Unbeschreibliches Gefühl




Danilo stieg aus dem Wagen, gingzur Tür und klingelte. Als SaschasVater öffnete,sagte er nur:"'Tschuldigung, wir sind 'n bißchenfrüh dran, aberSascha ist doch da, oder?" "Ich glaub', der istoben...",antwortete HerrBecker und wies ihm den Weg.
Danilo klopfte also an Saschas Tür, doch als sich nichts rührte,ging er einfach ins Zimmer. Das war wohl ein Fehler gewesen, denn das Bild,das sich ihm bot, hätte er wohl lieber nicht sehen sollen. Sascha lagauf dem Bett, hatte nichts an außer einer Jeans, die bis zu den Knöchelnheruntergezogen war und massierte mit der Hand rhythmisch einen gewaltigenStänder. Im ersten Moment hatte Sascha ihn ob seiner weitaus wichtigerenund jegliche Aufmerksamkeit fordernden Beschäftigung wohl gar nichtgesehen,doch als Julian das Zimmer lautlos wieder verlassen wollte, herrschteSaschaihn an: "Ey, Atisam, du Wichser, musst du hier so unangemeldet 'reinschleichen?""Wer ist hier der Wichser, Sasch? Außerdem habe ich angeklopft. Undganz nebenbei hättest du ja auch abschließen können..." "Schongut", beruhigte Sascha sich, während er sich abmühte, den Reißverschlussseiner Jeans trotz Erektion zuzubekommen, "aber nun macht ich vom Acker,ichbin in dreißig Sekunden bei euch."
Danilo ging also zurück zum Auto und berichtete den anderen, das warenMarcel Schwarz und Julian Roth und Julians ältereSchwester Corinna,die sie zur Disco fahren wollte, dass es wohl gleich losginge.Als Saschaeine Minute später aus dem Haus kam, trug er ein weißesT-Shirtmit dem Aufdruck "ich bin käuflich", hatte einen Pulli um dieHüftengeschlungen und trug immer noch die Hose von eben, die zwischenden Beinenimmer noch etwas spannend. "Du hättest dir vielleicht 'neweitereHoseanziehen sollen!", raunte Danilo ihm zu, dann stiegen sie insAuto.

Am Eingang zum Infinity wurden sie alle vier von oben bis unten genauestensgemustert. Die muskelbepackten, breitschultrigen Türsteher verzogendabei keineMiene, sondern sahen sie nur prüfend mit einem strengenBlick an, dersie alle in Ehrfurcht erstarren ließ. Dabei waren ihreKlamotten dochin Ordnung. Gut, Sascha hatte sich nicht besonders aufgestylt,aber Marceltrug eine weiße Jeans zu einem hautengen schwarzen T-Shirt,das optimalseine Muskeln betont hätte, wenn da welche gewesen wären,Juliantrug wie meistens Klamotten, die noch vor wenigen Tagen im SchaufenstervonSkywalker ausgestellt gewesen waren, und Danilo selbst hatte sich füreine schwarze Lederhose und einen schwarzen Strickpulli mit V-Ausschnittentschieden.Zu jung oder zu stilwidrig sahen sie nun wirklich nicht aus.Trotzdem schienes eine Ewigkeit zu dauern, bis die Türsteher endlichPlatz machten undsie eintauchen ließen in die Welt der Beats, deszuckenden Lichts undder hämmernden Technomusik. Doch das Warten hattesich gelohnt, dennsobald die zum Schneiden dicke Luft sie empfing, die Musikjedes andere Geräuschübertönte und die Bässe wie elektronischeImpulse in ihre Körperfuhren, wussten sie, dass sie den Abend, dieNacht genießen würden.Der Raum, der scheinbar von überallher von bunten, zuckenden Laserlightserhellt wurde, war bis zum Berstengefüllt, überall drängtensich Mädchen in superkurzenMiniröcken und enganliegenden und sehrtief ausgeschnittenen Tops undJungs, die mit leerem Blick an einer Zigarettezogen oder mit noch leereremBlick einem der Mädchen mit besonders üppigerOberweite hinterhergafften.Marcel, Julian, Sascha und Danilo bestellt endlichzum aufwärmen aneiner der Theken ein paar Drinks, doch Julian und Marcelverzogen sich rechtbald auf die Tanzfläche und mischten sich unter diezappelnden Raverund wurden bald ein Teil dieser wogenden, rhythmisch zuckenden,tanzendenMasse. Auch Danilo fühlte, wie ihm der Beat ins Blut, in dieBeine undin den Kopf fuhr, doch eigentlich war es dort unten viel zu voll,um wirklichtanzen zu können. Also versuchte er sich trotz der ohrenbetäubendenLautstärke der Musik mit Sascha zu unterhalten, der ihn allerdings dochnur mit seinen Ich-bin-der-absolut-tollste-Hengst-Bettgeschichten langweilte,von denen Danilo sowieso weit über die Hälfte für völligfiktiv hielt.
Irgendwann unterbrach er ihn mitten im Satz und schrie ihm ins Ohr: "Okay,Sasch, wenn du 's wirklich so nötig hast, dann lass uns doch mal versuchen,die beiden Schnitten da vorne klarzumachen." Dabei deutete er auf zwei Mädels,die an einem Geländer lehnten und gerade ziemlich gelangweilt die Tanzflächebeobachteten. Die eine war dunkelhaarig, hatte auffallend dicke Dinger undtrug ein kurzes, enges, rückenfreies blaues Kleid, die andere war blondund hatte noch dazu gebleichte Strähnchen und trug ein schwarzes Topzur schwarzen Hose und einen Netzpulli darüber. Danilo wusste, die imblauen Kleid war er was für Sascha, während er die mit den Strähnchenabsolut niedlich fand. Sie hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden,war nur ein wenig kleiner als er selbst und hatte einen aufregend knackigenPo. Sascha nickte ihm zu, dann schlenderten sie betont cool und lässigauf die Mädels zu. "Hey, ihr Süßen, habt ihr nicht Lust,wasmit uns zu trinken?" Danilo fand Sascha Anmache zwar viel zu direkt,vielzuabgedroschen und viel zu plump, aber die Mädchen warfen sicheinenBlickzu, nickten und folgten ihnen dann an die Bar. Sie bestelltensich vierDrinks,Sascha laberte auf die im blauen Kleid ein und Danilo kammit seinerBlondenins Gespräch. Sie machten Witze, alberten 'rum, undes dauertegar nichtlange, da lag die Hand der Strähnchenfrau, eineschlanke, feingliedrige,zarte Hand, auch schon auf Danilos Oberschenkel.Er war wie gefesselt vonihreneisblauen, klaren, tiefen Augen und auch sieschien eine ganze Mengean ihmzu finden. Irgendwann hatten sie ihre Gläsergelehrt, und da fragtedasblaue Kleid plötzlich: "So, was meinst du,Tanya. Sollten wir unsbeiden beiden für die Drinks bedanken?" Tanyastimmte ihr zu, aber Danilound Sascha verstanden nur Bahnhof. "Sagt mal,auf was fahrt ihr eigentlichab? Auf schnelle oder auf kopfbreite Teile?"Noch mehr Bahnhof! Dann strecktedas blaue Kleid ihnen ihre Hand entgegen,in der sie einige kleine, weißePillen hielt. "Die kommen direkt ausHolland", erklärte sie, "Sind eigentlichschweineteuer, aber wenn ihrwollt..." Danilo war noch nie in irgendeinerWeisemit Pillen in Berührunggekommen, er hatte ja bisher noch nichteinmalgekifft, aber als Sascha nacheinem ersten skeptischen Blick auf dieMädelsschließlich zugriffund sich so 'n Teil in den Mund schob,wollte auchDanilo nicht als Spielverderberdarstehen und griff mehr oderweniger überzeugtzu.
Zuerst spürte er rein gar nichts und glaubte schon, die beiden hättensie irgendwie verarscht, doch nach einer Weile merkte er, wie sich ein wohliges,warmes Gefühl erst in seinem Magen ausbreitete und dann durch seinengesamten Körper zog. Er glaubte, sein Blut fließen hörenzukönnen und spürte wie sein Herzschlag an Tempo zulegte, bises schließlichden Takt der schnellen Technobeats annahm. Und er fühltesich auf einmalso wach, wacher als sonst, fast so als hätte er ebenstundenlang geschlafenund sei jetzt völlig ausgeruht und tatendurstig.Er warf einen BlickaufSascha, doch dem schien es ganz genauso zu gehen."Hey, lasst uns tanzengehen!Ich hab nämlich keine Lust mehr, hiernur schlaff 'rumzusitzen",schluger deshalb vor und zog Tanya hinter sichher auf die überfüllteTanzfläche.Jetzt ließ er sichvöllig von der Musik treiben,ließ dieBässe seine Bewegungenkoordinieren und schaltete allesandere in seinemKopf einfach ab. Er tanztesich regelrecht in Ekstase, wurdeselbst ein Teildieser einzigen organischenMasse der Tanzenden. Alles umsich herum nahm ernur noch schemenhaft war,er sah nur noch das Licht, dasgrelle bunte Licht,das in unzähligenFarben um ihn herumwirbelte undTanyas Gesicht ganznah vor seinem. Sie warso wunderschön, alles warso wunderschön, und Danilo spürteplötzlich den unbändigendrang, Tanya zu küssen, seine Lippenauf ihre zu pressen und so bis inalle Ewigkeit zu verharren."Dann tu'seinfach", hörte er eine Stimmein seinem Kopf, und er gehorchteihr.Die Augen hatte er geschlossen und spürtejetzt nur noch die Musik,diesein Blut zum Kochen brachte und alle seineMuskeln jetzt völligunterKontrolle hatte, das warme Gefühl, dasvon seinem Körper,seinemGeist und wahrscheinlich auch seiner SeeleBesitz ergriffen hatteund das sounberschreiblich war wie sonst nur die Liebeoder der Tod, TanyasKörper,der seinem jetzt ganz nah war und der überallauf seinerHaut ein elektrisiertesKribbeln auslöste und seinen Schwanz,der inseiner Hose immer größerund härter wurde.Als Tanyaihn unddas blaue Kleid Sascha schließlichvon der Tanzfläche schoben,war er unfähig, sich zu wehren. Wieein unbeteiligter Dritter nahm erwahr, wie die Mädchen sie zu den Toilettenzogen, das blaue Kleid Saschain eine Kabine drängte und Tanya mit ihmin einer anderen verschwand.Und auch als sie sich an seinem Gürtel zuschaffen machte, ihm die Hoseherunterzog und sich selbst ihrer Klamottenentledigt, nahm er das zur Kenntnis,ohne es eigentlich zu realisieren. Erspürte nur dieses unbeschreiblicheGefühl, diese Wärme unddie Ekstase. Und Tanyas Körper, aberden dafür ganz besonders. Erfühlte sie mit jeder Faser seinesKörpersund erlebte einen Zustandder Erregung, dessen Intensitäter bisher nichteinmal in Ansätzenkannte und von dem er wusste, erwürde ihn soauch niemals wieder erreichen.Es war das ultimativ besteErlebnis, was erje hatte, und als er schließlichden besten Orgasmusseines Lebens hatte,wurde ihm schwarz vor Augen und erkippte einfach um.
Als er wieder zu sich kam, hatte Tanya sich von ihm losgemacht, verließohne sich noch einmal umzusehen die Kabine und ging zum Waschbecken, wo dasblaue Kleid schon auf sie wartete. "Und? Hat es sich gelohnt?" "Ja, und wie",gab Tanya zurück, "der Kleine war verdammt gut. Bisher echt das Beste,was ich heute abend hatte. Und bei dir?" " Pah! Der Wichser war nach dreiMinuten fertig und hat sich dann über die Kloschüssel gehängtund in einer Tour gekotzt." "Na ja, was soll's. Beim nächsten Mal wird'sbesser...", tröstete Tanya sie, dann verließen sie den Raum. Danilorappelte sich hoch, zog sich an, spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesichtbis er wieder einigermaßen klar denken konnte und klopfte dann an SaschasKabine. "Hey, Sasch, alles klar?" Sascha taumelte heraus, rieb sich den Schädel,brachte seine Klamotten wieder einigermaßen in Form und fragte dannmit leicht benommener Stimme: "Klar, Mann, was soll denn nicht klar sein?Ich hatte gerade den geilsten Sex des Jahrhunderts! Ich hab die Tuse in Grundund Boden gefickt. Sie ist dreimal gekommen und..." Danilo hörte schonlängst nicht mehr zu, da er diese Geschichten sowieso zur Genügekannte. "Und, wie war's bei dir?", fragte Sascha schließlich. "Och,war nicht so das Pralle. Ich war einfach zu fertig. Die Pillen..., du weißtschon... " "Na ja, mach dir nichts draus. Du verträgst das Zeug ebennicht."

Julian und Marcel hüpften immer noch auf der Tanzfläche herum alsDanilo und Sascha sie schließlich wiederfanden. Aber sie waren totalfertig, am Schwitzen und wohl auch ziemlich müde. Jedenfalls hattendiebeiden nichts dagegen als Danilo den Vorschlag machte, doch den Rückzuganzutreten. Ohne längere Diskussion rief Julian seine Schwester an,diesie kurz darauf abholte. Danilo fühlte sich jetzt richtig elendund fragtesich, wie er bloß die Heimfahrt überleben sollte. Eswar fast soals hätten sich all die positiven Empfindungen, die ihmdiese Pille bescherthatte, jetzt ins Gegenteil gekehrt. Nur war die Intensitätjetzt doppeltso stark wie vorher. Das warme Gefühle im Magen war einerbleiernen Eiseskältegewichen, alle Muskeln taten ihm weh und schmerzten,und in seinem Kopf hörteer eine unerträgliches dumpfes Dröhnen,das es ihm unmöglichmachte, einen klaren Gedanken zu fassen und ihmgeradezu übermenschlicheKopfschmerzen bereitete. Kurz gesagt: Er fühltesich wie schleimigesGedärmüber einem offenen Feuer. Ja, der Abendhatte sich echt gelohnt.Abermusste er das öfter haben?



Christian Dolle, 08/2000
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