AWMF online
|
|
 |
Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen
Medizinischen
Fachgesellschaften |
Online-Mitteilungsblatt 05/2001
Auch als PDF-Datei
verfügbar!
Das Präsidium der AWMF hat auf der Basis der Diskussion bei der
Delegiertenkonferenz am 12. Mai 2001 und der Abstimmung über die Grundzüge
einer Stellungnahme (große Mehrheit, ohne Gegenstimmen bei 3 Enhaltungen)
den folgenden Text verfasst und dem Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) zugeleitet:
Stellungnahme der AWMF zur geplanten Dienstrechtsreform, insbesondere zur
Frage der Einführung einer sog. Juniorprofessur
Die AWMF stimmt mit vielfältig vorgetragenen Überlegungen
und Forderungen, u. a. der DFG und des BMBF darin überein, dass es
zur Stärkung der klinischen Forschung und zur Verbesserung der Forschungsleistung
in Deutschland, insbesondere im internationalen Vergleich, erforderlich
ist:
-
die wissenschaftliche Selbständigkeit junger Forscher zu fördern,
-
sie von bürokratischen und hierarchischen Bevormundungen freizuhalten
und
-
ihnen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Alle Maßnahmen, die diese Ziele unterstützen, sind geeignet,
den Forschungsstandort Deutschland wesentlich attraktiver zu machen.
Die im Dienstrechtsentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen müssen
jedoch die unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Fakultäten
berücksichtigen. So ist schon die studentische Ausbildung im Ablauf
bei Pädagogen anders als bei Juristen oder Medizinern. Sehr viel mehr
gelten die Besonderheiten für die Zeit nach dem Abschluss des Studiums.
Der Dienstrechtsentwurf sieht eine Zeit von 4 Jahren bis zur Promotion,
danach eine Zeit von 2-3 Jahren als "Postdoc" vor und danach eine Zeit
von 6 Jahren für die sog. Juniorprofessur. Diese Zeitvorstellungen
mögen für nichtmedizinische und z. T. für vorklinische Fächer
zutreffend sein, für die klinische Medizin sind sie ungeeignet.
Ziele einer sinnvollen Dienstrechtsreform
-
Verbesserung der klinischen Forschungsleistung. Dies setzt eine enge Verknüpfung
von Forschung und Krankenversorgung in einer Person voraus.
-
Ziel muss aber auch bleiben: Ärzte in leitenden Funktionen an Universitäten
(Chefärzte, Oberärzte) auch weiterhin in ihren klinischen Fähigkeiten
und Fertigkeiten zumindest so qualifiziert wie Ärzte an einem allgemeinen
Krankenhaus auszubilden.
-
Hochqualifizierte Ausbildung der Studierenden an den Universitätsklinika.
Sie erfordert eine entsprechende klinische Qualifikation der Professoren.
-
Die Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung zu erhalten, weil
die innovativen Aufgaben einer Universitätsklinik in der Entwicklung
neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren nur auf diese Weise
erfüllt werden können.
Stellungnahme der AWMF
Die AWMF ist deswegen der Auffassung, dass die sog. Juniorprofessur,
zumindest in der gegenwärtig geplanten Form, für die Medizin
nicht geeignet ist, bzw. ihre Einführung keinen Fortschritt gegenüber
dem Status quo darstellen würde. Es wäre im Gegenteil eine deutliche
Verschlechterung für die Mehrzahl der jungen Wissenschaftler in den
Kliniken zu befürchten.
-
Eine Facharztweiterbildung und kompetitive Forschung im Rahmen einer sog.
Juniorprofessur sind zu gleicher Zeit unmöglich. Bei der Unsicherheit
über die Berufschancen im akademischen Bereich werden die jungen Ärzte
bevorzugt zunächst die klinische Weiterbildung anstreben, d. h. das
Instrument Juniorprofessur kommt als Möglichkeit einer selbständigen
wissenschaftlichen Weiterentwicklung nicht zum Tragen. Nach Abschluss der
Weiterbildungszeit sind aber viele junge Wissenschaftler auch im heutigen
System habilitiert, damit per definitionem wissenschaftlich selbständig
und haben eigene Drittmittel eingeworben. Eine Juniorprofessur würde
keine Besserstellung des jungen Wissenschaftlers bedeuten.
-
Die Promotionsarbeit wird in der klinischen Medizin derzeit in der Regel
während des Studiums gefertigt. In den klinischen Fächern ist
es wegen der Arbeitsbelastung und aus arbeitsrechtlichen Gründen kaum
möglich, eine höher qualifizierte Promotionsarbeit nach der Approbation
zu fertigen (Hilfsmittel - insbesondere Personal - stehen dem Nichtpromovierten
nicht zur Verfügung, Drittmittel können nicht eingeworben werden).
Durch die Umstrukturierungen im Gesundheitswesen lastet ein massiver Druck
auf den Ärzten, auch in den Universitätsklinika. Die zeitliche
Belastung mit administrativen Aufgaben und Lehraufgaben und nicht zuletzt
auch die zunehmenden Anforderungen in der Betreuung der Patienten haben
extrem zugenommen. Dies ist ein wichtiger Grund für die bestehenden
Probleme der klinischen Forschung in Deutschland (s. u.). Eine Verbesserung
der Situation liegt in einer mit den USA oder Japan vergleichbaren Stellenvermehrung
in den Kliniken.
-
In den klinischen Fächern ergibt sich nicht selten die Situation,
dass hochqualifizierte Wissenschaftler in einem bestimmten Zeitfenster
keine Dauerposition erreichen können, weil die betreffenden Positionen
erst in späteren Jahren frei werden oder für besonders spezialisierte
Wissenschaftler außerhalb ihres eigenen Arbeitsbereiches gar nicht
zur Verfügung stehen. Für solche Fälle hat die angedachte
Personalstruktur der sog. Juniorprofessur bisher keine Lösungen entwickelt.
Die Zeithorizonte im Entwurf der Dienstrechtsreform würden dieses
aber erfordern.
Vorschläge der AWMF
Aus den genannten Gründen hält die AWMF die geplante Dienstrechtsreform
in Bezug auf die sog. Juniorprofessur in der Medizin für nicht geeignet.
Die AWMF macht folgenden Vorschlag:
-
Die Med. Fakultäten sollen ein konstitutionelles Evaluationsprogramm
für junge Wissenschaftler, gleich welcher Herkunft, einführen.
In vielen Bereichen in Wirtschaft und Forschung ist Personalentwicklung
heute etabliert, in der Medizin aber nicht institutionalisiert. Ein solches
Personalentwicklungsprogramm käme dem Anliegen des Gesetzgebers, die
Strukturen für Forschung zu verbessern, direkt entgegen. Ein derartiges
Programm würde die Medizinischen Fakultäten stärken und
die erforderliche Motivation für junge Wissenschaftler geben. In den
Katalog der Bewertungskriterien könnten Qualität der Promotion,
Mitarbeit in Forschungsteams, bisherige Publikationen aber auch Beurteilung
der Leistungsfähigkeit durch Vorgesetzte, z. B. bzgl. der klinischen
Fähigkeiten, eingehen.
Solchen Wissenschaftlern sollten dann ad personam Mittel zur Verfügung
gestellt werden, insbesondere Personalmittel, die aus den für die
sog. Juniorprofessur geplanten Ressourcen zur Verfügung ständen
und vom BMBF für die Förderung der Forschung in Deutschland zugesagt
wurden. Die evaluierten Wissenschaftler könnten diese Mittel dann
dafür einsetzen, ihre eigene klinische Funktion für eine Zeit
ersetzen zu lassen, um selber im Labor oder an auswärtigen Institutionen
zu arbeiten.
Dieser Vorschlag lehnt sich an die Erfahrungen mit den sog. GEROK-Stellen,
dem EMMY-NOETHER- oder HEISENBERG-Programm
an, die ohne jede Frage eine der wichtigsten Hilfen für die klinische
Forschung der letzten Jahre gewesen sind und vermeidet ein Auseinanderfallen
von klinischer Forschung und Grundlagenforschung.
Dieser Vorschlag berücksichtigt auch, dass die Sachausstattung
der Universitätsklinika relativ gut ist, dass Verbrauchsmittel in
der Regel aus Drittmitteleinwerbung vorhanden sind, dass aber die Frage
der Personalausstattung an den meisten Universitätsklinika kritisch
ist und durch die Veränderungen im Gesundheitswesen zunehmend kritischer
wird. Ein solches Programm würde für die Medizin die gewünschte
Flexibilität herstellen und die Selbständigkeit junger Wissenschaftler
nachhaltig stärken. Auch für diesen Vorschlag geht die AWMF davon
aus, dass nur hochrangige Forschungsansätze nach entsprechender, auch
externer Evaluation Voraussetzung für eine Förderung sind.
-
Die AWMF schlägt die Beibehaltung und Modifikation des Habilitationsverfahrens
vor. Wie schon in einigen Habilitations-Ordnungen vorgesehen, empfiehlt
die AWMF die sog. kumulative Habilitation. Die Habilitations-Ordnungen
an den Medizinischen Fakultäten sollten harmonisiert werden.
Abschließend begrüßt die AWMF noch einmal die Bemühungen
des BMBF zur Verbesserung der Forschungslandschaft Deutschland. Sie plädiert
für eine flexible Forschungs- und Personalstruktur, die sie in dem
Dienstrechtsentwurf zur sog. Juniorprofessur vermisst, gerade im Interesse
der heranwachsenden Generation von Wissenschaftlern aber für dringend
erforderlich hält.
Zurück zur Index AWMF-Mitteilungen
Zurück zur AWMF online-Leitseite
Erstellt am 23. 05. 2001
© awmf@uni-duesseldorf.de
HTML-Code optimiert: 23.05.01 12:43:22