berappt werden müssen, wirkt sich auch nicht gerade positiv auf die Bewertung aus.

Bevor Linde sich die letzte Gitarre, eine Schecter A-7, schnappt, gewährt er einen kurzen Einblick in den Songwritingprozess bei HIM: "Ville schreibt eigentlich alle Songs und kommt oft schon mit den fertigen Sachen in den Proberaum. Dadurch habe ich natürlich nur einen begrenzten Rahmen, in dem ich meine Sachen unterbringen kann. In diesen Grenzen kann ich allerdings spielen, was ich will. Wenn mir irgendwas überhaupt nicht gefällt, spiele ich es auch nicht. Es kommt allerdings auch vor, daß wir die Sachen dann im Proberaum ziemlich lange jammen und der Song noch einige Male verändert wird. Wenn bei diesem Jammen ein geiles Riff herauskommt, kann es sein, daß der ganze Song anschließend darauf aufgebaut wird oder ein komplett neuer Song entsteht."

Mittlerweile knallt Linde seine Riffs über die Schecter durch die Speaker und zeigt zum ersten Mal ein wenig Begeisterung: "Das ist die bisher beste Gitarre! Mit dem Hals komme ich sehr gut zurecht, und das Ding klingt satt und fett. Die Optik ist zwar nicht ganz so mein Ding, aber das ist ja Geschmackssache."

Die Schecter kommt in einem originellen Design daher, das man durch die beiden verschieden langen Cutaways wohl am ehesten als stark modifizierte Strat-Form bezeichnen kann. Der massige Body aus Mahagoni ist in mattem Schwarz lackiert und gibt dem Instrument eine Metal-Optik, ohne jedoch dick aufzutragen. Es kommen die gleichen Duncan-Design-Humbucker wie bei der ESP zum Zuge, und auch die Anzahl der Bünde ist mit 24 identisch mit den beiden vorangegangenen Modellen. Der Hals fällt ein wenig dicker aus, ist aber von den Maßen der Epiphone noch ein gutes Stück entfernt. Die Mechanik für die zusätzliche Saite befindet sich am oberen Rand der Kopfplatte, wohingegen die restlichen sechs an der unteren Seite angebracht sind, was die Orientierung beim Stimmen vereinfacht. Ansonsten ist alles wie gehabt: Drei-Wege-Schalter für die Wahl der Tonabnehmer und je ein Poti für die Lautstärke und die Tonregelung. Allerdings kommt die Gitarre ohne Tremolo aus, wodurch sie mehr an Sustain gewinnt. Durch den massigen Korpus bringt sie zwar noch ein gutes Kilo mehr auf die Waage als die Les Paul (die Ibanez und ESP sind absolute Leichtgewichte), hat aber dadurch den Vorteil, noch fetter und druckvoller zu klingen. Selbst die tiefsten Akkorde klingen absolut transparent und kein bißchen muffig, und die Tonabnehmer verleihen dem Sound die nötige Aggressivität, ohne ihn an Wärme einbüßen zu lassen. Für 1.700 DM bekommt man eine qualitativ hochwertige Gitarre in einem außergewöhnlichen Design.

Während Linde sich abschließend noch mal seine '77er SG umschnallt, plaudert er über ein Side-Project: "In Helsinki spiele ich zum Spaß in einer Stoner-Rock-Band namens Daniel Lioneye And The Blues Explosion, in der ich singe und Gitarre spiele, während Ville am Schlagzeug sitzt und Migé den Bass bedient."

Da eure US-Pläne mit HIM ja erst mal auf Eis liegen, müßtet ihr doch eigentlich genügend Zeit finden, mal was aufzunehmen und eventuell sogar eine Platte zu veröffentlichen.

"Es gab durchaus einige Label, die Interesse daran hatten, "Razorblade Romance" in Amerika zu veröffentlichen. Allerdings kamen sie kurz vor dem Abschluß der Verträge zu dem Schluß, daß ein Text wie ,Join Me' wohl doch ein wenig zu heiß für ein Land wie die USA sei, und wollten dann einfach zuviel Einfluß nehmen, so daß wir uns entschlossen haben, das Ganze vorerst sein zu lassen. Auch wenn HIM absoluten Vorrang haben, kann es sein, daß wir mit der Blues Explosion mal ein Studio besuchen werden, wenn sich zwischen der nächsten Europatour und den Aufnahmen zum neuen HIM-Album genügend Zeit findet."

Nachdem der letzte Ton verklungen ist, fällt Lindes Fazit bezüglich der Siebensaiter wenig überraschen aus: "Da ich ja zur normalen Stimmung zurückgekehrt bin, brauche ich mir eigentlich keine Gedanken über die Anschaffung einer Siebensaitigen zu machen. Im Test konnte mich auch keine der vier Gitarren davon überzeugen, meine Gibson durch etwas anderes zu ersetzen. Sollte mich allerdings ein Freund beim Kauf einer Siebensaitigen um Rat bitten, würde ich ihm die Schecter empfehlen. Was die Spielbarkeit und den Klang betrifft, entspricht sie meinem Geschmack am ehesten. Frickelfinger werden aber mit Sicherheit mehr Freude an den flachen Hälsen der ESP oder Ibanez finden."

Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, daß Schecter die A-7 und andere Modelle mit Tremolo anbietet, während Ibanez und ESP verschiedene Modelle auch ohne Tremolo ausliefern. Wer sich für einen Siebensaiter entschieden hat und die Dinger zu den oben angegebenen Preisen im Laden entdeckt, sollte möglichst schnell zugreifen, denn es ist damit zu rechnen - dem Euro sei Dank - , daß sich die Preise in der nächsten Zeit spürbar nach oben bewegen werden.


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