Schadenersatz für Nazi-Besatzungszeit
Gericht in Athen lehnt Entschädigungsklagen gegen
Berlin ab
"Griechische Bürger können nicht gegen Staaten
vorgehen"/Karlsruhe muss nun über SS-Massaker entscheiden
Von Christiane Schlötzer
Athen – Im langen juristischen Streit um Entschädigungsansprüche
von Hinterbliebenen der Opfer der deutschen Besatzung in Griechenland während
des Zweiten Weltkriegs hat das Oberste Sondergericht in Athen jetzt zu
Gunsten der deutschen Seite entschieden. Mit der knappen Mehrheit von sechs
zu fünf Stimmen erklärten die Richter, Reparationsforderungen
griechischer Bürger stünden nicht im Einklang mit dem völkerrechtlichen
Grundsatz der Staatenimmunität. Demnach könnten Staaten gegen
Staaten, aber nicht Privatpersonen gegen Staaten klagen.
Die Auseinandersetzung über mehrere tausend Klagen
dürfte damit allerdings noch nicht beendet sein. Die Kläger haben
sich bereits an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gewandt.
Zudem muss der Bundesgerichtshof in Karlsruhe nun über die Ansprüche
der Hinterbliebenen eines SS-Massakers in dem Dorf Distomo entscheiden.
Das Verfahren war von den Karlsruher Richtern mit Blick auf die Entscheidung
in Athen vertagt worden. "Wir fordern, dass das Gericht nun verhandelt",
sagte Argiris Sfoundouris, einer der Kläger, der Süddeutschen
Zeitung. Der 62-Jährige hatte bei dem SS-Überfall 1944 in Distomo
seine Eltern verloren. Kläger-Anwalt Ioannis Stamoulis sagte der SZ,
das Sondergericht (bestehend aus Vertretern der höchsten griechischen
Gerichte), habe nur über die Staatenimmunität "nach internationalem
Recht" entschieden. Mit der "Immunität nach EU-Recht" werde sich nun
der Areopag, das griechische Verfassungsgericht, befassen müssen.
Vertreter der deutschen Regierung reagierten zunächst
zurückhaltend auf die Entscheidung in Athen. Man müsse das Urteil
erst prüfen, sagte ein Sprecher der Botschaft in Athen. Erleichterung
herrschte dagegen beim Goethe- Institut in Athen. Die Kläger hatten
die Pfändung des Instituts-Gebäudes beantragt, um ihre Ansprüche
durchzusetzen, nachdem ein Gericht im griechischen Livadia den Distomo-Hinterbliebenen
29 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen hatte.
Dieses Urteil hat der Areopag im Jahr 2000 bestätigt.
Berlin hatte sich auf frühere Pauschalentschädigungen berufen
und die Zahlung verweigert. Gegen den Gerichtsvollzieher, der bereits im
Goethe-Institut aufgetreten war, hatte sich Berlin mit Einsprüchen
gewehrt. Daraufhin hatte der Areopag entschieden, dass Zwangspfändungen
gegen einen Staat nur mit Zustimmung des griechischen Justizministers zulässig
seien. Dieser verweigerte aber seine Unterschrift. Mit dem neuen Urteil
komme es nun nicht mehr auf die jeweilige Haltung des Justizministers an,
hieß es im Goethe-Institut.
Das Athener Institut, das in diesem Jahr 50 Jahre alt
wird, hat sich um eine Aufarbeitung der NS-Geschichte bemüht, und
dafür die Unterstützung griechischer Intellektueller bekommen.
Die griechische Regierung hielt sich aus dem Streit lange heraus. Jüngst
aber nannte Staatspräsident Konstantinos Stephanopoulos erstmals die
Klagen "sehr berechtigt".
Süddeutsche Zeitung 19.9.02
Athener Gericht weist Anspruch von NS-Opfern ab
Forderung gegen die Bundesrepublik Deutschland soll
der Staatenimmunität entgegenstehen
Von Gerd Höhler und Matthias Arning
Griechische NS-Opfer und ihre Angehörigen können
im eigenen Land keine Entschädigungsansprüche gegen die Bundes-
republik vor Gericht erheben. Dies hat jetzt ein Athener Gericht entschieden.
Das Urteil sorgte in Berlin für Erleichterung.
ATHEN / FRANKFURT A. M., 18. September. Das jahrelange
juristische Gerangel um die Entschädigungsansprüche der Hinterbliebenen
griechischer NS-Opfer ist vorerst beendet. Am Dienstagabend entschied das
Oberste Sondergericht in Athen, dass griechische Staatsbürger vor
den Gerichten ihres Landes solche Forderungen nicht durchsetzen können.
Die obersten Richter schlossen sich damit der Rechtsauffassung der Bundesrepublik
Deutschland an. Berlin hatte sich auf die so genannte Staatenimmunität
berufen, die Klagen von Privatpersonen gegen ausländische Staaten
nicht zulässt.
Anlass der Auseinandersetzung war ein 1997 ergangenes
Urteil des Landgerichts der Kreisstadt Livadia, das den Opfern und Hinterbliebenen
eines 1944 in dem mittelgriechischen Dorf Distomon von der SS verübten
Massakers Entschädigungszahlungen in Höhe von 29 Millionen Euro
zugesprochen hatte. Mit der Entscheidung des Obersten Sondergerichts werden
nun auch rund weitere 65 000 Klagen auf Entschädigungszahlungen gegenstandslos,
die vor griechischen Gerichten gegen die Bundesrepublik anhängig sind.
Nach griechischen Angaben wurden während der dreieinhalbjährigen
deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg 130 000 Zivilisten exekutiert
und 70 000 griechische Juden von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager
verschleppt. 300 000 Menschen verhungerten oder erfroren im Winter 1941/42,
weil die deutschen Besatzer Nahrungsmittel und Brennstoffe beschlagnahmt
hatten. Beim Abzug der Deutschen waren 50 Prozent der Industrie sowie 75
Prozent des Straßen- und Schienennetzes zerstört.
1960 zahlte die Bundesregierung den Griechen Reparationen
in Höhe von 115 Millionen Mark. Damit sollen alle Ansprüche abgegolten
sein.
Der griechische Opferanwalt Ioannis Stamoulis, der die
Hinterbliebenen der Opfer von Distomon vertritt, beziffert die Reparationsforderungen
aus der Besatzungszeit dagegen auf insgesamt rund 100 Milliarden Euro.
Stamoulis will sich auch nach dem jüngsten Richterspruch nicht geschlagen
geben und europäische Gerichte anrufen. Einer solchen Klage räumen
unabhängige Juristen nur geringe Chancen ein.
Berlin reagierte mit Erleichterung auf das Athener Urteil,
da das Gericht den von der Bundesregierung immer wieder vorgebrachten Grundsatz
der Staatenimmunität, der "Eingriffe in hoheitliche Bereiche" verbiete,
in diesem Zusammenhang anerkannt habe. Daher wertete man den Spruch des
Sondergerichts dem Vernehmen nach als "ein klares Signal" für die
jahrelange Kontroverse um die Entschädigungsansprüche von Privatpersonen.
Im nächsten Bundestag dürften die Fragen humanitärer Hilfe
auf der Tagesordnung stehen.
Frankfurter Rundschau 19.9.02
Anspruch ja, Vollstreckung nein
Griechisches Sondergericht entscheidet über Klagen
von Opfern deutscher Kriegsverbrechen auf Entschädigung
ATHEN taz Die höchste griechische Gerichtsinstanz
hat entschieden, dass Entschädigungsansprüche von griechischen
Privatpersonen, die sich auf Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht im
Zweiten Weltkrieg beziehen, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland
nicht vollstreckbar sind. Das Oberste Sondergericht, eine aus Richtern
des Obersten Gerichtshofes (Areopag) und des Obersten Verwaltungsgerichtshofes
zusammengesetzte Kammer, hat in seiner am Dienstagabend veröffentlichten
Entscheidung mit 6 zu 5 Stimmen das Prinzip der Staatenimmunität bedingungslos
bejaht. Demnach ist es privaten Klägern verwehrt, in Griechenland
finanzielle Ansprüche gegen andere Staaten durchzusetzen. Damit ist
das Areopag-Urteil aus dem Jahr 2000 nicht vollstreckbar, das den Nachkommen
von Opfern eines Massakers der Waffen-SS in der Kleinstadt eine Entschädigung
von 86 Millionen Mark zugesprochen hatte.
Die Kammer bejahte allerdings einstimmig, dass die Ansprüche
der Distomo-Kläger zu Recht bestehen. Die Frage sei nur, vor welchem
Gericht sie geltend gemacht werden können. Hier verweist der Mehrheitsbeschluss
auf Urteile des Europäischen Gerichts über das Prinzip der Staatenimmunität.
Damit folgte es der Rechtsmeinung, die von deutscher Seite von Anfang an
gegen den Areopag-Spruch bemüht wurde. Die Bundesregierung sieht den
völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität verletzt, wenn
ein Staat durch das Gericht eines anderen Staates verurteilt wird. Entschädigungszahlungen
an ausländische Privatpersonen können nach dieser Auffassung
nur durch einen Vertrag beider Staaten geregelt werden.
Auch der Areopag hatte die Staatenimmunität prinzipiell
anerkannt, jedoch für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine
Ausnahme von diesem Prinzip postuliert. Diese Rechtsmeinung hat nunmehr
das Oberste Sondergericht revidiert. Damit ist endgültig ausgeschlossen,
dass öffentlicher Besitz der Bundesrepublik auf griechischem Boden
zugunsten der Distomo-Kläger versteigert wird.
Die Athener Entscheidung betrifft nicht nur tausende
von griechischen Klägern, die Entschädigungsansprüche aus
der deutschen Besatzungszeit geltend machen. Sie könnte sich auch
auf anderswo anhängige Prozesse auswirken. Auch für den deutschen
Bundesgerichtshof dürfte das Urteil relevant werden. Hier ist die
Klage des Distomo-Opfers Arghiris Sfountouris anhängig, der seine
Ansprüche vor einem deutschen Gericht einzuklagen versucht. Der BGH
wird sich zumindest mit einem historischen Aspekt der Entschädigungsprozesse
auseinandersetzen müssen. Der Areopag hatte befunden, dass der 2+4-Vertrag
von 1990 einem Friedensvertrag gleichzusetzen sei. Für diesen Fall
hatte aber das Londoner Schuldenabkommen von 1952 eine Regelung der gesamten
Reparationsproblematik vorgesehen. Genau deshalb hatte die Kohl/Genscher-Regierung
vermieden, den Ausdruck "Friedensvertrag" in den Mund zu nehmen. Der Bundesgerichtshof
wird sich mit der Frage befassen müssen, ob er der Bundesregierung
diesen Trick durchgehen lässt. Tut er es nicht, würde er zumindest
theoretisch die völkerrechtlichen Verpflichtungen anerkennen, die
der Nachfolgestaat des Dritten Reiches für den Fall der Wiedervereinigung
übernommen hatte. NILS KADRITZKE
taz Nr. 6857 vom 19.9.2002
Athen (APA/dpa) - Griechenlands Staatspräsident
Konstantinos Stefanopoulos hat Deutschland zur Entschädigung griechischer
Opfer von
SS-Massakern während des Zweiten Weltkriegs aufgefordert.
"Die Forderungen der Hinterbliebenen sind sehr berechtigt", sagte Stefanopoulos
am Montag im griechischen Fernsehen. Mit den Zahlungen würden jene,
die der gleichen Nation wie die Täter angehörten, ihre moralische
Verpflichtung erfüllen.
Bisher hatte sich Stefanopoulos, dessen Amt nur repräsentative
Funktion hat, nicht zu den Klagen der Angehörigen griechischer SS-Opfer
gegen die
Bundesrepublik Deutschland geäußert.
Der Oberste Gerichtshof des Landes (Areopag)
hatte im Juni dieses Jahres beschlossen, dass griechische Gerichte für
derartige Klagen nicht zuständig
sind, und damit ein langes juristisches Tauziehen beendet.
Ein Landgericht hatte 1997 die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des
"Großdeutschen
Reiches" wegen eines Massakers an 217 Einwohnern des
Dorfes Distomon im Jahr 1944 zu einer Entschädigung von 95 Millionen
Drachmen (knapp 28 Millionen Euro) verurteilt.
Die Bundesregierung hatte die Forderungen
zurückgewiesen und sich auf das Prinzip der Staatenimmunität
berufen, wonach nur Staaten gegen Staaten und nicht Privatleute gegen Staaten
klagen dürfen. Daraufhin sollten das Deutsche Archäologische
Instituts und des Goethe-Instituts in Athen
zwangsversteigert werden.
APA 2002-09-02
Tauziehen um deutsche Liegenschaften in Athen offenbar
beendet
Athen (dpa) - Das juristische Tauziehen um eine Zwangsversteigerung
des traditionsreichen Deutschen Archäologischen Instituts und des
Goethe-Instituts in Athen ist offenbar beendet.
Wie die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA
am Sonntag unter Berufung auf Kreise des höchsten griechischen Gerichtshofes
(Areopag) meldete, habe dieser nach mehrmonatigen Beratungen beschlossen,
eine Versteigerung von der Genehmigung des Justizministers abhängig
zu machen. Eine solche Genehmigung ist aber von der Regierung in Athen
bereits mehrmals ausgeschlossen worden. Die Zwangsversteigerung war von
Hinterbliebenen der Opfer eines SS- Massakers bei der griechischen Justiz
angestrebt worden, um Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik
Deutschland
durchzusetzen.
Offiziell werde der Areopag seine Entscheidung in den
nächsten Wochen verkünden, meldete ANA weiter. Mit dem erwarteten
Spruch würde ein Schlussstrich unter die Auseinandersetzung gezogen,
da die sozialistische Regierung in Athen mehrmals erklärt hatte, dass
sie nach Artikel 923 des griechischen Zivilrechts die Zwangsversteigerung
der beiden Gebäude nicht genehmigen werde. Dieses griechische Gesetz
gibt dem Justizminister die Möglichkeit, Gerichtsbeschlüsse einzufrieren,
die ausländische Liegenschaften in Griechenland betreffen, damit die
Beziehungen zu anderen Staaten, in diesem Fall Deutschland, nicht belastet
werden. Das juristische Tauziehen geht auf das Jahr 1997 zurück. Die
Hinterbliebenen eines SS-Massakers im mittelgriechischen Dorf Distomon
beriefen sich auf ein Urteil eines Landesgerichtes. Es hatte die Bundesrepublik
als Rechtsnachfolgerin des "Großdeutschen Reiches" wegen des Massakers
an 217 Einwohnern von Distomon im Jahre 1944 zu einer Entschädigung
von 95 Millionen Drachmen (knapp 28 Millionen Euro) verurteilt. Die Hinterbliebenen
hatten im Vorjahr ein Pfändungs- und Zwangsversteigerungsverfahren
gegen das Deutsche Archäologische Institut und das Goethe-Institut
in Athen einleiten lassen. Mit dem jetzigen Beschluss des Areopag müssen
ANA zufolge die Hinterbliebenen des Distomon-Massakers, ihre Hoffnung auf
Entschädigung "endgültig" aufgeben.
dpa 22.6.02
Goethe-Institut behält Gebäude in Athen
Von Christiane Schlötzer
Istanbul – Das Goethe-Institut in Athen muss voraussichtlich
nicht mehr mit einer Zwangsversteigerung seines Gebäudes rechnen.
Nach einer Meldung der halbamtlichen griechischen Nachrichtenagentur ANA
vom Sonntag hat der Aeropag, das höchste Gericht des Landes, bereits
beschlossen, ein zwangsweises Vorgehen gegen das deutsche Kulturinstitut
von einer Genehmigung des griechischen Justizministers abhängig zu
machen. Die Regierung in Athen aber hat bereits mehrfach betont, dass sie
eine solche Genehmigung nicht geben wolle.
Die Versteigerung des Institutsgebäudes war von
Hinterbliebenen der Opfer des SS-Massakers an 217 Einwohnern des griechischen
Dorfes Distomon verlangt worden, nachdem Gerichte Entschädigungsansprüche
von 28 Millionen Euro bejaht hatten. Dem hatte sich die Bundesregierung
in Berlin juristisch widersetzt. Sie argumentierte mit früher geleisteten
pauschalen Entschädigungen an Athen, fürchtete aber auch einen
Präzendenzfall für andere Balkanländer. Danach erwirkten
die Anwälte der Distomon-Opfer die Zwangsversteigerung gegen das Goethe-Institut.
Auch das Deutsche Archäologische Institut in Athen war von dem juristischen
Streit betroffen, bei dem sich Berlin auf die Staatenimmunität berief,
die Zwangsmaßnahmen verhindern müsse. Wie die deutschsprachige
Athener Zeitung bereits im April schrieb, würden allein mit einer
Entscheidung des Areopag, dass Deutschland Immunität genieße,
etwa 65000 anhängige Klagen griechischer Bürger auf Entschädigung
gegenstandslos. Eine offizielle Bestätigung für die angeblich
endgültige Entscheidung des Areopag gibt es bisher noch nicht. Athen
hatte auf eine außergerichtliche Einigung gedrungen, Berlin hatte
dies aber wegen der möglichen Präzedenzwirkung abgelehnt. Die
Kläger haben einen Gang zum Europäischen Gerichtshof nicht ausgeschlossen.
Süddeutsche Zeitung 24.6.02
aktueller Artikel vom 12.6.2002 aus der Jungen Welt
Ringen um Gerechtigkeit
- Zum aktuellen Stand des Verfahrens von Maren Cronsnest Zum
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Im Zweifel für Deutschland
In Griechenland hat ein weiterer Prozess zur Entschädigung
der NS-Opfer begonnen.
von rolf surmann
Der Sitzungssaal war überfüllt und selbst auf den Gängen standen noch Menschen, als am Mittwoch der vergangenen Woche das Oberste Sondergericht Griechenlands im so genannten Lidoriki-Verfahren zu seinem ersten Sitzungstag zusammenkam. In dem Prozess geht es genau wie in dem Fall des Dorfes Distomo um deutsche Entschädigungszahlungen an griechische NS-Opfer. Der Oberste Gerichtshof Griechenlands (Areopag) hatte im Mai 2000 rechtskräftig festgelegt, dass die Ankläger das Recht haben, vor griechischen Gerichten gegen die Bundesrepublik Deutschland zu klagen. Und es verurteilte die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung einer Entschädigung von 28 Millionen Euro. Entscheidet das Sondergericht gegen die NS-Opfer, dann ist damit auch das Distomo-Urteil hinfällig.
Der Vorsitzende Richter des Areopag-Senats, Stephanos Matthias, der das Urteil zu Distomo in letzter Instanz fällen musste, war mit der Entscheidung nicht einverstanden gewesen. Er war damals überstimmt worden und setzte sich fortan im Sinne der Bundesrepublik Deutschland für die Aufhebung des Urteils ein. Dabei griff Matthias auf eine außergewöhnliche juristische Konstruktion zurück, indem er für den Lidoriki-Prozess den gemeinsamen Senat aller griechischen Obergerichte einberief.
Ungewöhnlich ist das deshalb, weil dieser eigentlich nur zusammentritt, wenn zwischen zwei Obergerichten eine unterschiedliche Rechtsauffassung besteht. Die Vorteile für Matthias liegen auf der Hand. Das Gericht ist jetzt personell anders zusammengesetzt als beim Distomo-Verfahren, aber er hat auch in diesem Prozess den Vorsitz inne. Da mit dem Urteil weit reichende Konsequenzen verbunden sind, hatten die Anwälte der NS-Opfer vor dem Prozess beantragt, den Richter vom Vorsitz auszuschließen, weil er das Verfahren unzulässig beeinflusst habe. Ohne Erfolg.
Wie der Hamburger Arbeitskreis Distomo berichtet, griff der Anwalt der NS-Opfer, Jannis Stamoulis, in seinem Plädoyer die Vorgehensweise von Matthias scharf an. Er sah in ihr sogar einen Verfassungsbruch, da die Voraussetzungen für die Einberufung dieses Gerichts nicht gegeben seien. Darüber hinaus bezweifelte er, dass eine Immunität des deutschen Staates gegenüber der griechischen Justiz bestehe, worauf sich Deutschland immer wieder beruft. Auf jeden Fall könne man sich nicht bei Verbrechen an der Menschheit auf die Staatsimmunität berufen, so seine Argumentation. Der Gerichtssprecher deutete dagegen an, dass dem Gericht die Zuständigkeit zuerkannt wird und in der Sache zugunsten der Bundesrepublik entschieden werde könnte. Ob er wirklich die Meinung der Mehrheit der zwölf Richter zum Ausdruck gebracht hat, sei dahingestellt. Denn sie gaben noch keine Erklärung ab. Wann das Urteil gefällt wird, ist ebenfalls offen.
Vor der Urteilsverkündung wird vom Zivilsenat des Areopag Mitte Mai erneut über die Rechtmäßigkeit der Pfändung und der Versteigerung verschiedener deutscher Liegenschaften in Griechenland wie des Goethe-Instituts verhandelt werden. Und in dem Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg, das ebenfalls der Rechtsanwalt Stamoulis angestrengt hat, um die Anerkennung des Distomo-Urteils von der Bundesregierung zu erzwingen und die griechische Regierung zur Beseitigung der Hindernisse für die Zwangsvollstreckung zu veranlassen, liegen mittlerweile die Stellungnahmen der Beklagten vor. Ein Termin für den Urteilsspruch ist aber bisher nicht festgelegt worden. Auch die Schriftsätze sind noch nicht verfügbar. Aber die griechische Regierung wird vermutlich versuchen, sich den Forderungen der griechischen Opfergruppen nicht entgegenzustellen, andererseits wird sie es vermeiden wollen, sich gegen die Bundesregierung durchsetzen zu müssen.
Denn das ist ihr schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gelungen, obwohl der internationale Druck auf Deutschland damals noch viel größer war. In einem vom Bundesfinanzministerium in den achtziger Jahren veranlassten Rückblick werden die Proteste der Opferverbände und »ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Regierungen ihrer Länder« hervorgehoben. Über die damalige Situation in Frankreich heißt es, »die ständige Agitation« der politisch sehr einflussreichen Verbände und die von ihnen aufgerüttelte Öffentlichkeit hätten die französische Regierung immer wieder genötigt, die Bundesregierung zur Lösung des Problems aufzufordern. Speziell bei den Verhandlungen mit Griechenland wird beklagt, dass »alle nur in Betracht kommenden deutschen Stellen und Personen mit einer Flut von Protesten und Forderungen überschüttet« wurden.
Die westdeutsche Bevölkerung unterstützte dagegen die Verweigerungshaltung ihrer Regierung. Eindringlich wurde ein angemessener Ausgleich für alle Deutschen gefordert, die Opfer völkerrechtswidriger Maßnahmen der Alliierten geworden seien. Nicht zuletzt dank dieser Geschlossenheit der deutschen Gesellschaft gelang es der Bundesregierung, ihre damaligen Ziele zu erreichen. Eine geplante internationale Konferenz »als Schaubühne für eine Diffamierung der Bundesrepublik« - so die deutsche Einschätzung - konnnte verhindert werden.
In bilateralen Verhandlungen mit den einzelnen Regierungen konnte die deutsche Seite dann deren Forderungen abwenden. Dementsprechend lautet ein zynisches Fazit zum Verlauf der Gespräche mit Griechenland: »Die tiefe Enttäuschung, die sich auf griechischer Seite ob dieses Gangs der Verhandlungen zeigte, zwang zu ihrer Unterbrechung.«
Und die deutsche Regierung könnte mit ihrer Verweigerung weiterhin Erfolg haben. So kommt die Initiative einiger griechischer Parlamentsabgeordneter, die Ratifizierung des europäischen Abkommens zur Staatenimmunität durchzuführen (Jungle World, 50/01), im Moment nicht voran. Zwar ist der Vorschlag im Parlament verhandelt worden, die Entscheidung wurde jedoch vertagt.
Der Versuch einiger Gruppen, sich mit den wenigen deutschen Politikern zu verständigen, die zumindest über bescheidene Angebote an Griechenland nachdenken, um so auf parlamentarischem Weg voranzu-kommen, hilft in dieser Situation nicht weiter. Denn weder werden solche Positionen der historischen Verpflichtung Deutschlands gerecht, noch lässt es die Würde der Opfer zu, dass sie mit einer städtischen Badeanstalt oder kostenlosen Deutschkursen abgefertigt werden. Diese »Lösungen« widersprechen der grundsätzlichen entschädigungspolitischen Bedeutung der Kontroverse. Geht es doch bei der Vollstreckung des Distomo-Urteils darum, einen Schlussstrich nicht zuzulassen.
(Artikel im Internet unter: http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/18/13a.htm)
Jungle World Nr. 18/2002 - 24. April 2002Griechenland: Lidoriki-Klage vor dem Areopag*******************************
In Athen wird seit Mitte voriger Woche vor dem Obersten Gericht über die Klage eines Mannes aus Lidoriki verhandelt, der die Bundesrepublik auf Entschädigungszahlungen für eines der Kriegsverbrechen der deutschen Faschisten verklagt hatte.
Das Haus der Familie war von deutschen Soldaten während der Terrorherrschaft der Hitler-Faschisten in Griechenland zwischen 1941 und 1944 angezündet worden. Das Oberste Gericht, der Areopag, ist die letzte griechische Instanz in diesem Fall und hat eine Entscheidung von großer Tragweite zu fällen: Wird diese Forderung nach Reparationszahlungen bestätigt, ist allen griechischen Klägerinnen und Klägern – etwa 10000 solcher Verfahren sind noch anhängig – der Erfolg garantiert. Wird die Klage abgelehnt, wird niemand von ihnen jemals einen Pfennig sehen.
Noch ist völlig ungewiss, wie der Prozess ausgehen wird. Der Vorsitzende Richter Mathias ist ein entschiedener Gegner der Entschädigungsforderungen, der scheinbar sogar bereit ist, sich über die Verfassung hinwegzusetzen – vermutlich, um eine für ihn günstige Mehrheitskonstellation zu schaffen. Mathias war schon Vorsitzender Richter der Kammer des Areopag, die im April 2000 über die Reparationsforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner von Distomo gegen die Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden hatte. In Distomo verübten deutsche Faschisten am 10. Juni 1944 als »Vergeltung« gegen einen Partisanenangriff ein Massaker an der Zivilbevölkerung, bei dem mehrere hundert Menschen, vom Baby bis zum Greis, ermordet wurden.
Mehr als 200 Nachkommen der damaligen Opfer klagten mit dem Athener Anwalt Ioannis Stamoulis – ehemaliger Präfekt der Region und Europa-Abgeordneter – auf finanzielle Entschädigung. Richter Mathias wollte damals diese Klage abweisen, wurde aber von den anderen Richtern überstimmt. Der Areopag bestätigte schließlich gegen das Votum des Vorsitzenden Richters das Urteil des Kammergerichtes Livadia aus dem Herbst 1997 und verurteilte die Bundesrepublik zur Zahlung von umgerechnet etwa 28 Millionen Euro.
In dem Verfahren, das am vergangenen Mittwoch begann und sich vermutlich über Wochen, wenn nicht Monate hinziehen wird, rief Mathias den gemeinsamen Senat aller griechischen Obergerichte an. Diese Schiedsinstanz kommt eigentlich nur dann zum Zuge, wenn Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Kammern des Areopag auftreten. Nicht aber, wenn es innerhalb einer Kammer eine uneinheitliche Meinung zu einem Prozess gibt. Und schon gar nicht, wenn erst noch verhandelt werden muss.
Anwalt Stamoulis, der auch den Kläger aus Lidoriki vertritt, legte vor Gericht seine Auffassung dar, dass dieser Senat überhaupt nicht zuständig sei. Stamoulis nannte den Vorsitzenden Richter einen »Diktator gegen die Mehrheit«.
Rechtsanwalt Martin Klingner kommentierte gegenüber ND: »In diesem Verfahren wird Rechtsgeschichte geschrieben.« Klingner ist Mitglied des Hamburger Arbeitskreises Distomo und hält sich derzeit mit einer Delegation zur Beobachtung des Prozesses in Athen auf. »Wird diese Klage abgewiesen, würde damit das Urteil in Bezug auf Distomo praktisch überholt. Das Distomo-Urteil bliebe zwar bestehen, aber alle anderen Kläger hätten künftig keine Chance mehr auf Entschädigung.«
Auch im Falle Distomo ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Zwar wurde die Zahlungsforderung vom Areopag bestätigt, doch laut
griechischem Gesetz ist es nur dann möglich, einen Titel gegen nicht-griechische
Schuldner zu vollstrecken, wenn der Justizminister dem zustimmt. Dieser
hat das bisher aber verweigert. Deshalb wird der Areopag ab 15. Mai darüber
zu verhandeln haben, ob auch ohne dessen Zustimmung vollstreckt werden
kann.
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Das Deutsche Archäologische Institut in Athen
soll ebenso wie das Gebäude des Goethe-Instituts nach einem Gerichtsbeschluss
vom Sommer 2000 zu Gunsten der Entschädigungsforderungen der Opfer
des Nazi-Massakers von Distomo konfisziert werden, da die Bundesrepublik
entsprechende Zahlungen ablehnt. Die Ausführung des Urteils ist an
die Zustimmung des griechischen Justizministers gebunden – die er bislang
nicht gegeben hat.
Neues Deutschland vom 23.04.02
Bei der Sitzung des Höchsten Sondergerichtes (AED) am Mittwoch abend vertrat der Richter des Staatsrates, Athanassios Rantos, die Auffassung, daß der deutsche Staat hinsichtlich der, von griechischen Bürgern vorgebrachten Entschädigungsforderungen Staatenimmunität genieße. Sollte das AED sich der Ansicht von Rontos anschließen, würde dies bedeuten, daß etwa 65.000 anhängige Verfahren von griechischen Bürgern auf Entschädigung gegenstandslos würden. Nicht davon betroffen ist aber, die Klage der Opfer des Distomo-Massakers (1943), da hier ein unwiderrufliches Urteil vorliegt. Nach Anhörung der Argumente der Rechtsvertreter der Streitparteien am Mittwoch behielt sich das Gericht einen Urteilsspruch vor. Es muß darüber befinden, ob griechische Gerichte zuständig sind, um über Entschädigungs-forderungen zu urteilen oder nicht.
Ursache für das Verfahren beim AED war die Forderung des Ersten Senats des Areopags unter dem Areopag-Präsidenten Stefanos Matthias, der Aufklärung darüber verlangte, ob es eine übliche und allgemein akzeptierte Regelung des Internationalen Rechts gibt, die die Staatenimmunität im Falle von Entschädigungsforderungen für rechtswidrige Handlungen vorsieht.
In der Eingabe von Athanassios Rantos heißt es, daß der deutsche Staat das Recht der Staatenimmunität genieße; kriegerische Handlungen seien davon nicht ausgenommen.
Richter Rantos beruft sich in seiner Eingabe auf zwei jüngste Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Sollte der AED zur selben Auffassung kommen, bleibt der Klägerseite noch der Weg zum Europäischen Gerichtshof oder eine außergerichtliche Regelung. Diese favorisiert die griechische Regierung, wird aber von der deutschen Seite abgelehnt.
Am Montag nahm der Nationale Rat für Entschädigungsansprüche an Deutschland zur bevorstehenden Gerichtsverhandlung Stellung. Präsent waren dabei u.a. auch Vertreter des Netzes der Märtyrerstädte. Die Redner sprachen in ihren Ausführungen von einem Rechtsputsch, da der Areopag-Präsident Stefanos Matthias ihrer Ansicht nach ein Urteil des Areopag-Plenums mißachtet habe. Darin wird den Opfern des Distomo-Massakers Recht gegeben und auch das Urteil des Landgerichtes Livadia von 1997 bestätigt. Das Livadia-Urteil gestand den Distomo-Opfern eine Entschädigung in Höhe von 11 Mrd. Dr. zu. In einem anderen Fall urteilte der Erste Senat - ebenfalls unter Stefanos Matthias - jedoch, daß nicht zweifelsfrei feststehe, ob griechische Gerichte für Entschädigungsforderungen seien; die unterschiedlichen Auffassungen von Areopagsplenum und Erstem Senat nahm Matthias zum Anlaß, das Höchste Sondergericht anzurufen.
Die Redner auf der Pressekonferenz verwiesen ihrerseits darauf, daß sich die deutschen Gerichte für Klagen griechischer Bürger hinsichtlich von Entschädigungsansprüchen, die aus dem Zweiten Weltkrieg resultieren, für nicht zuständig erklärten. Das Vorstandsmitglied des Nationalen Rates für Entschädigungsforderungen an Deutschland, Manolis Glezos, stellte denn auch die rhetorische Frage: "Wohin sollten sich also griechische Bürger wenden? An Gerichte in Bangladesch“? Ex-Minister Alexandros Mangakis vermutete einen "Basar hinter den Kulissen“: "Die Tatsache, daß die Angelegenheit an das Höchste Sondergericht weitergeleitet wurde, deutet darauf hin, daß die Absicht vorliegt, eine juristische Sackgasse zu schaffen!“
Bei einer Veranstaltung an der Wirtschaftsuniversität am Dienstag kündigte unterdessen Manolis Glezos einen Kongreß vom 31. Oktober bis zum 2. November an. Er soll sich mit folgenden Einheiten auseinandersetzen: Schulden aus dem Ersten Weltkrieg; aus der Zwischenkriegszeit; aus dem Zweiten Weltkrieg und der Besatzung; Völkermord am griechischen Volk; nationale Zersplitterung; Schulden Deutschlands; Geschichte der Entschädigungsforderungen; Verträge zwischen den Bündnispartnern und Griechenland seit 1945 und Entschädigungen: Forderung oder Recht? (AZ)
(Athener Zeitung im Internet: hellasproducts.com/az/)
Lawyers reject German state immunity claim***********************************
By George Gilson
The stark legal, political and moral principles surrounding Germany's bid to ignore a Greek Supreme Court ruling ordering compensation for the victims of a Nazi massacre were played out for four-and-a-half hours on April 17. Before an audience packed with dozens of the relatives of victims of the June 1944 reprisal massacre at Distomo, Viotia, and of other Nazi German atrocities in occupied Greece, the country's 11-member highest special court heard arguments on Berlin's claim of extraterritoriality, or state immunity. Germany effectively insists that only its own courts are legally fit to judge crimes committed abroad by German soldiers against civilian noncombatants in time of war.
In a 2000 ruling, the Greek Supreme Court (Areios Pagos) rejected Berlin's claim that Greek courts were unqualified to judge the case, thus upholding the nine billion drachma (now 20 billion with interest) compensation awarded by a Livadia lower court to the plaintiffs, more than 200 relatives of the Distomo victims. Following Germany's refusal to pay, the lawyer for the plaintiffs moved to seize the Goethe House cultural institute in Athens' upscale Kolonaki district and other prime German state properties in Greece.
The government scrambled to avoid tensions in bilateral relations with a powerful European Union partner, and German President Johannes Raus came to Greece to ask forgiveness for Nazi crimes, but also to underline that Berlin does not wish to pay Greek victims. Greece is the only country that has not received reparation for WWII damage to infrastructure and the economy. Greece also never received any of a $3 billion "war loan", which Berlin had promised to repay but never did.
Amid the political embarrassment, last June Section I of the Areios Pagos, headed by court president Stephanos Mathias, who was in the minority in the Distomo ruling, referred a separate compensation claim against Germany to the highest special court. Mathias' unusual decision to send the case to the special court was based on his own minority opinion in the Distomo case. That case had been won on appeal by a man whose house was burned by the Nazis in Lidoriki, Phocis, and Berlin had appealed to the Areios Pagos.
Plaintiffs dispute jurisdiction
The lawyers for the Distomo plaintiffs, Ioannis Stamoulis and retired law professor and former Pasok justice minister George Alexandros Mangakis, challenged the competence of the special court to hear the case, which they said excessively broadens the special court's jurisdiction. Stamoulis cited the Greek civil procedure code, which obliges lower courts to uphold the rulings of the full Areios Pagos, or else send the case back to the full court. Stamoulis also argued that the Treaty of Brussels, on which the current European Union is founded, clearly rules out state immunity between member states.
As framed for the jurists, there are two issues: how a generally accepted rule of international law is formed and whether there is a recognised exception to the principle of state immunity when agents of a foreign power (Germany) were present in the locus of the court (Greece) when the crime was committed. While admitting that the 1972 Basel Convention admits exceptions to the principle of state immunity, one of the 11 judges argued that there is no generally accepted rule for the lifting of that legal principle.
"The rule that 'You don't judge me and I don't judge you' is in place. The judicial authorities of one state cannot sit in judgement of another state, " said lawyer Lambros Sinaniotis in arguing for the German state. Sinaniotis told the Athens News that the plaintiffs must go to the German courts or to the European Court of Human rights.
Stamoulis cited the constitutional provision that a law cannot contradict the common sense of justice in arguing that extraterritoriality cannot block a trial regarding crimes against humanity. He noted that on April 14, German citizens demonstrated in Berlin before the Bundestag in support of the Distomo ruling and held up a banner calling symbolically for the confiscation of the parliament building. Stamoulis said the Nazi crimes were what today is called "international terrorism".
"Consider in your conscie nce. What should we say to the victims of Kommeno, Hortiati and Distomo when they go to court to find justice? How can you tell them to go to Berlin? We make a mockery of the legal system when we say that because someone in the Areios Pagos disagreed, even though the full court ruled in your favour, you must go to the Congo," Stamoulis said. "This is what happens when the servants of justice are the uncompromising dictators of their own opinion," he added, in an apparent reference to Mathias.
US courts agree
Stamoulis cited the case of the late Chilean foreign minister Orlando Letelier, who was murdered by Chilean agents in the US. American courts rejected the extraterritoriality argument. "All levels of the US court system said that the right of extraterritoriality is not recognised for states whose organs commit crimes in the place of the forum (court)." He also noted that the British House of Lords rejected extraterritoriality in the case of former Chilean dictator Augusto Pinochet, leading the British justice minister to block his extradition to Spain.
Stamoulis, who said that the European Court of Justice would overturn a ruling that upholds state immunity, argued that EU law does not recognise that legal principle. He suggested that the EU itself, as such, could theoretically be tried in a Greek lower court. "What are we globalising if we are not allowed to globalise the judicial function? When European, Palestinian or Israeli citizens seek justice, will there be black holes in the judicial order?" he asked.
"History is being written today. Your court is called upon to put things in order," declared Mangakis. He said that current legal trends increasingly limit the application of state immunity so as to protect civilians from the vagaries of war. The US, Britain, Canada and South Africa accept the jurisdiction of their courts to judge such cases. Are we more lacking in legal culture than all these countries? Will we overturn a brilliant ruling that is an honour to our legal culture just because the Federal Republic of Germany, with an arrogant and outdated attitude, brought this case before you?" he concluded.
"This decision not only concerns all of Greece. It clearly has the broadest possible application in the entire international community," Stamoulis told the Athens News. A ruling is expected no earlier than June.
ATHENS NEWS, 19/04/2002, page: A08, Article code: C12958A081
Vertreter des AK-Distomo-Hamburg beobachteten den Prozess
und übermittelten aus Athen am 18.4.2002 die
Pressemitteilung
Am gestrigen 17.4.2002 befasste sich der oberste Gerichtshof Griechenlands, der Areopag, erneut mit der Frage der Entschaedigung fuer deutsche Kriegsverbrechen, die waehrend der Besatzung Griechenlands begangen wurden. Im sogenannten "Lidoriki"-Verfahren hatte das Gericht nochmals ueber diejenigen rechtlichen Fragen zu entscheiden, die schon Gegenstand des "Distomo"-Prozesses waren.
Zur Erinnerung: Im April 2000 entschied der Areopag im Distomo-Prozess, dass die Bundesrepublik Deutschland den Opfern des Massakers vom 10.6.1944 und deren Hinterbliebenen Entschaedigung in Hoehe von umgerechnet ca. 28 Mio. Euro zu zahlen habe. Seinerzeit hat der Areopag zum einen die Frage bejaht, dass griechische Buerger vor griechischen Gerichten gegen die BRD klagen koennen. Zum anderen stuetzte der Areopag seine Entscheidung darauf, dass der Grundsatz der Staatenimmunitaet , auf den sich die Bundesrepublik beruft, jedenfalls dann nicht zum Tragen kommt, wenn es sich bei den zu beurteilenden Taten um Verbrechen gegen die Menscheit handelt. Dies wurde im Distomo-Fall angenommen. Damit waren in Griechenland alle Instanzen ausgeschoepft, die Entscheidung des Areopag ist rechtskraeftig.
Normalerweise haetten im "Lidoriki"-Fall, ueber den nunmehr der Areopag zu entscheiden hat, die gleichen Grundsaetze zur Anwendung kommen muessen, die der Distomo-Entscheidung zugrunde liegen. Die Bundesrepublik haette erneut verurteilt werden muessen. Dies ist jedoch in Frage gestellt.
Mit der Entscheidung ist naemlich nicht mehr der gleiche Zivilsenat befasst, der in Sachen Distomo entschieden hat. Der damalige und jetzige Vorsitzende des Gerichts, Mathias, vertrat schon im Distomo-Prozess eine abweichende Meinung und wollte die Klage abweisen, unterlag aber seinerzeit der Senatsmehrheit. Mathias verfiel daher auf einen juristischen Trick, um eine erneute positive Senatsentscheidung zu verhindern. Er rief den gemeinsamen Senat aller griechischen Obergerichte an, damit dieser das Verfahren an sich ziehen sollte. Der Clou dabei ist, dass Mathias zugleich der Vorsitzende des gemeinsamen Senats ist, die personelle Zusammensetzung ansonsten aber eine andere.
Damit besteht aus Sicht von Mathias die Chance auf andere Mehrheitsverhaeltnisse und eine juristische Kehrtwendung in der Entschaedigungsfrage.
Dieser gemeinsame Senat des Areopag tagte nun gestern. Die Erwartungen, aber auch die Befuerchtungen, bezueglich des Ausgangs dieses Verfahrens waren gross. Wenn der oberste Senat negativ entschiede, waere das Urteil im Distomo-Prozess ueberholt, und alle anderen Opfer und Hinterbliebenen, die auch gegen die BRD klagen, stuenden mit leeren Haenden da.
Der Prozess begann abends um 18.30 Uhr und endete erst um 23.00 Uhr, ungewoehnlich selbst fuer griechische Verhaeltnisse. Das Interesse war enorm gross, aus vielen Ortschaften ganz Griechenlands waren Menschen angereist. Einwohner Distomos hatten einen Reisebus angemietet, und waren allein schon mit mehr als 60 Beobachter/inne/n vertreten.. Der Sitzungssaal war restlos ueberfuellt, viele der Angereisten fanden keinen Platz mehr und hielten sich ueber Stunden hinweg auf den Gaengen des Gerichts auf.
Eine Entscheidung traf das Gericht noch nicht. Der Berichterstatter, einer der zwoelf Richter des Senates, der in den Sachverhalt einfuehrte, tendierte dazu, die Zustaendigkeit des Senats anzunehmen und in der Sache gegen die Entschaedigung zu entscheiden. Die weiteren Richter des Senats gaben hierzu allerdings keine Erklaerungen ab. Rechtsanwalt Ioannis Stamoulis hielt fuer die Klaegerseite ein beeindruckendes ca. 1-stuendiges Plaedoyer. Er ruegte zunaechst die Zustaendigkeit des Senats, denn die griechische Verfassung sieht eine solche Vorgehensweise, wie sie Mathias an den Tag gelegt hatte, ueberhaupt nicht vor. Der gemeinsame Senat darf nur dann angerufen werden, wenn zwischen zwei Obergerichten eine unterschiedliche Rechtsauffassung besteht. In diesem Fall bestand aber nur eine abweichende Meinung innerhalb eines Senats, so dass hier faktisch durch die Hintertuer eine neue Rechtsinstanz geschaffen wurde - ein klarer Verfassungsbruch. Stamoulis warf dem Vorsitzenden vor, ein Diktator gegen die Mehrheit zu sein.
Stamoulis legte aber auch dar, welche grundlegende Bedeutung die Frage der Entschaedigung fuer die Gerechtigkeit hat. Er fuehrte anhand einer Vielzahl von Beispielen aus, warum es einen allgemeinen voelkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunitaet ueberhaupt nicht gibt. Somit brauche der Senat, wenn er sich denn fuer zustaendig halte, auch nicht nach der Ausnahme von der Regel zu suchen, sondern muesse seine Grundannahmen ueberdenken. Weiter machte Stamoulis deutlich, dass ein Grundsatz der Staatenimmunitaet, wenn er denn zum Tragen kaeme, keine Anwendung bei Verbrechen gegen die Menscheit faende. Bei den Massakern der Wehrmacht und der SS in Griechenland habe es sich um keine normalen Kriegshandlungen, sondern um Kriegsverbrechen gehandelt. Dies habe der Areopag auch in seiner Distomo-Entscheidung festgestellt.
Alle Vertreter der Opfer wurden von den ZuschauerInnen mit Applaus bedacht, was der Vorsitzende nur einmal erfolglos zu verhindern suchte. Die griechischen Anwaelte der Bundesrepublik wurden hingegen mit Missfallensaeusserungen belegt.
Wann die Entscheidung des gemeinsamen Senats ergehen wird, ist nicht bekannt. Es werden aber sicher Wochen, wenn nicht Monate vergehen.
Zuvor am 15.5.2002 wird der Zivilsenat des Areopag sich
erneut mit dem Thema Entschaedigung befassen, denn an diesem Tag wird ueber
die Rechtmaessigkeit der Zwangsvollstreckungsmassnahmen im Distomo-Fall
(Pfaendung und Zwangsversteigerung u.a. Goethe-Institut) verhandelt.