Thesen zum Befreiungskampf in neokolonial abhängigen Ländern
(Februar 2005)

Kolonialismus gestern und heute

1. Vor der Erreichung der formalen Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien hatte imperialistischer Kapitalexport dazu geführt, dass die alten feudalen Wirtschaftsformen zum Teil durch kapitalistische ersetzt wurden, die jedoch auf die Bedürfnisse der „Mutterländer“ ausgerichtet waren. Daher entwickelten sich nur geringe Grundlagen für eigenständige nationale Wirtschaften - es entstanden, abhängige, einseitig auf die Bedürfnisse des Imperialismus ausgerichtete Wirtschaften in diesen Ländern.

2. Die nationale Bourgeoisie spielte ökonomisch eine untergeordnete, politisch eine abhängige Rolle, das entstandene Proletariat in den Kolonien produzierte in erster Linie für die imperialistischen Metropolen.

3. Nach der Erkämpfung der Unabhängigkeit der meisten Kolonien setzte sich diese ökonomische Entwicklung fort. Aufgrund des Drucks des Imperialismus gelang es nicht, eigenständige Wirtschaften aufzubauen. Die meisten der nun formal unabhängigen Staaten blieben oder wurden erneut vom Imperialismus (auch Sozialimperialismus) abhängig. Zusätzlich setzten die Imperialisten ihnen genehme Marionettenregierungen ein, was für die Befreiungsbewegungen eine zusätzliche Kampffront bedeutet.

4. Weltweit hat sich seit den 1960er Jahren ein neues Kolonialsystem, der Neokolonialismus herausgebildet. Sein charakteristisches Merkmal ist, dass die Großindustrie und die Ausbeutung der Bodenschätze und anderen natürlichen Ressourcen (Wasser, Holz usw.) nahezu vollständig in der Hand oder unter Kontrolle der imperialistischen Großmächte sind. Diese ökonomische Kontrolle wird über imperialistische Zentralstellen, wie WTO, IWF und Weltbank koordiniert.

5. Die konkreten Grundlagen und Formen des Neokolonialismus in den verschiedenen abhängigen Ländern sind sehr unterschiedlich, aber gemeinsam ist diesen Ländern die ökonomische und politische Abhängigkeit vom Imperialismus, die es ihnen unmöglich macht, alle Bereiche der Industrie und Landwirtschaft zu stabilisieren und so zu entwickeln, dass sie im kapitalistischen Wettbewerb bestehen können.
a) In Ländern wie Südkorea oder Taiwan (solche, die im „kalten Krieg“ „Frontstaaten“ gegen den russischen Sozialimperialismus oder China waren) wurden durch massive Investitionen der Imperialisten bestimmte Branchen der Industrie entwickelt, ohne dass diese Länder über entsprechende HighTech und notwendige Rohstoffe verfügen, die die Imperialisten weiterhin kontrollieren. In den Währungskrisen der 90er Jahre hat sich gezeigt, wie labil und abhängig diese Länder sind.
b) In Ländern wie Iran, Türkei, Mexiko, Brasilien, Argentinien, Südafrika (sog. „Schwellenländer“) ist der große und entscheidende Sektor der verarbeitenden Industrie, sowohl durch Kredite als auch über die Kontrolle des Außenhandels in das imperialistische Weltwirtschaftssystem (als verlängerte Werkbank) eingebunden und vollständig davon abhängig.
c) In Ländern wie Nigeria, Angola, Botswana, DR Kongo, Saudi Arabien, Irak, Venezuela, Cote d´Ivoire, Usbekistan beruht die Wirtschaftsentwicklung vollständig auf dem Export von Rohstoffen oder Agrarprodukten in imperialistische Länder.

6. Der Imperialismus und die mit dem Neokolonialismus verbundene teilweise Durchsetzung kapitalistischer Verhältnisse nach den Bedürfnissen der Imperialisten hat in diesen Ländern objektiv keine „zivilisatorische“ (fortschrittliche) Wirkung. Wenn die Völker sich nicht selbst befreien, wird es zu keinem echten gesellschaftlichen Fortschritt kommen.

Kampf um Befreiung

7. Befreiungskampf bedeutet Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Befreiungskämpfe in neokolonial abhängigen Ländern haben für Kommunist/innen grundsätzlich einerseits das (nationale) Ziel der Befreiung von der Einflussnahme des Imperialismus oder einer Kolonialmacht (z.B. Türkei gegenüber Kurdistan), andererseits das (soziale) Ziel der Befreiung von feudaler und/oder kapitalistischer Ausbeutung.

8. Befreiungskämpfe sind Kämpfe die vom Volk ausgehen und deren Träger das Volk ist. Sie richten sich auf eine tatsächliche Veränderung der herrschenden Zustände und eine Verbesserung der Lebenslage des Volkes aus. Ihre Ziele beinhalten mehr Freiheit, demokratische Rechte und politische Einflussmöglichkeiten für die Arbeiter/innen, Bäuer/innen (und die Kommunist/innen und fortschrittlichen Kräfte als ihre politische Avantgarde).

9. Wirkliche Befreiung vom Imperialismus ist ohne die Perspektive einer sozialistischen Revolution nicht möglich. In bestimmten Ländern kann davor eine neudemokratische Revolution zur Beseitigung feudaler Überreste notwendig sein. Wir unterstützen solche Befreiungskämpfe, die eine nationale und eine soziale Seite haben, bessere Bedingungen für die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernmacht schaffen und den Imperialismus im Weltmaßstab schwächen.

10. Deswegen unterstützen wir in Befreiungskämpfen die kommunistischen Kräfte, wenns welche gibt (Philippinen, Nepal).

11. Ein Merkmal von konsequenten Befreiungsbewegungen ist, dass sie sich nicht auf den militärischen Kampf beschränken, sondern im Kampf versuchen, Strukturen aufzubauen, die dem Volk ein Modell für ein besseres Leben zeigen. In stark agrarischen Ländern wird in befreiten Gebieten der Aufbau von Keimzellen einer eigenständigen Wirtschaft begonnen, eine Grundversorgung an Lebensmitteln und medizinischer Hilfe gewährleistet, Schulen und Bildungseinrichtungen eingerichtet, die Lage der Frauen verbessert usw. Solche Maßnamen sind auch Messlatten für die Verankerung einer fortschrittlichen Perspektive im Volk.

12. Reaktionäre Bewegungen, die halbfeudale Zustände festigen oder solche, die nicht gegen den Imperialismus, sondern im Interesse einer imperialistischen Macht gegen eine andere, konkurrierende imperialistische Macht kämpfen, unterstützen wir nicht. Gleichzeitig richten wir uns aber jedenfalls gegen Interventionen und Interventionskriege des Imperialismus: Unabhängig davon, ob es in dem jeweiligen Land eine Befreiungsbewegung gibt, oder die Befreiungskämpfe ausschließlich auf nationale Befreiung ausgerichtet sind, die kommunistischen Kräfte schwach oder nicht sichtbar vorhanden sind

13. Wir unterscheiden zwischen dem legitimen Recht auf - auch bewaffneten - Widerstand gegen Besatzung und Intervention und solchen Befreiungskämpfen, die perspektivisch ein weitergehendes Ziel verfolgen. Dabei ist uns bewusst, dass durch die Mobilisierung der werktätigen Massen für den Widerstand der Boden für weitere, zukunftsweisende Kämpfe bereitet werden kann.

14. Ob und welche Teile der einheimischen Bourgeoisie eines Landes im Kampf gegen den Imperialismus eine potentielle zeitweilige Bündnispartnerin des Volkes ist („national-revolutionäre Bourgeoisie“), oder ob sie an einer eigenständigen nationalen Entwicklung kein Interesse hat, zur Marionette von ausländischen Imperialisten geworden ist und deren Interessen vertritt, muss jeweils konkret untersucht werden.

15. Die zeitweilige Ausnützung von Widersprüchen zwischen den Imperialisten kann für Befreiungsbewegungen in einer bestimmten historischen Situation eine Chance sein, die eigene Position zu festigen, allerdings muss dabei besonders darauf geachtet werden, nicht selber in die Abhängigkeit der einen oder anderen imperialistischen Macht zu gelangen.

16. Die meisten NGO´s sind Teil des Systems neokolonialistischen Kapitalexports, wie auch die staatliche Entwicklungshilfe aus imperialistischen Ländern einen fixen Bestandteil zur ökonomischen Aufrechterhaltung von Abhängigkeiten darstellt. Wir lehnen daher auch diese Art der imperialistischen Einflussnahme ab.

17. Für kommunistische Kräfte in einem imperialistischen Land bedeutet internationale Solidarität zuallererst, sich darauf auszurichten, den „eigenen“ Imperialismus maximal zu schwäähen, die „eigene“ Bourgeoisie anzugreifen: der Hauptfeind steht im eigenen Land. Insbesondere haben wir zusätzlich die Aufgabe, auf die Machenschaften des eigenen Imperialismus in abhängigen Ländern aufmerksam zu machen und diese anzugreifen.
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Initiative für den Aufbau einer Revolutionär Kommunistischen Partei
(vormals komak-ml)

Wir verbreiten seit 1995 Flugblätter, mit denen wir uns vor allem an klassenbewusste Arbeiter/innen wenden, und geben seit 2001 eine Zeitung, jetzt ‚Proletarische Revolution’, heraus. Unser Ziel ist eine Gesellschaftsordnung ohne Klassen, ohne Unterdrückung und Ausbeutung. Dazu muss die Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter eine eigene Kampfpartei aufbauen, die Macht erobern, die Besitzer der Produktionsmittel enteignen und den Klassenkampf fortsetzen, bis alle Reste der bürgerlichen Ordnung verschwunden sind. Wir stellen uns in die Tradition der internationalen revolutionär-kommunistischen Bewegung, die Mitte der 1960er Jahre in Auseinandersetzung mit den Fehlern der KPdSU und in scharfem Kampf gegen die Wegbereiter des bürokratischen Staatskapitalismus in der Sowjetunion eine marxistisch-leninistische Generallinie verteidigt hat und zur Gründung neuer kommunistischer Parteien führte. Wir sind revolutionäre Kommunist/innen und deshalb nicht in der KPÖ organisiert.

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