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David und Rainer Krispel interview Guy Picciotto

„McDonald’s hat meine erste Gitarre finanziert“

Anlässlich des Welser Festivals Music Unlimited spielte Guy Picciotto in der eklektisch zusammengestellten Formation International Silence. Im folgenden Interview gibt er Auskunft über seine gegenwärtigen Aktivitäten und eine kleine Punkband namens Fugazi

Q: Wie bist du zu diesem Auftritt gekommen?

GUY: The Ex spielten vor ein paar Monaten in den Vereinigten Staaten. Terrie (ihr Gitarrist, Anm.) schickte mir ein EMail und fragte, ob ich nicht in einer Band mitspielen wolle und bei einem Festival auftreten möchte. Ich gab zu bedenken, dass ich mir nicht so sicher wäre, ich habe noch nie improvisierte Musik gespielt. Ich habe da keinen Background. Er meinte: „Mach dir keine Sorgen“. Sie schickten mir ein Ticket und jetzt bin ich da. Die meisten Leute in der Band habe ich noch nie getroffen, geübt haben wir auch nicht, es wird also echte Improvisation sein. Für mich wird das sehr aufregend.

Q: Sind solche Projekte für dich jetzt ein Weg, auch außerhalb von Fugazi aufzutreten?

Ich stand seit einem Jahr auf keiner Bühne mehr. Es ist schön, mit neuen Musikern auftreten zu können. Ich habe so etwas noch nie zuvor gemacht.

Q: Bei laufen die Dinge jetzt ein wenig langsam?

Ich weiß nicht, ob sie langsam laufen; sie laufen eher überhaupt nicht. Nach einem London-Auftritt letzten Jahres hatten wir ein Treffen und Brendan, der Schlagzeuger, teilte uns mit, dass er zum dritten Mal Vater würde und dass er eine Aus-Zeit braucht. Wir treffen uns hin und wieder, um geschäftliche Dinge zu klären, aber das ist im Moment alles. Wir werden nicht spielen, bevor sich alle wieder voll darauf konzentrieren können. Wir konnten wegen der ganzen Familienangelegenheiten einfach nicht mehr richtig arbeiten. Vor allem Brendan wurde der Druck, in einer Band zu sein und drei Kinder zu haben, zu viel. Um keine Kompromisse machen zu müssen, legen wir jetzt diese Pause ein, bis jeder wieder voll da sein kann. Es lag schon viel Spannung in der Band, die sich daraus ergab, dass einige unbedingt spielen wollten, andere aber nicht konnten. Mit so einer Spannung kann man keine Musik machen. Jetzt ist auch noch Joe, unser Bassist, nach Los Angeles gezogen, es gibt also im Moment keine Aussicht, dass wir bald wieder spielen werden. Ich warte auf den Anruf. Ich bin immer bereit. Es gibt kein Gefühl in der Band, dass wir nicht mehr zusammenarbeiten können, die Umstände sind gerade einfach zu kompliziert. Wir sind jetzt 6 Jahre dabei und es war wirklich schwer, diesen Schritt zu setzen. Die Band kann nur mit uns vieren existieren, niemand kann ersetzt werden.

Q: Ist das für dich im Moment ein großer Verlust?

Ich fühle mich wie ein Fabrikarbeiter, der nach 20 Jahren gewaltsam in Pension geschickt wird. So auf die Art: „Scheiße! Was mache ich jetzt?“ Im letzten Jahr habe ich viele Platten produziert. Ich habe intensiv mit Blonde Redhead gearbeitet und mit Casual Dots, einer neuen Band aus D.C. Ich will aber Musik spielen. Ich spiele auch viel, zum Beispiel mit Edward Janney von RitesOfSpring. Irgendwas anderes wird passieren, aber es fühlt sich echt seltsam an. Fugazi war stetige Arbeit. Wir waren ständig auf Tour, haben dauernd Musik geschrieben und regelmäßig Platten aufgenommen. Wir haben uns der Band voll gewidmet und wirklich viel gearbeitet.

Q: Hast du einen speziellen Zugang bei deiner Arbeit als Produzent?

Das kommt ganz auf die Gelegenheit an. Lange Zeit hatte ich ein kleines 8-Spur-Studio im Keller meines Hauses. Dort machte ich alles; Mikros aufstellen, Tontechnik, Produktion und Mixen. Ich bin umgezogen und habe dieses Studio nicht mehr. Wenn ich jetzt in größere Studios gehe, arbeite ich oft mit einem Tontechniker. Bei Blonde Redhead sind die Arrangements auch Teil meiner Arbeit. Musikalische Ideen, Mischen und so weiter. In diesen größeren Studios überlasse ich die Technik jemand anderem. Ich bin kein Technik-Profi, ich kann ein Mischpult bedienen, aber in technischen Detailfragen fühle ich mich nicht sicher genug. Mit meinem eigenen Equipment schon, aber in einem großen Studio nicht.

Q: Mir gefiel immer der offene Raum eurer ersten Mini-LP; etwas, das dann in eurer Musik später nicht mehr so zu finden war.

Das war so, weil ich noch nicht Gitarre spielte. Das hat mit der Produktion nichts zu tun, es war einfach ein Instrument weniger. Das waren die Songs, die Ian und Joe gemeinsam geschrieben haben. Dieser Groove kommt aus der Kombination von Ian's Gitarre und Joe's Bass, die wirklich ideal ineinander griffen. InnerEar war damals noch ein kleines Keller-Studio. Wir remastern gerade die alten Bänder. Sie sind so alt, dass sie schon auseinanderfallen. Es war beängstigend. Wir nahmen „Repeater“ und legten das Tape ein, und es zerflog nur so in alle Richtungen. Das waren die Mastertapes! Bei „Waiting Room“ stoppte die Maschine, weil es so verdreckt war. Es hat sich einfach in Müll verwandelt. Das war ein schreckliches Gefühl. Wir mussten sie im Ofen neu backen. Eine nervenaufreibende Arbeit! Wir wollen diese Tapes aber retten und besser archivieren. Es gibt da Tapes aus etwa zwei Jahrzehnten, die wirklich ärmlich gehandhabt wurden; alle Fugazi Platten sind darunter.

Q: Du bist einer der intensivsten Performer, die ich je gesehen habe. Findest du diese Intensität auch im Studio?

Nein, es ist ein großer Unterschied. Für mich ist das Touren ein spezieller Teil meines Lebens, der unterschiedlich zu allem anderen ist, was ich sonst mache. Gewisse Dinge kann ich nur auf einer Bühne freisetzen. Produzieren und Arbeit im Studio ist für mich das völlige Gegenteil. Da geht es um Aufmerksamkeit in Detailfragen, Fokus und Disziplin. Auf der Bühne existiert das nicht. Je weniger Fokus umso besser. Ich möchte mich da völlig im Moment verlieren … so funktioniert das im Studio nicht. Als ich anfing im Studio zu arbeiten, brauchte ich lange um eine Methode zu finden, die für mich sinnvoll ist. Du kannst nicht die ganze Zeit zu verbissen sein, sonst verängstigst du die anderen. Da ist ein wenig mehr Balance gefragt.

Q: Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Schon als Kind war ich von Musik fasziniert. Ich war ein Beatles-Besessener. Ich habe mir eine Regel ausgedacht: Erst wenn ich jeden Beatles-Song hatte, durfte ich mir andere Musik anhören. Das war ganz gut, es hat mich vor viel schlimmer 70er Jahre Musik geschützt, weil ich nur Beatles hörte. Als ich dann alles von ihnen hatte, ging es mit Punk los, so um ’78/’79. Es gab ein Untergrund-Radio in Washington, das die ganze Musik aus New York und England spielte. Mit dreizehn sah ich die Cramps live. Bei dieser Show verteilten die BadBrains Flyer, die ihre erste Show ankündigten. Diesen Gig sah ich, auch Ian war dort. Da begriff ich, dass in Washington etwas passierte. Ich erinnere mich noch, dass ich nach diesem Konzert unbedingt selber in einer Band sein wollte. Das waren fantastische Konzerte. Ian war etwas älter als ich. Er und seine Freunde gründeten zu dieser Zeit ihre ersten Bands: Teen Idles, Minor Threat. Mit vierzehn begann dann auch ich, mit anderen Leuten zu spielen. McDonald’s hat meine erste Gitarre finanziert. Ich war mit meinen Eltern dort essen und wäre fast an einem Stück Holz, das in meinem Burger, war erstickt. Mein Vater brüllte den Geschäftsführer an und sie gaben uns $40, damit war die Sache vergessen. Mit diesem Geld kaufte ich die Gitarre.