Was machen eigentlich - die Professoren?

                           Was machen eigentlich Professoren? Bei Gottfried Benn
                           hieß es, lang ist es her: Sie forschen in Saus und Braus. Das
                           war einmal. Heute werden sie offenbar mit allen Mitteln
                           daran gehindert: Man läßt sie nicht mehr
                           eigenverantwortlich forschen und lehren, kürzt ihre
                           Anfangsgehälter, so daß ein erhebliches Vergütungsdefizit
                           entsteht, tut nichts, um ihnen die Abwanderung ins Ausland
                           zu ersparen, zerstört gar die sie umgebende
                           "Assistentenkultur". Demotivation der Professoren, so ist zu
                           lesen, sei die unausweichliche Folge. Also nichts mehr mit
                           Saus und Braus. Schlecht steht es um die deutsche
                           Universität. Darüber braucht man sich nicht erst von einer
                           mehrseitigen Anzeige belehren zu lassen, die dieser Tage,
                           unterzeichnet von Tausenden von Professoren, in der
                           Presse erschien. Der Anlaß ist eine geplante
                           Dienstrechtsreform, gewiß nicht die letzte in der fast
                           unüberschaubar langen Reihe von Reformen, die die
                           Universitäten sich seit den sechziger Jahren anfänglich selbst
                           verordneten, dann aber mehr und mehr nur noch
                           erduldeten. Eine Generation, die einst geradezu
                           reformsüchtig war, fühlt sich mittlerweile als Reformopfer.
                           Mit dem Willen ist auch der Glaube an die Heilmittel
                           geschwunden, die schlimmer sind als die Krankheiten, die
                           sie heilen sollen. Was bleibt also? Die Forschung, die keine
                           Anerkennung und nicht einmal den verdienten Lohn findet?
                           Das Selbstbewußtsein als "Spitzenkraft", wo doch der
                           Beruf des Professors seinen alten Glanz längst verloren hat?
                           Da bleibt einer Profession, die einst zu angesehen war, um
                           zu klagen, nur das Selbstmitleid. Das Echo wird bescheiden
                           bleiben. Wir stellen uns vor, irgendwann einmal in all den
                           Jahren wäre in den Tageszeitungen ein großes Inserat
                           erschienen, unterzeichnet von Tausenden von Professoren,
                           um die Öffentlichkeit auf die Lage der Studenten
                           aufmerksam zu machen und die Vernachlässigung zu
                           erklären, die hier - im Unterschied zu Großbritannien oder
                           den Vereinigten Staaten - an der Tagesordnung ist, und wie
                           ihr abzuhelfen wäre. Vielleicht wären diese altruistischen
                           Professoren auf den Gedanken verfallen, eigene Stellen für
                           den Unterricht der Anfänger, für ihre Beratung und
                           Betreuung anzuregen. Etwas herablassend, aber doch in
                           guter Absicht hätten sie den Namen "Juniorprofessoren"
                           erfunden, der jetzt, von der Politik ins Spiel gebracht, ihr
                           Schreckbild ist. Wir hätten ihren guten Willen und ihren
                           Realismus gelobt.

                           Ri.

                           Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.03.2001, Nr. 75 / Seite 49