Springe direkt zu:
 




Ptolemaus, griech. Ptolemaios, 1) frühchristl. Gnostiker, + gegen 180, Hauptvertreter des westll. Zweiges der Schule Valentins. Er schrieb einen Brief an die Christin Flora über die (relative) Geltung des Alten Testamentes.
A. v. HARNACK in: Kleine Texte, hg. v H. Lietzmann, 9 (2,1912); Lettre a Flora, übers. u. eingel.v. G Quispel, in: Sources Chretiennes, 24 (1949). - W. FOERSTER in: New Testament Studies, 6 (1959/60).
2) Claudius (Klaudios Ptolemaios), griech. Natur forscher, * Ptolemais (Oberägypten) um 100, + vermutlich Canopus um 160. P. wirkte im zweiten Drittel des 2. Jahrh. n. Chr. in Alexandria; er erwähnt eigene astronom. Beobachtungen aus den Jahren 127 bis 151. Aus seinem Leben sind keine Einzelheiten bekannt, um so größer ist aber die Wirkung seiner wissenschaftl. Erkenntnisse und Werke bis ins 17. Jahrh., am nachhaltigsten die seiner astronomisch orientierten Handbücher, in denen das Wissen seiner Zeit zusammengefaßt, neu geordnet und vielfältig ergänzt wurde.
Das erste systemat. Handbuch der mathemat. Astronomie (siehe Physik, Geschichte) ist seine um 800 von den Arabern Almagest betitelte >Syntaxis mathe-matike< (Mathemat. Zusammenstellung), die mit Inhalt und Aufbau maßgeblich für alle astronom. Handbücher bis über N. KOPERNIKUS hinaus wurde. Sie enthält eine Einführung in das geozentr. physikalische, im wesentlichen aristotelische Weltbild, die mathemat. Hilfssätze der Astronomie nebst Beweisen (Koordinaten, sphär. Trigonometrie, Sehnentafeln), im dritten Buch die Theorie der Sonne (Exzenter), im vierten und fünften die des Mondes (Epizykel). Das sechste Buch handelt über Ursachen und Berechnungen von Mond-und Sonnenfinsternissen, die beiden anschließenden behandeln die Fixsterne und bringen den erweiterten Fixsternkatalog des Hipparch 2), der bis TYCHO BRAHE fast unverändert, nur wegen der Präzession auf die neue Zeit reduziert, übernommen wurde, woraufhin J. HALLEY 1718 und J. T. MAYER 1760 nach dem Vergleich mit neueren Beobachtungen erstmals auf Eigenbewegungen von Fixsternen schließen konnten. Die Bücher 9 bis 13 geben schließlich die Theorie der fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur, für deren Bewegungen P. die ältere Epizykeltheorie und Exzentertheorie kombinieren und zusätzlich eine Ausgleichsbewegung (punctum aequans) einführen mußte, um die Phänomene entsprechend den aristotelischen Forderungen nach Gleich- und Kreisförmigkeit aller (Einzel-)Bewegungen am Himmel wiedergeben zu können. P. benötigte für die mathematisch-kinemat. Wiedergabe aller Bewegungskomponenten (einschließlich der Präzession) eine große Anzahl von Kreisen (Sphären), deren Anzahl auch Kopernikus nicht wesentlich verringern konnte. Bei P. wurden jedoch Sonne, Mond und jeder Planet einschließlich der jeweils wiederholten täglichen (Fixstern-)Bewegung gesondert behandelt; erst Kopernikus faßte die tägl. Bewegungen und die von P. epizyklisch gedeuteten Schleifenbewegungen als Resultanten der tägl. und jährl. Erdbewegung zu einem einheitl. System zusammen. P. versuchte später auf der Grundlage der homozentrischen Sphären des ARISTOTELES ebenfalls eine Sphärenkosmologie aufzubauen, die jetzt allerdings aus Teilsphären und nicht aus konzentrisch begrenzten Kugelschalen bestand, entsprechend den Ergebnissen seiner mathemat. Astronomie. Da diese materiellen Sphären räumlich gegeneinander abzugrenzen waren, ließ sich auf der Grundlage der parallakt. Entfernungsbestimmung Erde-Mond und Erde-Sonne sowie aus den relativen Größenverhältnissen der jeweiligen Deferenten und Epizykel ein ineinandergeschachteltes System mit berechenbarer Ausdehnung schaffen. Die Schrift (>Hypoteses planetarum<), in der diese Kosmologie dargelegt und die äußere Fixsternsphäre zu 20000 Erdhalbmessern berechnet wird, ist vollständig erst 1967 in einer arab. Übersetzung wieder aufgefunden worden. Die kosmolog. Anschauungen IBN AL-HAITHAMS, die über J. DE SACROBOSCO und G. PEURBACH auch das latein. MA. beherrschten, ließen sich dadurch ebenso als ptolemäisch erweisen wie die mittelalterl. Vorstellungen von der Größe des Kosmos.

Ein weiteres, im wesentlichen noch heute gebräuchl. Handbuch schuf P. mit seinem >Tetrabiblos<, dem >Viererbuch< des in heilenist. Zeit (NECHEPSO, PETOSIRIS) abgeleiteten, noch heute fast unveränderten Regelwerkes der Astrologie. Die astrolog. Berechnungen wurden von P. allerdings auf die neue mathemat. Grundlage seines >Almagest< gestellt, und die Planetenastrologie der Babylonier wurde mit der Tierkreis- und Dekanastrologie der Ägypter erstmals fest verknüpft. Sogar die Aspektenlehre, die später von ABU MASCHAR ausgebaut wurde, findet sich in Ansätzen (Trigone) bereits bei Ptolemäus.

Auch das geograph. Weltbild wurde bis in die Neuzeit wesentlich durch die acht Bücher der ptolemäischen >Geographie< bestimmt, die allerdings selbst bewußt keine Erdkarte enthielt, sondern nur eine Anleitung zur ihm erstmals gelungenen konischen Kartenprojektion sowie die Länderaufteilung und, nach dem Vorgang von ERATOSTHENES, HIPPARCH und MARINOS, die vorwiegend astronom. Lagebestimmung von mehr als 8 000 Orten der bekannten (nördlichen) Ökumene. Nach diesen Angaben wurden bis zum ausgehenden 16. Jahrh. (gelegentlich um neue Entdeckungen ergänzte) Erdkarten konstruiert. - Das astronom. Werk wird ergänzt durch lange gebräuchliche Handtafeln, Kalender (Parapegma) und Schriften über Sternphasen, das Analemma und die Planisphäre (Astrolabium).

Neben kleineren philosoph. Schriften zur Erkenntnistheorie und einem Werk über die Schwere der Körper stammen zwei weitere Handbücher von P., welche die behandelten Disziplinen bis in die Neuzeit kanonisch beherrschten, die >Harmonik<, die die mathemat. Musiktheorien der Antike abschließend zusammenfaßt und starken Einfluß noch auf J. KEPLERS Vorstellungen von der >Weltharmonik< ausübte, und die nur in einer latein. Übersetzung erhaltene >Optik<, in der die geometrische Optik einschließlich der Reflexion (Katoptrik) im wesentlichen im Anschluß an EUKLID und HERON VON ALEXANDRIA axiomatisch behandelt wird, sich aber auch erstmals eine nähere Behandlung der Brechung des Lichtes an der Grenze von Medien unterschiedlicher Dichte (Luft-Wasser, Luft-Glas, Glas-Wasser) findet. Einfalls- und Brechungswinkel maß P. dazu mit einer graduierten Scheibe und kam für die Einfallswinkel zwischen 10° und 80° zu annähernd richtigen Ergebnissen, wenn er auch noch nicht nach einem Brechungsgesetz suchte.

Ausgaben. Geographia, hg. v. C. F. A. NOBBE, 3 Bde. (1843 bis 1845, Nachdr. 1968, Buch l dt. v. H. v. MZIK: Des Klaudios Ptolemaios Einf. in die darstellende Erdkunde, 1938); Opera quae exstant omnia, hg. v. J. L. HEIBERG, F. BOLL u. JE. BOER, 3 Bde. (1908-52, unvollständig); Hb. der Astronomie (Almagest), hg. v. K. MANITIUS u. O. NEUGEBAUER, 2 Bde. (1913, H963); Tetrabiblos, dt. v. M. E. WINKEL, 2 Bde. (1923); Harmonielehre, hg. v. I. DÜRING (1930); Optica, latein. hg. v. A. LEJEUNE (1956); The Arabic version of Ptolemy's planetary hypotheses, hg. v. B. R. GOLDSTEIN (1967).
B. L. VAN DER WAERDEN, AE..BOER u. F. LAMMERT in: Real-Enc. der class. Altertumswiss., hg. v. A. PAULY u. G. WISSOWA, 23,2 (1959); A. SCHÖNING: Germanien in der Geographie des P. (1962). - W. H. STAHL: Ptolemy's geography. A select bibliography (New York 1953).
  



 
Proudhon, Pierre-Joseph, französ. Sozialist, * Besancon 15. 1. 1809, + Passy (Paris) 19. 1. 1865, Schriftsetzer, dann Korrektor, war unter den Begründern des Sozialismus neben Babeuf der einzige Autodidakt handwerklichbäuerlicher Herkunft. Er trat als Schriftsteller zuerst mit der Schrift >De la celebration du dimanche< (1840; dt. 1850) auf und erlangte Einfluß mit >Qu'est-ce que la propriete< (1840; dt. 1844), die die bestehende Eigentumsverfassung mit dem Satz >Eigentum ist Diebstahl (>La propriete c'est le vol<) verurteilte. P. wollte das Eigentum an Land den Gemeinden übertragen; sie sollten es als vererbbaren Besitz nur an die ausgeben, die es selbst bearbeiteten.
privatisierung2-1.jpg
Pierre-Joseph Proudhon
(nach einer Zeichnung von A. Collette)


Zu K. MARX und dem Kommunismus geriet er nach anfänglich positivem Verhältnis in schroffen Gegensatz. Marx' polemische Schrift >Das Elend der Philosophie< (1847) ist gegen P.s >Philosophie des Elends< (1846) gerichtet. 1848 wurde P. Abg. der französ. Nationalversammlung; seine sozialreformer. Pläne, die bald scheiterten, suchte er durch ein System gegenseitiger Dienstleistungen zu verwirklichen; eine Tauschbank sollte die erzeugten Waren gegen Tauschbons abnehmen und Kredite zur Verfügung stellen (Mutualismus). Als Gesellschaftstheoretiker verwarf P. staatl. Zwangsmittel und vertrat eine >positive Anarchie< mit fast unbegrenzter Freiheit, die für ihn >nicht Tochter, sondern Mutter der Ordnung< war. Er wurde damit zu einem der Schöpfer des ^-Anarchismus. Am Unitarismus und Zentralismus der Französ. Revolution übte er scharfe Kritik. 1852-62 lebte er in der Verbannung in Belgien.

Weitere Werke. De la creation de l'ordre dans l'humanite ou principes d'organisation politique (1843); Systeme des contradictions economiques ou Philosophie de la misere, 2Bde. (1846; dt. 1847, Nachdr. o. J.); Le droit au travail et le droit de propriete (1848; dt. 1849); Banque du peuple (1849; dt. 1849); Les confessions d'un revolutioniere (1849; dt. 1850, 21970); Du principe federatif (1868-76); OEuvres completes, 13 Bde. (neu hg. v. C. BOUGLE u. M. MOYSSET, 1923-36); Correspondance, 14 Bde. (1875). - Lettres choisies, hg. v. D. HALEVY (1929); Lettres au citoyen Rolland, 5 octobre 1859 a 29 juillet 1862, hg. v. J. BOMPARD (1946); Carnets, hg. v. P. HAUBTMANN, 2 Bde. (1960); P.-J. P. Ausgew. Texte, hg. und eingel. v. TH. RAMM (1962).
K. DIEHL: P.-J. P., seine Lehre u. sein Leben, 3 Tle. in l Bd. (1888-96, Nachdr. 1968); E. DROZ: P. (Paris 1909); C. BOUGLE: P. (ebd. 1930); E. DOLLEANS: P. (ebd. 1948); D. HALEVY: La vie de P. (ebd. 1948); M. DOMMANGET: P. (ebd. 1951); G. GURVITCH: P. (ebd. 1951); P. ANSART: Sociologie de P. (ebd. 1967); P. HAUBTMANN: P.-J. P. (1969); A. RITTER: The political thought of P.-J. P. (Princeton 1969).



Protokolle der Weisen von Zion, angebliche Protokolle einer jüd. Tagung, die einen Plan zur Zerstörung der bestehenden Staaten und zur Errichtung der jüd. Weltherrschaft unter einem König aus dem Hause Zion enthalten. Die P. d. W. v. Z. fußen auf einer gegen NAPOLEON III. gerichteten Broschüre von M. Joly, die mit Juden und Judentum nichts zu tun hatte. Ein Beamter der Synodalkanzlei in Moskau, S. NILUS, fälschte sie - vielleicht im Interesse der Ochrana - auf die Juden um (1905, im Anhang der zweiten Auflage seines Buches >Das Große im Kleinen oder Nahe ist der herandrängende Antichrist und das Reich des Teufels auf Erden<). Eine Neuauflage (Moskau 1907), mit S. BUTMY als Hg., enthält die Angabe des Verfassers, die geheime Versammlung der >Weisen von Zion< habe im Herbst 1897 in Basel stattgefunden. Obwohl mehrfach Prozesse zum Nachweis ihres rein fiktiven Charakters geführt wurden (Berlin 19. 4. 1924, Johannesburg 21. 8. 1934, Bern 14. 5. 1935, Basel Juni 1936), waren die P. d. W. v. Z. wiederholt Begründung für judenfeindliche Ausschreitungen (siehe Antisemitismus).
B. SEGEL: Die P. d. W. v. Z. (1924); J. S. CURTISS: An appraisal of the protocols of Zion (New York 1942); J. PARKES: Antisemitismus, ein Feind des Volkes (a. d. Engl., 1948).


Privatnotenbanken, im Dt. Reich die neben der Reichsbank noch zur Ausgabe von Noten berechtigten Banken. Bis zum Erlaß des Bank-Ges. v. 14. 3 1875 bestanden 33 P., die nach und nach auf ihr Notenausgaberecht verzichteten, um gegenüber den einengenden Bestimmungen des Gesetzes größere geschäftl. Bewegungsfreiheit zu gewinnen. 1936 gab es noch: Badische Bank, Mannheim, später Karlsruhe gegr. 1870; Bayerische Notenbank, München, gegr 1875; Sächsische Bank zu Dresden, gegr. 1865; Württembergische Notenbank, Stuttgart, gegr. 1871. Die Bayer, und die Sachs. P. konnten Noten bis zu je 70 Mill. RM ausgeben, die beiden anderen je 27 Mill. RM. Das Notenprivileg war durch das Privatnotenbank-Ges. v. 30. 8. 1924 geregelt; es endete am 31. 12. 1935; die von den P. ausgegebenen Noten waren noch bis zum 30. 6. 1936 in Umlauf. Die P. arbeiteten seitdem als Regionalbanken weiter, z. T. unter abgeänderter Firma. Die Sächsische Bank wurde nach 1945 aufgelöst. In der Bundesrep. Dtl. und in der Dt. Dem. Rep. sind P. nicht mehr zugelassen; das Recht der Notenausgabe liegt ausschließlich bei der Deutschen Bundesbank und der Deutschen Notenbank.

Privatrecht, Bürgerliches Recht, latein. Ius privatum. Ius civile, der Teil des Rechts, der die Beziehungen der Bürger untereinander zum Gegenstand hat und ihren privaten Interessen dient, im Unterschied zum öffentlichen Recht. Das P. hat es überwiegend mit Sozialbeziehungen zu tun, in denen sich die Beteiligten gleichberechtigt und gleich stark gegenüberstehen (Koordinationsverhältnis). Es ist grundsätzlich so angelegt, daß die Rechtsteilnehmer ihre Privatinteressen mit dem Mittel der Privatautonomie verfolgen können. Mit Einführung des liberalen Wirtschaftssystems wurde das P. zugleich die Ordnung der Wirtschaft. Seit dem ersten Weltkrieg wurde das P. durch die Entwicklung des Staatsinterventionismus im Bereich der Wirtschaft zugunsten des öffentl. Rechts zurückgedrängt, z. B. im Mietnotrecht und anderen Bewirtschaftungsvorschriften. Zum P. gehören das Bürgerliche Recht (Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht; Bürgerliches Gesetzbuch), Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Wechsel-und Scheckrecht, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Das P. bildet neben dem Strafrecht den ältesten Teil der Rechtsordnung. Die Unterscheidung zwischen P. und öffentl. Recht ist im kontinentalen Recht grundlegend, anders im anglo-amerikan. Recht. Noch im 19. Jahrh. genossen nur die dem P. angehörenden Rechtsverhältnisse vollen gerichtl. Schutz; erst seit der Ausbildung der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich dies geändert. Heute ist die Unterscheidung praktisch vor allem für die Zuständigkeit der Gerichte von Bedeutung; privatrechtl. Streitigkeiten gehören vor die ordentlichen, öffentlich-rechtl. vor die Verwaltungsgerichte.

In einem besonderen Sinn ist Deutsches P. ein System von Rechtssätzen, das die dt. Rechtswissenschaft im 18. und 19. Jahrh. aus den Rechtsquellen des germanisch-deutschen Rechts des MA. und den aus ihm abgeleiteten Partikularrechtsquellen zu entwickeln suchte. Es stand dem Gemeinen Recht gegenüber, das aus dem rezipierten römischen Recht erwachsen war. Wie dieses ist auch das dt. P. 1900 durch das Recht des BGB. ersetzt worden. - Privatrechtsgeschichte der Neuzeit ist die Geschichte des P. seit der Rezeption (siehe Rechtswissenschaft).

G. BOEHMER: Die Grundlagen der bürgerl. Rechtsordnung, 3 Tle. (1950/52); F. v. HIPPEL: Zum Aufbau u. Sinnwandel unseres Privatrechts (1957); A. B. SCHWARZ: Rechtsgesch. u. Gegenwart (1960); R. PARKER: Das P. in den Verein. Staaten (1960); H. KUSSMANN: Lexikon des P., l (1964); Schweizer. P., hg. v. M. GUTZWILLER u.a. (1967); F. WIEACKER: P.-Gesch. der Neuzeit (21967); M. BALLINGER: Öffentl. Recht u. P. (1968); H. MITTEIS: Dt. P. (51968); G. WESENBERG: Neuere dt. R-Gesch. (21969); A. MAKAROV: Grundriß des internat. P. (1970); D. HENRICH: Einf. in das engl. P. (1971).



Privation [lat. privatio >Beraubung<] die, in der Logik eine Art der Negation, welche das Fehlen oder den Mangel eines Merkmals ausdrückt. So können >Nichts< oder >Böses< als P. aufgefaßt werden. Als privatives Merkmal bezeichnet man ein Prädikat, welches das Fehlen von (natürlichen) Merkmalen ausdrückt.
Privatisierung, die Überführung von Staatsbesitz in Privateigentum. Ziel der P. ist die Bildung privaten Vermögens auf möglichst breiter Basis, bes. in Arbeitnehmerhand, durch Streuung von Anteilen am Kapital der privatisierten oder teilprivatisierten Unternehmen. Dieses Ziel soll bes. durch Ausgabe von Volksaktien erreicht werden. Reprivatisierung bedeutet die Rückführung verstaatlichter Unternehmen in Privathand; als Forderung einer liberalen Wirtschaftspolitik ist sie eine Gegenbewegung gegen die Sozialisierung und erstrebt eine Förderung der unternehmerischen Privatinitiative.
In der Bundesrep. Dtl. wurden teilweise privatisiert: 1959 die ->Preussag AG. zu 77,6%, 1961 die Volkswagenwerk AG. durch Ausgabe von Aktien an rd. eine Million Aktionäre zu 60% und 1965 die Veba (Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks-AG.) zu 64%.
Privativum [lat.] das, Grammatik: ein Verbum, das ein Berauben ausdrückt, z. B.: häuten, köpfen, schwänzen (eigentlich: des Schwanzes berauben, dann übertragen: Schulschwänzen).
Privateigentum, das in die persönl. Verfügungs-, Bestimmungs- und Nutzungsmacht des einzelnen gestellte Eigentum, im Unterschied zum Eigentum der öffentl Hand (>öffentliches Eigentums Verwaltungsvermögen) und zum Gemeineigentum.
FUNKTIONEN SOZIALETHISCHE BEURTEILUNG - ORDNUNG
Das P. gilt seinen Befürwortern als Folge und notwendige Erfüllung eines dem Menschen wesensmäßig eigenen Aneignungstriebes, der im Sinne der Verhaltensforschung dem Revier- oder Territorialverhalten der Tiere entspricht. Zum Beispiel zeigt sich auch bei Kindern, die im Kibbuz, in einer Umwelt ohne die Vorstellung des P., aufwachsen, früh ein Gefühl für P. - Auch gesellschaftlich werden dem P. mehrere Funktionen zugeschrieben: Zunächst erhöhe die Institution des P. auf frühen Stufen gesellschaftlicher Entwicklung die biolog. Überlebenschancen der Gruppe (Schadenersatz statt Blutrache, Geldbuße statt Leibesstrafe). Weiter gestatte es die Befriedigung menschl. Sicherheitsstrebens und sei ein Garant persönl. Freiheit, weil es einen Raum individueller Verfuegungsmacht schafft
der dem Zugriff der Gesellschaft entzogen ist. Schliesslich kaeme die durch das Streben nach P. geweckte Privatinitiative als Antriebskraft der wirtschaftlichen Produktion der Gesamtgesellschaft zugute.
Die sozialiethische Beurteilung schwankt je nach dem Standpunkt des einzelnen von der Anerkennung dieser Argumente bis zur radikalen Ablehnung des Privateigentums.
Oefter wird auch ein Unterschied gemacht zwischen dem P. an den Gütern des persönl. Bedarfs und jenem an Produktionsmitteln.
Freiheitliche Staats- und Rechtsordnungen gewährleisten das P. um die persoenliche Initiative, das selbstverantowortliche Schaffen und die persönl. Kultur zu wahren. In sofchen Ordnungen ist das P. nicht nur fundamentales Rechts- und Wirtschaftsinstitut, ändern zugleich eine Kerneinrichtung des gesellschaftl., staatl. und kulturellen Lebens. Es kann entweder schlechthin uneingeschränkt sein (die Verfügungsmacht steht im freien Belieben des Eigentümers) oder einer Bindung unterliegen (soziale Verantwortung des P.). Während der radikale Liberalismus des 19. Jahrh. auf Schrankenlosigkeit des P. gerichtet war, betonen neuere Verfassungen die sozialen Bindungen des P. (z. B. Art. 14 GG: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen" Entsprechend Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung).

Die unbeschränkte Freiheit des P. kann, bes. in modernen, industrialisierten Wirtschaftssystemen, zu starken Unterschieden in der Eigentumsverteilung führen, die es dem wirtschaftlich Stärkeren erlauben, sein P. im Vergleich zu den wirtschaftlich Schwächeren weiter zu vermehren; daraus können sich erhebliche soziale Spannungen ergeben. Ein Staat, in dem die Freiheit des P. nicht durch soziale Eigentumsbindungen begrenzt ist, gefährdet damit nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch seine eigene polit. Ordnung. Deshalb ist der moderne Sozialstaat bemüht, durch wirtschaftl., sozialrechtl. und steuerliche Maßnahmen eine breitgestreute Eigentumsbildung (Vermögensbildung) herbeizuführen. Dagegen hält er im übrigen an der verfassungsmäßigen Garantie des P. auch für Großvermögen fest.

Sozialist. Staaten hingegen verneinen das P. an allen der Produktion dienenden Gütern; das P. ist hier grundsätzlich auf die Güter des unmittelbaren persönlichen Lebensbedarfes beschränkt. Vorherrschend ist das Volkseigentum (Kommunismus, Marxismus).

In der Bundesrep. Dtl ist gegenüber Enteignung und Sozialisierung der Substanzwert des P. durch die unabdingbare Entschädigungspflicht zugunsten des Eigentümers gesichert. Andererseits ist die Verfügungs- und Nutzungsmacht durch soziale Bindungen und durch die allgemeine Sozialstaatsklausel beschränkt. Der Wesensgehalt der Institution des P. ist auch für den Gesetzgeber unantastbar. Eine nicht unerhebl. Beschränkung des P. bedeutet die ausgedehnte erwerbswirtschaftl. Tätigkeit der öffentl. Hand. Von den Verfechtern des P. wird daher die Reprivatisierung der im Besitz der öffentl. Hand befindlichen Unternehmen gefordert. Obwohl gewerblich genutztes Eigentum der Verwaltung die Möglichkeit gibt, auf die gewerbl. Wirtschaft mit marktkonformen Mitteln

Einfluß zu nehmen und die mit derartigen Unternehmen erzielbaren Gewinne der öffentl. Hand die Finanzierung öffentl. Aufgaben erleichtern, sind solche Unternehmen in der Bundesrep. Dtl. in nennenswertem Umfang in Privateigentum überführt worden. Derartige Privatisierungen dienten erklärtermaßen der Vermögensbildung und damit dem Ziel, auch die sozial schwächeren Schichten am P. zu beteiligen.

In der Dt. Dem. Rep. gilt als P. entsprechend der marxistischen Lehre lediglich das Eigentum an Produktionsmitteln. Im Rahmen der auf dem Sozialist. Eigentum fußenden Eigentumsordnung ist ihm nur eine Rest- und Uebergangsfunktion durch Art. 14 Verf. eingeraeumt,
wobei Gesellschaftl. Bedürfnisse befriedigen, der Erhoehung des Volkswohlstandes und der Mehrung des gesllschaftlichen Reichtums dienen muss.
Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher Macht sind verboten. In P. befindet sich noch eine Anzahl von Betrieben im Bereich der Industrie der Landwirtschaft und des Einzelhandels. Dogmatisch nicht als P. angesehen wird das persönliche Eigentum<, das in rechtl. Hinsicht jedoch starke Ähnlichkeiten mit diesem aufweist. Es ist jedoch von vornherein insofern zweckgebunden, als es lediglich der materiellen und kulturellen Bedürfnisbefriedigung dient und sein Gebrauch den Interessen der Gesellschaft nicht zuwiderlaufen darf (Art. 11 Verf.). Eigentum an Grund und Boden kann sowohl als P. wie auch als persönl. Eigentum angesehen werden. In beiden Fällen ist jedoch die Verkehrsfähigkeit durch die Grundstücksverkehrsordnung v. 11. 1. 1963 erheblichen Beschränkungen unterworfen. Über Österreich und die Schweiz siehe Eigentum.

GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG
Entgegen früheren Annahmen hat es bei keinem erforschten Naturvolk einen Urkommunismus (Primärkommunismus), eine Phase ohne jedes P., gegeben. Auf frühen Entwicklungsstufen der Völker besteht jedoch in der Regel vorwiegend Gemeineigentum, bes. an Grund und Boden (Allmende). Die Kultur jeder bekannt gewordenen menschl. Gruppe hat auch die Vererbbarkeit des P. an bestimmte Personen anerkannt. Individuen, selbst Kinder oder Frauen innerhalb einer Großfamilie, haben P. (Tiere, Waffen, Boote, Bäume). Bei einigen Stämmen entwickelte sich zuerst das P. an fruchttragenden Bäumen und daraus später am Land, auf dem sie standen. Die gegenseitige Achtung eines P. bestand vor jeder sozialen Klassenbildung.
In der Agrarwirtschaft bilden sich durchweg besondere Formen des gebundenen P. aus, teils lehnsrechtl. Art (Feudalismus), teils auf Grund der Unterscheidung von Ober- und Untereigentum (Erbuntertänigkeit, Gutsherrschaft, Hintersassen), teils auf Grund familienrechtlicher Bindungen (Anerbenrecht, Erbhofrecht, Fideikommiß, Höferecht). Im Zuge der Bauernbefreiung wurde in Dtl. grundsätzlich das freie Agrareigentum hergestellt. In der Stadtwirtschaft entwickelte sich früh das freie P.; dazu trug besonders die Übernahme des römisch-rechtlichen Eigentums-begriffs bei. Die im 19. Jahrh. entwickelte Wirtschaftsverfassung der freien Markt-(Wettbewerbs-)Wirt-schaft gründet sich auf die Freiheit des P., die dem einzelnen die beliebige Benutzung und Ausweitung seines Eigentums gestattete. Auf dieser Grundlage kam es nicht nur zur Konzentration ausgedehnter Eigentumsmassen in privater Hand, sondern auch zur Bildung großer, mit erheblichem P. ausgestatteter Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, GmbH.), bei denen oft, insbes. wenn das Gesellschaftskapital breit gestreut ist wie bei >Publikumsgesellschaften<, unerkennbar ist, welche natürlichen Personen Mitglieder der Gesellschaft und damit mittelbar Träger der wirt-schaftl. Verfügungsmacht über das P. sind (>anonymes P.<). Außer nationalökonomischen Gründen werden für das freie P. vielfach auch religiöse und ethische Argumente angeführt, da der einzelne nur als freier Eigentümer seiner religiös und sittlich geforderten Selbstverantwortung genügen kann; doch hat die christl. wie die profane Sozialethik seit dem 19. Jahrh. angesichts der wachsenden Ungleichheit in der Verteilung des Eigentums in zunehmendem Maße die soziale Bindung des P. gefordert (-»Sozialreform) Die Sozialist. Kritik hat darüber hinausgehend die Vergesellschaftung des P. an den Produktionsmitteln verlangt (->Kommunismus, -»Sozialismus); neuerdings zielen in der Bundesrep. Dtl. die Sozialist, oder sozial-reformerischen Forderungen bes. auf die Einführung des Mitbestimmungsrechts (-> Mitbestimmung).
Die moderne Entwicklung des Eigentums ist von widersprechenden Grundzügen bestimmt. Während in der östl. Welt das P. auf bescheidene Reste eingeschränkt ist, bekennen sich die westl. Nationen grundsätzlich zu seiner Erhaltung.
Durch die Progression der Vermögens- und Erbschaftssteuern sucht man allerdings größere Vermögen zu reduzieren. Eine andere Tendenz zeigt sich im Urheberrecht : geistiges Eigentum wird neuerdings stärker geschützt, es kann zum Produktionsmittel werden.

Stichwoerter:  Besitz • Eigentum • Enteignung • Freiheit • Gemeineigentum • Kommunismus • Liberalismus • Marxismus • Primärkommunismus • Sozialisierung • Sozialismus • Vermögensbildung.

F. ENGELS: Der Ursprung der Familie, des P. u. des Staates (1884); L. DE SOUSBERGHE: Das P. als Naturrecht, in: Dokumente, 7 (1951); W. NIPPOLD: Die Anfänge des Eigentums bei den Naturvölkern u. die Entstehung des P. (Den Haag 1954); R. SCHOTT: Die Arten des Übergangs vom Gemeineigentum zum Privatbesitz, in: Dt. Landesreferate zum VI. Internat. Kongreß für Rechtsvergleichung 1962 (1962); H. REINER: Grundlagen, Grundsätze u. Einzelnormen des Naturrechts (1964); A. SCHRADER: Die soziale Bedeutung des Besitzes in der modernen Konsumgesellschaft (1966); R. ARDREY: The territorial imperative (New York 1966); G. BREIDENSTEIN: Das Eigentum u. seine Verteilung (1968); F. BEUTTER: Die Eigentumsbegründung in der Moraltheorie des 19. Jahrh. (1971); F.A.V.HAYEK: Die Verfassung der Freiheit (a.d.Engl., 1971).

privater Verbrauch, Ausgaben der privaten Haushalte für Waren und Dienstleistungen, ein Teil der Verwendung des Sozialprodukts. Er umfaßt nur Ausgaben aus eigenen Einkommen; Sachübertragungen vom Staat (Medikamente u. ä. der Sozialversicherung) rechnen zum Staatsverbrauch. Langlebige Gebrauchsgüter (Autos, Möbel u. ä.) zählen zum p. V., nicht dagegen Wohnhäuser, die als Investition angesehen werden.

privatautonomie, die dem einzelnen von der Rechtsordnung eingeräumte Möglichkeit, seine Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäfte nach seinem Willen zu gestalten. Wichtigster Ausfluß der P. ist die Vertragsfreiheit. Die P. ist gesetzlich vielfach eingeschränkt durch Vorschriften, die den Schutz des sozial Schwächeren bezwecken (z. B. im Miet- und Arbeitsrecht) oder öffentl. Interessen dienen. Allgemeine Grenze der P. ist die anerkannte Sittenordnung; ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft ist nichtig (§ 138 BGB.). Zu den gesetzl. Begrenzungen tritt die faktische Einschränkung der P. durch unterschiedliche Wirtschaft!. Macht-und Marktverhältnisse, wie sie z. B. in den Allgem. Geschäftsbedingungen von Großunternehmen und Verbänden zum Ausdruck kommt.

Privatbahnen, die Eisenbahnen im Eigentum von Privatunternehmen im Unterschied zu den Staatsbahnen. Das >Privatbahnsystem< ist die ältere und nur noch in wenigen Staaten vorherrschende Form (z. B. in den Verein. Staaten). Beim >gemischten System< bestehen Staatsbahnen und P. nebeneinander.
In der Bundesrep. Dtl. ist der Begriff P. eine noch häufig verwendete, aber nicht mehr zutreffende Bezeichnung für nichtbundeseigene Eisenbahnen (NE-Bahnen), die im Eigentum von Privatunternehmen oder auch von Gebietskörperschaften (Ländern, Gemeinden) stehen. Nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz v. 29. 3. 1951 kann das Recht, eine nichtbundeseigene Eisenbahn zu bauen und zu betreiben, erst dann von einem Lande selbst ausgeübt oder von einer obersten Landesverkehrsbehörde verliehen werden, wenn nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums das Recht des Eisenbahnbaus und -betriebs für die Dt. Bundesbahn m Anspruch genommen wird. Die NE-Bahnen werden von dem Land beaufsichtigt, in dessen Gebiet sie liegen. Die Aufsicht kann ganz oder teilweise der Dt. Eisenbahnen (BDE), Köln, zusammengeschlossen; ihm gehörten (1970) 190 NE-Bahnen (davon 51 des nicht-öffentl. Verkehrs) mit einem Streckennetz von 4452 km an. Befördert wurden (jährlich) im Güterverkehr 130 Mill. t und im Personenverkehr 78 Mill. Personen.

Privatbanken, im weiteren Sinn alle privatrechtl. Banken im Unterschied zu den öffentl.-rechtl., im engeren Sinn die von Privatbankiers als Einzelfirma, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, auch als GmbH, betriebenen Banken im Unterschied zu den in Form von Aktiengesellschaften betriebenen Großbanken (->Banken). Entsprechend können als Privatbankier alle geschäftsführenden Gesellschafter und Einzelunternehmer des privaten Bankgewerbes bezeichnet werden, die unter Einsatz eigenen Kapitals, unbeschränkter Haftung ihres Gesamtvermögens (Betriebs- und sonstigen Vermögens), alleiniger Entscheidungsbefugnis (ohne übergeordnete Organe) Bankgeschäfte (§ l Kreditwesengesetz v. 10. 7.1961) betreiben. In der Bundesrep. Dtl. sind die P. (im weiteren Sinn) im Bundesverband Deutscher Banken e.V., Köln, zusammengeschlossen, dem insgesamt 303 Kreditinstitute, davon 148 Privatbankiers, angehören (Stand 1. 9. 1970). In der Dt. Dem. Rep. DDR wurden nach 1945 die P. aufgelöst und die Enteignung der Eigentümer ab Nov. 1947 formell durch Ländergesetze bestätigt. In Österreich gibt es 16 P. (Bankierfirmen), die in Form von Kommanditgesellschaften oder offenen Handelsgesellschaften geführt werden. In der Schweiz sind 50 Privatbankiers registriert, die hauptsächlich das Wertschriften- und Vermögensverwaltungsgeschäft betreiben.

Privatdelikt, röm. Recht: ein Delikt, das vom Verletzten vor den Zivilgerichten verfolgt werden konnte. Dabei stellte der Rechtsschutz stärker auf Vergeltung als auf Schadensersatz ab (Pönalklage). Die P. hatten Ähnlichkeit mit den Straftaten, die nach der StPO. durch Privatklage verfolgbar sind.

Privatdiskonten, die von zum Privatdiskontmarkt zugelassenen Banken akzeptierten -^Wechsel, die von guten Industrie- oder Handelsfirmen ausgestellt sind und der Finanzierung internat. Warengeschäfte dienen. Die P. sollen Angaben über das zugrunde liegende Geschäft tragen. Sie dürfen höchstens 90 Tage laufen, müssen über mindestens 100000 DM lauten und sollen l Mill. DM nicht übersteigen, wobei die Wechselsumme durch 5000 teilbar sein soll. P. sind wichtige Geldmarktpapiere (-> Geldmarkt). Sie werden unter Abzug eines Vorzugssatzes, des Privatdiskontsatzes, der in der Regel unter dem Diskontsatz (-> Diskont) der -> Deutschen Bundesbank liegt, von der Privatdiskont AG. (gegr. 1959 vom dt. Kreditgewerbe, Sitz: Frankfurt a. M., Grundkapital: 5 Mill. DM) ange-und verkauft. Der Privatdiskontsatz wird an Börsentagen, im Beisein eines Vertreters der Dt. Bundesbank, unter Mithilfe der Privatdiskont AG. festgestellt, die alleinige Maklerin auf dem Privatdiskontmarkt ist. P. sind in die Geldmarktregulierung durch die Dt. Bundesbank einbezogen, die dabei nur mit der Privatdiskont AG. kontrahiert.



Allmende [ahd. >algimeinida<], 1) in Westfalen und Niedersächsen Mark, der Teil der Gemeindeflur, der sich im Gemeineigentum der Dorfgenossen (-> Markgenossenschaft) befindet, gewöhnlich Weide, Wald und Ödland, mitunter auch Weinberge und Wasserläufe, von den Markgenossen je nach Herkommen und Bedarf zur Viehweide, Schweinemast, Holznutzung, Jagd und Fischerei genutzt; doch kann auch einzelnen A.-Berechtigten gegen Entgelt ein Sonderrecht (z. B. an einem Steinbruch) übertragen sein. In West- und Süddeutschland umfaßte die A. einen wesentlichen Teil der Dorfgemarkung, in Ostdeutschland hatte sie geringere Bedeutung.

Die A.-Verfassung und die rechtl. Regelung der A.-Nutzung geht zum Teil bis ins 10. Jahrh. zurück. Nutzungsberechtigt waren nur dre ansässigen Bauern (Hufenbesitzer), die sich vielfach als Altgemeinde oder Realgemeinde, in der Schweiz A.-Korporation, von bloßen Einwohnern (Büdnern, Heuslern), von

Handwerkern u. a. absonderten. Vom A.-Regal spricht man für das frühe und hohe MA. in bezug auf das Recht des Königs, Wälder, die nicht in Sondereigentum standen oder genossenschaftlicher Besitz waren, in Anspruch zu nehmen als königl. Bannwälder oder Forsten. Bald beanspruchten auch die Territorial-fürsten ein A.-Regal in bezug auf Holznutzung. Jagdrecht, Rodung u. dergl. Seit dem 18. Jahrh. begann die Auflösung der A. (-> Separationen, Gemeinheitsteilungen); doch haben Reste vor allem im alemann. Gebiet bis heute Bestand. Die A. bildeten früher eine wertvolle Einnahmequelle der Gemeinden und waren ein Mittel zur Unterstützung ärmerer Dorfbewohner.

Im bayerisch-österreich. Raum ist für A. der Ausdruck Gemeinde (schon im 11. Jahrh. in Urkunden gimeinida) gebräuchlich. In Gebieten mit starker Grundherrschaft war neben dem genossenschaftlichen das herrschaftl. Element bedeutsam. In Österreich verfügte Maria Theresia 1769 die Aufteilung der Gemeindeweiden und -wälder auf die Nutzungsberechtigten, um im Sinne der Physiokraten die individuelle Bonifizierung von Grund und Boden zu fördern.

In der Schweiz findet man häufig A.-Genossenschaften, die als Realgemeinden von den Einwohnerund Bürgergemeinden unterschieden werden.

H. PLANITZ: Dt. Rechtsgeschichte (21961); W. ABEL: Agrarpolitik (21958); ders.: Gesch. der dt. Landwirtschaft... (1962); K. BADER : Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde (Weimar 1962); H. CONRAD: Dt. Rechtsgesch. (21962); Die Anfänge der Landgem. u. ihr Wesen (Vorträge u. Forschungen, hg. v. Konstanzer Arbeitskreis f. mittelalterl. Gesch. 7/8, 1964); F. LÜTGE: Gesch. der dt. Agrarverfassung... (31966).

2) Schweiz: Bauwich, Raum zwischen zwei Häusern.


zurueck