Bewertung der Schwungradenergiespeicheranlage

Verbraucherorientierte Speicherung

Verhalten der Anlage

Um das Betriebsverhalten der Schwungradenergiespeicheranlage besser beurteilen zu können, wurde die Anlage in dem Programm SIMULINK nachgebildet und der Leistungsfluß simuliert.

Bild 42: Modell der Schwungradenergiespeicheranlage in SIMULINK

Als Eingangsgröße der Simulation dient der hypothetische Tageslastzyklus nach Kapitel 7.6, der in Form seiner Eckwerte im gleichnamigen Block gespeichert ist.

Der Block "Drehzahlbegrenzung" sorgt dafür, daß die Drehzahl nicht über 3000 min-1 ansteigt und im Normalbetrieb nicht unter 1000 min-1 absinkt. Im Block "Umrichter" werden die Umrichterverluste nachgebildet. Der Umrichterwirkungsgrad kann wahlweise als konstant oder als drehzahlabhängig in Form einer Kennlinie modelliert werden. Dasselbe gilt auch für den Block "Elektrische Maschine". Eingangsgrößen dieser beiden Blöcke sind jeweils Leistung und die Kreisfrequenz und die Ausgangsgröße ist jeweils eine Leistung. Diese Blöcke sind der Vollständigkeit halber im Anhang in den Bildern 47, 48 und 49 dargestellt. Die kleinen Blöcke, die jeweils nur einen Eingang haben, sind die Variablen, die SIMULINK nach MATLAB exportiert und in dessen Arbeitsspeicher schreibt.

Bild 43: Modell des Leistungsflusses im mechanischen Teil der Anlage

Der Kern des Anlagenmodells ist der Block "Schwungrad". Er ist nach der Differentialgleichung für den Leistungsfluß im mechanischen Teil der Anlage (Gleichung (12)) modelliert. Die mechanische Wellenleistung wird abzüglich der Reibleistungen integriert. Der Schalter sorgt dafür, daß die in der Welle gespeicherte Energie nicht negativ werden kann. Aus der Energie wird mit E = ½ Jw2 die Kreisfrequenz berechnet. In den Blöcken "Lagerreibung" und"Luftreibung" werden die MATLAB-Programme REIBLAGR.M und REIBAERO.M (siehe Anhang 12.2.4 und 12.2.5) aufgerufen und für jeden Zeitschritt die Reibleistung berechnet.

Bild 44: SIMULINK-Simulationsparameter

Bevor die Simulation gestartet wird, müssen die Simulationsparameter festgelegt werden. Die Start- und Stopzeit versteht sich von selbst. Die Simulationsschrittweite muß mit Bedacht gewählt werden, da eine zu große Schrittweite zu Simulationsungenauigkeiten und eine zu kleine Schrittweite zu langen Rechenzeiten und großen Datensätzen führt. Von großer Bedeutung für die Simulationsgenauigkeit ist das Integrationsverfahren, das im oberen Bereich des Control Panels gewählt werden kann. Die Verfahren "Euler", "Runge-Kutta 3", " Runge-Kutta 5" und "Linsim" eignen sich gut für die Simulation linearer Systeme. Da das Anlagenmodell vor allem im Block "Drehzahlbegrenzung" zahlreiche Nichtlinearitäten aufweist, sind diese Verfahren ungeeignet. Die Verfahren "Adams" und "Gear" arbeiten bei nichtlinearen Systemen besser. In den hier durchgeführten Simulationen wurde eine Kombination aus beiden Verfahren gewählt.

Die Ergebnisse der Simulation mit den Parametern nach Bild 44 und dem Lastzyklus nach Bild 26 sind im Anhang 12.4 im Bild 50 dargestellt. Bei der Simulation wurden der Wirkungsgrad der elektrischen Maschine und des Umrichters als konstant über die Frequenz angenommen. Es ist zu erkennen, daß die Lagerreibung ca. um den Faktor 5 größer ist als die aerodynamische Reibung bei 0,1 mbar Gehäuseinnendruck. Die Lagerreibung verhält sich dabei ungefähr proportional zur Drehzahl, und die aerodynamische Reibung verhält sich proportional zum Energieinhalt.

Bei der Betrachtung des Energieinhaltes fällt auf, daß der Speicherverlust pro Zeiteinheit auf hohem Drehzahlniveau größer ist als auf niedrigem. Der Speicherverlust ist in beiden Fällen geringer als der Verlust während der Lade- und Entladephase.

Integriert man die Leistungsverläufe gemäß Gleichung (23) über die Zykluszeit, so erhält man einen Zyklenwirkungsgrad von

hzylkus = 0,733.

Dieser Wirkungsgrad ist jedoch nur für den angenommenen Zyklus gültig. Für andere Zyklen und Speichereinsätze muß der Wirkungsgrad jeweils neu berechnet werden.

Aus dem Quotienten aus maximalen Energieinhalt und Verlustleistung bei Höchstdrehzahl läßt sich die Speichergüte des Schwungrades berechnen, die unabhängig vom jeweiligen Zyklus ist (siehe dazu Kapitel 5.3).

Die Speichergüte beträgt

TG = 12,84 h,

das heißt, bliebe die Verlustleistung konstant auf ihrem Wert bei Höchstdrehzahl, würde das Schwungrad ohne äußere Leistungszufuhr nach knapp 13 Stunden zum Stillstand kommen.

Der Zykluswirkungsgrad der Schwungradenergiespeicheranlage kann sich im Vergleich mit dem Wirkungsgrad eines Batteriespeichers oder eines Pumpspeicherkraftwerkes durchaus sehen lassen.

Wirtschaftliche Betrachtung

Die Wirtschaftlichkeit einer Schwungradspeicheranlage wird ermittelt, indem die Aufwendungen für die Anlage den zu erwartenden Einsparungen der Strombezugskosten gegenübergestellt werden. Die Ermittlung der Anlagen- und der Betriebskosten gestaltet sich schwierig, da keine geeigneten Vergleichswerte vorliegen. Daher sind die folgenden Abschätzungen mit Vorsicht zu genießen. Die einzelnen Posten sind dabei an die wirtschaftliche Betrachtung in der MAN-Studie angelehnt [7].

Anlagen- und Gebäudekosten
Schwungrad 200.000 DM
Gehäuse, Welle und Lagerung 100.000 DM
Schmierölversorgung, Vakuumtechnik 10.000 DM
Elektrische Maschine 100.000 DM
Umrichter 100.000 DM
Regelung und Datenerfassung 50.000 DM
Gebäude, Brückenkran 150.000 DM
Bettung 10.000 DM

Summe 720.000 DM

 

jährliche Betriebskosten
Wartung 2.000 DM
Betriebsmittel 3.000 DM

Summe 5.000 DM

 

Unregelmäßige Betriebskosten
alle 5 Jahre Lagererneuerung 20.000 DM
alle 8 Jahre Ultraschallprüfung 20.000 DM

 

Die jährlichen Einsparungen sind noch schwieriger abzuschätzen. Sie ergeben sich aus einer Absenkung der Strombezugsgrenze und eventuell den Kosten, die eingespart werden können, wenn eine Erweiterung der Versorgungseinrichtungen durch die Glättung des Lastbezugs überflüssig wird. Die Einsparungen können jeweils nur für einen konkreten Einsatzfall in Abhängigkeit vom Vertrag mit dem Energieversorgungsunternehmen abgeschätzt werden. Daher wird diese wirtschaftliche Betrachtung im Hinblick darauf durchgeführt, für welche jährlichen Einsparungen sich akzeptable Amortisationszeiten ergeben.

Die innerhalb eines Betriebsjahres anfallenden Instandhaltungs- und Betriebskosten und die Zinsen der Schuldenlast werden von den jährlichen Einsparungen abgezogen. Der verbleibende Restbetrag wird zur Tilgung der Schulden verwendet. Dabei muß der Einfluß von der Strompreisentwicklung, der Zinsen und der Instandhaltungskosten mit berücksichtigt werden.

Das folgende Amortisationsmodell ist für eine Abschätzung der Wirtschaftlichkeit der Schwungradspeicheranlage geeignet:

(76)

Pn Saldo am Ende des n-ten Jahres

Pn-1 Saldo am Ende des vorhergehenden Jahres

Bf gleichbleibende jährliche Betriebs- und Instandsetzungskosten

Bn im n-ten Betriebsjahr anfallende unregelmäßige Ausgaben

E jährliche Stromkosteneinsparung

i Zinsfuß in %

t jährliche Teuerungsrate der Betriebskosten in %

s jährliche Teuerungsrate des Strompreises in %

 

Bild 45: Amortisation der Schwungradenergiespeicheranlage

Der Berechnung lag die Annahme eines Zinsfußes von 8 %, eine jährliche Teuerungsrate der Betriebskosten und des Strompreises von 3 % zugrunde. Es ergeben sich somit Amortisationszeiten zwischen 8 und 15 Jahren. Um die Schwungradenergiespeicheranlage sinnvoll einsetzen zu können, sollte die jährliche Einsparung mindestens 100.000 DM betragen.

Da diese Berechnung nur auf groben Schätzungen beruht, werden die Einflüsse der einzelnen Parameter der Amortisationszeitberechnung genauer untersucht. Hierzu eignet sich das Sensitivitätsdiagramm, das im folgenden Bild zu sehen ist:

Bild 46: Sensitivitätsdiagramm der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Der Nullpunkt dieses Diagramms repräsentiert die Berechnung der Amortisationszeit mit den oben angegebenen Werten und einer jährlichen Einsparung von 100.000 DM. Bei den nachfolgenden Berechnungen wurde jeweils ein Parameter der Gleichung (76) in 5%-Schritten variiert, während die anderen Parameter konstant gehalten wurden. Aus dem Diagramm geht deutlich hervor, daß die maßgeblichen Parameter die Anlagenkosten und die jährlichen Einsparungen sind. Weiterhin ist der Einfluß des Zinsfußes und der Strompreisteuerungsrate nicht vernachlässigbar. Die festen Betriebskosten und ihre Teuerungsrate sind unbedeutend für die Berechnung der Amortisationszeit.

Bei der Betrachtung der Ergebnisse stellt sich jedoch die Frage, ob die Schwungradenergiespeicheranlage mit den herkömmlichen Batteriespeicheranlagen konkurrieren kann. Batterien haben zwar eine deutliche geringere Lebensdauer, aber die Batteriekosten an sich haben nur einen geringen Anteil an den Kosten einer Batteriespeicheranlage. Die weitaus größeren Kosten entstehen durch die Leistungselektronik und das Gebäude. Daher fällt ein Austausch der Batterien selber weniger ins Gewicht.

Energiespeicherung bei Windkraftanlagen

Wirtschaftliche Betrachtung

Der Einsatz der Schwungradenergiespeicheranlage zur Überbrückung des Ausfalls einer Windenergieanlage muß aufgrund der niedrigen Speichergüte hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit kritisch beurteilt werden. Da der Einsatzzeitpunkt nicht vorhersagbar ist, kann es sein, daß ein Vielfaches des Schwungradenergieinhaltes durch Leistungsverluste verloren geht, bevor der Speicher zum Einsatz kommt. Da sich zumindest heute die Zuverlässigkeit des erzeugten Stromes nicht im Abnahmepreis widerspiegelt, besteht auch kein finanzieller Anreiz, einen Speicher einzusetzen. Im Hinblick auf die Liberalisierung des Strommarktes könnte die Qualität der elektrischen Energie jedoch im Preis berücksichtigt werden. Dann könnte man wieder über einen Speichereinsatz nachdenken.

Um das Spannungsflackern in schwachen Netzanbindungen zu verringern, können Schwungradenergiespeicheranlagen mit wesentlich kleineren Energieinhalten zum Einsatz kommen. Hierzu sind am Imperial College in London theoretische Untersuchungen mit dem Ergebnis durchgeführt worden, daß die Leistung der Schwungradanlage jedoch in der Größenordnung von einigen hundert Kilowatt liegen soll [12]. Der Einsatz könnte dann sinnvoll sein, wenn an diese Netzanbindung auch Verbraucher mit empfindlichen Geräten angeschlossen sind, die vor dem Spannungsflackern geschützt werden müssen. Ob der Verbraucher, der Windkraftanlagenbetreiber oder ein Energiedienstleistungsunternehmen die Energiespeicheranlage betreibt, ist von der weiteren Entwicklung des Strommarktes abhängig.

 

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