FLUX belletristik | |
Martin Suter | "Die dunkle Seite des Mondes" |
Diogenes Verlag | |
Unfreiwilliger, moderner Robinson | |
Urs Blank, Schweizer Wirtschaftsanwalt, führt ein gutbürgerliches geregeltes und auch langweiliges Leben bis zu dem Tag, an dem er mit bewußtseinserweiternden Drogen, genauer mit Halluzinationen erzeugenden Pilzen, in Berührung kommt. Diese Erfahrung wirft ihn aus der Bahn. Blank lebt in einem seltsamen Zustand jenseits der Realität. Seine einstmals gefestigte Persönlichkeit verändert sich. Er empfindet nichts mehr. Seine plötzlichen Stimmungsschwankungen beunruhigen die Kollegen und Mandanten der Kanzlei. Niemand kann sich den radikalen Wandel Blanks erklären, ebensowenig das plötzliche Verschwinden des erfolgreichen Anwalts. Urs Blank steigt aus seinem Leben aus. Er wird zum Survivalisten, zum Waldläufer, zu einem unfreiwilligen Robinson, der sich vor der Zivilisation versteckt, um nicht durchzudrehen und wohl auch aus dem Instinkt heraus, daß er in den dunklen Wäldern keiner Menschenseele begegnen und gefährlich werden könnte. Doch es kommt anders, denn Blank wird gesucht und von einem rachsüchtigen und zu allem entschlossenen Mandanten gejagt. Eine fantastische Geschichte, eine spannende, eine äußerst komplexe Geschichte entwickelt Martin Suter aus dem unspektakulären Anfang heraus. Erzählt wird die „midlife crisis“ eines Mannes, der aus dem Tritt des Alltagstrotts gerät, als er von den verbotenen Früchten nascht. Danach ist für ihn nichts mehr wie es war. Die Menschen, die ihm etwas bedeutet haben, sind ihm egal geworden. Er ist unfähig, irgendetwas zu empfinden. Er fällt von einem in ein anderes Extrem. Nicht mehr die scheinheilige Welt des Geldes interessiert ihn, sondern die eigene Heilung, die Möglichkeit, gesund zu werden und in eine „kranke“ Welt zurückkehren zu können. Denn Suter läßt seinen Helden konsequenterweise, aber etwas unlogisch, sich selbst erkennen und bietet eine Lösung an: Blank macht sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Pilz, um die Erfahrung rückgängig machen zu können. Augenblicklich denkt man an mittelalterliche Stoffe, in denen der Held von seiner anfangs hohen Position tief fällt, um anschließend Buße zu tun, sich auf Sinnsuche zu begeben und als geläuterter Mensch in die Welt zurückkehren zu können. Zum Glück relativiert die überraschende Wendung am Ende des Buches diesen Vergleich. Überhaupt scheint die Schluß-„Pointe“ keineswegs überzogen, sondern nur folgerichtig zu sein. Martin Suter setzt mit seinem Buch „Die
dunkle Seite des Mondes“ einen Akzent in der so blutarmen deutschsprachigen
Literatur. Er schreibt Unterhaltungsliteratur im besten Sinne, spannend,
verwirrend und den Leser mit vielen Fragen zurücklassend.
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