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![]() Bund und Länder nähern sich bei Professoren-Dienstrecht an Von Richard Meng BERLIN. 3759 zu 464 gegen ein neues Professoren-Dienstrecht: Auf den ersten Blick ist das Verhältnis eindeutig, aber bei genauerem Hinsehen ist doch schwer zu sagen, welche Zahl mehr Gewicht hat. Denn nur rein zahlenmäßig hat im Wettstreit der Unterschriftensammler der Deutsche Hochschulverband die Nase vorn. Aber 464 deutsche Auslandswissenschaftler, darunter zwei Nobelpreisträger, hat bislang auch noch nie jemand unter einen Appell vereint. 3759 Inlandswissenschaftler verteidigen nicht ganz überraschend im Namen einer Standesvertretung den deutschen Status Quo und verlangen die Rücknahme der Reformvorschläge von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). 464 andere, die vorwiegend in den USA arbeiten, halten - hochschulpolitisch fast wie bestellt - vom Ausland aus dagegen. Dass sich die Lobby jetzt derart zahlreich zu Wort meldet, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass es ernst wird mit der geplanten Reform des Professoren-Dienstrechts - und dass es letztlich ums Geld geht. Um die Frage nämlich, ob die vorgesehene leistungsbezogene Besoldung auch durchgesetzt werden kann. Für Bulmahn ist das Nebeneinander zweier Unterschriftensammlungen zumindest kein Nachteil. "Wenn es zwei derart klare, kontroverse Linien gibt", sagt am Mittwoch Ministeriumssprecherin Sabine Baun, "müssen wir doch auf dem richtigen Weg sein. Wir werden uns jedenfalls nicht irritieren lassen." Tatsächlich ist das Projekt auch längst viel weiter, als es die spät erwachte Lobby glauben macht. Denn seit Bulmahn im September 2000 die Grundzüge des Konzepts für eine flexiblere Professorenbesoldung und einige weitere Reformen vorgestellt hat, wurde zwischen den Bundesländern intensiv über die Details verhandelt - mit dem Zwischenergebnis, dass zwischen A- und B-Ländern, den sozialdemokratisch und den christdemokratisch regierten Ländern, inzwischen weitgehender Konsens besteht und Bulmahn nun bis zum Sommer erstmals offiziell einen Gesetzentwurf vorlegen will. Jürgen Zöllner, Mainzer Wissenschaftsminister und Koordinator der SPD-Länder in der Bildungspolitik, sagt voraus: "Sobald ein klarer Vorschlag auf dem Tisch liegt, wird die Diskussion sich versachlichen." Zöllner hat selbst in der Sechser-Arbeitsgruppe der Kultusminister gesessen, die den Konsens vorbereitet haben. Er weiß zu berichten, dass in der Arbeitsgruppe inzwischen nicht nur Bremens SPD-Senator Willi Lemke und die grüne Hamburger Senatorin Krista Sager mit einem leicht korrigierten Konzept einverstanden sind, sondern auch die Minister Hans Zehetmair (Bayern / CSU), Hans-Joachim Meyer (Sachsen / CDU) und Ruth Wagner (Hessen / FDP). "Völlig einvernehmlich" (Zöllner) soll es demnach beim Einstieg in eine leistungsbezogene Besoldung bleiben. Bulmahn hatte für neu berufene Hochschullehrer (und schon berufene auf freiwilliger Basis) künftig ein niedrigeres Ausgangsgehalt und darauf aufbauend leistungsbezogene Zuschläge vorgesehen. Der Hochschullehrerverband moniert daran, dass letztlich "drastische" Absenkungen der Grundvergütung um monatlich 1500 Mark die Folge wären. Das aber wird von Bulmahn bestritten, das Anfangsgehalt - so heißt es jetzt - sei letztlich doch nur ein rechnerischer Grundbetrag, die Unterschriftensammlung dagegen also "unseriös". Und die Auslandswissenschaftler loben die neue Differenzierung ausdrücklich als Abkehr vom unflexiblen und "unangemessen hierarchischen" Aufbau der deutschen Forschungslandschaft. Letztlich geht es den Bildungspolitikern vor allem darum, besonders namhafte Wissenschaftler mit besonders hohen Einkommen wieder nach Deutschland zurücklocken zu können. "Leistungsorientierte Spitzenleute" könne man tatsächlich nur dann bezahlen, so Zöllner, wenn nicht für alle anderen der bisherige Besitzstand auf alle Zeiten garantiert wird. Der letzte offene Punkt zwischen den Ländern ist dort nun noch, ob es bei dem Plan bleiben soll, dass das Gesamtvolumen der Professorenbezahlung pro Jahr (neben den Tarifsteigerungen) um bis zu zwei Prozent steigen darf. Das könnte dazu führen, dass reichere Bundesländer den anderen nach und nach immer mehr Spitzenkräfte abwerben. Ein anderer vom Hochschulverband kritisierter Punkt ist intern längst vom Tisch. Es wird kein "Verbot" der Habilitation als Qualifikationsschwelle für Professoren geben, wie Bulmahn es zunächst vorgesehen hatte, sondern die Habilitation wird künftig im Gesetz nur nicht mehr eigens erwähnt. Die 464 Auslandswissenschaftler halten das für überfällig, weil die Habilitation nur zur "Zementierung existierender Machtstrukturen" geführt habe. Gerade diese Kontroverse zeigt, wie sehr es hier um einen Generations- und Prinzipienkonflikt geht, um das Aufbrechen alter Universitäts-Seilschaften. Bulmahn will die Reform noch vor der Bundestagswahl 2002 durchsetzen. Ob es dazu kommt und besonders ob der Kanzler das für opportun hält, hängt jetzt aber auch vom Ausmaß der politischen Kontroverse ab. Schon beim Reizthema Studiengebühren war die Union unter Bayerns Führung am Ende von einem Kultusminister-Konsens wieder abgesprungen, und beim Thema Bafög hat der Kanzler höchstselbst eine Bulmahn-Reform korrigiert, weil er sie bei Teilen der Wählerklientel für unpopulär hielt. Das größte Risiko für Bulmahn ist jetzt, dass die späte Gegenoffensive des Hochschulverbands die Klientelpolitiker bei den Unionsparteien aufschreckt und dort einmal mehr die Bildungsminister unter den Druck der Wahlkampfstrategen geraten. Da wirkt dann aber die Wortmeldung der 464 aus dem Ausland doppelt: "Wir sehen mit Bedauern, dass das Reformvorhaben auf heftigen Widerspruch von Interessensgruppen stößt, die um ihre Macht und ihre Privilegien fürchten", heißt es in deren Brief. Mit anderen Worten: Der Kanzler soll sich nicht beeindrucken lassen.
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