NACHRICHTENDonnerstag, 29. März 2001
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Professoren protestieren
gegen neues Dienstrecht

Von Jeanne Rubner

München – In einer vierseitigen Anzeige warnen mehrere tausend Hochschullehrer vor der von der Bundesregierung geplanten Dienstrechtsreform. „Schützt die Universitäten vor der Abwanderung ihrer Spitzenkräfte“ lautet der Appell in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Mittwoch, den 3759 Dozenten unterschrieben haben. Zwar seien sich die Unterzeichner mit der Regierung einig, dass deutsche Universitäten international wettbewerbsfähig sein und dem Nachwuchs attraktive Perspektiven geboten werden müssten. Die Vorschläge von Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die bald als Gesetzentwurf vorgestellt werden sollen, seien aber nicht geeignet, dies zu erreichen.

Bulmahn will Professoren in Zukunft ein Grundgehalt von 7000 (bisherige C2- und C3-Stellen) beziehungsweise 8500 Mark (entsprechend C4) zahlen. Wer gute Forschung betreibt, spannende Vorlesungen hält oder sich in der Verwaltung engagiert, soll mit einer Zulage belohnt werden. Bislang beträgt die Eingangsvergütung für ein C4-Gehalt 9500 Mark. In Zukunft soll ein ordentlicher Professor im Durchschnitt 11600 Mark Monatsgehalt verdienen, sagte Bulmahns Sprecherin Sabine Baun, die Gehälter werden nach oben offen sein. Deshalb sei es unseriös – wie in der Anzeige der Fall – von einer Absenkung zu sprechen, und zeige, so Baun, „wie stark der Hang zur Besitzstandswahrung sei“. Falsch ist auch die Behauptung, die Habilitation solle verboten werden. Ein solches Verbot hatte Bulmahn zwar geplant. Es ist aber, wie kürzlich in der Süddeutschen Zeitung berichtet, am Widerstand einiger Bundesländer gescheitert.

Der Aufruf kritisiert auch die geplante Juniorprofessur, die dem Nachwuchs früher mehr Selbstständigkeit gewähren soll. Während Hartmut Schiedermair, Präsident des Deutschen Hochschulverbands, sich gegen die „Sage des geknechteten Assistenten“ wendet und auf die Vorzüge der Betreuung durch einen Professor verweist, bezeichnet der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, die Beschwörung einer „bewährten Assistentenkultur“ als überzogenen Ausdruck hiercharchischen Denkens. Landfried begrüßt die Reform im Ganzen, kritisiert aber wie Schiedermair die vom Bund geplante Kostenneutralität, denn die Hochschulen seien bereits jetzt „unterfinanziert“.

Die Anzeige, die 240000 Mark gekostet haben dürfte, wurde vom Hochschulverband initiiert und mitfinanziert. Trotz der großen Zahl hält Landfried die Unterzeichner für nicht repräsentativ: „Unter ihnen sind fast keine Rektoren und nicht wenige sind emeritiert“. Fast zeitgleich haben am Dienstag 464 im Ausland forschende deutsche Wissenschaftler in einem offenen Brief an Bulmahn gefordert, die Reform zügig umzusetzen. Sie bezeichnen den Widerstand als „Interessenpolitik einer Gruppe, die um Macht und Privilegien fürchte“.

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ArtikelSZ vom 29.03.2001 - Nachrichten
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