Meine alte Mühle

(von Helene Urbin)
 






Meine Heimat war ein sehr kleines Dorf, wir lebten auf einer Mühle, 2 km vom Dorf entfernt und wir hatten nur einen Nachbarn . Die Mühle lag in einem Tal , rundum waren unsere Felder und Wiesen und man sah von unserm Küchenfenster oben auf der Anhöhe vereinzelte Häuser vom Dorf stehen . Den ganzen Tag klapperte die Mühle , sie wurde mit Wasser in Betrieb gesetzt das von einem ziemlich grossen Weiher kam , der 500 m oberhalb der Muehle lag. Wenn man mahlen wollte, musste man die Schleusen öffnen.

Ich war die jüngste von 5 Geschwistern und liebte diese Mühle sehr . Ich wurde sehr verwöhnt von meinen Geschwistern und man nannte mich Ursel . Wir waren eine grosse Familie und liebten uns alle . Das kam wohl auch daher weil wir dort so einsam wohnten . Der Nachbar hatte 4 Kinder und lebte auch vom Bauernbetrieb . Der Mann ging zwar noch hie und da zu den andern Bauern aushelfen . Wir waren alle sehr gut beschäftigt : jeder hatte seine Arbeit . meine beiden Brüder Paul und Heinrich kümmerten sich um die Mühle zusammen mit meinem Vater , der damals noch sehr rüstig war . Meine beiden Schwestern Kathrin und Magdalena halfen der Mutter im Haushalt und auf dem Felde . Wir hatten ziemich viel Kühe und Schweine und einen sehr grossen Gemüsegarten , da gab es den ganzen Tag viel zu tun . Meine Jugend, die Schule und all das war für mich nicht so wichtig, Ich erinnere mich : ich lernte nicht sehr gern und wurde von jedem im Haus verwöhnt , am meisten von meinem Bruder Paul. Er war viel älter als ich und ich konnte ihm alles erzählen was ich so erlebte und nicht verstand und überhaupt wenn etwas nicht klappte, lief ich zu ihm . Er war es auch der mich, später als ich älter war, mitnahm wenn mal Kirmes bei uns war , das war immer im Monat Juni und das war ein richtiges Dorffest . Dann kamen alle unsere Verwandten und Freunde , die kamen schon morgens und feierten mit uns. Wir lebten schon zufrieden , jeder hatte seine Beschäftigung und es kam keine Langeweile auf .

Als ich 16 Jahre alt war, erfuhr ich erst dass unsere Mühle gar nicht unsere war , meine Eltern hatten sie nur gepachtet und mussten jedes Jahr viel Geld bezahlen, dass sie überhaupt da bleiben konnten . Das hat mich dann immer sehr gekränkt, dass es ja dann nicht unsere Heimat war und wir vielleicht einmal fort müssten  und wir hatten nie das Geld um da einmal kaufen zu können .  Es kam nun aber ganz anders : ich war 18 Jahre alt und mein Bruder Paul wollte, dass ich diese Jahr zur Kirmes mit feiern ging . Im Dorf war ein Wirtshaus , da wurde von 4 Uhr nachmittags an getanzt und diesmal ging ich dann mit hin . Das ganze Dorf feierte mit , das war immer so wenn mal was los war, da wollten dann alle dabei sein . Wir waren erst abends gegangen, als wir alle unsere Arbeit fertig hatten . Mutter war mit uns gekommen , Vater war zu Hause geblieben . Als wir ankamen ging es schon ziemlich hoch her und jedermann war in guter Stimmung, es wurde ziemlich viel getrunken und heute liess mal jeder seine Sorgen zu Hause ( wenn er welche hatte) .Uns gegenüber sass eine Familie , die  hatten wohl keine Sorgen denn sie hatten ein grosses Geschaeft mit allem was man so im Hause braucht und sie hatten nur einen Sohn mit Namen Franz , wir kannten uns gut wenn wir uns auch nicht oft sahen . Der schaute dann auch gleich zu uns herüber und meinte : "Seid ihr auch gekommen . Das freut mich aber ".  Bei mir haperte es sehr mit dem Tanzen, meine Brüder plagten sich um mir das beizubringen aber am Anfang wollte es nicht klappen . Auf einmal stand Franz vor mir und meinte :"Ursel,wollen wir es auch mal versuchen ?" So hatte dann alles begonnen mit uns beiden , aber an dem Abend war ich froh und glücklich und machte mir keine Sorgen . Ich amüsierte mich und es war einfach herrlich zu leben . Paul meinte noch :" Du hast das Tanzen aber sehr schnell begriffen ". Wir gingen so gegen 3 Uhr zur Mühle zurück und ich weiss noch der Weg kam mir gar nicht so weit vor und ich dachte nicht daran dass wir schon um halb sieben wieder aufstehn mussten . Montags morgens war dann eine Messe für alle Verstorbenen und da gingen wir dann alle wiedre nach dem Dorf . Als wir aus der Kirche kamen , war Franz dann wieder neben mir und fragte "Hast du gut geschlafen ?" "Ja", meinte ich " wie du siehst ." Er sagte  "Ich habe so viel an dich denken müssen , es war das erste Mal dass du mitgekommen bist. Ja, und ich habe mich so gut unterhalten, es war einfach herrlich ."  Man ist so sorglos wenn man jung ist und soviele Geschwister hat die einen verwöhnen . Nach der Messe sind wir alle zu Hause geblieben ,wir waren wohl zu müde .

In 14 Tagen beginnt die Heuernte und dann haben wir sehr viel Arbeit . Dann gehen die Männer schon um 5 Uhr mit der Sense mähen wenn der Tau noch im Grase ist , das ist eine schwere Arbeit . Abends wurde das Heu auf Haufen gemacht und morgens wieder ausgebreitet. Da war ich einmal am späten Nachmittag mit meiner Schwester Magdalena
beschäftigt das Heu zusammen zunehmen , da auf einmal stand Franz bei uns, er sah uns ein Weilchen zu und meinte :" Ich sehe ihr habt noch viel zu tun , dann werde ich euch lieber alleine lassen ." Als er fort war meinte  meine Schwester :"Weisst du , Ursel, du musst ihm gut gefallen haben, so ist er noch nie gekommen , wenn wir hier gearbeitet haben . "
Diese Leute sind so reich und haben nur ihn , der wird wohl einmal eine reiche Frau nehmen . Seine Mutter ist so eine stolze Frau und die wird nie zulassen , dass dass er ein armes Mädchen heiratet  , und so wurde bei uns beiden nicht mehr darüber gesprochen .

Am nächsten Tag war er aber wieder da und meinte :"Ursel, geh mit uns auf die Kirmes zum Nachbardorf am nächsten Sonntag "
"Mein lieber Franz , das kann ich nicht und will auch nicht mit dir allein zur Kirmes gehen, da müsste schon jemand von uns mit kommen, sonst würden meine Eltern das nie erlauben " Nun vergingen ein paar Tage und da meinte mein Bruder Paul, wir werden am Sonntag zum Nachbardorf zur Kirmes gehen, wer mit will muss es sagen, ich merkte schon, wer das erdacht hatte, liess mir aber nichts anmerken und ging am Sonntag mit . Es war eine halbe Stunde zu gehen , und ich dachte schon das wird ein langer Weg heute Nacht wenn wir müde sind . Wir haben uns dann alle gut amüsiert, ich habe den ganzen Abend getanzt aber am meisten mit Franz, er begleitete uns dann auch auf dem Heimweg und ich hatte so ein komisches Gefühl, dass er sich so um mich bemühte . Ich dachte, das ist doch nur ein Traum der einmal schnell vorbei ist. das ging aber so den ganzen Sommer durch und wir waren immer zusammen und waren aber einfach nur gute Freunde aber wir erzählten uns schon alles was wir so erlebt hatten wenn wir nicht zusammen waren . Das war eine sehr schöne Zeit , bis ich auf einmal merkte : du bist traurig wenn du ihn nicht siehst und ich gestand mir ein, dass ich ihn liebte . Nun war ich sehr bemüht es ihn nur nicht merken zu lassen ...

War das ein schönes Gefühl ! Wenn ich mich nur nicht täuschte , wenn man so jung ist, glaubt man oft man würde jemand lieben und später sieht man , dass es nicht wahr ist .
Nun , ich glaubte schon ,dass ich mich nicht täuschte . Wenn ich heute so darüber nachdenke, glaube ich zu träumen wie dann alles gekommen ist . Eines an ihm störte mich  sehr : dass er nie seine Meinung sagte , wenn er was sagte , war es immer genau das Gegenteil was er dachte, dieser Fehler störte mich so sehr , dass ich es einmal aussprach . "Du wirst dich einmal dadurch unglücklich machen " Aber dann lachte er nur ....

Ich liege schon 3 Jahre im Bett und kann nicht mehr aufstehen , in einem Sessel sitzen kann ich noch, das ist auch alles . Wenn sehr warmes Wetter ist , setzen sie mich ans Fenster. Aber hier unten in der Mühle sieht man hie und da jemand der aufs Feld fährt oder in die Mühle mit seinem Korn kommt , wenn ich hier sitze kann ich wenigstens noch stricken oder lesen oder sie bringen mir  die zwei kleinen Mädchen , die âlteste ist 4 Jahre alt und die jüngste steht noch nicht auf ihren Beinen , die hat 8 Monate . Ich bin nur froh dass mein Sohn so eine gute und liebe Frau bekommen hat , sie pflegt mich rührend und hat doch soviel Arbeit schon ohne mich dass es mir oft so leid tut dass ich nicht mehr helfen kann . Man gewöhnt sich an alles, so auch dass man nicht mehr gehen kann auf einmal sieht man dann das Leben von der anderen Seite und die Hektik ist verschwunden und man hat so gut Zeit nachzudenken auf alle die Plage und Mühe die man so in einem Leben mitmachen kann . Darum möchte ich meine Geschichte noch zu Ende erzählen ehe ich vom Leben Abschied nehmen muss, ganz so lange kann es ja nicht mehr dauern ....

Meine Geschichte werde ich wohl noch zu Ende schreiben können . Ich freue mich aber heute dass ich so ein schönes Leben hatte auch wenn das Glück nur so kurz war, es war aber herrlich . Ich erinnere mich noch so gut wie wenn es gestern gewesen wäre  als wir beide zum ersten mal alleine waren . Mein Geburtstag war gerade 2 Tage vorbei und ich hatte ihn schon vier Tage nicht mehr gesehen , an unserem verabredeten Ort war er nicht erschienen . Er war wohl irgendwohin und hatte keine Zeit mir was zu sagen . Aber an diesem Tag war er schon da als ich ankam .er nahm mich in seine Arme , entschuldigte sich und meinte "Ich war zwei Tage weg und konnte dir es nicht mehr mitteilen. . Ich war so glücklich ihn wieder zu sehen, es war so schön mit ihm zusammen zu sein, nichts konnte uns mehr trennen , keine Vorurteile und keine kleine Welt . Für uns gab es nur mehr uns beide . Später als ich nach Hause ging machte ich mir schon so meine Gedanken. Ich war doch so jung und sah nur ihn, aber glaubte ich, das muss wohl so sein im Leben. Wir hatten in diesem Sommer sehr viel zu tun und die Zeit verging im Fluge aber wir beide sahen uns immer öfter und verstanden uns so gut wie am ersten Tage . Des öfteren machte ich mir aber Vorwürfe und dachte bei mir, das kann nicht gut gehen, du bist noch so jung und was soll daraus noch werden aber wenn man jung und verliebt ist denkt man immer nur an das Schöne aber es kommt zuweilen anders als man denkt ......
 


All photos by Artie Frisch
Copyright © 2000 by Artie Frisch
All rights reserved. No part of this work may be reproduced, stored in a retrieval system or transmitted in any form by an electronic, mechanical, photocopying, or recording means, or otherwise, without prior written permission of the copyright holder. Permission for non-profit transmission and display to individual readers/viewers on the World-Wide-Web is hereby granted. 
Zurück zur Anfangs-Seite