Reichsbruderschaft Jesu Christi, seit 1954 die Bezeichnung der 1935 von ABKAM POLJAK (* Mogiljow 10.3.1900) gegründeten "Judenchristlichen Gemeinde". Sie will in Bewahrung jüd. Eigenart Israel auf die endzeitl. Bekehrung durch Christus vorbereiten. Ihre Zentrale befindet sich in Jerusalem, Mittelpunkt in Dtl. ist Möttlingen, Kr. Calw. Ztschr.: Judenchristi. Gemeinde (seit 1935). A. POLJAK: Die jüd. Kirche (1945); ders.: Das Kreuz im Davidstern (61951).
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner, gegr. am 22.2. 1924, Sitz: Magdeburg. 1932 hatte das R. S.-R.-G. 3,5 Mill. Mitglieder. Gründer waren die Sozialdemokraten O. HÖRSING und K. HÖLTERMANN. Das R. S.-R.-G., geplant als Wehrverband der zur Verteidigung der Weimarer Republik entschlossenen Parteien und Gruppen, schloß sich 1932 mit den Freien Gewerkschaften und anderen Verbänden zur Eisernen Front zusammen. 1933 wurde es von der nationalsozialist. Reichsregierung aufgelöst.
Rathenau, 1) Emil, Unternehmer,
* Berlin 11. 12. 1838 + ebd 20.6.1915; er erkannte früh die Bedeutung
der Elektrotechnik und deren zukünftige Entwicklungschancen. 1881
erwarb er die Patente T. A. Edisons und gründete zu ihrer Ausnutzung
1883 die >Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität<,
aus der 1887 die Allgemeine Elektri-citäts-Gesellschaft (AEG) hervorging;
1884 errichtete R. die >Berliner Elektrizitätswerke< 1903 zusammen
mit W. von -> Siemens die >Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie
m. b. H.<.
F. PINNER: E. R. und das
elektrotechn. Zeitalter (1918); W. RATHENAU: Gedächtnisrede für
E. R., in: ders.: Ges. Schriften, 5 (Neuaufl. 1929).
2) Walther, Sohn von 1), Industrieller
und Politiker (DDP), * Berlin 29.9.1867, + (ermordet) ebd. 24.6. 1922,
war 1892-99 Direktor der Elektrochemischen Werke Bitterfeld. 1900 trat
er in den Vorstand der AEG ein. 1902 wurde er auf ein Angebot von C. FÜRSTENBERG
hin Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft. Ohne die Verbindung
mit dieser zu lösen, trat R. 1907 wieder in den Vorstand der AEG ein
und folgte 1915 seinem Vater als Präsident der AEG. 1914-15 baute
R. die Kriegsrohstoffabteilung im preuß. Kriegsministerium auf zu
deren Gründung R., einer Initiative W. v. MOELLENDORFFS folgend, die
Anregung gegeben hatte.
Politisch trat R. vor 1918 nach außen
nur publizistisch hervor (meist anonym), bes. in M. HARDENS >Zukunft<.
Als Ausweg aus der sich zuspitzenden welt-polit. Situation vertrat er schon
vor Kriegsbeginn den Gedanken einer mitteleurop. Wirtschaftsunion unter
Hinzuziehung Frankreichs. Im Okt. 1918 forderte er die Entfesselung eines
>Volkskriegs< angesichts der Situation der drohenden Niederlage. Nachdem
R. 1919 im vorläufigen Reichswirtschaftsrat und bei den Vorbereitungen
zur Friedenskonferenz tätig geworden war, wurde er 1920 Mitglied der
zweiten Sozialisierungs-kommission. 1920 nahm er an der Konferenz in Spa
und 1921 an der Vorbereitung der Londoner Konferenz teil. Von Mai bis Nov.
1921 war er Wiederauf bau-Min., am 7. 10. 1921 schloß er mit Frankreich
das Wiesbadener Abkommen über dt. Sachlieferungen im Rahmen
der Reparationsverpflichtungen ab. Im Jan. 1922 vertrat er Dtl. auf der
Konferenz von Cannes. Seit dem 1. 2. 1922 Reichsaußen-Min., verfolgte
er weiter den Plan, die Reparationsfrage einer realisierbaren Lösung
näherzubringen. Auf der Konferenz von Genua blieb er darin ohne Erfolg,
schloß aber den Rapallovertrag ab. Wegen seiner >Erfüllungspolitik<
wurde er bes. von nationalist. und antisemit. Gruppen heftig befehdet.
In ihrem Kreis entstand der Plan des Attentats. Auf der Fahrt ins Auswärtige
Amt wurde er von E.KERN und H. FISCHER erschossen.
In R.s reicher schriftstellerischer Arbeit
sind wirt-Probleme, Programme und Prognosen mit eklektizistisch-philosophischen,
kulturkrit. Fragestellungen verbunden. Er suchte angesichts der Unentrinnbarkeit
der modernen technikbedingten Entwicklung deren Gefahren aufzuweisen, indem
er der >Mechanisierung< und der mechanistisch-materialist. Praxis die
Bedürftigkeit des Menschen nach geistigseelischer Transzendierun g
entgegensetzte. Er war durchdrungen vom Gedanken einer kommenden Wende
zu >neuer< Wirtschaft (gemeinwirtschaftliche Zielsetzung jenseits von
Kapitalismus und Sozialismus) und zu neuer< Staats- und Gesellschaftsverfassung
(wiederum jenseites der aktuellen >westlichen< oder >östlichen<
Modelle), in der eine >Versittlichung< der Wirtschaft ermoeglicht werden
sollte.
Schriften. Reflexionen
(1908); Zur Kritik der Zeit (1912); Zur Mechanik des Geistes (1913); Von
kommenden Dingen (1917); Probleme der Friedenswirtschaft (1917); Vom Aktien-wesen
(1917); An Dtl.s Jugend (1918); Die neue Wirtschaft (1918). Die neue Gesellschaft
(1919); Der neue Staat (1919); Der Kaiser (1919); Kritik der dreifachen
Revolution (1919). -Ges. Schriften, 5 Bde. (1918; 6: 1929); Ges. Reden
(1924); Briefe, 2 Bde. (1926); Neue Briefe (1927); Polit. Briefe (1929);
H. Stehr - W. R. Zwiesprache über den Zeiten. . ., hg. v. URSULA MERIDIES-STEHR
(1946); Ein preuß. Europäer. Briefe, hg. u. eingel. V.MARGARETE
V.EYNERN (1955, mit Biogr. u. Bibl.); Schriften u. Reden, hg. v. H. W.
RICHTER (1964); Tagebuch 1907-1922, hg. v. H. POGGE - VON STRANDMANN (1967,
mit Bibl.). E. GOTTLIEB: W.-R.-Bibl. (1929); H. FERNHOLZ: W. R. als Nationalökonom
(1930); G. A. NEUMANN: R.s Reparationspolitik (Diss. Leipzig 1930); K.
C. THALHEIM: Sozialkritik und Sozialreform bei Abbe, R. und Ford (1930);
A. BRECHT : W. R. und das dt. Volk (1950); E. C. KOLLMANN : W. R. and German
foreign policy, in: The Journal of Modern History, 24 (1952); H. M. BÖTTCHER:
W. R. Persönlichkeit u. Werk (1958); J. JOLL : W. R. Prophet without
a cause, in : ders.: Intellectuals in politics. Three biographical essays
(London 1960); H. LAMM: W. R. Denker u. Staatsmann (1968); P. BERGLAR:
Harden u. R., in: Histor. Ztschr., 209 (1969); ders.: W. R. Seine Zeit
- sein Werk - seine Persönlichkeit (1970, mit Bibl.). - Über
die Ermordung Rathenows und den Prozeß: K. BRAMMER: Das polit.
Ergebnis des R.-Prozesses (1922); L. EBERMAYER: 50 Jahre Dienst am Recht
(1930).
Reichsautobahnen die seit 1934 in
Dtl. gebauten AutobahnenFuer den Bau der R.wurde durch Ges. v. 17.6.1933
eine besondere Koerperschaft öffentl. Rechts (Unternehmen Reichsautobahnen)
als Zweigunternehmen der Dt. Reichsbahn geschaffen. Das Unternehmen wurde
1945 aufgelöst, jedoch nicht liquidiert.
In der Bundesrep. Dtl. gingen die R. am
24. 5. 1949 als Bundesautobahnen in das Eigentum des Bundes über;
durch das Bundesfernstraßengesetz v. 6. 8. 1953 traten die Vorschriften
für Bau und Betrieb der R. außer Kraft (siehe Straßenbau).
In der Dt. Dem. Rep. wurden die R. Eigentum des Staates (Art. 124 der Verf.);
die Verwaltung obliegt seit 26. 11. 1954 der Hauptverwaltung des Straßenwesens.
Das R.-Netz war auf 17000 km geplant;
bis 1945 waren in Dtl. rd. 3 500 km dem Betrieb übergeben.
Reichsbank, Deutsche R., die Zentralnotenbank
des Dt. Reichs, eine unter Aufsicht und Leitung des Reichs stehende rechtsfähige
öffentl. Anstalt, gegr. durch das Bank-Ges. v. 14. 3. 1875, Sitz:
Berlin.
DIE REICHSBANK BIS 1923
Die Leitung lag beim Reichskanzler und
unter ihm beim R. Direktorium, dessen Präs, vom Kaiser auf Vorschlag
der Bundesrats ernannt wurde. Die R. besass ein Drittelder Ausgabe von
Banknoten. Mindestens ein Drittel der umlaufenden Noten mußte durch
kursfaehiges dt. Geld, Gold in Barren, auslaendischen Muenzen oder Reichskassenscheine,
der Rest durch gute Handelswechsel gedeckt sein. Seit 1910 waren die Reichsbanknoten
gesetzl. Zahlungsmittel. Die Pflicht der R., ihre Noten jederzeit in Gold
einzulösen, wurde am 4. 8. 1914 aufgehoben. Das Erfordernis der Drittelbardeckung
wurde dadurch umgangen, daß die vom Reich als eine Art Kriegsgeld
ausgegebenen Darlehns-kassenscheine zur Bardeckung gerechnet wurden. Die
bankmäßige Deckung wurde ebenfalls verschlechtert durch Zulassung
von kurzfristigen, unverzinsl. Reichsschatzanweisungen. Die der Notenausgabe
gezogenen Schranken waren damit im wesentlichen beseitigt (Inflation).
Das Ges. v. 26. 5. 1922 über die Autonomie der R. schloß das
Reich von der Leitung der R. aus und übertrug diese ausschließlich
dem R.-Direktorium. Die Absicht, dadurch die dauernde Erhöhung der
Kredite an das Reich zum Stillstand zu bringen, wurde nicht erreicht; die
Schatzanweisungsschuld des Reichs stieg bis zur Stabilisierung der Währung
am 15. 11. 1923 (Rentenmark) auf 191,6 Trillionen Mark.
NEUORDNUNG, ENTWICKLUNG SEIT 1924
Das Bankgesetz v. 30. 8. 1924 organisierte
entsprechend dem ->Dawesplan die R. neu. Danach war sie eine von der Reichsregierung
unabhängige Anstalt.
Der Reichsbankpräsident wurde
vom 14köpfigen Generalrat gewählt,
dem sieben ausländ. Mitgl. angehörten; er ernannte mit Zustimmung
des Generalrats die Mitgl des Reichsbankdirektoriums. Der Reichs-nräsident
hatte lediglich Bestätigungsrechte. Die Generalversammlung als Vertretung
der Anteilseigner wählte den Zentralausschuß, der bes. gutachterl.
Tätigkeit hatte Das Ges. v. 27. 10. 1933 beseitigte den Generalrat
und übertrug die Ernennung und Abberufung des Präsidenten sowie
der Mitgl. des Direktoriums dem Reichspräsidenten; ferner erhielt
die R. die Befugnis, Oflfenmarktpolitikzu betreiben. Das Ges. v. 10.2.1937
unterstellte sie wieder dem Einfluß des Reichs, das R.-Ges. v. 15.
6. 1939 schließlich dem Reichskanzler unmittelbar. Die Einlösung
der Banknoten war in das Belieben der R. gestellt. Vertretung der Anteilseigner
wurde die Hauptversammlung; an die Stelle des Zentralausschusses trat der
Beirat. Der Notendeckung dienten neben den Gold- und Devisenbeständen
die Bestände an Wechseln und Schecks, an Reichsschatzwechseln, an
festverzinslichen, zum amtl. Börsenhandel zugelassenen Wertpapieren,
an Reichsschatzanweisungen und an Lombardforderungen. Die R. pflegte bes.
den Giroverkehr. Die Festsetzung der Höhe der Betriebskredite an das
Reich war seit 1939 dem Reichskanzlerüberlassen ; der Ankauf von kurzfristigen
Reichsschatzanweisungen und Reichswechseln war in praktisch unbegrenzter
Höhe möglich. Die R. mußte regelmäßig R.-Ausweise
veröffentlichen. - 1944 gab es 516 R.-Hauptstellen, R.-Stellen und
R.-Nebenstellen. Die Beschäftigtenzahl betrug über 20000, davon
mehr als Beamte (Deutschland bis 1945/49, Währung).
DIE ZEIT NACH 1945
1945 stellte die Reichsbank ihre Taetigkeit
ein, ausser in der britischen Zone. Ihre Aufgabe uebernahmen in west-deutschland
1946 die Landeszentralbanken und 1948 die Bank deutscher Laender,
in Berlin 1949 die Berliner Zentralbank, in der Dt. Dem. Rep. die
Deutsche Notenbank Trotzdem blieb die R. als Rechtssubjekt bestehen. Erst
das Gesetz über die Liquidation der Dt. R. und der Dt Golddiskontbank
v. 2. 8. 1961 ordnete ihre Auf lösune und Abwicklung an. Die Anteilseigner
wurden durch Bundesbankgenußrechte abgefunden, auf die rückwirkend
ab 1. 1. 1958 ein jährlicher Gewinnanteil von 6% des Nennwertes ausgeschüttet
wurde. Eingezogen werden die Genußscheine durch Auslosung zu 150%
des Nennwertes zu Lasten eines bei der -» Deutschen Bundesbank gebildeten
Fonds.
REICHSBANKPRÄSIDENTEN TOCHTERINSTITUTE
Reichsbankpräsidenten waren:
H. v. DECKEND 1875 bis 1890, R. KOCH 1890-1908, R. HAVENSTEIN 1908 bis
1923, H. SCHACHT 1923-30 und 1933-39, H. LUTHER 1930-33, W. FUNK 1939-45.
Tochterinstitute der R. für
Sonderaufgaben waren: 1) die Deutsche Golddiskontbank; 2) die Dt,
Verrechnungskasse, errichtet durch Ges. v. 16. 10. 1934 als öffentl.
Anstalt mit der Aufgabe, die zur Verrechnungsstelle obliegenden Handlungen
und Rechtsgeschäfte zu tätigen; 3) die Konversionskasse für
dt. Auslandsschulden, errichtet durch Ges. v. 9. 6. 1933 als öffentl.
Anstalt zur Entgegennahme von Zahlungen, die dt. Schuldner für ihre
Verbindlichkeiten aller Art gegenüber ausländ. Gläubigern
zu leisten hatten.
R. KOCH und H. SCHACHT:
Die Reichsgesetzgebung über Münz- und Notenbankwesen (71926,
Erg. 1934); G. v. EY-NERN: Die R. (1928); A. PARCHMANN: Die R. (1933);
S. SPEYERER: Die R.-Verfassung .. . (Diss. Erlangen 1940); A. BITTER: Die
Rechtsstellung der Anteilseigner der Dt. R. (Diss. ebd. 1941); W. BAYRHOFFER
in: Dt. Geldpolitik, mit Beitragen v. dems. u. a. (1941); H. G. SCHACHTSCHABEL:
Die Entwicklung der dt. Währungsgesetzgebung seit der Reichs-^dung,
ebd.; K. R. BOPP: Die Tätigkeit der R. von 1876 Dis 1914, m: Weltwirtschaftl.
Archiv, 72 (1954); H. LUTHER: Notenbank und Scheidemünzen (Diss. Erlangen
1955); H. KITTERSHAUSEN: Die Zentralnotenbank (1962, mit Lit.); M. ÖEEGER:
Die Politik der R. von 1876-1914 im Lichte der Spielregeln der Goldwährung
(1968); R. A. v. RUEDORFFER: R. u. Uarlehnskassen in der Kriegsfinanzierung
1914-18 (1968).