Paz de la Cuesta

 

 

 

DER UMWELTSCHUTZ IM SPANISCHEN StGB VON 1995

 

Paz M. de la Cuesta Aguado

Prof. Titular für Strafrecht

Universidad de Cádiz

 

 

1. Allgemeine Erläuterungen

 

Das Inkrafttreten des neuen spanischen StGB von 1995 –des sogenannten “StGB der Demokratie- hat dazu geführt, das spanische Strafrechtssystem in Übereinstimmung mit der Achtung vor in der spanischen Verfassung von 1978 niedergeschlagenen Grundwerte und mit dessen Funktion als “negative Verfassung” zu aktualisieren[1]. Die spanische Verfassung erkannte in Art. 45 ausdrücklich die Notwendigkeit des Umweltschutzes, ja sogar dessen strafrechtlichen Schutzes an. Damit wurde diejenige Frage der Legitimierung des Strafrechtseingriffes im Umweltbereich gelöst, die andererorts entstanden waren. So in Deutschland, wo die Abwesenheit einer verfassungsrechtlichen Anerkennung des Rechtsgutes Umwelt die Lehre zunächst dazu gezwungen hat, den strafrechtlichen Eingriff durch Rückgriff auf individuelle Rechtsgüter wie das Leben oder die körperliche Unversehrtheit zu rechtfertigen.

 

Art. 45 der spanischen Vefassung lautet:

“ 1. Alle haben das Recht auf den Genuss einer zur Entwicklung der Persönlichkeit angemessenen Umwelt sowie die Pflicht sie aufrechtzuerhalten.”

“ 2. Die öffentliche Gewalt wird die sinnvolle Nutzung aller Umweltressourcen mit dem Zweck überwachen, die Lebensqualität zu schützen und zu verbessern, und die Umwelt zu verteidigen und wiederherzustellen, wobei sie mit der unerlässlichen Unterstützung der allgemeinen Solidarität zählen wird”.

“ 3. Gegen diejenigen, die gegen das vorher angeordnete verstossen, werden strafrechtliche oder jedenfalls verfassungsrechtliche Sanktionen sowie die Verpflichtung, den verursachten Schaden wiederherzustellen, verhängt.”

 

Art. 45 der spanischen Verfassung (wo das “Recht auf die Umwelt” anerkannt wird) besteht aus 3 Absätzen. Der erste davon erkennt das Recht auf den Genuss einer zur Gesamtentwicklung der Persönlichkeit angemessenen Umwelt an, die aber auf den Lebens- oder physischen Aspekt des Menschen – nicht auf den technologischen oder künstlerischen – bezogen ist. D. h. der Artikel umfasst den Umweltbegriff als eine Fülle von geophysischen und ökologischen Voraussetzungen, Naturgesetzen usw., die ein würdiges Menschenleben gemäss der Merkmale und Bedürfnisse des Menschen innerhalb seiner Umwelt ermöglichen.

 

Aus diesem engen Begriff von Umwelt müssen andere Voraussetzungen der gesellschaftlichen oder technologischen oder gar psychischen, intelektuellen und moralischen Entwicklung ausgeschlossen werden: so die Erziehung, eine menschenwürdige Unterkunft, usw.[2]. Also, es besteht für die spanische Verfassung keine teleologische Beziehung zwischen Umwelt und Lebensqualität[3], sondern beide stellen verschiedene Interesse dar, die für eine angemessene und gesamte menschliche Entwicklung ins Gleichgewicht gebracht werden müssen. Dieses Gleichgewicht wird wohl erst durch einen aktuellen Konsens erlangt werden können, was bereits vor den begleitenden dogmatischen Schwierigkeiten von Straftatbeständen des sogenannten Risikostrafrechts warnt. In diesem Rahmen hindert der Umfang des Rechtsgutes eine Einschränkung des Tatbestandsbereiches –was noch durch die “Normativierung” der deskriptiven Merkmale verschlimmert wird[4]-, weswegen der Bestimmung des erlaubten Risikos eine grundlegende Aufgabe zukommen wird.

 

Dieser Umweltbegriff[5] steht in Wechselwirkung mit kulturellen, ästhetischen und stadtgestaltenden Aspekten. Nur richtige Verwaltung, Schutz, Koordinierung und Achtung vor solchen Werten wird die Herstellung bws. Aufrechterhaltung (je nach dem Fall) einer Umwelt erlauben, die der gesamten Entwicklung der Person förderlich ist. Denn eine solche Entwicklung kommt nur dann zustande, wenn die Person innerhalb der Gesellschaft geschützt wird und sich entwickelt, vorausgesetzt dass diese Gesellschaft, erstens, ihren eigenen geschichtlichen Zeitverlauf als Gesellschaft achtet (Schutz der kulturellen Werte), zweitens, die harmonische Ästhetik der eigenen sozialen Persönlichkeit eines Volkes, die in Einklang mit dessem historischen Verlauf und geographischen und meteorologischen Umständen steht  (d. h. Auf die Stadtplanung bezogene Werten unterstützt), und, drittens, die natürliche Umwelt und die ökologischen Werte der Entstehung der menschlichen Gattung achtet. Das heisst, wenn diese Gesellschaft alle ökologischen Voraussetzungen achtet, die das “Habitat” des Menschen als Gattung ausmachen[6].

 

Wir haben bereits gesagt, dass die neue Regulierung des StGB in Sachen Umwelt den auferlegten Massstäben der spanischen Verfassung folgt. Aber sie steht auch im Rahmen eines von der EU geförderten Trends, der für das Konzept einer “haltbaren [sostenible] Entwicklung” plädiert (also diejenige Entwicklung, die den Bedürfnissen der gegenwärtigen Generation gerecht wird, ohne dadurch die Kapazitäten für die nächste Generation zu gefährden) und entspricht einer wiedergewonnenen ökologischen Sensibilität, die immer höhere Dimensionen in der spanischen Gesellschaft erreicht.

 

2. Geschichtliche Entwicklung

 

Es war die spanische Verfassung von 1978, die den Gedanken des Umweltschutzes im heutigen Sinne eingeführt hat. Vorher gab es nur Sondergesetze, die bis 1995 in Kraft blieben und als Gegenstand umweltbezogene Bereiche hatten. Das älteste Gesetz war das Gesetz  insektenfressenderVögel vom 19. September 1896; ein poetisches Gesetz, das eher einer alten als einer modernen Regierung wesenseigen war, und das übrigens nie angewandt wurde. Ausserdem waren gleichzeitig das gegen die Wilderei gerichtete Jagdgesetz vom 04.04.1970 und das Flussfischfanggesetz vom 20.02.1942 sowie das Gesetz vom 31.12.1946 über die Anwendung von Sprengstoff, giftigen und korrosiven Stoffen beim Fischfang rechtskräftig. Die Zweckbestimmungen dieser Gesetze stellte mitnichten der Umweltschutz dar, obwohl die Lehre es doch so sehen wollte. Hinzu kam das Atomkraftgesetz (24.04.1964), das vom Standpunkt der individuellen Rechtsgüter aus Tatbestände beinhaltete, die Umweltwerte erfassten. Abgesehen vom –häufig angewandten und  unter den ärmsten Volksschichten sehr streng geahndeten - Wildereigesetz wurden die übrigen Gesetze niemals angewandt. Seltsamerweise wurden die Straftatbestände des Atomkraftgesetzes von 1964 erst 5 Jahre nach ihrer Aufhebung im Vandellòs-Fall in einem Strafverfahren analysiert. Es ging dort darum, die Leitenden des Kernkraftwerkes Vandellós I zur Verantwortung zu ziehen, weil sie eine Fülle von Fehlern, die eine Risikosituation entstanden liessen, gemacht und es unterlassen hatten, angemessene Schutzmassnahmen anzuordnen. Der Unfall führte am 19.10.1989 zu einem Brand, der der Ortsbehörde zur Ergreifung von angemessenen Massnahmen zum Schutze der Bevölkerung (wie es die Verwaltungsordnung vorsah) nicht mitgeteilt wurde. Alles in allem und obwohl die Weite der Tatbestände des Atomkraftgesetzes praktisch jede Handlung als tatbestandsmässig hätte erfassen können, fiel die Entscheidung 11 Jahre später in Form eines Freispruchs.

 

1983 geschah die Reform des StGB und das “Umweltverbrechen” wurde als Folge des Drucks von Umweltorganisationen eingeführt. Als erstes sei hervorzuheben, wie schwer sich die spanischen Gerichte getan haben, ihren “Verzahnungen” die Anforderungen des Umweltschutzes anzupassen. Zutreffend erscheint gewiss, dass § 347 bis und der jetzige § 325 vielerorts insoweit kritisiert wurden, als ihr Tenor schwer zu interpretieren ist, und die Mischung von Gefährdungsdelikt und normativer Verweisung ernste Fälle von Umweltzerstörung aus dem Netz der Justiz fliehen liess. In diesem Sinne hat sich das Verfassungsgericht dahin ausgesprochen, dass es nicht zu übersehen ist, dass Art. 45 der Verfassung nur ein Leitprinzip und nicht ein Grundrecht zum Ausdruck bringt. Schon im ersten Augenblick wurde erkannt, dass weder die Gesellschaft noch die Judikatur noch die Polizei technisch oder ideologisch dazu imstande waren, das in die Tat umzusetzen. Das kam in einem Rechtsprechungsstrang zum Ausdruck, der in den ersten Jahren einen grossen Frust in weitgehenden sozialen Sektoren verursachte, weil die Entscheidungen meist freisprechend ausfielen. Dank eines allmählich grösser gewordenen Bewusstseins und der Bildung in Umweltthemen seitens der Judikatur und der Staatsanwaltschaft[7] wurde dieser Trend korrigiert.

 

Tatsache ist aber, dass erst 10 Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Verurteilung wegen eines Umweltverbrechens zutage gefördert wurde[8] (STS von 20.11.1990). Es handelte sich dabei um einen Fall, in dem ein Betrieb das Aussterben  vieler Baumgruppierungen und Sauren Regen verursacht hatte. Damit waren alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, und es ging sogar darüber hinaus, denn der Fall stellte nach § 347 bis ein Gefährdungsdelikt dar, das bereits die blosse Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts unter Strafe stellte. Von dieser Entscheidung aus entwickelte sich eine kleine Rechtsprechungslehre, die allmählich die Anwendung des Tatbestandes bei bloss gefährlichen Handlungen anerkannte. So wurde durch die Entscheidung des Obersten Gerichts (STS) vom 05.10.1993 zum ersten Mal ein Gefährdungsdelikt in diesem Fall anerkannt[9].

 

 

Das alles legt nahe, wie wichtig es ist, dass die ökologischen Werte von Seiten des Richters als schutzwürdig anerkannt werden, um darum effektiven Schutz bei der Behandlung der Ökodelikte zu gewährleisten. Deswegen wird die Bedeutung der symbolischen und didaktischen Funktion des Strafrechts auf dem Gebiet der Umwelt sogar bis zu dem Grad bejaht, dass hierbei von “ideologischen Verbrechen” die Rede sein könnte. Das wurde in der Entscheidung  im Fall “des Erdölunternehmens von Algeciras -Petroquímica de Algeciras-” (Entscheidung 61/92, 3. Strafgericht von Algeciras) belegt. Das Unternehmen hatte jahrelang Schadstoffe in hohen Konzentrationen in die Bucht von Algeciras (am Südende von Spanien, bei Gibraltar) abgelassen. Die Folge waren  zerstörte Fisch- und Meeresschatzbestände und  verschmutzte  Strände. Angesichts dieser Lage erstattete eine ökologische Gruppe Strafanzeige gegen das Unternehmen. Die Entscheidung kam zu einem Freispruch, weil das Gericht der Meinung war, dass die Probengewinnung gegen die Kommunenverordnung verstossen hatte, die Etikettierung der Probeflaschen fehlerhaft war und “nichts mehr zu verschmutzen ist, wenn bereits alles verschmutzt ist”.

 

12 Jahre nach der Typisierung des Umweltsdelikts geht der Gesetzgeber offenkundig aufs Ganze und entscheidet sich für den strafrechtlichen Eingriff beim Umweltschutz im Abschnitt II, Titel XVI StGB, unter der Überschrift: “Verbrechen gegen die Landesordnung, den Denkmalschutz  und den Schutz der Umwelt”. Besagter Titel XVI besteht aus 5 Kapiteln, die jeweils folgenden Verbrechen gewidmet sind: Verbrechen gegen die Landesordnung (Kap. I), Verbrechen gegen den Denkmalschutz (Kap. II), Verbrechen gegen die Naturschätze und die Umwelt (Kap. III), Verbrechen gegen den Schutz der Pflanzen- und Tierwelt, wo jetzt vom Gesichtspunkt des Umweltschutzes aus Normen über Jagd, Fischfang und Schutz der Tierwelt wieder eingeführt wurden (Kap. IV), und schliesslich, ein letztes Kapitel über allgemeine Vorschriften. In dieser Beschreibung stellte sich gleich heraus, dass eigentlich nur Kapitel III und IV dem Umweltschutz gewidmet sind; die übrigen richten sich eher gegen Handlungen innerhalb der Stadplanung (delito urbanístico) oder Angriffe auf Denkmäler.

 

Allerdings geht der Schutz des Rechtsgutes Umwelt über die zwei genannten Kapitel hinaus, denn er umfasst auch die Straftaten von Brandstiftung (§§ 352, 353, 355, 356 und 357), Zerstörung in grossem Masse [estragos](§§ 348, 349, 350), in denen die Umwelt als geschützter Wert ausdrücklich erwähnt wird. Es ist aber wenig nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber beim Schutz gegen aus der Kernenergie stammende Gefahren die Umwelt ausser Acht gelassen hat. Als spezielles Gesetz bleibt das  Ley Orgánica 12/1995 vom 12.12.95 zur Ahndung von Schmuggelhandlungen bestehen, das als tatbestandsmässig den Import, den Export, den Handel, das Besitzen oder das Inverkehrbringen von Spezies der wilden Tier- und Pflanzenwelt sowie deren Teile und Produkte, also von im Washingtoner Abkommen vom 03. 03. 1973 und dessen EG-Verordnung des Rates Nr. 3626/82 vom 03.12.1982 benannten Spezies, vorsieht[10].

 

Demzufolge kann man heutzutage vom Bestehen einer “Gesetzesverflechtung zum Schutze der Umwelt” in dem Stil sprechen, dem der deutsche Gesetzgeber seinerzeit bahnbrechend  versucht hatte. Sie ist zwar noch lückenhaft und technisch verbesserbar –um vor allem “Wertungsunterschiede und –überschneidungen zu vermeiden[11]-, kann aber als positiv betrachtet werden. Allerdings sind diese strafrechtlichen Reformbewegungen von irregulären Verwaltungshandlungen in Sachen Umweltschutz begleitet worden[12]. Aus diesem Grund bestehen noch Vorbehalte gegenüber der Anwendungseffizienz des –einmal als “bewaffneten Arm von Greenpeace” bezeichneten Strafgesetzes,-  wenn es um den Schutz der Umwelt geht.

 

            3. Das strafrechtliche Rechtsgut “Umwelt”

 

Der vom Gesetzgeber angewandte und hier weiter verwendete Begriff der Umwelt als Rechtsgut[13] stellt ein restriktives und selbständiges Konzept dar. In diesem Sinne besteht das Rechtsgut “Umwelt” in der Fülle von Beziehungen und natürlichen, biotischen, biologischen, ökologischen usw. Gesetzen, die die Entwicklung des Menschen und die Lebensentstehung und -aufrechterhaltung auf dem Planet Erde erlaubt haben[14]. Die Lehre kennzeichnet es als überindividuelles oder kollektives Rechtsgut[15] mit anthropozentischem Charakter (obwohl  meines Erachtens die Kennzeichnung als anthropozentisch redundant ist, weil alle Rechtsgüter es sowieso insoweit sind, als sie immer auf den Menschen und seine Lebensgestaltung innerhalb der Gesellschaft bezogen sind[16]).

 

Eine richtige Begriffsbildung des Rechtsgutes Umwelt erfordert eine Unterscheidung von Umwelt als Rechtsgut und den ihr zugehörenden Elementen. Die Gewässer, der Boden oder die Luft, eine geschützte Tierart usw. können Umweltelemente bzw. –gegenstände darstellen. Diese können zwar als Gegestände direkt vom Strafrecht geschützt werden, aber erst das Gleichgewicht aller dieser Faktoren stellt letztlich die Umwelt dar, und dieses muss als Lebenvoraussetzung der Gesellschaft betrachtet werden.

 

Das StGB nimmt Bezug auf ein so verstandenes Rechtsgut Umwelt. Dabei verwendet es verschiedene Ausdrücke: Natursysteme (§ 325), Habitat [Umfeld] (§ 322), biologisches Gleichgewicht (§§ 333, 339), Naturwelt (§ 356), Voraussetzungen des Naturlebens und Naturräume (§ 357), oder einfach und direkt, Umwelt (§§ 348, 349, 350). Die zahlreichen Termini der Begriffe, allesamt verschwommen und wenig bestimmt, werden wohl die Aufgabe des Auslegers zweifelsohne erschweren. Angesichts der Bestimmungsschwierigkeiten, die aus diesen zahlreichen Begriffen und der Verschwommenheit des Rechtsgutes entstehen, wird entweder für den direkten Umweltschutz durch Gefährdungstatbestände oder für den indirekten Schutz durch die Verletzung einiger Umweltgegenstände entschieden. Allerdings bedeutet das nicht, dass Umweltgegenstände wie der Boden, die Pflanzen- und Tierwelt, die Tierarten usw. Rechtsgüter darstellen; sie sind Elemente des zu schützenden Rechtsguts, das verletzt oder durch deren Zerstörung beeinträchtigt wird. Mancher Autor ist aber der Meinung, dass das geschützte Rechtsgut in Kapitel IV dieses Abschnitts –“Von den Verbrechen gegen die Planzen- und die Tiewelt- ein neues Rechtsgut darstelle, das zwar aus dem Rechtsgut Umwelt stammt, aber unabhängig von ihm ist. Das geschützte Rechtsgut sei die biologische Verschiedenheit oder die Bioverschiedenheit [biodiversidad]. “Es geht um die Aufrechterhaltung der Bioverschiedenheit, die als Veränderbarkeit der lebenden Organismen jedweden Ursprungs verstanden wird, einschliesslich unter anderem der Ökosysteme des Festlandes und der Meere, und anderer maritimer Ökosysteme sowie der sie umfassenden ökologischen Komplexe. Das Rechtsgut  erfasst die Verschiedenheit innerhalb jeder Gattung, zwischen Gattungen und Ökosystemen”[17]. Von meinem Gesichtspunkt aus erschöpft der Schutz der Bioverschiedenheit nicht alle in diesen Tatbeständen zum Schutz angelegten Werte (§§ 332-337), obwohl das der Hauptgrund des Schutzes ist. Trotzdem ist z. B. in § 333 davon die Rede, dass die Einführung oder das Freilassen von fremden Planzen “das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigen” würde, was etwas mehr als Bioverschiedenheit meint und eher im Rahmen des Begriffes Umwelt seinen Platz finden kann. Sehr oft stellt der Hauptfeind der Bioverschiedenheit die Einführung von exotischen, agressiveren und ihrerseits feindenfreien Spezies dar[18], aber in diesen Fällen besteht die Bedrohung nicht nur für das Überleben einer Gattung –und für alles was dieses für den Menschen mit sich bringt-, sondern vor allem im Bruch der wechselseitigen Gattungsbeziehungsketten, d.h., dem Gleichgewichtsverlust der Ökosysteme, also der Umwelt.

 

            4. Verbrechensmodalitäten

 

Der Umweltschutz beginnt im StGB mit den Verbrechen gegen die Stadtplanung. Der strafrechtliche Eingriff angesichts von Angriffen gegen die Stadtplanung ist in einem Land wie Spanien unerlässlich, weil der Stadtplanungsdruck aufgrund von Spekulations- und Tourismuszwecken wegen der grossen archeologischen, ökologischen und landschaftlichen, noch wenig ausgenutzten Schätze sehr hoch ist. § 319 bestraft mit Gefängnis, Geldstrafe und Berufsausübungsverbot die Teilnahme an einem nichterlaubten Anbau in Gebieten, die eine besondere Schönheit oder ein besonderes ökologisches oder kulturelles Interesse haben. Allerdings hat sich eine leistungsfähige Verwaltung effizienter als das Strafgesetz herausgestellt. Das Problem besteht leider darin, dass es manchmal gerade die Verwaltungsorgane sind, die die Verwirklichung der Umweltsünden durch Baugenehmigungen an unangemessenen Orten erleichtern. So hat z. B. derselbe Bauunternehmer dasselbe Baukonzept wie an der Costa del Sol auch in Sanlúcar de Barrameda, einem Fischerdorf Andalusiens an der Mündung des Flusses Guadalquivir, durchzusetzen versucht. Das Dorf liegt aber gerade gegenüber der wildesten Seite des Jagdgebietes Doñana, eines unschätzbaren Naturparkes. Sanlúcar de Barrameda leidet an Arbeitslosigkeit, und das Rathaus hat mit der Hoffnung, mehr Reichtum für die Bevölkerung zu erlangen, den Bau von Wohnsiedlungen in empfindlichen, ökologisch und landschaftlich reichen Gebieten genehmigt, womit der sogenannte “Vorpark”, eine ausserhalb des eigentlichen Doñana, aber zur Abwehr von Agressionen gegen diesen Park angelegten Grünanlage, gefährdet wurde. Das Projekt konnte kurzzeitig dank des Eingriffes der andalusischen Regierung stillgelegt werden, inzwischen erreichte aber das Bauunternehmen alle Genehmigungen zum Bau von Hotelketten und Feriensiedlungen.

 

Gegen Korruptionsfälle bei die Stadplanung kotrollierenden Behörden und Bauunternehmen bzw. –förderungsunternehmen typisiert § 320 ausdrücklich die Handlung des Beamten, der ein Gutachten zugunsten von Bauvorhaben ausstellt oder für diese stimmt, obwohl sie gegen die Stadtplanungsgesetzgebung verstossen. Darum geht es um einen spezifischen Rechtsbeugungstatbestand, der beim Umweltschutz sehr nützlich sein kann. Die Handlung wird dann tatbestandsmässig, wenn der Beamte dafür stimmt, aber nicht wenn er nicht an der Wahl teilnimmt, auch wenn er weiss, dass seine Stimme dagegen unerlässlich sein könnte. Das Problem der Wahlenthaltung stellt sich nicht bei denjenigen Technikern oder Beamten, die Wahlpflicht haben, aber doch bei den politischen Behörden, die sich der Wahl enthalten dürfen.

 

Den direkteren Umweltschutz strebt § 325 durch einen Gefährdungstatbestand an. Er enthält verschiedene Handlungsmodalitäten und ist sehr ausführlich. Seltsamerweise schützt er aber nicht direkt gegen die Verunreinigung der Gewässer, der Luft und des Bodens, sondern gegen “das Ablassen von Giftstoffen und andere Handlungsweisen”, die das Gleichgewicht der Natursysteme beeinträchtigen können. Und die grosse Diskussion in der Lehre geht dahin, ob es für die Vollendung der Straftat einer Verunreinigung bedarf. Anfangs vertrat die Rechtsprechung die Meinung, dass es sich um eine Verunreinigungsstraftat handelte, das heisst, dass die Verschmutzung als Voraussetzung galt und diese erst dann eine Straftat bildete, wenn zusätzlich die Umwelt gefährdet wurde. Allmählich hat diese Rechtsprechung eine Vergeistigungsentwicklung bei der Erfolgsbestimmung erfahren, so dass heutzutage die Verunreinigung selbst nicht mehr als Tatbestandsmerkmal betrachtet wird.

 

Dieser Grundtatbestand wird durch einen Tatbestand für schwere Fälle und drei neue Modalitäten ergänzt. Die neueste unter diesen letzteren besteht in einem spezifischen Rechtsbeugungstatbestand des Beamten, ähnlich wie dem des schon erwähnten Stadtplanungsdelikts, wenn der Beamte bei der rechtswidrigen Lizenserteilung zugunsten von umweltverschmutzenden Industrien begutachtet, oder die bei seinen Kontrolltätigkeiten entdeckten Verstösse geheimhält.

 

Die zweite Neuheit des neuen StGB in diesem Gebiet stellt die Straftat beim Bau von Abfallentsorgungsanlagen oder Müllhalden dar. Es geht um einen schwer auszulegenden Tatbestand, der zu einer gewissen Konfrontation innerhalb der Strafrechtslehre geführt hat. § 328 ahndet die Errichtung von Müllhalden, die die Umwelt oder die Gesundheit des Menschen gefährden könnten. Unter anderem ist hier die Frage, ob bereits der Bau der Anlage zur Tatbestandsmässigkeit  ausreicht oder doch noch das Müllentladen bzw. –Ablassen von Giftstoffen notwendig sein sollten. Meiner Meinung nach würde die Anlageerrichtung genügen, ohne ihre Nutzung abwarten zu müssen. Wenn darüber hinaus ein Ablassen von Giftstoffen oder eine Ablagerung stattgefunden haben, dann würde Idealkonkurrenz mit dem Grundtatbestand von § 325 bestehen. Aber die Lehre verwirft diese Auslegung deswegen, weil sie den blossen Bau einer (illegalen) Entsorgungsanlage als nicht schwerwiegend genug ansieht; das heisst, es würde dort keinen genügenden materiellen Unrechtsgehalt geben, um strafrechtlich einzugreifen. Ausserdem meint sie, dass diese Verhaltensweisen bereits in § 325 typisiert sind. Die Strafe wäre in allen Fällen eine Geldstrafe von 18 bis 24 Monaten und Freiheitsentzug von 18 bis 24 Wochenenden.

 

Zum dritten kommt schliesslich in § 330 eine neue Öko-Straftat zum Vorschein, die zum spezifischen Schutz von Grünanlagen und natürlichen Gebieten bestimmt ist. Nach § 330 wird mit Freiheitsstrafe von 1 bis 4 Jahren und Geldstrafe derjenige geahndet, der irgendein Element beeinträchtig, das zur Bestimmung eines geschützten Naturgebietes herangezogen wurde. Dabei hatte der Gesetzgeber den Schutz von Gebieten wie Doñana vor Augen, von denen es gewiss viele in Spanien gibt, aber keine so international bekannt sind. Die Freiheitsstrafe ist gerade ausreichend, um dem Richter auch in manchen Fällen zu erlauben, von der Strafaussetzung zur Bewährung z. B. bei demjenigen abzusehen, der einen iberischen Luchs in Doñana erlegt hat. Wie Sie sicherlich wissen, stellt der Luchs ein Wesenselement des Jagdgebietes und eine in hohem Masse geschützte Tierart deswegen dar, weil zur Zeit nur noch wenige Exemplare davon in Europa überleben. Die Lage bei dieser Tierart ist so ernst, dass sie nicht selten eigene Namen haben. Einer der berühmtesten hiess Lince Carambolo. Also, nach dieser Auslegung könnte das Erlegen eines Luchses eine bedeutende Bestrafung nach sich ziehen.

 

Allerdings wurde die reale Anwendung dieser Vorschriften sehr eingeschränkt. In der letzten Zeit haben die Massenmedien dem Skandal im sogenannten Fall Doñana grosse Aufmerksamkeit gewidmet. Im Frühling 1998 brach nördlich von Doñana der Staudamm des Minenunternehmens Bolidén-Apirsa zusammen.Wegen des Dammzusammenbruchs flossen Hunderte von Tonnen hochgiftiger Flüssigkeiten in den Fluss Guadalquivir und dieser wurde bis hin  zur Meeresmündung völlig verunreinigt. Nur durch Glück oder ein Wunder erreichte der Schadstoffteppich nicht das Jagdgebiet von Doñana, aber die Umweltaktivisten befürchten, dass die Schadstoffe doch durch das Wasser aus dem umliegende Gebiet eingesickert seien. Jedenfalls hat sich die Regierung von Andalusien verpflichtet, Tonnen von gesundheitsschädlichem Schlamm zu entfernen und den Agrarwirten viele Hektar, des mit giftigem Schlamm verschmutzten und gesundheitsgefährdenden Landes abzukaufen.

 

Zusammenfassend ereignete sich eine der grössten ökologischen Katastrophen Europas der letzten Jahre. Das geschah im Frühling 1998. Im Frühling 2000, also 2 Jahre später, hat die Richterin der ersten Instanz das Strafverfahren eingestellt. Die Richterin hat festgestellt, dass das Unternehmen zwar fahrlässig gehandelt hatte, weil es den Bau des Staudammes fehlerhaft hatte durchführen lassen und trotz der Verwarnungen der Verwaltung keine notwendigen Massnahmen ergriffen hatte. Trotzdem hat die Richterin das Verfahren deswegen eingestellt, weil die Fahrlässigkeit beim Bau von Staudämmen dieser Art normal sei und kein Mensch alle notwendigen Sorgfaltsmassnahmen ergreifen würde. Sie meint also, dass keine Straftat vorliegt, weil den vom Unternehmen vertraglich engagierten Technikern sorgfältiges Handeln nicht zuzumutten war; also nach der Richterin sei das Normale in diesen Fällen gerade das Nichtergreifen aller möglichen Sorgfaltsmassnahmen. Dieses Argument ist juristisch gesehen unannehmbar und politisch kläglich. Schlimmer ist aber noch, dass diese Entscheidung im März dieses Jahres vom Landgericht bestätigt wurde.

 

Vom Gesichtspunkt des Umweltschutzes aus hebt sich im neuen StGB von 1995 auch die neue Regulierung der Brandstiftungsstraftaten hervor. Diese waren herkömmlicherweise als spezifische Modalitäten der Schadenstatbestände gefasst, in denen das geschützte Rechtsgut das Eigentum ist. Mit dem neuen StGB aber werden die Brandstiftungsdelikte zu Umwelts- oder ökologischen Delikten. Der Grund dafür besteht darin, dass jeden Sommer Tausende Hektar Mittelmeerwald in Spanien, vor allem an der Ostküste [Levante] und im Süden, den Flammen zum Opfer fallen. Die meisten dieser Brände werden durch menschliche Hand verursacht und zwar sowohl zu Holzverwertungszwecken um billiges Holz aus Schutzgebieten zu bekommen, was anders nicht möglich wäre als auch zu  Stadtplanungs zwecken –d. h. Um zu erreichen, dass der Grund von der Stadt anders eingestuft wird und so dort Baupläne verwirklicht werden können-. Der strafrechtliche Schutz wird durch Verwaltungsgesetze ergänzt, die die erneute Einstufung eines von einem Brand betroffenen Bodens verbieten. Der Druck seitens der Bodeneigentümer und Rathäuser ist immerhin sehr stark, und die Wiederaufforstungsbehörde macht ihre Arbeit sehr schlecht oder reagiert so spät, dass der Boden schliesslich seinen ökologischen Wert verliert.

 

Aber die Verbrechensgruppe, die zur Zeit am meisten praktische Bedeutung hat, zugleich aber auch sehr kontrovers in der Rechtsprechung ist, wird von den Straftaten gegen die Pflanzen- und Tierwelt, insbesondere den Jagddelikten gebildet. Im März dieses Jahres hat ein Kongress in der philosophischen Fakultät von San Sebastian, im Norden Spaniens stattgefunden, der sich einer besonderen, eigentlich wenig mit dem Umweltstrafrecht zusammenhängenden, aber eine Diskussion in der Lehre auslösenden Problematik gewidmet hat. Der Kongress zielte darauf, von der ethischen und philosophischen Perspektive aus das Problem der Anerkennung von “Rechten der Tiere” zu beurteilen, das seit der UNO-Erklärung über Rechte der Tiere und den Arbeiten von Peter Singer ins Gespräch gekommen ist. Die §§ 334, 335 StGB typisieren innerhalb verschiedener Straftaten gegen die Pflanzen- und Tierwelt auch die nichtgenehmigte Jagd von Tierarten verschiedenen Schutzgrades.

 

Die Schlussfolgerungen des Kongresses bahnen einen Weg, damit die spanische Gesetzgebung gestützt auf diesen Paragraphen in der Zukunft eine rechtliche Position für Tiere anerkennen könnte, die mehr als die eines blossen Handlungsobjekts ist. Die Begründung lautet folgendermassen: Nach einigen Autoren wäre ein menschlicher Fötus beim Schwangerschaftsabbruch nicht nur ein Deliktsobjekt, sondern er wäre sogar Träger des Rechtsgutes “unselbständiges Leben”; und in diesem Sinne könnte er als passives Subjekt [sujeto pasivo] des Verbrechens angesehen werden[19]. Könnte ein Tier so auch  Träger des Rechtgutes „Tierleben“ sein und somit strafgesetzlich geschützt sein?

Trotzdem, hat das Verfassungsgericht auch in Bezug auf Abtreibungsstraftaten, aber meines Erachtens ungeschickt, in der Entscheidung STC 53/1985 vom 11.04.1985 behauptet, dass ungeborenes Leben kein Träger des Grundrechtes Leben sein kann. Das keimende Leben, so das Verfassungsgericht, wird als verfassungsrechtlich anerkanntes Rechtsgut angesehen, dem der Grundwert des menschlichen Lebens zugrundeliegt, von dem der Art. 15 der spanischen Verfassung auf die ganze Rechtsordnung ausstrahlt: “Alle haben Recht auf das Leben”.

 

Was die Jagd angeht, haben die Landgerichte [Audiencias Provinciales] die Lehre durchgesetzt, nach der die spanische Rechtsordnung seit Inkrafttreten des Gesetzes 4/1989 vom 27.03.89 (Gesetz zur Aufrechterhaltung von Naturgebieten und wilder Pflanzen- und Tierwelt, §§ 26, Abs. 4, 33, Abs. 1) ein allgemeines Jagd- und Fischverbot jedweder Tierart kennt; die Jagd sei nur dann erlaubt, wenn eine spezifische, für den konkreten Fall und für die Einzelperson erteilte Genehmigung vorliege. Zur Erfüllung des Straftatbestandes würde also, abgesehen von den anderen Tatbestandsmerkmalen, die Jagd ohne Genehmigung genügen.

 

Aus beiden Ideen können wir also ableiten, dass, wenn unsere Rechtsordnung ein allgemeines Jagdverbot kennt, dann soll auch das “Leben der Tiere” als schutzwürdiges, vom allgemeinen “Wert Leben” ausgehendes Rechtsgut verstanden werden, wobei dann zwischen “menschliches Tierleben” und “nichtmenschliches Tierleben” und dementsprechend zwischen selbständigem und unselbständigem Leben unterschieden werden sollte.

 

Wenn es nach dem Verfassungsgericht möglich ist, das Leben von lebenden Wesen ohne Recht auf Leben (so ein Fötus) als Rechtsgut anzuerkennen, so wäre auch die Anerkennung “anderer lebender Wesen” als Rechtsgut möglich, denen auch rechtlich das Recht auf Leben aberkannt wird. Und indem das StGB die Straftat der ungenehmigten Jagd mit Bezug auf das allgemeine Jagdverbot ausdrücklich typisiert, könnte auch das “Tierleben” zumindest auf die Kategorie von unmittelbar strafrechtlich schutzwürdigem Rechtsgut heraufgestuft werden, ohne dafür auf die Idee der Bioverschiedenheit zurückgreifen zu müssen. Dieser verschwommene und unbestimmte Begriff bereitet grosse Schwierigkeiten bei der Einschränkung und der Legitimierung des strafrechtlichen Eingriffes; er hat schon tatsächlich eine höchst widersprüchliche Rechtsprechung veranlasst.

 

Der hier vorgelegte Vorschlag ist wirklich neuartig. Er stellt zwar viele Probleme technisch-juristischer Natur, aber diese basieren grösstenteils auf moralischen und juristisch irrationellen Vorurteilen, die heutzutage deswegen kaum haltbar sind, weil das “Leben” kein Tabu mehr darstellt und zu einem vom Menschen handbaren Objekt geworden ist. Der Ungläubige sei nur auf die Beschlüsse der EU oder die Entscheidungen des spanischen Verfassungsgerichts aufmerksam gemacht, bei denen zu In-Vitro-Fertilisationszwecken der strafrechtliche Schutz des weniger als 15 Tage alten Präembryos verneint wurde.

 

In jedem Fall erscheint das dem Obersten Gericht ein viel zu riskanter Vorschlag. Er hält entgegen der einstimmigen Auffassung der Landgerichte an der Meinung fest: “die Jagd ist an sich neutral und betrifft Gegenstände –Tiere-, die keinen spezifischen strafrechtlichen Schutz erfordern”. Des weiteren behauptet das Oberste Gericht, dass es nicht nur darum ginge, dass die spanische Rechtsordnung kein allgemeines Jagdverbot kennt, sondern dass darüber hinaus die Genehmigung jeder Verwaltungsbehörde zur Jagd einer Tierart, die Bestrafung der weiteren Jagd dieser Tierart ohne spezielle und konkrete Genehmigung entfallen liesse. Die Landgerichte folgen wie gesagt dieser Auffassung nicht; täten sie das, würde dann der Inhalt der §§ 334, 335 StGB völlig entkernt.

 

Demgegenüber bahnt die endgültige Anerkennung des allgemeinen Jagdverbots, und folglich des Wertes “Tierleben”, den Weg zur Anerkennung der nichtmenschlichen Tiere in einer rechtlichen Position, die dem des “Trägers eines geschützten Rechtsguts gleichkommt” –die spanische Lehre nennt regelmässig den Träger des im Tatbestand geschützten Rechtsgutes “pasives Subjekt”-. Die Anerkennung des allgemeinen Jagdverbots würde den ersten Schritt zur Anerkennung von Rechten der Tiere und den Beginn einer juristischen Revolution darstellen, die notwendig dafür wäre, den neuen biologischen Realitäten entgegenzukommen. Und das alles abgesehen von der symbolischen Wirkung einer wertenden Anerkennung der Tierachtung.

 

Zuletzt möchte ich nur daran erinnern, dass ich nicht von Science-Fiction rede. Die juristische Anerkennung des Wertes nichtmenschliches Tierleben würde eine bessere Behandlung der Tiere mit der Folge erfordern, dass somit vielleicht Problemen wie dem des Rinderwahnsinns oder des Anabolikaskandals im Fleisch zum menschlichen Verzehr ein Ende bereitet werden könnte. Letztlich geht es immer beim verbesserten Schutz der Umwelt darum, dass sich hinter allen ökologischen Werten das menschliche Bedürfnis zur Sicherstellung eines würdigen und gesunden Lebens befindet. Es geht auch darum, unserer und den nächsten Generationen zu gewährleisten, dass das gemeinsame Tragen von den Risiken dieser technologischen Gesellschaft nicht die Bereicherung von wenigen Individuen zu Lasten unseres Lebens und unserer Gesundheit bedeuten sollte, sondern eher den Genuss einer gerechten und demokratischen Verteilung der Vorzüge dieser Gesellschaft.

 

 



[1] S. LÓPEZ GARRIDO, D./GARCÍA ARÁN, M., “El Código penal de 1995 y la voluntad del legislador”, Madrid 1996, S. 26.

[2] Dagegen CONDE PUMPIDO TOURON, C., “Protección penal del medio ambiente. Cuestiones generales”, a. a. O., S. 70. S. auch GONZÁLEZ GUITIAN, L., “Sobre la accesoriedad del derecho penal en la protección del medio ambiente”, in: “Estudios penales y criminológicos XIV (1989-90)”, S. 116.

[3] MARTÍN MATEO, R., “La calidad de vida como valor jurídico”, Revista de Administración Pública 117 (1988), S. 51 ff., insb. 61.

[4] So SILVA SÁNCHEZ, J., “Delitos contra el medio ambiente”, Valencia 1999, S. 17.

[5] Hierbei unterscheide ich zwischen “medio ambiente” und “ambiente”. Ersteres bezieht sich ausschliesslich auf natürliche Werte ökologischen Charakters während der zweite Begriff schliesst Faktoren mit hinein, die dem eigentlichenUmfeldzuzurechnen sind, d. h. physische, soziale, wirtschaftliche, kulturelle, usw. Voraussetzungen oder Umstände einer Gegend oder einer menschlichen Gruppierung in einem bestimmten historischen Augenblick. (In diesem Sinne sollte vielleicht auch Art. 2, 22 der peruanischen Verfassung von 1993 verstanden werden. Dagegen, FIGUEROA NAVARRO, A., “El ambiente como bien jur¡idico en la Constituci¡on de 1993”, Anuario de Derecho Penal (1995), S. 23 f.). Der Begriff menschlicher Habitat, das diesem Beitrag zugrunde liegt, ist noch umfassender und schliesst sowohl ökologische Aspekte als auch diejenigen Aspekte ein, die wir als umweltbezogen weil Eintwicklungsort der menschlichen Gattung gekennzeichnet haben.

[6] S. DE LA CUESTA AGUADO, P., “Algunas consideraciones acerca de la necesidad de protección del medio ambiente como bien jurídico”, Anales de la Universidad de Cádiz XI” (1996), S. 267-282.

[7] DE LA CUESTA AGUADO, P., “Consideraciones sobre la regulación y las perspectivas de la protección penal del medio ambiente en España”, La Ley (Argentina) 29 (1995), S. 2.

[8] Zur Entwicklung der Rechtsprechung bei der Anwendung des alten § 347 bis StGB kann auf DE LA CUESTA AGUADO, P., “La prueba en el delito ecológico”, Madrid 1995, verwiesen werden.

[9] Die Angeklagten ... haben unmittelbar ein Schadstoff, das sog. Lindan, über den Boden ausgegossen, womit ein offensichtliches Risiko für die menschliche Gesundheit und für die Voraussetzungen des Tierlebens geschaffen wurde. Von diesem Moment aus entsteht das schwere, vom Straftatbestand verlangte Risiko, das aber deswegen keine grösseren Folgen oder Schäden erreichte, weil die verwickelten Personen  den Stoff nachträglich aufgrund  der Strafanzeige vom Boden entfernten ... Der Straftatbestand wird durch die materielle Verwirklichung des Bodenausgusses oder des Ausstosses von Schadstoffen in die Luft erfüllt, die eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen oder für die Voraussetzungen des Tierlebens sowie für Wälder, Naturgebiete oder nützliche Pflanzungen bedeuten, ohne dass es dabei der Verursachung einer konkreten Gefährdung bedarf”.

[10] Ausführlich HAVA GARCÍA, E., “Delitos relativos a la protección de la flora y fauna”, in: “Derecho penal del medio ambiente”, Madrid 1997, S. 77 ff.

[11] SILVA SÁNCHEZ, J. “Delitos contra el medio ambiente”, a. a. O., S. 16.

[12] S. STC 199/1996 vom 03.12.96.

[13] In den letzten Jahren hat sich eine grosse Vielzahl von Autoren für dieses Konzept geäussert. Ohne die Anzahl der Befürworter auszuschöfpen siehe nur: RODRÍGUEZ RAMOS, L., “Instrumentos jurídicos preventivos y represivos en la protección del medio ambiente”, Documentación Administrativa 190 (1981), S. 461; ders., “Sobre una inadecuada pretensión de proteger penalmente el medio ambiente (artículo 323 a 325 del proyecto)”, in: “La reforma penal y penitenciaria” (1980), S. 482; VÁZQUEZ DE PRADA,V., “Medio ambiente y costes de contaminación”, a. a. O., S. 129; BUSTOS RAMÍREZ, J., “Manual de Derecho penal. Parte especial”, Barcelona, 1986, S. 352; MUÑOZ CONDE, F., “Derecho penal. Parte especial”, 8ª ed., Valencia, 1990, S. 510; SÁNCHEZ-MIGALLON PARRA, María V., “El bien jurídico protegido en el delito ecológico”, a. a. O., S. 349; RODAS MONSALVE, J. C., “Delitos contra el ambiente: algunos problemas para su adecuada tipificación y aplicación”, Nuevo Foro penal 53 (1991), S. 322. Zuletzt, TERRADILLOS BASOCO, J., “Derecho penal del medio ambiente”, Madrid 1997; PRATS CANUT, J. M., in: “Comentarios al Nuevo Código Penal”, a. a. O., S. 1511 ff.

[14] Eingehender DE LA CUESTA AGUADO, Paz, “Respuesta penal al peligro nuclear”, Barcelona 1994, S. 87 ff.

[15] Als überindividuelles, d. h. zum Schutze der unerlässlichen Voraussetzungen für die völlige Entfaltung anderer grundlegenden und individuellen (mikrosozialen) Güter bestimmtes, Rechtsgut muss es die Aufrechterhaltung des Habitats [Umfeld] mitumfassen, in dem sich der Mensch als Gattung entwickelt hat, und das nicht nur in bezug auf den heutigen Mensch, sondern auch auf die nächsten Generationen stehen soll. In diesem Sinne s. ESER, A., “Delito ecológico”, Revista de Derecho público 100-101 (1985), S. 603 ff., Übersetzung von J. L. de la Cuesta Arzamendi und A. Sanz Morán, aus dem Original, das in “Natur und Geschichte”, Wien 1983, S. 349 ff., 615 veröffentlicht wurde.

[16] S. DE LA CUESTA AGUADO, P., “Algunas consideraciones acerca de la necesidad de protección del medio ambiente como bien jurídico”, a. a. O., S. 272.

[17] HAVA GARCÍA, E., “Delitos relativos a la protección de la flora y fauna”, a. a. O., S. 62, durch Rückgriff auf das Zitat von Art. 2, Abs. 5, Abkommen von Nairobi über Bioverschiedenheit vom 22.05.1992.

[18] In diesem Sinne hatte bereits DE LA CUESTA AGUADO, P. (“Consideraciones sobre la regulación y las perspectivas de la protección penal del medio ambiente en España”, a. a. O., p. 1) im Rahmen des früheren StGB angemerkt, dass es “Verhaltensweisen bestehen können, die das Rechtsgut Umwelt schwer verletzen können, bei ihrer Verwirklichung aber keine Verletzung oder gar Gefährdung der geschützten Umweltgegenständegemäss der alten § 347 bis- bedeuten (so z. B. der menschliche Einfluss bei der Einführung von verschiedenen neuen Arten in Sudamérica und Australien, die sich später pathologisch entwickelt und verbreitet haben, und somit als Folge der Gleichgewichtszerstörung von Ökosystemen richtige ökologische Katastrophen verursacht haben).

[19] Dagegen aber die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 05.04.1995 und der grosste Teil der Lehre.