Pariser Commune – Oktoberrevolution – Chinesische Kulturrevolution:
Revolutionär-kommunistische Wegmarken
für einen neuen Aufschwung der Bewegung


Arbeiter/innen aller Länder, vereinigt euch! Arbeiter/innen aller Länder und unterdrückte Völker, vereinigt euch! 6. Jänner  2009 (138 npc)

Seit über 200 Jahren ist der Kommunismus eine wohl­erwogene wissenschaftliche Annahme. Be­reits während der radikalsten auf Gleichheit abzie­lenden Phase der französischen Revolution (1793) hat der Kommunismus aufzuhören begonnen, bloß eine utopische Wunschvorstellung zu sein.
Was beinhaltet der Begriff Kommunismus? Die Geschichte seit dem Altertum ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Klassen und unversöhnliche Klassengegensätze sind aber kein unabwendbares Schicksal. Sie bestehen nur, solange wir sie dulden. Die Klassengesellschaft kann aufgehoben werden. Sie ist eine vorübergehende Erscheinung, die erst während des verhältnismäßig kurzen Zeit­raums der letzten 5.000 Jahre besteht. Die Unter­werfung und die Ausbeutung der Arbeiter/innen-Klasse sind überwindbar! Der Staat als Organi­sa­tionsform der herrschenden Klasse kann entfallen. Eine ganz andere, kollektive und emanzipatori­sche Organisationsform kann an ihre Stelle treten. Diese beseitigt die ungleiche Verteilung der Reich­tümer und kann den Menschen den Wechsel zwi­schen körperlicher und geistiger Arbeit genauso ermöglichen, wie den zwischen Stadt und Land. Die private Anhäufung gigantischer Reichtümer und ihre innerfamiliäre Weitergabe durch Verer­bung werden abgeschafft. Die Existenz staatlicher Zwangsapparate wie Polizei und Militär wird sich mit Notwendigkeit erübrigen. In der Phase der Dik­tatur des Proletariats werden die Überreste der al­ten Gesellschaft bis in die Grundfesten zerstört.  Mit der Anerkennung der Notwendigkeit der Zer­schlagung des bourgeoisen Staates, und sei er so demokratisch wie immer er wolle, damit steht und fällt die Ernsthaftigkeit der kommunistischen Hypo­these. Dann folgt eine lange Phase der Reorgani­sation auf Grundlage einer freien Assoziation der Produzent/innen und Schöpfer/innen und des Ab­sterben des Staates.
Diese Annahme fallen zu lassen, erweist sich als bedingungslose Kapitulation gegenüber sämtli­chen Folgen, die sich aus dem Kapitalismus und seiner wie angegossen passenden Staatsform, der parlamentarischen Demokratie zwingend ergeben. Die Preisgabe der kommunistischen Hypothese zwingt zur widerstandslosen Hinnahme noch der monströsesten Ungleichheiten als so genannte Sachzwänge.

Das Vierteljahrhundert, das dem Beginn des Ers­ten Weltkriegs vorausging, war eine blühende Epoche vor allem des europäischen Kapitalismus. Aber die zunehmende Konkurrenz zwischen den imperialistischen Mächten um Ressourcen, An­lage- und Absatzsphären verdunkelte zunehmend den Horizont. Die Prosperität des Zeitalters war drauf und dran ihre Grenzen zu überdehnen. Dann brach der Weltkrieg in der Wahrnehmung vieler so­zusagen als Urkatastrofe des 20. Jahrhunderts über die Menschen herein. Es war aber bloß die Zeche, die für den vorausgegangenen Höhenflug der kapitalistischen Marktwirtschaft zu entrichten war.
Die Arbeiter/innen und die Volksmassen waren nicht bereit den Bürgerlichen bis ans bittere Ende zu folgen und den Herrschenden entglitt zuneh­mend die Kontrolle über die von ihnen selbst her­beigeführte Lage. So entstand mitten im Ersten Weltkrieg in Europa die umfassendste revolutio­näre Situation des zwanzigsten Jahrhunderts, in der die Welt des Bürgertums bis an den äußersten Rand des Abgrunds heran rückte. In vielen Län­dern Europas ereigneten sich dem kriegsbeding­ten Ausnahmezustand zum Trotz breiteste Volks­bewegungen gegen den Krieg und gegen  dessen Verursacher, die herrschende Klasse, das Bürger­tum: Demonstrationen, Streiks, kollektive Befehls­verweigerungen, Militärrevolten, Erhebungen, be­waff­nete Aktionen. Kurz: Umwälzungen großen Ausmaßes standen auf der Tagesordnung. In Russ­land wurde zuerst der Zar gestürzt und weil die Bewegung genügend Schwung hatte, wenig später auch noch die Diktatur der Bourgeoisie. Die Volksmassen verschiedener Länder Europas schu­fen sich eigene Gegenmachtorgane in Form von Arbeiter/innen-, Bauern/Bäuerinnen- und Sol­da­tenräten, die die  bürgerliche Gesellschaft grund­sätzlich in Frage stellten. In Ungarn, Bayern und anderen Teilen Deutschlands konnten kurz­lebige Räterepubliken errichtet werden. Vor 90 Jah­ren, im Jänner 1919 wurden mit Rosa Luxem­burg und Karl Liebknecht zwei herausragende Füh­rer/innen der revolutionär-kommunistischen Arbeiter/innen-Bewegung von den Schergen der staatstreuen sozialdemokratischen Gegenrevolu­tion ermordet.
Worin bestand damals das Geheimnis der Überlengenheit der russischen revolutionären Arbeiter/in­nen-Bewegung gegenüber der westeuropäischen?
Der größte Wurf der internationalen revolutionär-kommunistischen Bewegung war bis 1917 die Pariser Commune von 1871 gewesen. Sie hatte durch die Kombination aus Volksbewegung, füh­render Rolle der Arbeiter/innen-Klasse und bewaff­netem Aufstand einen grundlegend neuen und richtungweisenden Revolutionstyp begründet. Sie hat erstmals die außerordentliche Lebenskraft dieser Verbindung bewiesen. Drei Monate lang hat sie in einer der größten Hauptstädte Europas eine Macht neuen Typs ausüben können. Die innere Unterstützung zahlreicher Revolutionär/innen mit Migrationshintergrund (z. B. aus Polen) hat ein­drucksvoll die Stärke des marxistischen Gedankens der Internationale bewiesen. Die Pariser Commune ist an ihrer Begrenztheit, ihr war es nicht gelungen, sich im nationalen Rahmen zu behaupten, und am Unvermögen gescheitert, den Kampf gegen die Konterrevolution wirksam zu organisieren. Die Bourgeoisie konnte mit still­schweigender Billigung des Auslands auf einen effizienten Militärapparat zählen.
Das Erfolgsrezept der Bolschewiki bestand gegen­über den bisherigen proletarischen Aufständen vor allem in der herausragenden Lösung der Proble­me der Organisation und der Disziplin. Seit 1902 und Lenins Was tun? ist die Theorie und Praxis der zentralisierten und homogenen Klassenpartei, der revolutionär-kommunistischen Partei neuen Typs, zentraler Bestandteil der wohl erwogenen kommunistischen Vorhersage.
Die sozialistischen Umwälzungen des Revoluti­onszyklus, der mit der Oktoberrevolution 1917 anbrach und mit dem Ende der Großen Proletari­schen Kulturrevolution 1976 eben so heroisch endete, hat die Fragen, die die Pariser Commune offen gelassen hat, tatsächlich gelöst. Die Revolu­tion war in Rußland, in China, in Jugoslawien, in Albanien, in Korea, in Vietnam usw. unter Leitung der kommunistischen Partei durch bewaffneten Aufstand oder langandauernden Volkskrieg zeit­weilig siegreich, jedenfalls wesentlich dauerhafter als die Pariser Commune. Die Errungenschaften dieser Umwälzungen sind durchaus bemerkens­wert gewesen, z. B. auf den Gebieten der Erzie­hung, des Gesundheitswesens, der öffentlichen Ordnung usw. Auf internationaler Ebene haben diese Staaten den imperialistischen Staaten jenen Respekt abgetrotzt, um sie nach innen wie nach außen zu jener gewissen Vorsicht zu zwingen, die wir im inzwischen eingetretenen, gegenwärtigen Stadium des Imperialismus sehr vermissen.
Freilich sind auch im hinter uns liegenden Revolu­tionszyklus Probleme aufgetreten, deren erfolgrei­che Lösung künftigen proletarisch-revolutionären Waffengängen obliegt. Tatsächlich hat sich die Partei, ausgerichtet auf den durch Aufstand und militärische Gewalt errungenen Sieg über die ge­schwächten reaktionären Kräfte, als unfähig erwie­sen, einen Staat der Diktatur des Proletariats im Marxschen Sinn zu errichten, also einen Staat, der den Übergang zum Nicht-Staat organisiert, eine Macht der Nicht-Macht, eine dialektische Form des Absterbens des Staates.
Der Einsatz teilweise extremer polizeilicher Gewalt hat nicht ausgereicht, um die sozialistischen Sys­teme des 20. Jahrhunderts vor der ihnen innewoh­nenden bürokratischen Trägheit zu retten. Die Ent­wicklung im halben Jahrhundert nach der Oktober­revolution hat gezeigt, dass die Partei unfähig ist, die reale Dauerhaftigkeit und die schöpferische Transformation der kommunistischen Hypothese zu sichern. Die letzte abschließende Etappe des Revolutionszyklus des 20. Jahrhunderts von 1966 bis 1976, die Große Proletarische Kulturrevolution unter Führung von Mao Zedong hatte gerade die­ses Bündel von Problemen im Visier. Die Kulturre­volution ist damit gescheitert, die Partei in der Mas­senbewegung zu regenerieren, zu entbürokra­tisieren und sie als Werkzeug der revolutionären Transformation wieder herzustellen. Nach Maos Tod hat eine Gruppe um Deng Xiaoping, der wäh­rend der Kulturrevolution als Machthaber auf dem kapitalistischen Weg erkannt wurde, in einem Staatsstreich die Macht erobert. Wer die Redlich­keit und den Wahrheitsgehalt der kulturrevolutio­nären Kritik am Funktionärstyp Dengs leugnet, be­weist angesichts der monströsen kapitalistischen Entwicklung Chinas nach 1978 unter Deng und dessen Nachfolgern, vor allem Realitätsverlust.
In ihrem radikalen Scheitern gleicht die chinesi­sche Kulturrevolution der Pariser Commune. Wie die Oktoberrevolution an die Pariser Commune angeknüpft hat und deren offene Fragen gelöst hat, so wird der kommende revolutionär-kommu­nistische Aufschwung die Probleme der Kulturre­volution zu lösen haben.

Im Gedenken an Rosa Luxemburg, Karl Lieb­knecht und W. I. Lenin.


(Herausgegeben zur Luxemburg-Liebknecht-Lenin-Demonstration in Berlin, Jänner 2009)