Love Letters
Ausschnitt aus "In the Arena":
"In den letzten paar Jahren war das einzige Stück,
das ich gespielt habe Pete Gurneys Love Letters. Dieses Stück ist
ungewöhnlich strukturiert, denn es besteht ausschließlich aus
Briefen zwischen einem Mann und einer Frau über eine Zeitspanne von
etwa 50 Jahren, angefangen als sie beide 8 Jahre alt sind. Die Periode,
von der im Stück die Rede ist (von den Dreißigern bis zu den
Achzigern) und der soziale und wirtschaftliche Status der beiden Protagonisten
(beide sind weiße angelsächsische Protestanten, die Eliteuniversitäten
besucht haben, er aus einer wohlhabenden Familie, sie aus einer wirklich
reichen Familie) scheint ein zeitgenössisches Publikum nur mäßig
interessieren zu können.
Doch dem ist nicht so. Obwohl es besteht aus zwei
Menschen, die nebeneinander an einem Tisch sitzen, sich nicht einmal anschauen,
sind Zuschauer in aller Welt verzaubert. Es wurde dargestellt von Paaren
im Alter von 18 Jahren, von verschiedenen Rassen und Nationalitäten.
Es wirkt wahrscheinlich am besten mit reifen Darstellern;
kein Schauspieler kann alle Altersgruppen umfassen, aber ich kann mich
noch lebhaft daran erinnern, wie es mit 14 war, und 30, und 45. Andy Ladd
(meine Rolle) mit 8 habe ich gleich verstanden.
Ich kenne nur sehr wenige Stücke, die so wahrhaft
komisch und gleichzeitig so tief bewegend sind wie Love Letters.
Ich
habe es mit 5 Schauspielerinnen in verschiedenen Städten gespielt
: Jean Simmons, Stephanie Beacham, Alexis Smith, Carol Burnett und Lydia.
Jede von ihnen hat ihre Stärke zur Rolle von Melissa Gardner beigetragen.
Für mich war Lydia die beste, nicht zuletzt deshalb, weil sie und
Melissa sich so ähnlich sind. Melissas Leben ist auf tragische Weise
unerfüllt, Lydia hingegen ist im Großen und Ganzen glücklich
gewesen, aber ihre Reaktionen sind sehr ähnlich.
Das selbe gilt für mich : Andy Ladds Leben
verlief ganz anders als meines. Doch ich habe nie eine Rolle gespielt,
die für mich so richtig war. Ich freue mich schon darauf, ihn wieder
zu spielen ... mit Lydia."
Aus: Charlton Heston, In the Arena, Simon &
Schuster, New York 1995. Übersetzung: M. Ahren
Am 6. Juli 1999 war es dann soweit. Charlton Heston
durfte wieder Andy Ladd spielen, und zwar mit seiner Frau Lydia als Melissa.
Er trat am Theatre Royal Haymarket im Londoner West-End auf.
Alles fing mit Fingerübungen an, als der Autor,
A.R. Gurney, versuchte zu lernen einen Computer zu benutzen. Er tippte
munter darauf los und schon bald wurde eine Geschichte daraus, eine schöne
Liebesgeschichte...
In dem Stück geht es - der Titel sagt es
- um Briefe, um Schreiben... Schreiben ist für den Helden eine Möglichkeit
Gefühle auszudrücken, die er sonst nicht hätte aussprechen
können und der einzige Weg seine Liebe zu Melissa zu offenbaren.
Melissa, hingegen, spürt die Probleme, die
mit dem Schreiben zusammenhängen. Instinktiv begreift sie, daß
Briefe es einem ermöglichen menschlichen Kontakt zu vermeiden, daß
Worte auch unaufrichtig sein können... Sie kämpft gegen Andys
Versuche, sie das Spiel nach seinen Regeln spielen zu lassen, und sie tut
ihr Bestes um ihm nach ihren eigenen Bedingungen zu antworten. Sie benutzt
dazu Zeichnungen, Zeichentrickjargon, das Telephon... alles um sich
gegen die ständige Verführung von Andys Feder durchzusetzen.
Nach seiner letzten Vorstellung bedankte sich Charlton
Heston bei seinem Publikum und äußerte die Hoffnung noch öfters
auf englischen Bühnen auftreten zu können.