Aufschrei vor Entsetzen
Universität soll Ausländer locken / SZ vom 28. Februar
Die Kapriolen, die Politiker in der Zuwanderungspolitik schlagen, sind zuweilen sonderbar. Da will Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (einem Vorschlag des Bundeskanzlers folgend und unterstützt neuerdings offenbar auch von Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu) ausländische Studenten damit anlocken, dass ihnen nach Abschluss ihres Studiums in Deutschland die begehrte Green Card mit Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis gewährt wird. Interessant dürfte ein solches Angebot vor allem für Studenten aus Entwicklungsländern und Schwellenländern sein. Gerade diese Studenten sollten nach den bisherigen Maximen deutscher Entwicklungspolitik aber wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort die dringend benötigten Führungskader zu stellen.
Als Aderlass wurde bisher verurteilt, was Bulmahn fordert und ihre Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, müsste eigentlich vor Entsetzen aufschreien. Mit deutlichem Wink an die Bundesregierung hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in einer Stellungnahme zu einem entwicklungspolitischen Positionspapier der Europäischen Kommission kritisiert, es sei ein Widerspruch, wenn auf der
einen Seite sinnvollerweise die Bildung und Ausbildung der Menschen in den wirtschaftlich unterentwickelten Ländern gefördert wird, wenn aber gleichzeitig mit besonderen staatlichen Initiativen, wie zum Beispiel Einwanderungsregelungen, bewusst Fachkräfte aus diesen Ländern abgeworben werden, was den Aufbau beziehungsweise die Konkurrenzfähigkeit von dortigen Unternehmen massiv beeinträchtigt (CES 1191/2000). Die Unverfrorenheit, mit der die deutsche Politik ihre eigenen entwicklungspolitischen Ziele konterkariert, wird nur noch von den USA und von Kanada übertroffen, die zwischen 1960 und 1990 mehr als eine Million Hochqualifizierte aus der Dritten Welt abgesaugt haben.
Ohnehin ist es höchst zweifelhaft, ob Deutschland mit den geplanten Initiativen Spitzenkräfte anwerben kann die bevorzugen nach den bisherigen Erfahrungen Nordamerika, allenfalls noch Großbritannien. Deutschland wird sich also mit akademischem Mittelmaß begnügen müssen. Warum der Bedarf an Qualifizierten nicht unter den Studenten aus Deutschland oder aus den Ländern der Europäischen Union gedeckt werden kann, bleibt unerfindlich. Deutschland hat nicht zu wenig einheimische Studenten, sondern zu viele katastrophale unterfinanzierte Hochschulen.
Prof. Dr. Günter Witzsch,
Münster