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ESSAY
HAIDER ÜBER ALLES
Das Hauptproblem mit Haider ist nicht Haider, sondern seine Wähler und der journalistische Umgang mit ihm. F. Plassner hat gesagt: Für den modernen Popolismus stellen die Massenmedien einen Resonanzboden dar, in dem sie das populistische Angebot in Form eines Akteurs, einer Botschaft, eines Appells an ein disperses, heterogenes, latent unzufriedenes Publikum herantragen. Die Massenmedien fungieren dabei als Verstärker. Diese Worte sollten wir uns alle vor Augen halten, immer dann, wenn wir es mit Herrn Haider oder ähnlichen Erscheinungen zu tun haben. Ganz besonders gilt dies für den Journalismus, und da wiederum besonders für das Fernsehen und seine schnelle Art, mit solchen Phänomenen umzugehen. Herr Haider ist von berauschend telegener Macht. Das hat auch Andreas Platthaus in der FAZ(34,10.02.00) erlebt. Er bescheinigt ihm anläßlich der ersten bundesdeutschen Fernsehauftritte kindliche Züge, undein lausbübisches Lachen. Diese Eigenschaften des Politentertainers verwendet er, um Antworten ohne Inhalt zu geben, die nur der Selbstdarstellung dienen. Ähnliche Beobachtungen machte auch Ulrich Weinzierl (FAZ 34) und bescheinigt Haider eine hemmungslose Umordnung der Welt und das er die Tatsachen nach seinem Belieben drehe. Alles richtig, doch könnten diese Charakterisierungen ebenso auf einige unserer eigenen Politiker zutreffen - und nicht nur im rechtsextremen Spektrum. Das eigentliche Problem mit dem netten Jörg ist die bundesdeutsche Angewohnheit, einen Konsens zwischen Fragestellern (Journalisten) und Befragten (Politiker) herzustellen. In aller Regel werden deutsche Politiker mit Glacéhandschuhen angefaßt. Journalisten fragen, Politiker antworten nicht. Sandra Kegel beschreibt das Ritual der Politikbefragung zutreffend (FAZ 15.02.2000):Haiders Gesprächspartner fühlen sich an Regeln gebunden, die Konflikte erträglich machen sollen. Diese Konsensstruktur steht Haiders militaristischer Konfliktstruktur hilflos gegenüber. Nur in den ersten Jahren ihres Aufbaus haben die Interviewer des Privatfernsehens öfter einmal nachgehackt, wenn ein Politiker eine Frage mal wieder nicht beantwortete. Eines Tages bemerkten sie dann, daß sie sich damit bei ihren Gönnern und Sponsoren unbeliebt machten und geben sich seitdem der ungehemmten Nichtigkeit hin. Die öffentlich - rechtlichen Kollegen eifern ihnen nach Kräften nach und bauen darauf, von den Politikern doch noch irgendwann die Wahrheit über einen Sachverhalt zu erlangen. Niemand kommt auf die Idee, Politiker mit ihren eigenen Waffen, das heißt, ihren Worten zu schlagen. Ganz besonders bei Rechtsextremen könnte man so vielleicht das Publikum mit der unverschämten Verdrehungstaktik und Unfähigkeit dieser Politgauner bekannt machen. Ein schönes Beispiel ist die von Haider brüsk als falsch bezeichnete Äußerung zur Hormonbehandlung von Ausländern. Die Stuttgarter Nachrichten verweisen auf ein Tonband mit einer Aussage von Thomas Prinzhorn, dem zweiten Nationalratspräsidenten, vom 22. September 1999. Auf der Aufnahme soll es heißen:Wenn ein Asylant in dieses Land kommt, kriegt er vom Sozialamt Medikation, die der Inländer nicht bekommt. Er bekommt zum Beispiel Medikamente zur Hormonbehandlung, um die Fruchtbarkeit zu steigern, vom Sozialamt gratis. In einem Interview mit dem ORF ergänzte Herr Prinzhorn dies: Ja, das stimmt. Der Artikel könnte noch ergänzt werden durch das Medikament, den Namen... Herr Haider hatte Herrn Prinzhorn für die österreichische Bundesregierung vorgeschlagen, was Bundespräsident Klestil zurückwies. Dies Äußerungen von Herrn Haiders Gesinnungsfreunden passen zu seinen Ausführungen in seinem Buch Die Freiheit, die ich meine:Wenn aber Politik nicht auf ethnischen Prinzipien aufbaut, dann hat die Menschheit überhaupt keine Zukunft mehr. Für wen macht er diese Sprüche? Nicht für die bürgerliche Mitte, aber für einen nicht geringen Teil der Bevölkerung seines Landes - und der Nachbarn. Plassner und Ulram stellten 1992 in ihrer Untersuchung fest, daß 56% der FPÖ - Anhänger Angst vor Ausländern haben (SPÖ 35%, Grüne 8%). Parteiverdrossene gibt es zu 45% (SPÖ 15%, Grüne 21%), autoritär Eingestellte zu 70% (ÖVP 40%, SPÖ 41%, Grüne 22%). Eine völlige Ablehnung des sogenannten Nationalsozialismus tragen 32% der FPÖ - Anhänger, 61% der ÖVP-, 55% der SPÖ-, 84% der Grünenanhänger. Die Fessel und GFK- Studie von 1994 nennt Gründe für die Wahlentscheidung. Danach entschieden sich 63% für die Rechtsextremisten, weil sie gegen Ausländerfluten seinen und 68%, weil sie ausdrücklich Haider unterstützen wollen. Angesichts eines solchen Wählerpotentials scheint kein Kraut gewachsen zu sein, um die Ausbreitung der Ansichten Herrn Haiders im Sinne von Demokratie und Freiheit zu verhindern. Oder doch? Ich glaube, wenn wie alle immer wieder auf die Inhalte aufmerksam machen und Haider wörtlich nehmen, denn das ist sein ganzer Trick: Er nimmt die Frage eines Interviewers ganz wörtlich. Wenn dann auch nur die Uhrzeit des genannten Zitats nicht stimmt, schlägt er zu und weist das Zitat zurück, aber nicht nur die Einzelheit, die nicht ganz korrekt wieder gegeben wurde, sondern das gesamte Zitat und stellt sich als Opfer von Tatsachenverdrehungen dar. Das kann man verhindern. Es gilt; Haider wörtlich zu nehmen und sich nicht austricksen zu lassen. Es muß aufgezeigt werden, wohin er mit seinen Idee marschieren möchte. Unter dem Stichwort 2Totalreform des Verfassungsstaats zählt Haider seine Ziele auf: - Bundeskanzler abschaffen - Präsident aufwerten - Entmachtung des Nationalrats - Stärkung der Länder - eine eigene Sicherheitskompetenz für die Länder - Bundesrat mit absolutem Vetorecht bei Gesetzbeschlüssen des Nationalrats - anstelle der kollektiven Tarifverträge Betriebsvereinbarungen -Ausschluß des Gewerkschaftsbunds -Grundrechte sollen vorrangig für Staatsbürger gültig sein - die Beschäftigung ausländischer Künstler und Investitionen sollen eingeschränkt werden, -Kunst soll nur im Sinne nationaler Interessen und Vorstellungen praktiziert werden.
Die Forderungen oder Vorschläge zum Bundeskanzler, zu Nationalrat und Vetomacht der Länder lassen vermuten, daß hier jemand auf dem Umweg über die Länder den Staat regieren möchte. Herr Haider müßte bei einer entsprechenden Reform nur genügen Anhänger in den Gemeinden und Kreisen finden, um die Bundesregierung in seinem Sinn fern zusteuern. Eventuelle Unruhen und Proteste würden dann wahrscheinlich mit der Sicherheitskompetenz der Gemeinden unter Kontrolle gehalten. Aus der starken Gemeinde kommt dann der starke Staat. Die Gewerkschaften sollen aus den Tarifverhandlungen heraus gehalten werden. Das kommt einer faktischen Entmachtung dieser Organisationen gleich. Wer würde denn noch Beiträge bezahlen, wenn die Gewerkschaften nicht mehr mit bestimmen, wenn Abschlüsse zustande kommen. Das Grundrechte nur für Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft gelten sollen, verstößt gegen die Vereinbarungen im Rahmen der EU. Kunst als nationalistische Erbauung hatten wir in Deutschland im angeblich 3. Reich. In ihrem Buch Haider wörtlich zitiert Brigitte Bailer - Galanda einige Äußerungen Herrn Haiders, die diese Tendenz unterstreichen. 1985 befragte ihn das Magazin Profil zum Nationalsozialismus: Profil: War die NS - Diktatur eine Diktatur wie jede andere? Haider: Ich glaube, daß man graduelle Unterschiede bei totalitären Systemen nicht machen soll. Sie sind insgesamt abzulehnen. Profil: die Naziherrschaft hat sich durch nichts von anderen Diktaturen unterschieden? Haider: Es ist nicht meine Aufgabe zu prüfen, ob Diktaturen anderswo humaner sind. Profil: die NS - Diktatur war die inhumanste? Haider: Diese Wertung haben sie vorgenommen. Ich werte nicht. In den Kärntner Nachrichten vom 6.11.1986 sagte er anläßlich einer Kranzniederlegung für die Opfer beider Weltkriege: Es ist beschämend, wenn man sieht, wie Menschen, die alles gegeben haben, was sie zu geben hatten - nämlich ihr Leben -, von Drückebergern und politischen Opportunisten mit Dreck beworfen werden. Damit muß ein für allemal Schluß sein. Es ist unverständlich, warum unsere Väter und Großväter Verbrecher sein sollen, wie so viele Politiker lautstark verkünden. Ich stehe zu dieser Kriegsgeneration, zu den Toten wie zu den Lebenden. Im Magazin Profil (16.03.1987) sagte er zum Thema Widerstandskämpfer unter anderem: Profil: Wäre es in ihren Augen respektgebietend, wenn ein solcher Soldat zu den Partisanen flüchtet, um an ihrer Seite gegen Hitler zu kämpfen? Haider: Aus meiner Sicht wäre so jemand ein Verräter, weil er damit nicht Hitler, sondern seinen eigenen Waffengefährten geschadet hätte. Man muß sich nicht wundern, daß Herr Haider sich in einem Schreiben an den Bundespräsident Kurt Waldheim weigerte, das übliche Ehrenzeichen an die Widerstandskämpfer zu verleihen. Haiders Auffassungen zu Volk und Staat stammen direkt aus der Mottenkiste der Unverbesserlichen und werden von den bundesdeutschen Rechtsextremisten (siehe Verfassungsschutzbericht) geteilt: Die auf dem Boden der Aufklärung gewachsenen, für Europa prägenden Ideen und Gesellschaftskonzepte sind überholt, am Ende oder überhaupt gescheitert. Das gilt für den Sozialismus ebenso wie für den Liberalismus.(Die Freiheit, die ich meine). Zum Thema Nation und Staatsbürgerschaft äußerte er sich in AULA:Dabei ist das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft besonderer Wert zu legen, die eine organische und ethische Gebundenheit des Menschen in verschiedenen Gemeinschaften, von der Familie bis zum Volk, zum Ausdruck bringt. Das ist nichts anderes, als der sogenannte Ethnopluralismus, wie er auch in Deutschland von Rechtsextremen vertreten wird. Hinter der Behauptung, jedes Volk habe bestimmte Eigenschaften, die unter bestimmten Bedingungen entfaltet werden können, steht die Forderung: jeder soll da bleiben, wo er geboren worden ist und nicht versuchen, sein Land zu verlassen. Damit schließt sich das Bild eines provinziellen Österreichs unter Haiders Führung. Ein Land, in dem das Blut und der Stammbaum über soziale Chancen und Rechte bestimmen und nicht Qualifikation und Wissen. Die Dummbatzen sollen an die Macht. Die rechtsextremen Faulenzer, die zu jeder Debatte mit den gleichen Sprüchen aufwarten, aber niemals konkret werden, wenn es um ernsthafte Arbeit im Parlament geht.
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