Wasteland, Voodoo und Viersternehotels
von Dominik Dusek "Zürcher Kultur" für Tages-Anzeiger
Siebens Bands unterschiedlichster Ausrichtung bestreiten den "Stadtsommer 2001". Im ersten Schub gabs Rambazamba, Glamour, Theatralik und Soul".

Das Konzept ist verführerisch. Welche Band wünscht sich nicht, einmal wie Kaiser Nero mit dem Finger schnippen zu können: "Man baue mir eine Bühne und der Kornhausbrücke!" Und Zack, schon steht sie da, samt Tonanlage und Getränkestand, also mit aller nötigen Infrastruktur, um loszurocken.
So ist es Sitte beim Zürcher "Stadtsommer", den das Präsidialdepartement der Stadt Zürich über den Popkredit auch heuer wieder ermöglicht. Was die Musiker freut, kann dem Publikum nur recht sein, schliesslich erfrischt die Eroberung ungewöhnlicher Orte auch die Sinne des Konsumenten.

... Um einiges dekadenter war dann tags darauf die Standortwahl der GUTTER QUEENS: der Hirschenplatz mitten im Niederdorf. Das darf nicht verwundern, denn in Musik und Gebaren hat sich die Band dem Glam Rock verschrieben, jener 70er-Jahre-Mode, die Androgynes und Bärbeissiges zu verschmelzen suchte, die mit dem Verzerrer verbundene Gitarren von den Hüften feminin geschminkter Männer baumeln liess und von der sich auch Pop-Helden wie David Bowie und Lou Reed vorübergehend angezogen fühlten. Bei den GUTTER QUEENS sah das so aus: Drei Männer und zwei Frauen posierten um die Wette, ausgestattet mit Federboas, engen Glitzerdressen, Cowboyhüten und forsch toupiertem Haar.

Am Unterleib des Gitarristen

Beliebte Worte aus der Geschichte des obszönen Rock'n'Roll wurden einem nur so um die Ohren geschleudert: "Voodoo Queen", "Gasoline", "Hustler", "Degenerated", "Wasteland" und so fort. "Hot in Hollywood" heisst die frisch getaufte CD der GUTTER QUEENS, und weils denn sein muss, wagte sich Sänger Jim Juvenile, das blonde Gift der Band, auch zweimal halbherzig an den Unterleib des Gitarristen heran. Gecovert wurde unter anderem ein Lied, das auch Britney Spears demnächst zu veröffentlichen gedenkt: Joan Jett's "I LOVE ROCK'N'ROLL". Im Gegensatz zu Fräulein Spears glaubt man das den GUTTER QUEENS sofort, aber insgesamt ist das nicht der Stoff, aus dem sensationelle Überraschungen gewoben werden.
Trotz der auffälligen Imageorientierung muss man jedoch eines festhalten: Rockpower mit einem gehörigen Schuss Punk - ein Lied wurde Joey Ramone gewidmet - haben die GUTTER QUEENS allemal. Und juveniles Mundharmonikaspiel im Stil von Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne brachte hie und da auch etwas Wunderliches ins Geschehen. Das Pogo-Fest des Vortages ging auf dem Hirschenplatz mit Blick auf Viersternehotels übrigens beinahe nahtlos weiter.
Während der italienischen Vorband Bastet, als die Begeisterung noch nicht völlig überhand genommen hatte, konnte man anhand zweier mutiger Vortänzer versuchen, die eigenartigen Gesetze dieses "Hass-Theaters" zu studieren. In der rüden Abfolge von Remplern, Beschimpfungen, Schulter-an-Schulter-Duellen und anschliessender Verbrüderung verbirgt sich choreographischer Geist.

Tages-Anzeiger vom 6. August 2001
go back home
go back to media